Entscheidungsdatum
21.12.2020Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
I403 2237579-2/4Z
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Rumänien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.11.2020, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde kommt gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zu.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste als Jugendlicher im Alter von vierzehn Jahren gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder in das Bundesgebiet ein und war ab dem 09.09.2015 in Österreich hauptgemeldet.
Am 10.09.2015 wurde ihm seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung ("Familienangehöriger") gemäß § 53 NAG ausgestellt.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 14.11.2017, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 und Abs. 2a SMG rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen, verurteilt.
Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom 10.07.2019, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung im Zustand voller Berauschung nach §§ 287, 83 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 50 Tagen, verurteilt.
Ab dem 02.08.2019 war der Beschwerdeführer nicht mehr aufrecht im Bundesgebiet gemeldet.
Am 27.09.2020 wurde über den Beschwerdeführer aufgrund des Verdachts des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB die Untersuchungshaft verhängt.
Mit Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) vom 05.10.2020 ("Parteiengehör") wurde dem Beschwerdeführer während seiner Anhaltung in Untersuchungshaft zur Kenntnis gebracht, dass gegen ihn ein Verfahren hinsichtlich der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet worden sei und ihm die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb von vierzehn Tagen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme hinsichtlich seiner persönlichen Verhältnisse bei der belangten Behörde einzubringen.
Mit Schriftsatz vom 21.10.2020 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme bei der belangten Behörde ein. Inhaltlich führte er im Wesentlichen aus, er sei im Juli 2015 nach Österreich eingereist, habe hier die Mittelschule besucht und zeitweise bei "Mc Donald‘s" sowie bei einer Leihfirma gearbeitet. Momentan habe er keine Beschäftigung, sei als arbeitssuchend gemeldet und habe zuletzt Leistungen des AMS bezogen. Seine Mutter und seine beiden Brüder würden ebenfalls in Österreich leben und wohne er nach wie vor bei seiner Mutter und seinem Stiefvater. Seine Muttersprache sei Rumänisch, jedoch spreche er fließend Deutsch und habe einen Freundeskreis in Österreich. Er habe seine Kindheit in Rumänien, seine Jugend hingegen in Italien und in Österreich verbracht. Die Grundschule habe er in Rumänien und Italien besucht, die Mittelschule in Österreich, diese jedoch nicht abgeschlossen. Seine Großeltern würden nach wie vor in Rumänien leben, jedoch habe er zu diesen nur wenig Kontakt. Er wolle auf jeden Fall in Österreich bleiben, da hier seine Mutter lebe und er sich bereits an das Leben in Österreich gewöhnt habe.
Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 05.11.2020, Zl. XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB sowie wegen des Vergehens der versuchten Unterdrückung eines Beweismittels nach §§ 15, 295 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vierundzwanzig Monaten, davon sechzehn Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 24.11.2020 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß „§ 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF“ ein für die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß „§ 70 Abs. 3 FPG“ wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Überdies wurde einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot gemäß „§ 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF“ die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).
Gegen den gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 09.12.2020 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben; in eventu das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot zur Gänze beheben; in eventu die Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes „auf ein verhältnismäßiges Ausmaß“ reduzieren; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen; der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkennen; eine mündliche Verhandlung anberaumen. Inhaltlich wurde insbesondere ausgeführt, der angefochtene Bescheid ließe eine nachvollziehbare Prognose im Hinblick auf eine gegenwärtige und zukünftige, vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung vermissen und habe die belangte Behörde völlig außer Acht gelassen, dass ein Großteil der Haftstrafe des Beschwerdeführers, nämlich sechzehn Monate, bedingt nachgesehen worden seien. Das verhängte Aufenthaltsverbot in der Dauer von vier Jahren stehe bereits im Vergleich zur tatsächlich verhängten, unbedingten Freiheitsstrafe von nur acht Monaten außer Relation. Darüber hinaus sei die persönliche Situation des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid nur unzureichend gewürdigt worden. Sofern die belangte Behörde davon ausgehe, dass der Beschwerdeführer „die letzten achtzehn Monate“ arbeitslos gewesen sei, so sei es zwar zutreffend, dass er „über einige Monate lang“ nicht mehr in Österreich gemeldet gewesen sei, dies jedoch deshalb, da er zum Zwecke einer Berufsausübung vorübergehend nach Deutschland gezogen sei. Wenngleich er seine Anstellung aufgrund von „Corona“ verloren habe, so habe er aufgrund seiner dort gesammelten Berufserfahrung eine reale Aussicht auf den Erhalt einer Arbeitsstelle in Österreich und wäre es der belangten Behörde „bei ordnungsgemäßer Recherche“ ein Leichtes gewesen in Erfahrung zu bringen, dass der Beschwerdeführer „im strittigen Zeitpunkt“ in Deutschland gewohnt und gearbeitet habe. Entgegen der mangelhaften Feststellungen der belangten Behörde verfüge der Beschwerdeführer über eine stark ausgeprägte Bindung zu Österreich, wo er bis zu seinem Umzug nach Deutschland mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Er habe nach wie vor ein sehr enges Verhältnis zu seiner Familie und besuche ihn seine Mutter auch regelmäßig in der Justizanstalt. In Rumänien habe er nur noch entferntere Verwandte, zu denen seit geraumer Zeit kein Kontakt mehr bestehe, und kenne er Rumänien kaum noch, angesichts des Umstandes, dass er dort seit seinem achten Lebensjahr nicht mehr dauerhaft aufhältig gewesen sei. Dem Beschwerdeschriftsatz angeschlossen wurden ein Schreiben des AMS hinsichtlich eines Informationsgesprächs bezüglich des Erwerbs des Pflichtschulabschlusses, ein Arbeitsvertrag des Beschwerdeführers mit einem deutschen "Mc Donald‘s"-Franchisenehmer für ein befristetes Beschäftigungsverhältnis vom 24.06.2020 bis zum 15.12.2020, ein weiterer Arbeitsvertrag mit einer deutschen Leiharbeitsfirma ab dem 16.07.2019, ein Sozialversicherungsausweis der Deutschen Rentenversicherung sowie ein Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung des Beschwerdeführers für das Jahr 2019.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.12.2020 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Rumänien und somit EWR-Bürger. Er ist gesund und erwerbsfähig. Seine Identität steht fest.
Im Alter von vierzehn Jahren kam er nach Österreich und war vom 09.09.2015 bis zum 02.08.2019 durchgehend in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern hauptgemeldet.
Am 10.09.2015 wurde ihm seitens einer Bezirkshauptmannschaft eine Anmeldebescheinigung für den Aufenthaltszweck "Familienangehöriger" gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 NAG ausgestellt. Seine Mutter N.T. (IFA-Zl. XXXX ), sowie seine beiden minderjährigen Brüder M.T. (geb. September 2003; IFA-Zl. XXXX ) und A.D. (geb. Februar 2016; IFA-Zl. XXXX ), alle rumänische Staatsangehörige, halten sich ebenfalls auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen rechtmäßig im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich dreimal rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor der Meldebehörde in Vorlage gebrachten rumänischen Reisepasses Nr. XXXX sowie seines sich in Kopie im Akt befindlichen rumänischen Personalausweises Nr. XXXX fest.
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand und seiner Erwerbsfähigkeit ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde.
Die behördliche Meldung des Beschwerdeführers vom 09.09.2015 bis zum 02.08.2019 in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Mutter und seinen beiden Brüdern ergibt sich aus einer Abfrage im zentralen Melderegister der Republik.
Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers, seiner Mutter und seiner beiden minderjährigen Brüder auf Grundlage von Anmeldebescheinigungen nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ergeben sich aus einer Abfrage im Informationsverbund zentrales Fremdenregister.
Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Einer Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid wurde seitens der belangten Behörde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Der mit "Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde" überschriebene § 18 Abs. 5 BFA-VG (in der Fassung BGBl. I Nr. 29/2020) lautet:
„§ 18. (5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.“
Die zur Verfügung stehende Aktenlage ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht ausreichend, um dies zu beurteilen. Insbesondere wurden in der Beschwerde neue Sachverhaltselemente hinsichtlich der Bindungen des Beschwerdeführers an Österreich und seine hier lebenden Angehörigen sowie hinsichtlich fehlender Anknüpfungspunkte in Rumänien vorgebracht, welche im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung fanden. Um insbesondere eine abschließende Beurteilung im Hinblick auf das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich zu ermöglichen und eine eventuelle Verletzung des Art. 8 EMRK im Falle seiner Rückkehr nach Rumänien auszuschließen, erscheint eine mündliche Beschwerdeverhandlung, in welcher auch die in Österreich lebende Mutter des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen wird, unumgänglich.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall EU-Bürger EWR-Bürger Körperverletzung Menschenrechtsverletzungen Privat- und Familienleben private Interessen Raub strafgerichtliche Verurteilung strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Teilerkenntnis Unionsbürger VerbrechenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2237579.2.01Im RIS seit
20.05.2021Zuletzt aktualisiert am
20.05.2021