TE Vwgh Erkenntnis 1997/3/21 96/02/0347

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Veröffentlicht am 21.03.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §35 Abs1 Z1;
FrG 1993 §41 Abs1;
ZustG §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 18. Juni 1996, Zl. E 13/02/96.060/3, betreffend Schubhaft (mitbeteiligte Partei: D, derzeit unbekannten Aufenthaltes), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird im angefochtenen Umfang (sohin soweit der Schubhaftbeschwerde Folge gegeben und der Bund zum Kostenersatz verpflichtet wurde) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juni 1996 wurde der an diese gerichteten Beschwerde der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 52 Abs. 2 und 4 Fremdengesetz iVm § 67c Abs. 4 AVG insoweit teilweise Folge gegeben, daß die Schubhaft ab 11. Juni 1996 für rechtswidrig erklärt und festgestellt wurde, daß die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen im Zeitpunkt dieser Entscheidung nicht vorlägen. Weiters wurde der Bund unter Berufung auf § 79a AVG verpflichtet, dem Mitbeteiligten Kosten in der Höhe von S 8.400,-- für Schriftsatzaufwand zu ersetzen.

In der Begründung wurde - soweit für die Erledigung der vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof von Belang - im wesentlichen ausgeführt, die gegenständliche Schubhaft basiere auf einem vollstreckbaren Schubhaftbescheid vom 5. Juni 1996, mit dem über den Mitbeteiligten (einen Staatsangehörigen der jugoslawischen Föderation), der am 4. Juni 1996 unter Umgehung der Grenzkontrolle die österreichisch-ungarische Grenze überschritten habe, gemäß § 35 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz die Schubhaft zur Sicherung der Zurückschiebung verhängt worden sei. Solange die Schubhaft dieser Zurückschiebung - die als alleiniger Haftgrund im Schubhaftbescheid ausgedrückt sei - gedient habe, sei sie rechtmäßig gewesen.

Nach der Verständigung von der "Asyleinbringung" am 7. Juni 1996 durch die Gendarmerie und der deswegen erfolgten Abstandnahme von der ursprünglichen Absicht, den Mitbeteiligten am 10. Juni 1996 unter Anwendung des "Schubabkommens" mit Ungarn dorthin zurückzustellen, habe die Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf (als Fremdenbehörde) - ungeachtet dessen, daß die Zurückschiebung aufgrund der "bisherigen praktischen Erfahrungen" als völlig aussichtslos beurteilt werden müsse - in Wahrheit zu erkennen gegeben, daß sie die Zurückschiebung nicht mehr betreibe. Dies bestätige sie "endgültig" durch die Beantragung eines Heimreisezertifikates am 11. Juni 1996, welche nur für die Abschiebung in den Heimatstaat, nicht jedoch für die Zurückschiebung nach Ungarn erforderlich sei, weshalb dieser Zeitpunkt als Beginn der Rechtswidrigkeit der Schubhaft durch Entfall des hiefür angegebenen Grundes heranzuziehen sei. Die Zurückschiebung sei bisher auch nicht versucht worden, obwohl die Voraussetzungen nach dem "Schubabkommen" mit Ungarn gegeben gewesen wären. Der behauptete Zurückschiebungsversuch am 5. Juni 1996 sei nicht aktenkundig und seien diesbezügliche Belege nicht vorgelegt worden. Aus welchem Rechtsgrund die Einbringung des Asylantrages der Zurückschiebung entgegengestanden sei, habe die Bezirkshauptmannschaft nicht ausgeführt. Ein solcher sei für den unabhängigen Verwaltungssenat nicht erkennbar. Mit der bloßen Behauptung, die Zurückschiebung werde weiter betrieben, sei die weiter andauernde Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Ein auf einen anderen Rechtsgrund (z.B. die Einleitung eines Verfahrens zur Ausweisung oder zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes) als die Zurückschiebung gestützter Schubhaftbescheid sei nicht erlassen worden. Sohin sei die Anhaltung in Schubhaft ab dem vorgenannten Zeitpunkt im Grunde des § 48 Abs. 2 Fremdengesetz rechtswidrig. Nach der Aktenlage seien zwar die Voraussetzungen für die Einleitung eines Ausweisungsverfahrens gegeben (wobei nicht ersichtlich sei, warum ein entsprechender Bescheid noch nicht erlassen worden sei), doch führe dies nicht zur Rechtmäßigkeit der Fortsetzung der Schubhaft, da es die Fremdenbehörde unterlassen habe, den Beschwerdeführer über die (wahren) Gründe der Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft in einer ihm verständlichen Sprache zu informieren.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 53 Fremdengesetz gestützte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Was zunächst das Vorbringen des Beschwerdeführers anlangt, es liege "kein rechtswirksamer Ausspruch über die Frage der Rechtmäßigkeit der Schubhaft sowie der Kostenfrage" vor, weil § 9 Abs. 1 des Zustellgesetzes lediglich die Zustellung eines "Schriftstückes" regle, es jedoch im konkreten Fall um die Erlassung eines "Bescheides" gegangen sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof dem nicht beizupflichten: Unter "Schriftstücken" im § 9 Abs. 1 Zustellgesetz ist nämlich jedenfalls auch der Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu verstehen (vgl. § 1 Abs. 1 Zustellgesetz sowie zutreffend Walter-Mayer, Das österreichische Zustellrecht, FN 7 zu § 9 Abs. 1 sowie FN 7 zu § 1 Abs. 1 Zustellgesetz).

Es ist zwar richtig, daß der Verfassungsgerichtshof (worauf die belangte Behörde in der Gegenschrift verweist) in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1994, Zl. B 1542/93 (dieses und die weiteren beiden Erkenntnisse vom 10. Oktober 1994, Zl. B 1382/93 und vom 12. Oktober 1994, Zl. B 1419/93 sind unter SlgNr. 13913 publiziert) ausführlich dargelegt hat, eine Zurückschiebung gemäß § 35 Fremdengesetz sei nur in den Staat zulässig, aus dem der Fremde unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist. In diesen Beschwerdefällen hat der Verfassungsgerichtshof allerdings festgestellt, daß die Fremdenbehörde in Aussicht genommen habe, den Fremden in sein Heimatland - und nicht nach Ungarn, woher er unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist - zurückzuschieben. Es ist weiters richtig, daß der Verfassungsgerichtshof in den erwähnten Erkenntnissen diese (jeweilige) Absicht daraus geschlossen hat, daß die Fremdenbehörde bei der Heimatbehörde des jeweiligen Beschwerdeführers um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates ersucht hat.

Damit ist jedoch für die belangte Behörde im vorliegenden Beschwerdefall nichts gewonnen: Die erwähnte Schlußfolgerung des Verfassungsgerichtshofes ist nämlich fallbezogen zu verstehen und kann keineswegs so gesehen werden, daß das bloße Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates in jedem Fall und zwingend zu dem Schluß führen muß, daß die Fremdenbehörde die "Zurückschiebung" des Fremden in seinen Heimatstaat beabsichtigt. Vielmehr hält es der Verwaltungsgerichtshof durchaus für zulässig, einerseits die "Zurückschiebung" in jenen Staat, aus dem der Fremde unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist, weiter in Erwägung zu ziehen, andererseits aber "zusätzlich" - für den Fall einer erforderlichen "Abschiebung" - parallel dazu die Erlangung eines Heimreisezertifikates zu betreiben. Dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers ist daher beizupflichten und hat die belangte Behörde mit ihrer gegenteiligen Ansicht, die Beantragung eines Heimreisezertifikates bestätige "endgültig" daß "nur" die Abschiebung in den Heimatstaat beabsichtigt sei, die Rechtslage verkannt. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 95/02/0542, - auch insoweit hat die belangte Behörde, sollten ihre Ausführungen so zu verstehen sein, die Rechtslage verkannt - bereits zum Ausdruck gebracht, daß die Fremdenbehörde nicht verpflichtet ist, den Fremden "ohne Verzug" zurückzuschieben. Wenn sie daher den Asylantrag des Mitbeteiligten zum Anlaß nahm, diesen nicht unverzüglich "zurückzuschieben", so war auch daraus keine Rechtswidrigkeit der Schubhaft abzuleiten.

Da sich - wie oben aufgezeigt - die in Rede stehende Schubhaft jedenfalls auch noch zur "Zurückschiebung" des Mitbeteiligten als gerechtfertigt erwies, war der Bescheid der belangten Behörde im Umfang seiner Anfechtung, sohin soweit der Schubhaftbeschwerde des Mitbeteiligten Folge gegeben und der Bund zum Kostenersatz verpflichtet wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens eingegangen werden mußte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996020347.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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