TE Bvwg Erkenntnis 2020/12/3 W176 2007506-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.12.2020
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Entscheidungsdatum

03.12.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch


W176 2007506-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , iranischer Staatsangehöriger, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2019, Zl. 760409803-190077226, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 33/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet stellte der Beschwerdeführer am XXXX .2006 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.07.2008 wurde ihm gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), der Status des Asylberechtigten zuerkannt und zugleich festgestellt, dass ihm kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der in einer Gemeinde der XXXX aktive Beschwerdeführer sei (ernsthaft) zum Christentum dieser Prägung konvertiert und deshalb im Iran asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

2. Nach Einleitung eines Aberkennungsverfahren in Hinblick auf mehrfache Aufenthalte des Beschwerdeführers im Iran wurde ihm mit – in Rechtskraft erwachsenem – Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.02.2013 u.a. der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme.

3. Mit Bescheid vom 01.04.2014 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG und erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 23.09.2014, Zl. XXXX , als unbegründet ab. In der Begründung hielt es u.a. fest, dass keine stichhältigen Gründe für die Annahme vorlägen, dass dem Beschwerdeführer im Iran Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe oder die Todesstrafe drohen würde. Dabei wurde insbesondere auf den Umstand verwiesen, dass der Beschwerdeführer im betreffenden Verfahren zunächst noch jegliche Rückkehr in den Iran in Abrede gestellt habe und diese erst im Beschwerdeschriftsatz (in dem er ausführte, im Iran inhaftiert worden zu sein) eingeräumt habe.

4. Am XXXX .10.2014 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen darauf stützte, er sei nach seiner Rückkehr in den Iran XXXX drei Monate inhaftiert gewesen und zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 11.07.2016, Zl. 760409803-140117370/BMI-EAST_WEST, wurde ihm (erneut) der Status des Asylberechtigten zuerkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Von einer näheren Begründung des Bescheides wurde unter Hinweis auf § 58 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), abgesehen. Einem „Aktenvermerk betreffend die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten“ vom gleichen Tag ist jedoch zu entnehmen, dass die Behörde davon ausging, dass der Beschwerdeführer (auch weiterhin) die genannte Gemeinde der XXXX besuche. Auf die Rückkehr des Beschwerdeführers in den Iran wird nicht eingegangen.

5. Nachdem der Beschwerdeführer mit (rechtskräftig gewordenem) Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 30.10.2018 wegen §§ 146, 147 (2), 148 1. Fall, § 15 Strafgesetzbuch, BGBl. Nr. 60/1974 (StGB), §§ 12 3. Fall, § 223 Abs. 2, 224 StGB sowie §§ 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahre, verurteilt worden war, leitete die belangte Behörde ein weiteres Mal ein Aberkennungsverfahren ein. Mit Schreiben vom 28.12.2018 wurde der Beschwerdeführer verständigt und ihm die Beantwortung von insgesamt 20 Fragen, die im Wesentlichen seine Verurteilungen, seine Rückkehrgefährdung sowie seine Bindungen nach Österreich sowie in den Iran betreffen, aufgetragen.

6. Die belangte Behörde richtete weiter eine Anfrage betreffend die Verfügbarkeit einer dem Beschwerdeführer verordneten Medikation an die Staatendokumentation, welche dahingehend beantwortet wurde, dass diese im Iran verfügbar sei.

7. In seiner Stellungnahme vom 18.01.2019 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er zu Unrecht vom Strafgericht verurteilt worden sei, ihm als protestantischen Christen im Iran der Tod drohe und er aufgrund seiner Zuwendung zum Christentum keine Bindungen in den Iran habe. Zu sozialen Bindungen in Österreich nannte er seine Tätigkeit als Dolmetscher in der XXXX gemeinde sowie seine guten Kontakte zu seinem (namentlich genannten) Vermieter.

8. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2019, Zl. 760409803-190077226, wurde dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG (abermals) aberkannt und festgestellt, dass ihm Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 9 Abs. 2 AsylG wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 3 FPG gegen ihn erlassen (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig wurde gemäß § 52 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig sei. Die belangte Behörde setzte ihm weiters gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist zur Ausreise (Spruchpunkt VI.) und verhängte über ihn gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf sieben Jahre befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).

Begründend stützte sich die Behörde hinsichtlich der Aberkennung des Asylstatus darauf, dass der Beschwerdeführer das Verbrechen der Schlepperei und somit ein besonders schweres Verbrechen begangen habe. Auch ließen seine weiteren Verurteilungen sowie seine zahlreichen Verwaltungsübertretungen keine positive Zukunftsprognose zu, zumal er auch bei der Beantwortung des Fragenkatalogs keinerlei Schuldeinsicht gezeigt habe. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran einer lebensbedrohlichen Gefährdung ausgesetzt sei, weil er in Österreich weder öffentlich regimefeindlich aufgefallen noch sonst exponiert sei, sodass nicht von einer Überwachung durch iranische Behörde ausgegangen werde. Insbesondere sei er nicht durch missionarische Tätigkeiten auffällig geworden und hebe sich – aus Sicht des iranischen Regimes – somit nicht aus der Masse der breiten Bevölkerung ab.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führte er durch seine rechtsfreundliche Vertretung aus, dass nicht jede Form der Schlepperei, sondern bloß besondere Formen als besonders schweres Verbrechen zu werten seien. Beim Beschwerdeführer sei dies nicht erfüllt, habe er doch lediglich eine Haftstrafe von acht Monaten und verbüßt. Ihm sei weiters bedingte Strafnachsicht gewährt worden. Er wäre auch nicht im gelockerten Vollzug gewesen, würde eine wie von der Behörde ins Treffen geführte Gefährdung von ihm ausgehen.

10. In der Folge legte die belangte Behörde die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

11. Am 17.07.2019 wurde der Beschwerdeführer von seiner bisherigen Meldeadresse in Luftenberg an der Donau abgemeldet. Eine neue Meldeadresse hat er in Österreich seither nicht begründet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Der am XXXX geborene, ledige Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und stammt aus Teheran. Er leidet an Depressionen und Panikattacken, wogegen er Medikamente einnimmt. Er hat in Österreich keine Familienangehörigen und nur wenige soziale Kontakte.

1.1.2. Der Beschwerdeführer verfügt seit Juli 2019 über keinen Wohnsitz in Österreich.

1.1.3. Dem Beschwerdeführer drohen im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe staatlicher Organe oder Dritter von hier interessierender Intensität.

1.1.4. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 04.09.2015, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 08.09.2015, wegen § 288 StGB (falsche Beweisaussage) zu einer bedingten viermonatigen Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt, wobei die Tat am 28.11.2014 und somit kurz nach seiner (zweiten) Asylantragstellung am XXXX .10.2014 erfolgte.

Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 30.10.2018, Zl. XXXX , rechtskräftig seit 03.11.2018, wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 146, 147 (2), 148 1. Fall StGB, § 15 StGB (teil versuchter, teils vollendeter schwerer gewerbsmäßiger Betrug), § 12 3. Fall StGB §§ 223 Abs. 2, 224 StGB (Beitragstäterschaft zur Urkundenfälschung besonders geschützter Urkunden) und § 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 2 FPG (Schlepperei in Bezug auf mindestens drei Fremde) zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon 16 Monate Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt, wobei der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe am 08.03.2019 vollzogen wurde.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat Iran:

Allgemeine Lage:

Iran ist eine islamische Republik mit etwa 80 Millionen Einwohnern. Staatsoberhaupt und Revolutionsführer ist Ayatollah Seyed Als Khamene-i, Präsident seit 2013 Hassan Rohani. Dem Staatsoberhaupt unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran) und die mehrere Millionen Mitglieder umfassenden Basij-Milizen. Islamische und demokratische Elemente bestehen nebeneinander. Eine demokratische Verfassung im europäischen Sinn besteht nicht. Die allgemeine Sicherheitslage ist mit Ausnahme der Provinzen Sistan-Belutschistan, Kurdistan und West-Aserbaidschan, in denen es immer wieder zu Konflikten zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen und Anschlägen gegen die Sicherheitskräfte kommt, ruhig, wobei latente Spannungen bestehen. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Unabhängigkeit der Justiz unterliegt Begrenzungen. Vor allem der Sicherheitsapparat nimmt in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung. Allgemein erfüllen Gerichtsverfahren internationale Standards nicht. Obwohl nach der Verfassung primär kodifiziertes Recht anzuwenden ist, kann im Zweifelsfall nach der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewandt werden. Nach wie vor werden Körperstrafen und Todesstrafe angewandt. Es kommt immer wieder zu willkürlichen Verhaftungen, insbesondere im Zusammenhang mit politischer Überzeugung. Basij-Kräfte sind eine freiwillige paramilitärische Gruppierung, die oft bei der Unterdrückung von Oppositionellen oder der Einschüchterung von Zivilisten, die den strikten Moralkodex nicht befolgen, involviert sind. Die Revolutionsgarden (Sepah-e Pasadaran-e Enghelab-e Islami - IRGC) sind herausragend im Sicherheitsapparat, sie sind eine Parallelarmee und haben Wirtschaft, Politik und Verwaltung durchsetzt. Sie verfügen über eigene Gefängnisse. Mit willkürlichen Verhaftungen muss im Iran gerechnet werden. Auffälliges Hören von (westlicher) Musik, die Äußerung einer eigenen Meinung zum Islam, gemeinsame Autofahrten junger nicht verheirateter Männer und Frauen, gemischtgeschlechtliche Partys oder das Verstoßen gegen Bekleidungsvorschriften kann den Unmut zufällig anwesender Basijs bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Es kann auch zum Verprügeln durch Basij kommen. Die genaue Überwachungskapazität der iranischen Behörden ist unbekannt.

Auch 2017 wurden grausame und unmenschliche Strafen (zB. Peitschenhiebe, Amputationen) vollstreckt. Die Todesstrafe steht auf Mord, Sexualdelikte, gemeinschaftlichen Raub, wiederholten schweren Diebstahl, Drogenschmuggel, schwerwiegende Verbrechen gegen die Staatssicherheit, Abfall vom islamischen Glauben und homosexuelle Handlungen. Der Häufigkeit nach wird sie primär bei Drogendelikten, dann Mord und Sexualdelikten angewandt. Laut AI wurden 2017 mindestens 507 Personen hingerichtet. Auch 2016 war Iran mit hoher Wahrscheinlichkeit das Land mit der weltweit höchsten Hinrichtungszahl im Verhältnis zur Bevölkerung.

Religionsfreiheit, Situation von Christen und Konversion:

99% der Bevölkerung gehören dem Islam (Staatsreligion) an. Etwa 90% der Bevölkerung sind Schiiten, ca. 9% Sunniten, der Rest Christen, Juden, Zorostrier, Baha-i, Sufis und kleinere religiöse Gruppen. Die in Art. 13 der iranischen Verfassung anerkannten "Buchreligionen" (Christen, Juden, Zoroastrier) dürfen ihren Glauben relativ frei ausüben. In Fragen des Ehe-und Familienrechts genießen sie verfassungsrechtlich Autonomie. Etwa 100.000 bis 300.000 - vornehmlich armenische - Christen leben im Iran, hauptsächlich in Teheran und Isfahan. Ihnen stehen zwei der 290 Parlamentssitze zu. Die Mehrheit der iranischen Christen ist den ethnischen Christen zuzuordnen (armenische, assyrische und chaldäische). Die nicht-ethnischen Christen gehören hauptsächlich der katholischen und protestantischen Kirche an und haben ihren Ursprung in der Zeit des Schah-Regimes. Jegliche Missionstätigkeit kann als "mohareb" (Krieg gegen Gott) verfolgt und mit dem Tod bestraft werden. Ihre Vertreter unterliegen Beschränkungen beim Zugang von höheren Staatsämtern. Anerkannte religiöse Minderheiten - Zoroastrier, Juden, armenische und assyrische Christen - werden diskriminiert, nicht anerkannte nicht-schiitische Gruppen (Bahá'í, konvertierte evangelikale Christen, Sufi, Atheisten) in unterschiedlichem Grad verfolgt. Sunniten werden v.a. beim beruflichen Aufstieg diskriminiert. Anerkannte religiöse Minderheiten sind in ihrer Glaubensausübung nur geringen Einschränkungen unterworfen (religiöse Aktivitäten sind nur in den jeweiligen Gotteshäusern und Gemeindezentren erlaubt, christliche Gottesdienste in Farsi sowie missionarische Tätigkeiten sind verboten).

Das Recht, eine Religion zu wechseln oder aufzugeben, wird weiterhin verletzt. Personen, die zum Christentum übergetreten waren, erhielten hohe Gefängnisstrafen (10 bis 15 Jahre). Es gab weiterhin Razzien in Hauskirchen. Personen, die sich zum Atheismus bekannten, konnten jederzeit willkürlich festgenommen, inhaftiert, gefoltert und misshandelt werden. Sie liefen Gefahr, wegen "Apostasie" (Abfall vom Glauben) zum Tode verurteilt zu werden. Unter besonderer Beobachtung stehen hauskirchliche Vereinigungen, deren Versammlungen regelmäßig aufgelöst und deren Angehörige gelegentlich festgenommen werden. Muslimische Konvertiten und Mitglieder protestantischer Freikirchen sind willkürlichen Verhaftungen und Schikanen ausgesetzt. 2016 sollen 198 Gefangene wegen "Feindschaft gegen Gott", 31 wegen "Beleidigung des Islam" und 12 wegen "Korruption auf Erden" inhaftiert gewesen sein. Laut der Gefangenenliste von Open Doors mit Stand September 2017 befanden sich 56 Christen in Haft, 5 wurden freigelassen, 13 wurden auf Kaution freigelassen und 10 mit dem Verbot das Land zu verlassen freigelassen.

Apostasie (Abtrünnigkeit vom Islam) ist verboten und mit langen Haftstrafen bis zur Todesstrafe bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden jedoch zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund anderer Delikte, wie zum Beispiel "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), Verdorbenheit auf Erden, oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". Bei keiner der Hinrichtungen in den letzten Jahren gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurden im Jahr 2016 25 Sunniten (davon 22 Kurden) u.a. wegen "moharebeh" exekutiert (ÖB Teheran 9.2017). Christliche Konvertiten werden normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern solche Fälle als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Für Konversion wurde in den letzten zehn Jahren keine Todesstrafe ausgesprochen. Allein wegen Konversion werden keine Gerichtsverfahren geführt. Missionstätigkeit unter Muslimen kann eine Anklage wegen Apostasie und Sanktionen bis zur Todesstrafe nach sich ziehen. Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf.

Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Die Tragweite der Konsequenzen für jene Christen, die im Ausland konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, hängt von der religiösen und konservativen Einstellung ihres Umfeldes ab. Es wird diesbezüglich von familiärer Ausgrenzung berichtet sowie von Problemen, sich in der islamischen Struktur des Staates zurechtzufinden. In Familien eines öffentlich Bediensteten oder eines Polizisten wird die Konversion als Familienmitglied als heikel eingeschätzt, wobei es sein kann, dass der Konvertit aus der Familie verbannt oder den Behörden gemeldet wird, um die Arbeit des Amtsträgers nicht zu beeinträchtigen. Die Schließungen der "Assembly of God" Kirchen im Jahr 2013 führten zu einer Ausbreitung der Hauskirchen. Deren Anzahl steigt. Es ist schwierig diese zu kontrollieren, da sie verstreut, unstrukturiert und ihre Örtlichkeiten meist nicht bekannt sind. Sie werden teils überwacht. Die Behörden nutzen Informanten, die die Hauskirchen infiltrieren. Diese organisieren sich daher in kleinen und mobilen Gruppen. Wenn Behörden Informationen bezüglich einer Hauskirche bekommen, wird ein Überwachungsprozess in Gang gesetzt. Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Die Überwachung von Telekommunikation, Social Media und Online-Aktivitäten ist weitverbreitet. In den letzten Jahren gab es mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet. Eine Hauskirche kann beispielsweise durch Nachbarn aufgedeckt werden, die abnormale Aktivitäten um ein Haus bemerken. Ansonsten haben die Behörden kaum Möglichkeiten, eine Hauskirche zu entdecken, da die Mitglieder in der Regel sehr diskret sind. Organisatoren von Hauskirchen können sich dem Risiko ausgesetzt sehen, wegen "Verbrechen gegen Gott" angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Es ist aber kein Fall bekannt, bei dem diese Beschuldigung auch tatsächlich zu einer Exekution geführt hätte. Nicht verlässlich bekannt ist, ob nur Anführer oder auch einfache Mitglieder verfolgt werden. Primär zielen die Behörden auf Anführer der Hauskirchen ab. Ein Hauskirchenmitglied, das zum ersten Mal festgenommen wird, wird normalerweise nach 24 Stunden wieder freigelassen. Die typische Vorgehensweise gegen eine Hauskirche ist, dass der Anführer der Hauskirche verhaftet und wieder freigelassen wird, um die Gemeinschaft anzugreifen und zu schwächen. Ob ein Mitglied einer Hauskirche im Visier der Behörden ist, hängt auch von seinen durchgeführten Aktivitäten und ob er/sie auch im Ausland bekannt ist, ab. Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion andere Aktivitäten nachfolgen, wie zum Beispiel Missionierung oder Unterricht anderer Personen im Glauben, kann dies zu einem Problem werden. Wenn ein Konvertit nicht missioniert oder eine Hauskirche bewirbt, werden die Behörden i.d.R. nicht über ihn Bescheid wissen.

Konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, sind für die Behörden mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Interesse. Wenn ein Konvertit schon vor seiner Ausreise den Behörden bekannt war, könnte dies anders sein. Wenn er den Behörden nicht bekannt war, ist eine Rückkehr in den Iran kein Problem. Wenn ein zurückgekehrter Konvertit sehr freimütig über seine Konversion in den Social Media-Kanälen, einschließlich Facebook berichtet, können die Behörden auf ihn aufmerksam werden und ihn bei der Rückkehr verhaften und befragen. Wenn der Konvertit kein "high-profile"-Fall ist und nicht missionarisch tätig ist bzw. keine anderen Aktivitäten setzt, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, ist nicht von einer harschen Bestrafung auszugehen. Eine Bekanntgabe der Konversion auf Facebook allein wird nicht zu einer Verfolgung führen. Ob eine Taufe für die iranischen Behörden Bedeutung hat, steht nicht fest.

Rückkehr:

Allein der Umstand, dass eine Person einen Asylantrag gestellt hat, löst bei der Rückkehr keine staatlichen Repressionen aus. In der Regel dürften die Umstände der Wiedereinreise den iranischen Behörden gar nicht bekannt werden. Trotzdem kann es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen. Bisher wurde kein Fall bekannt, in dem Zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert wurden. Personen, die das Land illegal verlassen und sonst keine weiteren Straftaten begangen haben, können von den iranischen Auslandsvertretungen ein Passersatzpapier bekommen und in den Iran zurückkehren. In Einzelfällen konnte im Falle von Rückkehrern aus Deutschland festgestellt werden, dass diese bei niederschwelligem Verhalten und Abstandnahme von politischen Aktivitäten, mit Ausnahme von Einvernahmen durch die iranischen Behörden unmittelbar nach der Einreise, keine Repressalien zu gewärtigen hatten. Für die Rückkehr in den Iran braucht man eine offizielle Erlaubnis des iranischen Staates. Die Rückkehr wird mit den Behörden von Fall zu Fall verhandelt. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann in den Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein.

Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (AA 2.3.2018). Wenn Kurden im Ausland politisch aktiv sind, beispielsweise durch Kritik an der politischen Freiheit in Iran in einem Blog oder anderen Online Medien, oder wenn eine Person Informationen an die ausländische Presse weitergibt, kann das bei einer Rückreise eine gewisse Bedeutung haben. Die Schwere des Problems für solche Personen hängt aber vom Inhalt und Ausmaß der Aktivitäten im Ausland und auch vom persönlichen Aktivismus in Iran ab (DIS/DRC 23.2.2018).

Sozialbeihilfen:

Dem Gesundheitsministerium ist auch die Verantwortung für Sozialhilfe und Versicherungswesen übertragen. Es gibt verschiedene Versicherungsträger, welche alle dem im Sozialministerium angesiedelten „Hohen Versicherungsrat“ (HIC) unterstehen, der die Versicherungspolitik plant, koordiniert, durchführt und überwacht. Ein Hauptversicherer ist die „Organisation für Sozialversicherung“ (SSIO). Alle Arbeitgeber und -nehmer zahlen in dessen System ein und erhalten dafür gewisse Unterstützungsleistungen (ÖB Teheran 12.2018). Alle angestellten Arbeitnehmer unterliegen einer Sozialversicherungspflicht, die die Bereiche Rente, Unfall und

Krankheit umfasst. Der Rentenanspruch entsteht in voller Höhe nach 30 Einzahlungsjahren. Nachdem in die Sozialversicherungskasse zwei Jahre eingezahlt wurde, entsteht für Angestellte ein monatlicher Kindergeldanspruch in der Höhe von 1.111.269 IRR (ca. 7,70 Euro) pro Kind. Ebenfalls besteht ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von 70-80% des Gehaltes, das für mindestens ein Jahr gezahlt wird. Schließlich erhält ein geringer Teil der nicht oder gering verdienenden iranischen Bevölkerung zur Sicherung der Grundversorgung monatlich 450.000 IRR (ca. 3.10 Euro, sog. Yarane). Dabei handelt es sich jedoch um ein auslaufendes System, das keine Neuaufnahmen zulässt. Angesichts drängender Wirtschaftsnöte wurde im September 2018 zusätzlich die Ausgabe von 10 Millionen elektronischen Lebensmittelkarten beschlossen, ergänzt durch Nahrungsmittelpakete für die am meisten von Armut betroffenen Familien (AA 12.1.2019).

Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer und ihre Familien sind nicht bekannt. Im Übrigen gibt es soziale Absicherungsmechanismen, wie z.B. Armenstiftungen, Kinder-, Alten-, Frauen- und Behindertenheime. Hilfe an Bedürftige wird durch den Staat, die Moscheen, religiöse Stiftungen, Armenstiftungen und oft auch durch NGOs oder privat organisiert (z.B. Frauengruppen) (AA 12.1.2019).

Kostenfreie Bildung und Gesundheitsversorgung sind als Teil des Sozialwesens für alle iranischen Bürger gewährleistet. Weitere Leistungen können vom Arbeitgeber angeboten werden (IOM 2018).

Eine staatliche Arbeitslosenhilfe gibt es nicht, es sei denn der Rückkehrer oder dessen Arbeitgeber haben monatliche Beiträge an eine entsprechende Versicherungsfirma gezahlt. Die Mitgliedschaft in der Sozialversicherung ist für alle Arbeitnehmer verpflichtend. Die Sozialsicherung schützt im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Berufsunfällen und auch bei altersbedingtem Ausscheiden. Seit 2003 wurden die zuständigen Institutionen überholt und zusammengelegt, um Ineffektivität und Redundanzen zu vermeiden. Das System deckt alle Angestellten und FreiberuflerInnen ab, wobei letztere zwischen verschiedenen Sfufen wählen können. Freiwillige Abdeckung ist für vorher versicherte Personen bis 55 Jahre verfügbar (mindestens 30 Tage) sowie für die Gruppe der Berufskraftfahrer. Spezielle Systeme gibt es darüber hinaus für Staatsangestellte und Militärangehörige. Solange Rückkehrende für eine iranische Organisation/Firma arbeiten, übernehmen die Arbeitgeber den Großteil der Beiträge. Ansonsten muss (je nach gewähltem Angebot) selbst eingezahlt werden. Für Angestellte müssen 7% des monatlichen Gehalts abgegeben werden, während Selbstständige und Private einen individuell abgestimmten Beitrag in Gänze bezahlen (IOM 2018).

Für schutzbedürftige Gruppen im Iran gibt es zwei Arten von Zentren: Öffentliche und private. Die öffentlichen Einrichtungen sind in der Regel überlaufen und es gibt lange Wartezeiten, weshalb Personen, die über die nötigen Mittel verfügen sich oft an kleinere spezialisierte private Zentren wenden. Die populärste Organisation ist BEHZISTI, welche Projekte zu Genderfragen, alten Menschen, Behinderten (inklusive psychischer Probleme) ethnischer und religiöser Minderheiten, etc. anbietet. Außerdem werden Drogensüchtige, alleinerziehende Mütter, Personen mit Einschränkungen etc. unterstützt. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Sozio- psychologische Betreuung, Beratungsgespräche, Unterkünfte, Rehabilitationsleistungen etc. Es gibt einige Zentren unter Aufsicht der BEHZISTI Organisation, welche Personen in Not Hilfe gewähren. Solche Leistungen sind kostenfrei. Aufgrund der hohen Nachfrage und einiger Beschränkungen bevorzugen viele zahlungspflichtige private Zentren (IOM 2018).

Der Kampf gegen die Armut wird vor allem unter religiösen Vorzeichen geführt. Die großen religiösen Stiftungen haben hier theoretisch ihren Hauptaufgabenbereich. Außerdem liegt die Versorgung der Armen in der Verantwortung der Gesellschaft, das Almosengeben ist eine der Säulen des Islam. Die blauen Spendenbehälter, vom Staat aufgestellt um die sadeqe, die Almosen, zu sammeln, finden sich in jeder Straße. Ein Ansatz, gerade der Armut auf dem Land entgegenzuwirken, ist Bildung. Der Staat schickt beispielsweise Studenten, die als Pflichtteil des Studiums in Dörfern abgelegener Regionen unterrichten müssen. Viele weitere staatliche Anstrengungen zur Bekämpfung der Armut werden jedoch dadurch behindert, das der Staat selbst aufgrund des Verfalls des Ölpreises in finanziellen Schwierigkeiten steckt (GIZ 3.2019b).

Medizinische Versorgung:

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein Stadt-Land-Gefälle. Zwar ist es fast flächendeckend – laut WHO haben 98% aller Iraner Zugang zu ärztlicher Versorgung (100% in Städten, 95% auf dem Land), aber die Qualität schwankt. Die Kosten für Krankenhäuser werden unter anderem dadurch gesenkt, indem die Versorgung des Kranken mit Dingen des täglichen Bedarfs, etwa Essen, immer noch weitestgehend seiner Familie zufällt (GIZ 3.2017a). Die medizinische Versorgung ist in Teheran und anderen großen Städten ausreichend bis gut. In den zahlreichen Apotheken [Persisch: daru-khane] sind die meisten auch in Europa gebräuchlichen Medikamente zu kaufen und nicht sehr teuer (GIZ 3.2017b).

Die spezialisierte, medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch nicht auf der Höhe der Hauptstadt und nicht vergleichbar mit europäischem Standard. In Teheran ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem recht hohen Niveau möglich (AA 15.3.2017). Grundsätzlich entspricht die medizinische Versorgung nicht (west-) europäischen Standards. Gegen Zahlung hoher Summen ist jedoch in den Großstädten eine medizinische Behandlung nach erstklassigem Standard erhältlich. Die Versorgung mit Medikamenten ist weitgehend gewährleistet. Behandlungsmöglichkeiten auch für schwerste Erkrankungen sind zumindest in Teheran und ggf. gegen Zahlung entsprechender Kosten grundsätzlich gegeben. Iran verfügt über ein staatliches Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings müssen Patienten hohe Eigenleistungen teils in Form von Vorauszahlungen erbringen und regelmäßig lange Wartezeiten in Kauf nehmen (AA 8.12.2016).

Die Regierung versucht kostenfreie medizinische Behandlung und Medikamentenversorgung für alle Iraner zu gewährleisten. Es gibt zwei verschiedene Krankenversicherungen: entweder durch die Arbeit oder privat. Beide gehören zur staatlichen iranischen Krankenversicherung TAMIN EJTEMAEI genannt: www.tamin.ir/. Kinder sind zumeist durch die Krankenversicherung der Eltern gedeckt (IOM 2016).

Versicherung durch Arbeit: Regierungsangestellte profitieren vom kostenfreien Zugang zur staatlichen Krankenversicherung. Private Firmen decken die Unfallversicherung für ihre eigenen Mitarbeiter.

Private Versicherung: Mit Ausnahme von Regierungsangestellte müssen sich alle iranischen Bürger selbst privat versichern, wenn deren Arbeitgeber dies nicht bereits erledigen. Um die Versicherung zu erhalten sind eine Kopie der iranischen Geburtsurkunde, ein Passfoto und eine komplette medizinische Untersuchung notwendig.

Salamat Versicherung: Diese neue Versicherung wird vom Ministerium für Gesundheit angeboten und deckt bis zu 90% der Behandlungskosten. Die Registrierung erfolgt online unter: http://www.bimesalamat.ir/isc/ISC.html (IOM 2016).

Zugang speziell für Rückkehrer:

Anmeldeverfahren: Alle iranischen Bürger einschließlich Rückkehrer können beim Tamin Ejtemaei eine Krankenversicherung beantragen.

Notwendige Dokumente: Eine Kopie des iranischen Geburtszertifikats, ein Passfoto, und ein vollständiges medizinisches Check-up sind notwendig. Weitere Dokumente können jedoch noch verlangt werden.

Zuschüsse: Zuschüsse hängen von der gewählten Versicherung des Klienten ab, über die er/sie während der Registrierung ausführlich informiert wird.

Kosten: Jegliche Kosten werden vom Arbeitgeber getragen sobald die Person eine Arbeit im Iran aufnimmt. Andernfalls müssen die Kosten selber getragen werden (IOM 2016).

Mehr als 85% der Bevölkerung in ländlichen als auch ärmeren Regionen hat Zugang zu essentiellen Gesundheitsdienstleistungen. In den letzten drei Jahrzehnten wurden im Iran diverse Reformen zur Verbesserung der Lebensverhältnisse der Bevölkerung vorgenommen, nach deren Implementierungen wesentliche Fortschritte im sozialen sowie wirtschaftlichen Sektor verzeichnet werden konnten. In ländlichen Regionen verfügt jedes Dorf über ein sogenanntes Gesundheitshaus, in dem ausgebildete “Behvarz” und Gesundheitsarbeiter zur medizinischen Behandlung bereitstehen. In städtischen Regionen stehen, ebenfalls ähnlich verteilt, eine Vielzahl an Gesundheitszentren zur Verfügung. Das gesamte Gesundheitssystem wird vom Ministerium für Gesundheit und Medizinische Bildung verwaltet. Die Universitätskliniken, von denen in jeder Provinz eine vorhanden ist, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle hinsichtlich der medizinischen Versorgung. Der Universitätsleiter fungiert hier als Oberhaupt aller medizinischen Dienstleistungen und ist verantwortlich für alle Gesundheitshäuser und Kliniken in der jeweiligen Region. Trotz kürzlicher Sanktionen gegen den Iran die zu einer vorläufigen Knappheit bestimmter Medikamentengruppen geführt haben, gibt es generell keinen Mangel an Medikamenten, Spezialisten sowie Behandlungsmöglichkeiten. Pharmazeutische Produkte werden unter der Aufsicht des Gesundheitsministeriums ausreichend importiert. Darüber hinaus gibt es vor allem in größeren Städten mehrere private Kliniken die für Privatpatienten Gesundheitsdienste anbieten (IOM 2016).

Einweisung: In jedem Bezirk gibt es Ärzte sowie Kliniken, die dazu verpflichtet sind Notfälle zu jeder Zeit aufzunehmen. In weniger dringenden Fällen sollte der Patient zunächst sein Gesundheitscenter kontaktieren und einen Termin vereinbaren.

Verfügbarkeit von Medikamenten: “The Red Crescent” ist die zentrale Stelle bezüglich des Imports von speziellen Medikamenten, die für Patienten in bestimmten Apotheken erhältlich sind. Generell sind alle Medikamentengruppen im Iran erhältlich, welche üblicherweise in kleinen Mengen ausgeteilt werden um den Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt zu unterbinden (IOM 2016).

2. Beweiswürdigung:

2.1.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich glaubwürdigen Angaben. Auch die belangte Behörde ging von diesem Sachverhalt aus.

2.1.2. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer seit Juli 2019 über keinen Wohnsitz in Österreich verfügt, basiert auf einer aktuellen Auskunft des Zentralen Melderegisters.

2.1.3. Die zu Punkt 1.1.3. getroffene Feststellung zur Rückkehrgefährung basiert auf folgenden Erwägungen:

Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Erkenntnis vom 23.09.2014, Zl. XXXX , angenommen hat, kann in Hinblick auf die widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Rückkehr in den Iran im Jahr 2013 – hatte er zunächst angegeben, gar nicht im Iran gewesen zu sein, räumte er dies später zwar ein, dies aber mit dem Vorbringen, dort inhaftiert und zu einer Haftstrafe verurteilt worden zu sein – nicht davon ausgegangen werden, dass seine Angaben zu den von ihm angeführten Verfolgungshandlungen sowie insbesondere den Probleme wegen seiner Hinwendung zum Christentum den Tatsachen entsprechen. Auch haben sich keine Umstände ergeben, aus denen (auch vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zur Gefährdung von Konvertiten) anzunehmen wäre, dass der Beschwerdeführer nunmehr – sei es in Hinblick auf seine Konversion, sei es aus anderen Gründen – im Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit gefährdet wäre.

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Iran gründen sich auf die vom 19.06.2020 datierende, aktuelle Version des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Iran (LIB), das bereits die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt hat. Da diese Herkunftsländerinformation auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bietet, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Aberkennung des Status des Asylberechtigten:

Gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt (Z 1); einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist (Z 2) oder der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat (Z 3). Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist gemäß Abs. 4 mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Die belangte Behörde hat die Aberkennung auf die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der Schlepperei gestützt.

Die nach § 7 AsylG vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu entscheidende Angelegenheit ist die Aberkennung des Status des Asylberechtigten als solches und umfasst damit sämtliche in § 7 AsylG vorgesehene Aberkennungsgründe. Dementsprechend ist die „Sache“ des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens nicht nur die Klärung der Frage, ob der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angenommene Aberkennungsgrund tatsächlich vorlag, sondern sie umfasst sämtliche in § 7 AsylG 2005 vorgesehene Aberkennungsgründe (VwGH 29.06.2020, Ro 2019/01/0014).

Wie zuvor ausgeführt, ist der Status des Asylberechtigten einem Fremden auch dann abzuerkennen, wenn dieser den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß § 1 Abs. 7 Meldegesetz, BGBl. Nr. 9/1992 (MeldeG), ist der Hauptwohnsitz eines Menschen an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hatte, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen.

Somit hat der Umstand, dass der Beschwerdeführer seit Juli 2019 über keinen Wohnsitz mehr in Österreich verfügt, zur Konsequenz, dass er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen nicht mehr in Österreich, sondern in einem anderen Staat hat.

Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG ist daher erfüllt.

Ob die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen des Aberkennungstatbestandes des § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG aufgrund der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der Schlepperei ausgegangen ist, kann daher dahinstehen.

3.2. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten:

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich bereits mehrfach mit der bisherigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum realen Risiko einer drohenden Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK und zur ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im innerstaatlichen Konflikt auseinander und legte tragende Leitlinien bzw. Rechtssätze in diesem Zusammenhang fest. Auf diese Rechtsprechung (vgl. für viele VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137) wird für die fallbezogene Beurteilung der Frage der Erteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten hingewiesen.

Der Beschwerdeführer vermochte im vorliegenden Fall ein „real risk“ einer Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle seiner Rückkehr in den Iran nicht aufzuzeigen:

Dabei ist zunächst festzuhalten, das ihm (wie oben festgestellt) im Falle einer Rückkehr in den Iran nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Übergriffe staatlicher Organe oder Dritter von hier interessierender Intensität drohen.

Weiters kann nicht angenommen werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in den Iran die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur dargestellten „Schwelle“ des Art. 3 EMRK):

Der Beschwerdeführer ist im mittleren Alter und (trotz seiner Depression) arbeitsfähig. Er verrichtete bereits berufliche Tätigkeiten in seinem Herkunftsstaat und jeweils nur kurze Zeit währende Gelegenheitsarbeiten in Österreich; er beherrscht Farsi auf Muttersprachenniveau und kann sich zudem in Englisch und Türkisch in Grundzügen verständigen. Damit sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran keiner Arbeit mehr nachgehen und auf diesem Wege seine Existenz sichern könnte. An dieser Stelle ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit, als er bereits (zum ersten Mal) den Status des Asylberechtigten zuerkannt erhielt, freiwillig wieder in seinen Herkunftsstaat Iran zurückkehrte, was damals auch in die – rechtskräftige – Aberkennung seines Flüchtlingsstatus mündete. Daran zeigt sich aber auch, dass der Beschwerdeführer noch Anknüpfungspunkte zum Iran hat, zumal er sonst nicht zur Regelung von Grundstücksangelegenheiten dorthin zurückgekehrt wäre.

Die beim Beschwerdeführer vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen wegen Depression und Panikattacken sind nicht derart schwerwiegend, dass sie im Rahmen seiner Rückführung bzw. Rückkehr in den Iran eine Verletzung seiner Rechte nach Art. 3 EMRK bewirken würden (zur Judikatur hinsichtlich der Abschiebung kranker Fremder vgl. VfSlg. 18.407/2008). Dass die vom Beschwerdeführer allenfalls in Zukunft benötigte medizinische Behandlung im Iran nicht möglich wäre und insofern ein Abschiebungshindernis vorliegen würde, ist angesichts der Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung im Herkunftsstaat nicht ersichtlich (und wurde durch den Beschwerdeführer im Verfahren auch nicht behauptet). Überdies hat die belangte Behörde eine Anfrage an die Staatendokumentation gerichtet, deren Beantwortung die Verfügbarkeit der erforderlichen Medikation ergab. Denn ihm stünden im Iran das ihm verschriebene Antidepressivum sowie eine Reihe vergleichbarer Alternativen zur Auswahl. Der aus Teheran stämmige Beschwerdeführer hätte auch tatsächlich Zugang zu den in Rede stehenden Medikamenten und ist nach den Länderberichten die – gerade in den Städten – flächendeckende medizinische Versorgung gesichert.

Es liegen auch keine Hinweise fu?r das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) vor und die Grundversorgung der Bevo?lkerung ist gesichert, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Beru?cksichtigung sa?mtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gemäß Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann. Was das derzeit grassierende Covid-19-Virus angeht, handelt es dich dabei zum einen um eine weltweit auftretende Krankheit (Pandemie), zum anderen kann in Hinblick auf das Alter und den physischen Zustand des Beschwerdeführers nicht angenommen werden, dass er im Falle einer Infizierung einen schweren Krankheitsverlauf hätte.

Es sind weiters keine Umstände gerichtsbekannt, wonach im Iran aktuell eine solche extreme Gefährdungslage bestünde, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung iSd Art. 2 und 3 EMRK ausgesetzt wäre. Wie sich aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten ergibt, ist die Situation im Iran auch nicht dergestalt, dass eine Rückkehr der Beschwerdeführer für diese als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde; in diesem Lichte ist auch die das erste Aberkennungsverfahren des Beschwerdeführers indizierte freiwillige Rückkehr in den Iran zu sehen.

3.3. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichterteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG:

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 3 AsylG ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn – wie im vorliegenden Fall – einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt.

§ 57 Abs. 1 AsylG lautet:

„Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz‘ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) – (4) […]“

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des Beschwerdeführers weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist noch der Beschwerdeführer Opfer von Gewalt iSd § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG wurde. Weder hat der Beschwerdeführer das Vorliegen eines der Gründe des § 57 AsylG behauptet noch kam ein Hinweis auf das Vorliegen eines solchen Sachverhalts im Ermittlungsverfahren hervor.

3.4. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG ist eine Entscheidung, mit der einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt, mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3 a oder 9 Abs. 2 AsylG vorliegt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben.

§ 52 FPG lautet auszugsweise:

„Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehr-entscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) – (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) – (11) [...]“

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet auszugsweise:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) – (6) […]“

Es ist daher zu prüfen, ob die Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer einen unzulässigen Eingriff in sein durch Art. 8 EMRK garantiertes Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens bedeuten würde, wobei insbesondere die in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien zu berücksichtigen sind:

Ein Familienleben in Österreich hat sich bei dem ledigen Beschwerdeführer nicht ergeben, weshalb auch kein Eingriff in ein solches zu prüfen ist.

Was sein Recht auf Achtung seines Privatlebens betrifft, ist festzuhalten, dass unter dem „Privatleben“ nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen sind (vgl. Sisojeva ua. v. Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Der Beschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2006 nach Österreich ein, wobei ihm der im Jahr 2008 zuerkannte Flüchtlingsstatus im Jahr 2013 rechtskräftig wieder aberkannt wurde. Nach neuerlicher Asylantragstellung 2014 wurde ihm 2016 wieder der Status des Asylberechtigten zuerkannt, bevor die belangte Behörde im Jahr 2018 wiederum ein Aberkennungsverfahren einleitete.

Eine Rückkehrentscheidung greift daher in sein Recht auf Achtung seines Privatlebens ein. Ob der durch eine Rückkehrentscheidung erfolgende Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers zulässig ist, ist im Wege einer sämtliche dafür maßgeblichen Aspekte berücksichtigenden Interessenabwägung zu entscheiden. In diesem Sinne lässt sich das Bundesverwaltungsgericht von folgenden Erwägungen leiten:

Es ist dem Beschwerdeführer zuzubilligen, dass er sich seit 2006 großteils in Österreich aufhält bzw. bis Juli 2019 aufhielt, wobei sein Aufenthalt nicht während der gesamten Zeit rechtmäßig war.

Der Verwaltungsgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass bei einem über zehnjährigen, allerdings legalen, Aufenthalt eines Fremden in Österreich regelmäßig von einem Überwiegen seiner persönlichen Interessen an einem Verbleib auszugehen ist (vgl. VwGH 07.03.2019, Ra 2018/21/0134 mwN). Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurde eine aufenthaltsbeendende Maßnahme ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Außerdem erachtete der Verwaltungsgerichtshof auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründender Aspekte ein Überwiegen des persönlichen Interesses eines Fremden an einem Verbleib im Inland dann nicht als zwingend, wenn dem Umstände entgegen stehen, die das gegen diesen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren (vgl. aus jüngerer Zeit etwa VwGH 22.08.2019, Ra 2018/21/0134, Rn. 20, mwN; 19.12.2019, Ra 2019/21/0243, Rn. 9, mwN).

Im vorliegenden Fall liegt eine solche maßgebliche Verstärkung der öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers zweifelsfrei vor: Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde der Beschwerdeführer zwei Mal strafgerichtlich verurteilt, davon einmal ua. wegen Schlepperei und schwerem gewerbsmäßigem Betrug, wobei er diese Straftaten (wie sich aus seiner unter Punkt I. dargestellten Stellungnahme ergibt) weiterhin leugnet. Auch hat ihn eine offene Probezeit nicht davon abgehalten, neuerlich Straftaten zu begehen. Unabhängig von der Dauer seines Aufenthaltes in Österreich ist der Beschwerdeführer in Österreich kaum verfestigt: Weder hat er sich in einem durchgehenden Beschäftigungsverhältnis befunden noch hat er tiefergehende soziale Bindungen im Bundesgebiet vorzuweisen. Die engste hervorgekommene soziale Bindung besteht zu seinem Vermieter. Er war jeweils nur sehr kurz beschäftigt und weitgehend von der Grundversorgung sowie von der Unterstützung durch Bekannte abhängig. Seine Deutschkenntnisse auf solidem Niveau sind zwar anzuerkennen, allerdings beherrscht er demgegenüber Farsi auf Muttersprachenniveau. Auch war er weder ehrenamtlich tätig noch zeigte er sonst ein besonderes soziales Engagement. Dass er zu in Österreich lebenden Personen in einem Nahe- oder Abhängigkeitsverhältnis stünde, zeigte der Beschwerdeführer im Verfahren nicht auf.

Es kann daher zum einen nicht gesagt werden, dass der Beschwerdeführer engere Bindungen nach Österreich hätte als in den Iran. Zum anderen überwiegt in Ansehung all dieser Umstände bei Abwägung der Interessen das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib in Österreich. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt somit keine Verletzung des Beschwerdeführers im Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK dar.

3.5. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran:

Die diesbezüglich maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten:

„Abschiebung

§ 46 (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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