TE Lvwg Erkenntnis 2021/1/15 LVwG-AV-1092/001-2020

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Veröffentlicht am 15.01.2021
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Entscheidungsdatum

15.01.2021

Norm

WRG 1959 §21a
WRG 1959 §138 Abs1
WRG 1959 §138 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter

Hofrat Mag. Wallner über die Beschwerde von A und B, beide in ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 01.09.2020, ***, betreffend Verpflichtung zur Vorlage eines Anpassungsprojektes nach § 21a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), zu Recht:

1.   Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 01.09.2020 wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichts- verfahrensgesetz (VwGVG) aufgehoben.

2.   Eine Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Vom wasserbautechnischen Amtssachverständigen wurde am 24.07.2020 ein Lokalaugenschein bei gegenständlicher Fischteichanlage auf Grundstück Nr. ***, KG ***, durchgeführt und stellte dieser dabei einige Mängel und Abänderungen an der Anlage fest. Im Umleitergraben für die Hochwasserabfuhr befanden sich mehrere Bäume und war im nördlichen Bereich des Umleiters eine Überfahrtsverrohrung eingebaut. Der Teichdamm war stark verwachsen und mit Bäumen bewachsen. Der Mönch der Anlage war nicht abgedeckt vorhanden.

Der Amtssachverständige forderte die Entfernung der Bäume aus dem Umleitergerinne, die Vorlage eines Projektes über die durchgeführten Abänderungen in Form der Verrohrung im genannten Gerinne, das Mähen und die Entfernung des Strauch- und Baumbewuchses der Dämme sowie die Abdeckung des Mönchbauwerkes.

Von der Agrarbezirksbehörde St. Pölten wurde mit E-Mail vom 11.08.2020 der Behörde mitgeteilt, dass im Zusammenlegungsverfahren *** der Umleitergraben bei Grundstück *** errichtet und auch die Verrohrung in diesem Gerinne auf Grundstück *** als Überfahrt mit einem Querschnitt von 80 cm hergestellt worden war.

In der durch die Behörde weiters eingeholten Stellungnahme des Amtssachverständigen für Wasserbautechnik vom 12.08.2020 führte dieser aus, dass es sich bei der in den Plänen der Agrarbezirksbehörde eingetragenen Verrohrung um die gegenständliche Verrohrung DN 800 handle, welche in die Hochwasserentlastung des Teichbeckens eingebaut worden wäre. Das anfallende HQ100 wäre in der Bewilligung am 11.06.1986 mit 6,5 m³/s angegeben und müsse die gegenständliche Teichanlage ein derartiges Hochwasserereignis schadlos bewältigen können. Für diesen Zweck wäre der Umleiter mit der Dammaufhöhung vorgesehen und auch bewilligt worden. Die Verrohrung DN 800 könne aber das angegebene Hochwasser bei weitem nicht abführen und würde dieses nunmehr in die Teichanlage einströmen. Abschließend hielt der Amtssachverständige fest, dass durch die Umbauarbeiten die gegenständliche Anlage hinsichtlich Hochwassersicherheit nicht mehr dem Stand der Technik entspreche.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den gewässerpolizeilichen Anpassungsbescheid vom 01.09.2020, gestützt auf § 21a WRG 1959. Begründend führte sie aus, dass sich aus dem Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen ergäbe, dass die Vorlage eines Projektes für die Verrohrung im Umleitergerinne hinsichtlich Anpassung an den Stand der Technik erforderlich wäre. Es wurde weiters auf die Hochwassersicherheit hingewiesen.

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht mit E-Mail vom 23.09.2020 Beschwerde und brachten vor, dass die Verrohrung im Umleitergerinne im Zuge des Zusammenlegungsverfahrens errichtet worden wäre und die Planung und Ausführung bezüglich Lage und Querschnitt von Technikern der niederösterreichischen Agrarbezirksbehörde durchgeführt worden wäre. Die Beschwerdeführer wären in keiner Weise eingebunden gewesen. Das Bauwerk, nämlich die Verrohrung, wäre errichtet worden, um das Zufahrtsrecht über das Nachbargrundstück von C zu beseitigen und wäre die Verrohrung im Umleitergerinne auch nicht Gegenstand der wasserrechtlichen Genehmigung zur Errichtung der Teichanlage gewesen. Auch liege die Verrohrung nicht auf dem Teichgrundstück der Beschwerdeführer.

Folgender Sachverhalt ist anhand der klaren Aktenlage als erwiesen anzusehen:

Auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, befindet sich das unter der Wasserbuch Postzahl *** im Wasserbuch für den Verwaltungsbezirk Waidhofen an der Thaya eingetragene Wasserbenutzungsrecht der Beschwerdeführer in Form einer Fischteichanlage. Diese Anlage weist einerseits Mängel und andererseits Abweichungen auf. Mängel sind mehrere Bäume im Umleitergraben sowie Strauch- und Baumbewuchs auf dem Teichdamm und das Fehlen einer Abdeckung beim Mönchbauwerk. Eine Abweichung vom bewilligten Projekt befindet sich im nördlichen Bereich des Umleitergerinnes in Form einer Überfahrtsverrohrung in einer Länge von ca. 9 m und mit einem Durchmesser von 80 cm.

Eine Bewilligung für diese Mängel und die Abweichung liegt nicht vor. Der hundertjährliche Hochwasserabfluss ist beeinträchtigt.

Bei gegenständlicher Teichanlage ist ein Umleitergerinne mit einer Dammaufhöhung bewilligt. Bewilligungsgemäß muss dieses Umleitungsgerinne als Hochwasserentlastung ein Hochwasserereignis von HQ100 bewältigen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Die für gegenständlichen Beschwerdefall relevanten Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:

„Abänderung von Bewilligungen
§ 21a.

(1) Ergibt sich nach Erteilung der Bewilligung insbesondere unter Beachtung der Ergebnisse der Bestandsaufnahme (§ 55d), dass öffentliche Interessen (§ 105) trotz Einhaltung der im Bewilligungsbescheid oder in sonstigen Bestimmungen enthaltenen Auflagen und Vorschriften nicht hinreichend geschützt sind, hat die Behörde vorbehaltlich § 52 Abs. 2 zweiter Satz die nach dem nunmehrigen Stand der Technik (§ 12a) zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, Anpassungsziele festzulegen und die Vorlage entsprechender Projektsunterlagen über die Anpassung aufzutragen. Art und Ausmaß der Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer einzuschränken oder die Wasserbenutzung vorübergehend oder auf Dauer zu untersagen.

(2) …

(3) Die Behörde darf Maßnahmen nach Abs. 1 nicht vorschreiben, wenn diese Maßnahmen unverhältnismäßig sind. Dabei gelten folgende Grundsätze:

a)

der mit der Erfüllung dieser Maßnahmen verbundene Aufwand darf nicht außer Verhältnis zu dem damit angestrebten Erfolg stehen, wobei insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Wasserbenutzung ausgehenden Auswirkungen und Beeinträchtigungen sowie die Nutzungsdauer, die Wirtschaftlichkeit und die technische Besonderheit der Wasserbenutzung zu berücksichtigen sind;

b)

bei Eingriffen in bestehende Rechte ist nur das jeweils gelindeste noch zum Ziele führende Mittel zu wählen;

c)

verschiedene Eingriffe können nacheinander vorgeschrieben werden.

(Anm.: lit. d aufgehoben durch BGBl. I Nr. 82/2003)

(4) …

…“

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 01.09.2020 wird die Vorlage eines Projektes für eine Verrohrung im Umleitergerinne der Fischteichanlage auf Grundstück Nr. ***, KG ***, aufgetragen. Als Rechtsgrundlage wird § 21a WRG 1959 angeführt. Die Anwendung des § 21a WRG 1959 erfordert, dass auch bei Einhaltung der Auflagen des Bewilligungsbescheides öffentliche Interessen nicht ausreichend geschützt sind. Liegt hingegen konsenswidriges Verhalten vor, greift § 138 WRG 1959.

Anordnungen nach § 21a Abs. 1 WRG 1959 kann die Wasserrechtsbehörde nur treffen, wenn trotz Einhaltung des wasserrechtlichen Konsenses öffentliche Interessen nicht ausreichend geschützt sind. Ist der mangelnde Schutz öffentlicher Interessen hingegen auf ein konsenswidriges Verhalten des Bewilligungsinhabers zurückzuführen, dann ist nicht nach § 21a WRG vorzugehen, sondern durch einen Auftrag nach § 138 WRG 1959 oder durch Vollstreckung einer vorgeschriebenen aber nicht eingehaltenen Auflage (vgl. VwGH vom 22.06.1993, 92/07/0145, VwGH vom 29.10.1998, 96/07/0006, ua.).

Nach gegenständlicher Aktenlage ist nicht davon auszugehen, dass die Vorschriften und Auflagen des Bewilligungsbescheides eingehalten werden und dennoch das öffentliche Interesse am Schutz vor Hochwässern nicht ausreichend geschützt ist. Das öffentliche Interesse besteht darin, dass der Hochwasserablauf nicht erheblich beeinträchtigt werden darf. Es wurde eine Verrohrung in Abweichung zur Bewilligung vom 11.06.1986 hergestellt und es bestehen Mängel an der Anlage infolge Vernachlässigung der Instandhaltungspflicht.

Gegenstand des auf § 21a WRG 1959 gestützten Bescheides ist lediglich die Vorlage eines Anpassungsprojektes bezogen auf die Verrohrung im Umleitungsgerinne. Für einen derartigen Auftrag fehlen aber die Voraussetzungen.

Die Verrohrung mit einem Durchmesser von 80 cm stellt eine nicht vom Bewilligungsbescheid vom 11.06.1986 umfasste Maßnahme dar. Es ist dies eine Abweichung vom Konsens und damit eine eigenmächtige Neuerung iSd § 138 Abs. 1 WRG 1959. Dass die Verrohrung nicht durch die Beschwerdeführer hergestellt worden war und dies nach ihrem Vorbringen auch ohne ihr Wissen erfolgt ist, ändert nichts daran, dass ein konsenswidriger Zustand hergestellt wurde. Die Beschwerdeführer haben diesen Zustand durch den weiteren Betrieb ihrer Fischteichanlage aufrechterhalten und genutzt. Sie wären daher nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Adressaten eines gewässerpolizeilichen Entfernungs- oder allenfalls Alternativauftrages.

Nicht nur die unmittelbare Herbeiführung des bewilligungsbedürftigen Zustandes ohne Bewilligung ist eine Übertretung von Bestimmungen des WRG 1959 iSd

§ 138 Abs. 1, sondern auch die Aufrechterhaltung und Nutzung eines solcherart konsenslos geschaffenen Zustandes (vgl. VwGH vom 26.06.1996, 96/07/0010, vom 29.10.1996, 94/07/0021 u.a.).

Gleiches gilt auch für einen nicht bewilligungsfähigen Zustand, in einem derartigen Fall wäre die Beseitigung nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 aufzutragen.

In gegenständlicher Beschwerdesache ist aber nicht ein gewässerpolizeilicher Beseitigungsauftrag angefochten worden, sondern ein Anpassungsauftrag nach § 21a WRG 1959. Die genannten beiden Gesetzesbestimmungen regeln Unterschiedliches. Im ersten Fall sollen Konsenslosigkeiten beseitigt werden, im zweiten erfordert der Schutz öffentlicher Interessen Anpassungsmaßnahmen, da trotz Auflageneinhaltung dem Schutz dieser Interessen nicht ausreichend Rechnung getragen werden kann. Es ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage im Zuge des Beschwerdeverfahrens deshalb nicht möglich, da sonst die Grenze der anhängigen Beschwerdesache überschritten werden würde. Der angefochtene Bescheid vom 01.09.2020 erweist sich als rechtswidrig und war aufzuheben.

Für die belangte Behörde bedeutet dies, dass gegenständlicher Sachverhalt in Hinblick auf § 138 WRG 1959 zu prüfen ist. Sollte sich – mit fachkundiger Unterstützung – ergeben, dass die Verrohrung bewilligungsfähig ist, wäre ein Auftrag nach § 138 Abs. 2 WRG 1959 zu erlassen, andernfalls ein Entfernungsauftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959.

Nach der Stellungnahme des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 12.08.2020 ist die Verrohrung mit dem Durchmesser DN 800 (alleine) jedoch nicht geeignet, das im Bewilligungsbescheid vom 11.06.1986 festgehaltene Hochwasserereignis abzuführen.

Dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ist – anhand der vorgelegten Aktenlage – nicht bekannt, ob betreffend die im Gutachten vom 05.12.2020 angeführten Mängel (Bäume im Umleitergerinne und auf dem Teichdamm sowie Strauchbewuchs auf dem Damm und fehlende Abdeckung des Mönchbauwerkes) ein gewässerpolizeilicher Instandhaltungsauftrag nach § 138 Abs. 1 lit. a iVm § 50 WRG 1959 erlassen wurde. Sollte dies nicht der Fall sein, wird die Behörde, nach Prüfung der nunmehrigen örtlichen Situation, allenfalls einen entsprechenden Auftrag noch zu erlassen haben. Abschließend wird auf die Judikatur des VwGH hingewiesen, wonach § 21a WRG kein Instrument zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes darstellt (vgl. VwGH vom 18.01.1994, 93/07/0063).

Angemerkt wird, dass die Anwendung des § 21a WRG 1959 die in Abs. 3 lit. a dieser Bestimmung geregelte Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetzt, wofür konkrete Sachverhaltsfeststellungen sowohl hinsichtlich Aufwand als auch Erfolg erforderlich sind. Allgemein gehaltene Erwägungen des Amtssachverständigen können dem nicht genügen.

Die Beschwerdeführer werden abschließend darauf hingewiesen, dass der bloße Umstand der Lage eines Teiles der Fischteichanlage, nämlich der Verrohrung eines Teiles des Umleitergerinnes, auf Fremdgrundstück nicht von der Verantwortung als Wasserrechtsinhaber befreit, die Anlage in einem dem WRG entsprechenden Zustand zu erhalten. Das Umleitergerinne ist nach den Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen in der Stellungnahme vom 12.08.2020 samt Dammaufhöhung (mit Bescheid vom 11.06.1986) bewilligt worden.

Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen, da der angefochtene Bescheid aufzuheben war. Die Durchführung einer Verhandlung wurde auch nicht beantragt.

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Eine Revision nach Artikel 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Entscheidung weicht weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche oder liegt eine nicht einheitliche Rechtsprechung vor. K

Schlagworte

Umweltrecht; Wasserrecht; Anpassungsauftrag; öffentliches Interesse;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2021:LVwG.AV.1092.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2021
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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