TE Bvwg Erkenntnis 2021/3/23 W281 2228147-1

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Veröffentlicht am 23.03.2021
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Entscheidungsdatum

23.03.2021

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6

Spruch


W281 2228147-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Rosemarie HALBARTH-KRAWARIK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Oberösterreich vom 22.01.2020, Zl. XXXX , wegen Einreiseverbot, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf 18 Monate herabgesetzt wird.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 22.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer (in der Folge: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), der Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Absatz 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.)

Begründend wurde ausgeführt, dass der BF am 04.01.2020 zum Zwecke der rechtswidrigen Aufnahme eines Gewerbes illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und seine Visumbefreiung missbraucht habe. Der BF habe in weiterer Folge ohne gewerbliche Genehmigung im Sinne der Rechtsvorschrift für Gewerbeordnung 1994 ein Gewerbe illegal ausgeübt. In weiterer Folge habe er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt aus legalen Quellen nicht nachweisen können. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet laufe dem wirtschaftlichen Wohl des Landes sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuwider. Der BF verfüge abgesehen von seiner illegalen Einnahmequelle über kein weiteres Einkommen und sei praktisch mittellos. Aufgrund seiner praktischen Mittellosigkeit sei weiterhin davon auszugehen, dass er erneut auf illegale Quellen zurückgreifen werde, um sich den Unterhalt im Bundesgebiet zu finanzieren. Es sei zu prognostizieren, dass er weiterhin beharrlich versuchen werde, illegal ein Gewerbe im Bundesgebiet zu finanzieren. Er habe jedoch die Quellen dafür nicht nachweisen können und auf seine Schwester verwiesen, die jedoch selbst Arbeitslosengeld beziehe. Dazu habe sich aufgrund seiner Angaben der Verdacht des Sozialbetruges bei seiner Schwester ergeben. Die negative Zukunftsprognose, die sich aus dem bisherigen persönlichen Verhalten des BF im Bundesgebiet ergebe, rechtfertige die Annahme, dass sein Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Es sei davon auszugehen, dass der BF auch in Zukunft weiterhin versuchen werde, sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufzuhalten und der illegalen Ausübung eines Gewerbes nachzugehen, zumal er bis zum Schluss kein Unrechtbewusstsein gezeigt habe. Dieser von ihm auszugehende Gefahr könne die Behörde nur mit einem Einreiseverbot in Höhe von zwei Jahren begegnen. Bei der Bemessung des Einreiseverbotes sei das Ausmaß seines Familienlebens-und Privatlebens berücksichtigt. In weiterer Folge sei seine sofortige Ausreise unbedingt notwendig.

1.2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 28.01.2020 Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und ausgeführt, dass der BF während seiner Einvernahme angegeben habe, dass er keiner unerlaubten Tätigkeit nachgegangen sei, weil er das Trockengesteck nicht verkauft, sondern umsonst verteilt habe. Dabei hätten ihm manche Leute auch Kleingeld gegeben. Die Entscheidung der Behörde, gegen ihn ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren zu verhängen, sei daher nicht gerechtfertigt und überzogen, besonders, da er zum ersten Mal Sachen verteilt habe und nicht gewusst habe, dass es in Österreich strafbar sei. Zudem habe er seine visumfreie Aufenthaltsdauer nicht überschritten. Der BF habe beabsichtigt, sich nur einige Tage im Bundesgebiet aufzuhalten und sei bei seiner Schwester zu Besuch gewesen. Er weise darauf hin, dass er unbescholten sei und auch das AuslBG nicht verletzt habe. Von ihm gehe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit aus, vor allem keine, die ein Einreiseverbot für die Dauer von zwei Jahren rechtfertigen würde. Die belangte Behörde habe nicht genügend Ermittlungen durchgeführt, um festzustellen, ob der BF mittellos sei, noch ausreichend begründet, weshalb er in dem fälscherweise festgestellten Sachverhalt eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Auch die Bemessung des Einreiseverbotes sei von der Behörde nicht ausreichend begründet und somit nicht nachvollziehbar. Der BF stelle keinerlei Bedrohung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, vor allem keine, die eine Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren rechtfertigen würde. Keinesfalls sei der BF mittellos, da der BF von seiner Schwester unterstützt werde. Eine genauere Prüfung in Bezug auf die Vermögensverhältnisse des BF sei durch die Behörde nicht durchgeführt worden. Der BF wäre bereit gewesen, das Bundesgebiet freiwillig zu verlassen, was er mittlerweile auch gemacht habe. Auch wenn man von dem - tatsächlich nichtzutreffenden - Umstand, dass der BF mittellos sei, ausgehen würde, reiche dies noch nicht aus, um ein Einreiseverbot zu verhängen. Die Behörde unterlasse es, zu prüfen und zu begründen, wieso die Mittellosigkeit des BF eine Gefährdung für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

1.3. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020, eingelangt am 30.01.2020, vorgelegt.

1.4. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.03.2020 wurde der Akt einer anderen Gerichtabteilung neu zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Beschwerde richtet sich ausschließlich gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides, somit ist die Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen rechtskräftig und nur über das Einreiseverbot abzusprechen.

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Republik Serbien und wurde am XXXX geboren. Seine Identität steht fest.

Der BF reiste am 04.01.2020 ins Bundesgebiet ein und verkaufte jedenfalls am 06.01.2020 Trockengestecke für das orthodoxe Weihnachtsfest bei einer orthodoxen Kirche in Wien. Ein Plastiksack mit Trockengestecken wurde sichergestellt. Die Trockengestecke hatte der BF aus Serbien mitgebracht.

Der BF verfügt in Österreich weder über einen Aufenthaltstitel noch eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung. Er verfügt nicht über einen Gewerbeschein.

Der BF verfügte zu keinem Zeitpunkt über eine aufrechte Meldung in Österreich. Er ist in Österreich weder sozial, beruflich noch kulturell integriert und spricht kein Deutsch.

Der BF hat im Bundesgebiet eine volljährige Schwester, die jedenfalls vom 11.11.2019 bis zum 10.01.2020 Arbeitslosengeld bezog.

Dem BF stehen keine legalen Möglichkeiten zur Finanzierung seines Aufenthalts im Bundesgebiet zur Verfügung.

In Serbien leben die Ehefrau und die fünf Kinder des BF. Er hat im Herkunftsstaat acht Jahre die Grundschule besucht und anschließend eine Ausbildung als Chauffeur abgelegt.

Der BF begab sich am 24.01.2020 auf dem Landweg nach Serbien.

2. Beweiswürdigung:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum) und Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem im Zuge des Verfahrens sichergestellten, bis 2029 gültigen, serbischen Reisepass (AS 4).

Dass der BF am 04.01.2020 eingereist ist und am 06.01.2020 beim Verkauf von Trockengestecken beobachtet wurde und polizeilich aufgegriffen wurde, beruht auf einer Anzeige der Landespolizeidirektion Wien vom 06.01.2020. (AS 1, sowie der Passkopie AS 4). Daraus ergibt sich ebenfalls die Sicherstellung der Trockengestecke. Dass der BF die Trockengestecke aus Serbien mitgebracht hat, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 22.01.2020 (AS 40).

Die Feststellungen zum fehlenden Aufenthaltstitel und zur fehlenden arbeitsmarktbehördliche Bewilligung geht konkludent aus einem aktuellen Auszug aus dem Fremdenregister (IZR) vom 11.03.2020 hervor. Zudem hat der BF im gesamten Verfahren nicht behauptet, über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung oder über einen Gewerbeschein zu verfügen.

Die mangelnden finanziellen Mittel des BF sowie die Lebensumstände sowie familiären Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat gehen aus seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 22.01.2020 (AS 42f) hervor.

Die Feststellungen zur sozialen und beruflichen Integration ergeben sich aus dem Akteninhalt und sind über dies unstrittig. Die Feststellung zur fehlenden Meldung ergeben sich aus einer Abfrage zum Zentralen Melderegister (ZMR).

Dass der BF im Bundesgebiet eine volljährige Schwester hat, geht aus seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vom 22.01.2020 (AS 41) hervor. Die Feststellungen zur Schwester und dem Bezug von Arbeitslosengeld ergeben sich aus einer Abfrage zum AJ-Web.

Die freiwillige Ausreise des BF nach Serbien geht aus dem Auszug aus einer Einsicht ins Fremdenregister vom 11.03.2020 hervor.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

3.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2. wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3. wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4. wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5. wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6. den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8. eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9. an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

…“

3.2. Zum Einreiseverbot

3.2.1. Beim Erstellen der für ein Einreiseverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Stellung der für jedes Einreiseverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose - gleiches gilt auch für ein Aufenthaltsverbot oder Rückkehrverbot - ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 53 Abs. 2 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an. (VwGH 19.2.2013, 2012/18/0230)

Solche Gesichtspunkte, wie sie in einem Verfahren betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot zu prüfen sind, insbesondere die Intensität der privaten und familiären Bindungen in Österreich, können nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen reduziert werden (VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen. (VwGH 20.12.2016, Ra 2016/21/0109).

Wie sich aus § 53 FPG ergibt, ist bei der Verhängung eines Einreiseverbots das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen in die Betrachtung miteinzubeziehen. Dabei gilt es zu prüfen, inwieweit dieses die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

3.2.2. Mit Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wurde gegen den BF gemäß §§ 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ist eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung dann anzunehmen, wenn der BF den Besitz zu seinen Mittel nicht nachzuweisen vermag. Die belangte Behörde begründete das Einreiseverbot mit dem Umstand, dass der BF zur rechtswidrigen Aufnahme eines Gewerbes illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und seine Visumsbefreiung missbraucht habe. Er habe illegal ein Gewerbe ausgeübt. Es sei davon auszugehen, dass der BF in Zukunft auch weiterhin versuchen werde und der illegalen Ausübung eines Gewerbes nachzugehen und der BF bis zum Schluss kein Unrechtsbewusstsein gezeigt habe.

Ausführungen zu den fehlenden Mitteln um einen gesicherten Unterhalt nachzuweisen waren nur im Zusammenhang von Zitierung von Rechtsprechung in der rechtlichen Beurteilung vorhanden. Auch die Ausübung des Gewerbes war in der rechtlichen Beurteilung nicht mehr umschrieben, fand sich aber zumindest auszugsweise in den Feststellungen. Welches Gewerbe der Beschwerdeführer konkret zu Unrecht ausgeübt haben soll, geht allerdings aus dem angefochtenen Bescheid nicht hervor. Es geht auch nicht hervor, ob es sich um ein freies oder reglementiertes Gewerbe handeln soll.

Die Gewerbeordnung (GewO) unterscheidet zwei Arten von Gewerben, deren Anmeldung und Ausübung an verschiedene Voraussetzungen gebunden ist. Freie Gewerbe dürfen, wenn die allgemeinen Voraussetzungen zur Gewerbeanmeldung gegeben sind, ohne Befähigungsnachweis angemeldet und ausgeübt werden. Für die Anmeldung eines reglementierten Gewerbes benötigt man einen Befähigungsnachweis. Darunter versteht man ein Zeugnis über die fachlichen und kaufmännisch-rechtlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen des Gewerbetreibenden.

Da konkrete Feststellungen und eine diesbezügliche rechtliche Beurteilung fehlt, konnte im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer „ein Gewerbe ausgeübt hat“, dass er nicht hätte ausüben dürfen.

3.2.3. Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen. Aus der Mittellosigkeit eines Fremden resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel auch die Annahme einer Gefährdung im Sinn des (nunmehr:) § 53 Abs. 2 FrPolG 2005 gerechtfertigt ist (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung zu den insoweit gleichgelagerten Vorgängerbestimmungen des FrPolG 2005 etwa VwGH 22.1.2013, 2012/18/0191; 13.9.2012, 2011/23/0156, jeweils mwN; vgl. weiters der Sache nach bei der Beurteilung gemäß § 53 Abs. 2 Z 6 FrPolG 2005 auf diese Judikatur abstellend VwGH 30.8.2018, Ra 2018/21/0129, Rn. 11 und 12).

Der BF konnte weder nachweisen, dass er Anspruch auf Unterhalt hat oder einen Rechtsanspruch auf Mittel zur Sicherung seiner Existenz hat. Er geht keiner legalen Beschäftigung in Österreich nach. Auch seine Schwester hat in diesem Zeitraum lediglich bloß Arbeitslosengeld bezogen und stellt der Umstand, allenfalls bei der Schwester wohnen zu können, jedenfalls keinen Umstand dar, der die Annahme rechtfertigt, dass der Unterhalt für die Dauer des Aufenthaltes gesichert wäre.

Ein derartiges Vorbringen hinsichtlich der konkret beabsichtigten Dauer seines Aufenthaltes in der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum und der dabei geplanten Bestreitung seines Unterhaltes hat der BF nicht substantiiert erstattet und keine entsprechenden Bescheinigungsmittel vorgelegt, weshalb die belangte Behörde im Ergebnis zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG ausgegangen ist.

Die genannten Umstände rechtfertigten deshalb nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des BF im Bundesgebiet eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt, da ihm seine arbeitslose Schwester nicht den Unterhalt sichern kann. Auch ist die Argumentation schlüssig, dass die Gefahr besteht, dass der BF wiederholt ins Bundesgebiet einreisen wird, um weiterhin, sei es auch nur zu Feiertagen, Trockengestecke zu verkaufen. Dem ist der BF in seiner Beschwerde auch nicht substantiiert entgegengetreten.

Sofern der BF in der Beschwerde erstmals vorbringt dass er nicht gewusst habe, dass der Verkauf von Trockengestecken verboten sei, ist zu entgegnen, dass er dies zum einem bei der Einvernahme nicht vorgebracht hat, sondern den Verkauf lediglich „heruntergespielt“ hat und zum zweiten es die Verpflichtung des Fremden ist sich vor Einreise in ein Land über die bestehenden Gesetze zu informieren.

3.2.4. Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK ihre Verhältnismäßigkeit am Maßstab des § 9 BFA-VG 2014 zu prüfen. Das gilt aber nicht nur für die Rückkehrentscheidung und für das in § 9 Abs. 1 BFA-VG 2014 ausdrücklich genannte Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG, sondern auch für das - nur bei gleichzeitiger Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässige - Einreiseverbot iSd § 53 FPG, in dessen Abs. 2 und 3 in Bezug auf die Bemessung der Dauer auch die Abwägung nach Art. 8 MRK angesprochen wird (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Der BF hat in Österreich eine volljährige Schwester. Er verfügt weder in Österreich noch einem sonstigen Mitgliedsstaat der Europäischen Union über eine Aufenthaltsberechtigung und verfügt auch nicht über maßgebliche Deutschkenntnisse. Von einer maßgeblichen sozialen oder gesellschaftlichen Integration kann somit nicht ausgegangen werden, da sich der BF lediglich vom 04.01.2020 bis zu seiner Ausreise am 24.01.2020 in Österreich aufhielt. Der BF hat jedoch ein privates Interesse an der Einreise in den Schengen-Raum, wobei sich aber sein Lebensmittelpunkt nach wie vor in Serbien befindet.

Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (VwGH 31.08.2006, 2006/21/0140), welches - ebenso wie das öffentliche Interesse eines geregelten Arbeitsmarktes - durch das Verhalten des BF erheblich beeinträchtigt wurde. Allfällige, vom BF jedoch nicht vorgebrachte, persönlichen Interessen haben daher kein solches Gewicht, das dem genannten öffentlichen Interesse auch nur gleichgehalten werden könnte.

3.2.5. Im Rahmen einer gewichtenden Abwägung zwischen der Schutzwürdigkeit des Privat- und Familienlebens des BF und dem Interesse an der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ist angesichts des Gesamtfehlverhaltens des BF im Hinblick auf seinen im Ergebnis unrechtmäßigen Aufenthalt und die fehlenden Unterhaltsmittel, letzterem der Vorrang einzuräumen, da der BF in Serbien sozial verankert ist, zumal sich dort seine Ehefrau und seine fünf Kinder aufhalten. Die Erlassung eines Einreiseverbotes ist somit zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten.

3.3. Zu Dauer des Einreiseverbotes

Das Bundesamt hat bei einem Rahmen von fünf Jahren ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren verhängt. Das Bundesamt führt bei der Abwägung aus, dass der Aufenthalt der Mutter in der Schweiz positiv berücksichtigt worden wäre. Dem ist entgegen zu halten, dass der BF nie vorgebracht hat, eine Mutter in der Schweiz zu haben. Nun darf im Ergebnis nicht übersehen werden, dass der BF zwar widerrechtlich zum Verkauf von Trockengestecken in das Bundesgebiet eingereist ist und diese auch verkauft hat bzw. vorgehabt hat, diese zu verkaufen, der BF aber im Ergebnis an einem einzigen Tag bei diesem Verkauf betreten worden ist. Auch die verkaufte Menge und die Einnahmen in der Höhe von etwa 15 Euro sind noch als gering anzusehen. Der gesamte unrechtmäßige Aufenthalt ist eher als kurz zu werten und, da der BF zum Verkauf von Trockengestecken für das orthodoxe Weihnachtsfest eingereist ist, ist auch in zeitlicher Hinsicht im Ergebnis zur von einen Fehlverhalten nicht aber von einem im Entscheidungszeitpunkt auf Dauer angesetzten Fehlverhalten auszugehen. Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass im Ergebnis mit einem Einreiseverbot in der Dauer von 18 Monaten das Auslangen gefunden werden kann und geeignet ist, den BF von verwaltungsrechtlich strafbaren Handeln abzuhalten.

Die Dauer des Einreiseverbotes war daher im Ergebnis auf 18 Monate herabzusetzen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen.

In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Eine mündliche Verhandlung wurde zudem nicht beantragt.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreiseverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs. 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Dauer Einreiseverbot Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Herabsetzung Mittellosigkeit Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2021:W281.2228147.1.00

Im RIS seit

25.06.2021

Zuletzt aktualisiert am

25.06.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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