Index
86/02 TierärzteNorm
B-VG Art130 Abs1 Z1, Art131 Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit durch Verhängung einer Geldstrafe gegen eine Tierärztin betreffend die Verletzung des Ansehens des Standes wegen Äußerungen in einem BuchSpruch
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis – soweit es sich auf den Tatvorwurf gemäß §20 Abs2 Tierärztegesetz iVm §61 Abs1 Z1 TÄKamG bezieht und im Strafausspruch – im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.
Das Erkenntnis wird – insoweit – aufgehoben.
II. 1. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.
2. Insoweit wird die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
III. Der Bund (Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihrer Rechtsvertreterin die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Die Beschwerdeführerin, eine auf "ganzheitliche Methoden" spezialisierte Tierärztin (nunmehr im Ruhestand), die auch ein Futtermittelgeschäft betreibt, ist Autorin des Buches "Hunde würden länger leben, wenn…" (8. Auflage: "Hunde würden länger leben, wenn… Schwarzbuch Tierarzt", Untertitel: "Totgeimpft Fehlernährt Medikamentenvergiftet" und "Eine Insiderin packt aus!"), das seit Jänner 2011 – nunmehr bereits in der 8. Auflage – von einem Verlag vertrieben wird.
1.1. Es wird ihr in der angefochtenen Entscheidung zur Last gelegt, dass sie mit diesem Buch – konkret mit folgenden Aussagen – das Standesansehen der österreichischen Tierärzteschaft herabsetze:
"'… Vielmehr möchte ich Missstände aufdecken, die durch Ignoranz, Unwissenheit und willentliches (!) Abzockertum tagtäglich tausendfach in den Tierarztpraxen geschehen.' (Seite 13)
' … Krankheiten werden einfach, egal in welcher Häufigkeit sie auftreten, als gottgegeben hingenommen und dann meist so therapiert, dass Folgeerkrankungen vorprogrammiert sind. …' (Seite 14)
' … Gerade in den letzten Jahren ist mir immer mehr bewusst geworden, wie wir Tierärzte durch falsche Informationen, die vor allem die Ernährung unserer Hunde und Katzen, das viel zu häufige Impfen, die übermäßige Verwendung von Antibiotika und zu vieler chemischer Medikamente generell betreffen, unsere Patienten geradezu in chronische Erkrankungen hineintreiben. …' (Seite 15)
' … Dieses Buch soll Kolleginnen und Kollegen sowie Patientenbesitzerinnen und Patientenbesitzer gleichermaßen auf die vielen Irrtümer und Missstände in den Praxen aufmerksam machen.' (S 17) in Verbindung mit ' … Deshalb hoffe ich, dass auch Sie einen Tierarzt in Ihrer Nähe finden, der mit ganzheitlichen Methoden ZUGUNSTEN der Gesundheit Ihres Tieres arbeitet und es nicht schon durch falsche Futtermittel und Behandlung krank-therapiert.' (Seite 18)
'Kollegen, die Patientenbesitzer schon beim Betreten der Praxis abwägend betrachten, was sie diesen alles an Medikamenten, Diagnosen und Therapien andrehen könnten und sozusagen schon die Euros blitzen sehen, sind meiner Meinung nach fehl am Platz und sollten sich einen anderen Beruf suchen. Sie würden sich wundern, wenn sie wüssten, wie viele solcher Tierärzte es tatsächlich gibt. Unter seinesgleichen ist auch der Tierarzt ehrlich und gibt solche Verhaltensmuster unumwunden zu. Das kann ich als 'Insiderin' bestätigen.[…]' (S 188)"
Dadurch habe die Beschwerdeführerin §20 Abs2 Bundesgesetz vom 13. Dezember 1974 über den Tierarzt und seine berufliche Vertretung (Tierärztegesetz), BGBl 16/1975 in der Stammfassung und §61 Abs1 Z1 Bundesgesetz über die Österreichische Tierärztekammer (Tierärztekammergesetz –TÄKamG), BGBl I 86/2012 in der Stammfassung verletzt.
1.2. Ferner wird der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe eine unzulässige Fernbehandlung vorgenommen, indem sie einer Tierhalterin für deren tumorerkrankten Kater ohne vorhergehende tierärztliche Untersuchung per E-Mail das Präparat Amygdalin zur Behandlung vorgeschlagen sowie dieses anschließend postalisch verschickt habe und das Tier in weiterer Folge auf Grund einer aus diesem Präparat resultierenden Blausäurevergiftung intensivmedizinisch habe behandelt werden müssen.
Dadurch habe die Beschwerdeführerin gemäß §61 Abs1 Z2 TÄKamG gegen die Berufspflicht gemäß §20 Abs1 iVm §24 Abs1 Tierärztegesetz verstoßen.
1.3. Wegen dieser Disziplinarvergehen wurde über die Beschwerdeführerin gemäß §64 Abs1 Z2 TÄKamG eine unbedingte Geldstrafe in Höhe von € 5.000,– verhängt.
2. Vorauszuschicken ist, dass – wiewohl die Erstauflage des Buches im Jahr 2011 erschien – am 29. November 2016 erstmals ein Antrag auf Fassung eines Beschlusses zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens an den zuständigen Senat der Tierärztekammer gestellt wurde. Erst nach einem Wechsel im Vorsitz dieses Senates im Jahr 2018 wurde schließlich am 9. Oktober 2018 ein Beschluss, das Verfahren zu eröffnen, grundsätzlich gefasst. Der für die Beschwerdeführerin relevante Beschluss zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens erfolgte erst am 17. Jänner 2019, also zirka acht Jahre nach erstmaliger Veröffentlichung der inkriminierten Textpassagen. Das Disziplinarerkenntnis bezieht sich jedoch erst auf die achte Auflage des Buches, das heißt auf den Zeitraum 2015 bis 12. März 2019 (dem Zeitpunkt der Erlassung des Disziplinarerkenntnisses).
3. Die gegen das Disziplinarerkenntnis erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg mit Erkenntnis vom 14. Jänner 2020 als unbegründet ab und führt – insbesondere mit Blick auf Art10 EMRK – im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin habe auch als Tierärztin das Recht, vermeintliche oder tatsächliche Missstände in der Branche öffentlich anzusprechen, auf deren Beseitigung hinzuwirken und zugleich potentiell betroffenen Tierhaltern die Möglichkeit zu geben, damit bewusst umzugehen. Die Aussagen der Beschwerdeführerin seien jedoch insofern bedenklich, als sie als pauschale Herabsetzung der gesamten Kollegenschaft aufzufassen und nicht nur geschäftsschädigend für Kollegen seien, sondern auch die Erfüllung des öffentlichen Auftrages der Tierärzteschaft im Gesundheitswesen beeinträchtigen würden. Sie würden einen durchschnittlichen Leser davon abhalten, einen im Sinne der Schulmedizin praktizierenden Tierarzt aufzusuchen. Das wirke sich nicht nur auf den tierischen Patienten, der allenfalls verspätet eine Behandlung erfährt, sondern auch insgesamt auf die Sanitätslage aus, da zum Beispiel übertragbare Krankheiten nicht mehr (rechtzeitig) erkannt oder Maßnahmen der Vorbeugung unterlassen werden würden. Diese schwerwiegenden Ansichten könne die Beschwerdeführerin auch nicht sachlich begründen. Zwar bestehe grundsätzlich ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit der notwendigen tierärztlichen Versorgung von Haustieren, doch habe die Beschwerdeführerin im konkreten Fall das Ansehen des Standes der Tierärzte beeinträchtigt.
4. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetze behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird. Begründend wird dazu im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
4.1. Die Beschwerdeführerin hegt einerseits Bedenken gegen das TÄKamG insofern, als Art130 Abs1 Z1 und Art131 Abs2 B-VG einen zweistufigen Instanzenzug vorsehen würden, der im TÄKamG nicht nachgezeichnet werde. Vielmehr sei im Vorblatt der Erläuterungen zu §66 TÄKamG ausdrücklich festgehalten, dass ein Beschwerderecht an den Verwaltungsgerichtshof zustehe. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg habe sohin eine ihm nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen und die Beschwerdeführerin dadurch in den Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger verletzt.
4.2. Andererseits sei §62 TÄKamG, BGBl I 86/2012 in der Stammfassung, der die Verfolgungsverjährung normiert, verfassungswidrig, zumal es – der Rechtsauffassung der Disziplinarkommission und des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg folgend – zwischen der Anzeige durch die Disziplinaranwältin und der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nie zu einer Verjährung kommen könne. Das Nichtaufgreifen dieser Verfassungswidrigkeit belaste das Erkenntnis mit Willkür.
Ferner sei das Landesverwaltungsgericht Salzburg in rechtswidriger Weise von einem Dauerdelikt ausgegangen. §32 MedienG sei hier als lex specialis analog anzuwenden; die Frist für die Verjährung der Strafbarkeit beginne daher mit dem Beginn der Verbreitung im Inland.
4.3. Willkürlich sei die Entscheidung auch deshalb, weil sich das Landesverwaltungsgericht Salzburg weder mit dem Vorbringen noch mit dem in der ersten Instanz gestellten Protokollberichtigungsantrag oder den vorgelegten Urkunden auseinandergesetzt und die beantragten Zeugen nicht einvernommen habe.
4.4. Die Beschwerdeführerin sei auch im Recht auf ein faires Verfahren nach Art6 EMRK verletzt. So seien das Recht auf Akteneinsicht und die Pflicht zur Begründung der Entscheidung verletzt worden. Ferner seien sowohl die Disziplinarkommission als auch der Richter des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg voreingenommen und sohin befangen gewesen. Im Übrigen habe auch das Verfahren unangemessen lange gedauert, zumal die Anzeige der Disziplinaranwältin im Jahr 2016, der erste Schuldspruch jedoch erst im Jahr 2019 erfolgt sei. Dieser Umstand müsse sich auch in der Strafbemessung niederschlagen.
4.5. Eine Verletzung im Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung begründet die Beschwerdeführerin damit, dass das Buch bereits seit über acht Jahren unverändert erhältlich und insofern nicht nachvollziehbar sei, weshalb in der achten Auflage plötzlich die Meinungsäußerungsfreiheit eingeschränkt werde. Die Beschwerdeführerin wolle mit dem Buch vermeintliche oder tatsächliche Missstände der Kollegenschaft an die Öffentlichkeit bringen, wobei sie dies – ohne einzelne Kollegen persönlich zu nennen – in sachlicher Weise aufzeige. Die Ausführungen seien einer Beweisführung zugänglich, die angebotenen Beweise seien jedoch nicht berücksichtigt worden. Angesichts dessen sei nicht nachvollziehbar, dass das erkennende Gericht von pauschalen Herabsetzungen ausgehe. Alleine der Umstand, dass die Kritik einen überwiegenden Teil der Kollegenschaft betreffe, könne die Meinungsäußerungsfreiheit nicht einschränken. Ebenso könne es nicht darauf ankommen, dass die Beschwerdeführerin Tierärztin sei. Texte gleicher Art finde man auch zum Beispiel von Rechtsanwälten.
4.6. Schließlich liege eine Verletzung in Art7 EMRK vor, da es in diesem Bereich keine gesetzliche Regelung, gefestigte Standesauffassung oder Judikatur gebe. Die Beschwerdeführerin habe sich als einzige Tierärztin mit diesem – einem Wahrheitsbeweis zugänglichen – Thema an die Öffentlichkeit gewagt.
5. Die Disziplinarkommission und das Landesverwaltungsgericht Salzburg haben die Verwaltungs- und Gerichtsakten vorgelegt. Von der Erstattung einer Gegenschrift wurde Abstand genommen.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1974 über den Tierarzt und seine berufliche Vertretung (Tierärztegesetz) lauten in der Stammfassung BGBl 16/1975 bzw in der Fassung BGBl I 37/2018 auszugsweise wie folgt:
"§20. (1) Der Tierarzt hat seinen Beruf gewissenhaft (§21) und fachlich eigenverantwortlich (§24) auszuüben.
(2) Er hat alles zu vermeiden, das geeignet ist, das Ansehen des Standes der Tierärzte herabzusetzen.
(3) Der Tierarzt ist verpflichtet, sich beruflich fortzubilden und sich mit dem letzten Stand der Veterinärmedizin vertraut zu machen.
[…]
§24. (1) Der Tierarzt hat seinen tierärztlichen Beruf persönlich und unmittelbar, allenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Tierärzten (§28) auszuüben.
(2) Zur Mithilfe darf er Hilfspersonen heranziehen, wenn diese nach seinen genauen Anordnungen sowie unter seiner ständigen Aufsicht und Anleitung handeln.
(3) Im Rahmen von ständigen Betreuungsverhältnissen auf betrieblicher Ebene zwischen einem Landwirt oder einer Gemeinschaft von Landwirten einerseits und einem Tierarzt beziehungsweise einer gemeldeten tierärztlichen Praxisgemeinschaft andererseits, die jeweils v[o]n der Kammer entsprechend den jeweiligen sanitäts- und veterinärhygienischen Erfordernissen definiert und anerkannt sind, darf der Tierarzt den Tierhalter in Hilfeleistungen, welche über die für die übliche Tierhaltung und Tierpflege notwendigen Tätigkeiten (§12 Abs2) hinausgehen, sowie in die Anwendung von Arzneimitteln bei landwirtschaftlichen Nutztieren einbinden, wenn dies unter genauer Anleitung, Aufsicht und schriftlicher Dokumentation von Art, Menge und Anwendungsweise erfolgt. Im Rahmen eines solchen ständigen Betreuungsverhältnisses können nach Maßgabe einer Verordnung gemäß §7 Abs1 des Tierarzneimittelkontrollgesetzes Tierhalter auch in Impfungen eingebunden werden. Die Bestimmungen des §12 Abs1 Z4 dieses Bundesgesetzes und des §12 Abs1 des Tierseuchengesetzes stehen daher einer solchen Einbindung auch bei Impfungen nach Maßgabe der Verordnung gemäß §7 Abs1 des Tierarzneimittelkontrollgesetzes nicht entgegen. Die Dokumentation ist vom Tierarzt mindestens sieben Jahre lang aufzubewahren und der Behörde auf Verlangen vorzulegen."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Österreichische Tierärztekammer (Tierärztekammergesetz – TÄKamG) lauten in ihrer Stammfassung BGBl I 86/2012 (betreffen die §§61, 62, 64, 72, 73, 79 und 84) bzw in der Fassung BGBl I 80/2013 (betreffend die §§66, 69 und 75) auszugsweise wie folgt:
"5. Hauptstück
1. Abschnitt
Disziplinarrecht
Disziplinarvergehen
§61. (1) Kammermitglieder machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland
1. das Ansehen der in Österreich tätigen Tierärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Tierhalterinnen bzw Tierhaltern oder den Kolleginnen und Kollegen gegenüber beeinträchtigen oder
2. die Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften – insbesondere dem Tierärztegesetz – verpflichtet sind.
(2) – (4) […]
(5) Die disziplinäre Verfolgung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der dem angelasteten Disziplinarvergehen zugrunde liegende Sachverhalt einen gerichtlichen Straftatbestand oder einen Verwaltungsstraftatbestand bildet.
(6) […]
(7) Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, genügt für die Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten (§6 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl Nr 60/1974).
(8) Ein Disziplinarvergehen ist von der Disziplinarkommission nicht zu verfolgen, wenn die Schuld gering ist und das Verhalten keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.
Verfolgungsverjährung
§62. (1) Durch Verjährung wird die Verfolgung eines Kammermitgliedes ausgeschlossen, wenn
1. innerhalb eines Jahres ab Kenntnis des Disziplinaranwaltes von dem einem Disziplinarvergehen zugrundeliegenden Sachverhalt oder von allfälligen Wiederaufnahmsgründen keine Verfolgungshandlung gesetzt oder
2. innerhalb von fünf Jahren nach der Beendigung eines disziplinären Verhaltens kein Einleitungsbeschluss gefasst oder ein rechtskräftig beendetes Disziplinarverfahren nicht zu seinem Nachteil wiederaufgenommen worden ist.
(2) – (4) […]
[…]
Disziplinarstrafen
§64. (1) Disziplinarstrafen sind
1. der schriftliche Verweis,
2. die Geldstrafe bis zum Dreißigfachen der Kammerumlage für selbständige Mitglieder,
3. die befristete Untersagung der Berufsausübung,
4. die Streichung aus der Tierärzteliste.
(2) […]
(3) Liegen einer bzw einem Beschuldigten mehrere Disziplinarvergehen zur Last, so ist, außer im Fall des Abs6, nur eine Disziplinarstrafe zu verhängen. Bei Bemessung der Strafe ist insbesondere auf die Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen Nachteile, bei Bemessung der Geldstrafe auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der bzw des Beschuldigten Bedacht zu nehmen.
(4) – (9) […]
[…]
2. Abschnitt
Organisatorische Bestimmungen
Disziplinarkommission
§66. (1) Zur Durchführung des Disziplinarverfahrens wird die Disziplinarkommission bei der Tierärztekammer, im Folgenden als Disziplinarkommission bezeichnet, eingerichtet.
(2) Die Mitglieder der Disziplinarkommission sind in Ausübung ihres Amtes an keine Weisungen gebunden.
(3) Die Disziplinarkommission besteht aus einer bzw einem Vorsitzenden, deren bzw dessen Stellvertreterin bzw Stellvertreter sowie der erforderlichen Anzahl weiterer Mitglieder.
(4) Die bzw der Vorsitzende und ihre bzw sein Stellvertreter oder ihre bzw seine Stellvertreterin ist aus dem Stand der rechtskundigen Bediensteten des Bundesministeriums für Gesundheit zu bestellen. Weiters ist die ausreichende Anzahl von Mitgliedern aus dem Kreise der ordentlichen Kammermitglieder, wobei jeweils die Abteilungen gemäß §9 Abs5 zu berücksichtigen sind, zu bestellen.
(5) Die bzw der Vorsitzende sowie deren bzw dessen Stellvertreterin bzw Stellvertreter werden auf Vorschlag des Vorstandes der Tierärztekammer von der Bundesministerin bzw dem Bundesminister für Gesundheit, die übrigen Mitglieder vom Vorstand der Tierärztekammer über Vorschlag der Abteilungsausschüsse bestellt.
(6) Mitglieder von Organen der Tierärztekammer dürfen der Disziplinarkommission nicht angehören.
(7) Die Mitglieder der Disziplinarkommission haben Anspruch auf Ersatz der notwendigen Reisekosten und Barauslagen. Sie haben ferner Anspruch auf eine dem Zeit- und Arbeitsaufwand entsprechende Entschädigung, die von der Delegiertenversammlung der Tierärztekammer festzusetzen ist.
(8) Der Personal- und Sachaufwand der Disziplinarkommission ist von der Tierärztekammer zu tragen.
[…]
Disziplinaranwältin/Disziplinaranwalt
§69. (1) Der Vorstand der Tierärztekammer hat eine Disziplinaranwältin bzw einen Disziplinaranwalt sowie deren bzw dessen Stellvertreterin bzw Stellvertreter für die Dauer von vier Jahren zu bestellen. Die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt und die Stellvertreterin bzw der Stellvertreter müssen rechtskundig sein.
(2) Der Disziplinaranwältin bzw dem Disziplinaranwalt obliegt die Anzeige von Disziplinarvergehen an die Disziplinarkommission und die Vertretung der Anzeigen im Disziplinarverfahren. Sie bzw er hat in Verfahren über Disziplinarsachen vor der Disziplinarkommission und den Verwaltungsgerichten Parteistellung.
(3) – (5) […]
(6) Die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt hat das Recht, gegen Rücklegungsbeschlüsse (§73 Abs8), Einstellungsbeschlüsse (§75 Abs4) und Erkenntnisse der Disziplinarkommission Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes zu erheben. Weiters hat er das Recht gegen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtes Revision an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben. Auf Weisung der Aufsichtsbehörde ist die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt zu Erhebung der Beschwerde oder Revision verpflichtet.
[…]
3. Abschnitt
Disziplinarverfahren Verfahrensregelungen
§72. (1) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Disziplinarverfahren
1. das AVG mit Ausnahme der §§2 bis 5, 12, 42 Abs1 und 2, 44a bis 44g, 51, 51a bis 51d, 57, 62 Abs3, 63 bis 68, 73 und 75 bis 80 sowie
2. das Zustellgesetz, BGBl Nr 200/1982, anzuwenden.
(2) Parteien im Disziplinarverfahren sind die bzw der Disziplinarbeschuldigte und die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt.
(3) Die Disziplinarkommission schreitet von Amts wegen ein, sobald sie von dem Disziplinarvergehen eines Kammermitglieds Kenntnis erhält. Sie fällt ihre Entscheidungen nach Anhörung der Disziplinaranwältin bzw des Disziplinaranwalts.
(4) Die Disziplinarkommission und die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt haben die zur Belastung und die zur Verteidigung der bzw des Beschuldigten dienenden Umstände mit gleicher Sorgfalt zu berücksichtigen.
(5) Die bzw der Beschuldigte hat das Recht, sich im Disziplinarverfahren einer Verteidigerin bzw eines Verteidigers zu bedienen. Als Verteidigerin bzw Verteidiger dürfen auch Berufskolleginnen bzw Berufskollegen der bzw des Beschuldigten einschreiten.
(6) – (8) […]
Entscheidung über die Verfolgung
§73. (1) Alle bei der Disziplinarkommission oder bei der Tierärztekammer einlangenden Anzeigen wegen eines Disziplinarvergehens sind zunächst der Disziplinaranwältin bzw dem Disziplinaranwalt zuzuleiten.
(2) Ist die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt der Ansicht, dass
1. weder eine Beeinträchtigung des Standesansehens noch eine Berufspflichtverletzung vorliegt oder
2. eine Verfolgung wegen Verjährung, mangelnder Strafwürdigkeit oder aus anderen Gründen ausgeschlossen ist,
so hat sie bzw er die Anzeige zurückzulegen und hievon die Bundesministerin bzw den Bundesminister für Gesundheit sowie die Präsidentin bzw den Präsidenten der Tierärztekammer zu verständigen.
(3) Ist die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Disziplinarverfolgung vorliegen oder wird ihr bzw ihm diese von der Bundesministerin bzw dem Bundesminister für Gesundheit aufgetragen, so hat sie bzw er unter Vorlage der Akten bei der bzw bei dem Vorsitzenden der Disziplinarkommission die Durchführung von Erhebungen oder, wenn solche nicht erforderlich sind, die Einleitung des Verfahrens zu beantragen. Der Antrag ist der bzw dem Senatsvorsitzen des zuständigen Disziplinarsenats zuzuweisen.
(4) – (8) […]
[…]
Abschluss des Vorverfahrens
§75. (1) Nach Abschluss der Untersuchung hat die Untersuchungsführerin bzw der Untersuchungsführer die Akten der Disziplinaranwältin bzw dem Disziplinaranwalt zur Stellung weiterer Anträge zuzuleiten.
(2) Die Disziplinaranwältin bzw der Disziplinaranwalt kann sodann bei der Untersuchungsführerin bzw dem Untersuchungsführer weitere Erhebungen beantragen oder bei der bzw dem Vorsitzenden des Disziplinarsenats entweder die Fassung eines Einstellungsbeschlusses oder die Einleitung des Verfahrens beantragen. Über einen solchen Antrag hat der Disziplinarsenat durch Beschluss zu erkennen, ob Grund zu einer mündlichen Disziplinarverhandlung vorliegt.
(3) Der Beschluss, dass Grund zu einer mündlichen Disziplinarverhandlung vorliegt (Einleitungsbeschluss), hat die Beschuldigungspunkte bestimmt zu bezeichnen. Eine Ausfertigung des Beschlusses ist der bzw dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin bzw dem Disziplinaranwalt sowie der Tierärztekammer zuzustellen.
(4) […]
[…]
Erkenntnis
§79. (1) Mit dem Erkenntnis ist die bzw der Beschuldigte freizusprechen oder des ihr bzw ihm zur Last gelegten Disziplinarvergehens schuldig zu erkennen.
(2) Wird die bzw der Beschuldigte eines Disziplinarvergehens schuldig erkannt, so ist im Erkenntnis ausdrücklich auszusprechen,
1. welche Rechtspflichten sie bzw er verletzt oder welche Beeinträchtigung des Standesansehens sie bzw er durch ihr bzw sein Verhalten begangen hat und
2. welche Disziplinarstrafe verhängt wird.
(3) Das Erkenntnis ist samt dessen wesentlichen Gründen sogleich zu verkünden. Je eine Ausfertigung samt Entscheidungsgründen sowie je eine Abschrift des Verhandlungsprotokolls sind ehestens der bzw dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin bzw dem Disziplinaranwalt, der Tierärztekammer und dem Bundesministerium für Gesundheit zuzustellen.
[…]
Übergangsbestimmungen für Disziplinarsachen
§84. (1) Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestehende Disziplinarkommission bleibt bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 im Amt. Ihre Mitglieder bilden den einzigen Disziplinarsenat, die Ersatzmitglieder treten bei Verhinderung ein. §68 Abs2 bis 6 ist erst mit 1. Jänner 2014 anzuwenden.
(2) Die bzw der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bestellte Disziplinaranwältin bzw Disziplinaranwalt bleibt bis zum Ablauf der laufenden Funktionsperiode im Amt.
(3) Auf Disziplinarangelegenheiten, bei denen vor Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes der Beschluss über die Verweisung zur mündlichen Verhandlung erfolgt ist, sind die Straf- und Verfahrensbestimmungen des Tierärztegesetzes BGBl Nr 16/1975, anzuwenden."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist teilweise begründet.
2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken betreffend den Instanzenzug:
Gemäß Art130 Abs1 Z1 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit, so auch über Beschwerden gegen einen Bescheid der das AVG anwendenden Disziplinarkommission der Tierärzte. Die sachliche Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg ergibt sich aus der allgemeinen Bestimmung des Art131 Abs1 B-VG. Dem TÄKamG kann jedenfalls eine spezielle, davon abweichende gesetzliche Regelung nicht entnommen werden. Insofern die Beschwerdeführerin die Erläuterungen zu §66 TÄKamG, BGBl I 86/2012, ins Treffen führt, die eine derartige abweichende Regelung suggerieren sollen, übersieht sie, dass diese vor dem Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, also noch vor Inkrafttreten der verfassungsrechtlichen Neuregelung, stammen (vgl zur verfassungsrechtlichen Konzeption des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, Eberhard, in: Korinek/Holoubek et al. [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Loseblattsammlung, Stand 16. Lfg. 2021, Art130/1 B-VG, Rz 1 ff).
3. Auch die zur Verfolgungsverjährung gemäß §62 TÄKamG vorgebrachten Überlegungen sind – so scheinen die Bemerkungen deutbar – wohl nicht gegen die Bestimmung an sich, sondern gegen das Verhalten der Disziplinarbehörde gerichtet zu verstehen.
Konkrete verfassungsrechtliche Bedenken gegen §62 TÄKamG im Sinne des §62 VfGG wurden nicht vorgebracht und sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass dieses Verfahrens auch nicht entstanden.
4. Hingegen ist die Beschwerdeführerin hinsichtlich der Beurteilung der im Buch enthaltenen und im angefochtenen Erkenntnis unter Spruchpunkt I.1. aufgezählten, konkret getätigten Aussagen (siehe Punkt I.1.1.) im Ergebnis im Recht:
4.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung darlegt, hat gemäß Art10 Abs1 EMRK jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Vom Schutzumfang dieser Bestimmung, die das Recht der Freiheit der Meinung und der Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden einschließt, werden sowohl reine Meinungskundgaben als auch Tatsachenäußerungen, aber auch Werbemaßnahmen erfasst. Art10 Abs2 EMRK sieht allerdings im Hinblick darauf, dass die Ausübung dieser Freiheit Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, die Möglichkeit von Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen vor, wie sie in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes und der Rechte anderer, zur Verhinderung der Verbreitung von vertraulichen Nachrichten oder zur Gewährleistung des Ansehens und der Unparteilichkeit der Rechtsprechung notwendig sind.
Ein verfassungsrechtlich zulässiger Eingriff in die Freiheit der Meinungsäußerung muss sohin, wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ausgesprochen hat (s zB EGMR 26.4.1979, Fall Sunday Times, Appl 6538/74, EuGRZ 1979, 390; 25.3.1985, Fall Barthold, Appl 8734/79, EuGRZ 1985, 173), gesetzlich vorgesehen sein, einen oder mehrere der in Art10 Abs2 EMRK genannten rechtfertigenden Zwecke verfolgen und zur Erreichung dieses Zweckes oder dieser Zwecke "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" sein (vgl VfSlg 12.886/1991, 14.218/1995, 14.899/1997, 16.267/2001 und 16.555/2002).
4.2. In diesem Sinne hat der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur unter anderem keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das – insoweit gleichartige – Disziplinarrecht der Ärzte gehegt (vgl beginnend mit VfSlg 6026/1969, 10.700/1985, 11.996/1989, 17.852/2006); nicht anders ist §61 Abs1 Z1 TÄKamG zu beurteilen.
4.3. Die disziplinäre Bestrafung der Beschwerdeführerin stützt sich in Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Erkenntnisses auf den verfassungsrechtlich unbedenklichen §61 Abs1 Z1 TÄKamG. Nach dieser Bestimmung machen sich Kammermitglieder eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie im Inland oder im Ausland das Ansehen der in Österreich tätigen Tierärzteschaft durch ihr Verhalten der Gemeinschaft, den Tierhalterinnen bzw Tierhaltern oder den Kolleginnen und Kollegen gegenüber beeinträchtigen.
4.4. Wenn nun die Beschwerdeführerin durch das angefochtene Erkenntnis disziplinär verurteilt wird, ist dieser Eingriff am Maßstab des Art10 EMRK zu messen (vgl VfSlg 13.694/1994, 14.037/1995, 17.852/2006).
4.5. Selbst wenn zuzugestehen ist, dass es angesichts der Aufgaben und angesichts des besonderen Vertrauens, das Tierärzte in der Öffentlichkeit genießen, berechtigt ist, "eine unsachliche oder herabsetzende Kritik" an anderen Tierärzten für unzulässig zu erklären und disziplinarstrafrechtlich zu ahnden, so wenig dürfen die "Grundsätze der Kollegialität" dahin verstanden werden, dass dadurch jedwede polemische Kritik am behaupteten beruflichen Verhalten der Mehrzahl der Berufskollegen von vornherein zu unterlassen ist. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gilt nämlich in einer demokratischen Gesellschaft, wenn auch zulässigerweise unter den Einschränkungen des Abs2, nicht nur für "Nachrichten" oder "Ideen", die ein positives Echo haben oder die als unschädlich oder gleichgültig angesehen werden, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören. Das ergibt sich aus den Erfordernissen des Pluralismus, der Toleranz und der Großzügigkeit, ohne die eine "demokratische Gesellschaft" nicht bestehen kann (vgl EGMR 8.7.1986 [GK], Fall Lingens, Appl 9815/82, EuGRZ 1986, 428; 23.5.1991 [GK], Fall Oberschlick, Appl 11.662/85, EuGRZ 1991, 216; VfSlg 13.694/1994). Die Verwendung vulgärer Phrasen an sich ist jedoch für die Beurteilung eines beleidigenden Ausdrucks nicht entscheidend, da sie durchaus nur stilistischen Zwecken dienen kann. Für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist Stil ein Teil der Kommunikation als Ausdrucksform und als solche zusammen mit dem Inhalt des Ausdrucks geschützt (vgl EGMR 21.2.2012, Fall Tusalp, Appl 32.131/08 und 41.617/08). Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung besondere Zurückhaltung bei der Beurteilung einer Äußerung als Disziplinarvergehen fordert (vgl VfSlg 17.852/2006 mwN).
4.6. Auch wenn – wie bereits erwähnt – die von der Tierärztin in ihrem Buch gewählten und in Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Erkenntnisses angelasteten Aussagen reißerisch, ja geradezu polemisch und isoliert betrachtet vielleicht sogar beleidigend formuliert sind, so ist doch für einen laienhaften Leser dieses Buches leicht erkennbar, dass die Beschwerdeführerin mit diesen Äußerungen ihren Standpunkt bewusst übertrieben darstellt (vgl VfSlg 18.519/2008 mwN). Gerade derart stark übertriebene, pauschale Aussagen lassen erkennen, dass es sich um Kritik handelt, die sich bewusst der Übertreibung als Stilmittel bedient, um ein der Autorin eigenes Weltbild zu vermitteln. Vor dem Hintergrund der Konstellation des hier zu beurteilenden Falles – ein Buch über alternative Behandlungsmethoden für Tiere mit dem erkennbaren Ziel, die Vorteile der eigenen Methoden banal und reißerisch zu verdeutlichen – kann der Verfassungsgerichtshof nicht erkennen, dass die beschwerdeführende Tierärztin die Grenzen der zulässigen Kritik überschritten hätte und daher ist eine disziplinäre Bestrafung in einer demokratischen (Informations-)Gesellschaft nicht zum Schutz des Ansehens des Standes der Tierärzte zwingend notwendig (vgl EGMR 17.7.2001, Fall Ekin, Appl 39288/98; 13.7.1995, Fall Tolstoy, Appl 18139/91, NL 1995, 160 = ÖJZ 1995, 950). Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat daher mit dem angefochtenen Erkenntnis, indem es §61 Abs1 Z1 TÄKamG einen verfassungswidrigen Inhalt unterstellt hat, die Beschwerdeführerin im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt.
4.7. Das angefochtene Erkenntnis war daher insoweit aufzuheben.
5. §64 Abs3 TÄKamG normiert, dass im Falle mehrerer Dienstpflichtverletzungen nur eine einheitliche Disziplinarstrafe zu verhängen ist. Im vorliegenden Fall wurde über die Beschwerdeführerin wegen der Verletzung des Standesansehens (Spruchpunkt I.1. des angefochtenen Erkenntnisses) und wegen einer unzulässigen Fernbehandlung (Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Erkenntnisses) eine Disziplinarstrafe in der Höhe von € 5.000,– verhängt. Aus der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses lässt sich nicht entnehmen, in welchem Ausmaß sich die bereits ausgesprochene Gesamtstrafe bei Aufhebung des Spruchpunktes I.1. des angefochtenen Erkenntnisses reduziere. Auch wenn beim Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt I.2. des angefochtenen Erkenntnisses zur Last gelegten Übertretung keine verfassungsrechtlichen Bedenken entstanden sind, ist das Erkenntnis im Umfang des Strafausspruches – zur neuerlichen Bemessung durch das Landesverwaltungsgericht Salzburg – folglich zur Gänze aufzuheben.
6. Im Übrigen – also soweit sich die Beschwerde dem Grunde nach gegen den Tatvorwurf gemäß §20 Abs1 iVm §24 Abs1 Tierärztegesetz iVm §61 Abs1 Z2 TÄKamG richtet – wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt, weil von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG).
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch das angefochtene Erkenntnis – soweit es sich auf den Tatvorwurf gemäß §20 Abs2 Tierärztegesetz iVm §61 Abs1 Z1 TÄKamG bezieht und im Strafausspruch – im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden. Das Erkenntnis wird – insoweit – aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese gemäß Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 (und in Ansehung der Ablehnung der Beschwerdebehandlung iVm §31 letzter Satz) VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
Tierärzte, Meinungsäußerungsfreiheit, Disziplinarrecht, Veterinärwesen, Geldstrafe, Selbstverwaltung, Strafbemessung, Informationsfreiheit, Verwaltungsgericht ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E607.2020Zuletzt aktualisiert am
17.05.2021