Entscheidungsdatum
03.12.2020Norm
BVergG 2018 §12 Abs1Spruch
W273 2237297-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Isabel FUNK-LEISCH als Einzelrichterin über den Antrag der XXXX , vertreten durch Eisenberger & Herzog Rechtsanwalts GmbH, Vienna Twin Tower, 20. OG, Wienerbergstraße 11, 1100 Wien betreffend das Vergabeverfahren „Kinderimpfstoffe – Diphterie – Tetanus – Pertussis – Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415, Los 2 konjugierter Meningokokken ACWY Impfstoff“ der Auftraggeberinnen 1. Republik Österreich (Bund) 2. Bundesbeschaffung GmbH, 3. allen weiteren Auftraggebern gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415, ersichtlich aus Beilage ./I zu diesem Beschluss, alle vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH:
A)
Dem Antrag das Bundesverwaltungsgericht möge „der Antragsgegnerin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen, im Vergabeverfahren "Kinderimpfstoffe – Diphterie-Tetanus-Pertussis-Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415" betreffend Los 2 Meningokokken ACWY Impfstoff die Rahmenvereinbarung abzuschließen“ wird stattgegeben.
Das Bundesverwaltungsgericht untersagt der Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH sowie allen weiteren Auftraggebern gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415, ersichtlich aus Beilage ./I zu diesem Beschluss, für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens im gegenständlichen Vergabeverfahren die Rahmenvereinbarung zu Los 2 abzuschließen.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Schriftsatz vom 27.11.2020 stellte die XXXX (im Folgenden „die Antragstellerin“) einen Antrag auf Nichtigerklärung der Entscheidung, mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll vom 20.11.2020 (im Folgenden „Auswahlentscheidung vom 20.11.2020“) im Vergabeverfahren „Kinderimpfstoffe – Diphterie – Tetanus – Pertussis – Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415, Los 2 konjugierter Meningokokken ACWY Impfstoff“ (im Folgenden auch „das Vergabeverfahren“) der Republik Österreich (Bund), der Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegende Kundenliste (im Folgenden auch „die Auftraggeberinnen“), alle vertreten durch die vergebende Stelle Bundesbeschaffung GmbH. Die Antragstellerin beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge ein Nachprüfungsverfahren einleiten, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen und die Antragsgegnerin dazu verpflichten, der Antragstellerin die für den Nachprüfungsantrag entrichtete Pauschalgebühr zu ersetzen. Die Antragstellerin verband ihren Antrag auf Nichtigerklärung mit einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wie im Spruch ersichtlich, in eventu möge das Bundesverwaltungsgericht der Antragsgegnerin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens untersagen, das Vergabeverfahren fortzusetzen.
1.1. Die Antragstellerin brachte zusammengefasst vor, die Auswahlentscheidung der Auftraggeberinnen vom 20.11.2020 sei rechtswidrig, weil das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin auszuscheiden sei. Die präsumtive Zuschlagsempfängerin erfülle die Musskriterien der Ausschreibung nicht und es liege kein ausschreibungskonformes Angebot vor. Der Los 2 gegenständliche Meningokokkenimpfstoff der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei in Österreich nicht verfügbar und nicht lieferbar, die präsumtive Zuschlagsempfängerin könne den nach den Ausschreibungsbestimmungen geforderten Mindestlagerbestand nicht erfüllen.
2. Mit Schreiben vom 27.11.2020 verständigte das Bundesverwaltungsgericht die Auftraggeberinnen von der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens und dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
3. Mit Schreiben vom 02.12.2020 erteilten die Auftraggeberinnen die Allgemeinen Auskünfte zum Vergabeverfahren und legten die Unterlagen des Vergabeverfahrens elektronisch vor. Die Auftraggeberinnen beantragte, sämtliche nicht die Antragstellerin selbst betreffende Unterlagen von der Akteneinsicht durch die Antragstellerin auszunehmen und den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zurück- und in eventu abzuweisen.
4. Die Antragstellerin entrichtete EUR 19.440,00 an Pauschalgebühren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH und die Auftraggeber gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415 (im Folgenden „die Auftraggeberinnen“) schrieben unter der Bezeichnung „Kinderimpfstoffe – Diphterie – Tetanus – Pertussis – Polio/Meningokokken ACWY Impfstoff/Hepatitis B BBG: GZ 3701.03415“ die Anschaffung von Kinderimpfstoffen aus. Die Ausschreibung wurde am 21.07.2020 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der GZ 2020/S 139-341511 veröffentlicht. Die Vergabe erfolgt in drei Losen. Leistungsgegenstand von Los 2 ist die Lieferung eines konjugierten Meningokokken ACWY Impfstoffes. Die Auftraggeberinnen führen ein offenes Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung nach dem Billigstangebotsprinzip durch. Der geschätzte Auftragswert des Leistungsteiles Los 2 beträgt EUR XXXX Das Vergabeverfahren wird elektronisch geführt (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen).
1.2. Als Parteien der Rahmenvereinbarung sind auf Auftraggeberseite die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH, sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der den Ausschreibungsunterlagen beiliegenden Kundenliste vorgesehen (Punkt 2 KOMMERZIELLE AUSSCHREIBUNGSBEDINGUNGEN RAHMENVEREINBARUNG Kinderimpfstoffe – Diphterie-Tetanus-Pertussis-Polio/ Meningokokken ACWY Impfstoff/ Hepatitis B, Vergabeakt). Die weiteren Auftraggeber sind in Beilage ./I (Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415) zu diesem Beschluss aufgelistet.
1.3. Zu Los 2 wurden die folgenden Angebote abgegeben (Vergabeakt, allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen):
XXXX
XXXX
1.4. Die Auswahlentscheidung, mit welchem Partner die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, wurde am 20.11.2020 an die Bieter über die Vergabeplattform übermittelt. Der in Aussicht genommene Partner der Rahmenvereinbarung im verfahrensgegenständlichen Los 2 ist XXXX (Vergabeakt).
1.5. Die Auftraggeberinnen haben das Vergabeverfahren weder widerrufen noch den Zuschlag erteilt (Vergabeakt, Allgemeine Auskünfte der Auftraggeberinnen).
1.6. Die Antragstellerin entrichtete EUR 19.440,00 an Pauschalgebühren.
2. Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus dem Verfahrensakt bzw. den Stellungnahmen der Parteien. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der Vergabeunterlagen der Auftraggeberinnen keine Bedenken ergeben. Soweit die Auftraggeberinnen in den Allgemeinen Informationen unter Punkt 18. den in Aussicht genommenen Partner der Rahmenvereinbarung zu „Los 6“ nennt, handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler, zumal in dem Verfahren nur 3 Lose vorgesehen sind und sich aus einer Einsicht in den elektronischen Vergabeakt ergeben hat, dass die in den Feststellungen genannten präsumtive Zuschlagsempfängerin zu Los 2 mit der Angabe in Punkt 18 der Allgemeinen Auskünfte und den Angaben der Antragstellerin übereinstimmt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zur Erlassung einer einstweiligen Verfügung
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und zur Zulässigkeit des Antrages
3.1.1. Gemäß Art 135 Abs 1 B-VG iVm § 2 VwGVG und § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 328 Abs 1 Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 – BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in den Angelegenheiten des § 327 BVergG 2018, soweit es sich nicht um die um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, die Entscheidung über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über einen Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten. Vorliegend hat das Bundesverwaltungsgericht über den oben wiedergegebenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu entscheiden. Somit liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
3.1.2. Auftraggeberinnen im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018 sind die Republik Österreich (Bund), die Bundesbeschaffung GmbH sowie alle weiteren Auftraggeber gemäß der Kundenliste zur Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415, ersichtlich aus Beilage ./I. Sie sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1 und 2 BVergG 2018. Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 6 BVergG 2018 um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 Z 1 BVergG 2018 in der Fassung der Kundmachung des Bundesministers für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz betreffend die von der Europäischen Kommission festgesetzten Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren ab 1. Jänner 2020 (BGBl II. Nr. 358/2019), sodass es sich um ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich handelt. Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich des BVergG 2018. Da das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen eines Auftraggebers und zur Erlassung einstweiliger Verfügungen zuständig.
3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Die Entscheidung vom 20.11.2020 mit welchem Unternehmer die Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden soll, ist eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit a sublit jj BVergG 2018. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Abschluss der Rahmenvereinbarung im Nachprüfungsantrag plausibel behauptet. Die Antragstellerin brachte vor, dass die ausgeschriebenen Leistungen auch deshalb in ihrem Interesse liegen, weil sie zum Nachweis ihrer Leistungsfähigkeit vielfach Referenzprojekte, die von der öffentlichen Hand beauftragt werden, nachweisen muss. Darüber brachte die Antragstellerin Kosten durch die Entrichtung der Pauschalgebühr sowie von rund EUR 3.000,00 für die rechtsfreundliche Vertretung im Nachprüfungsverfahren plausibel vor.
Der Nachprüfungsantrag wurde im Hinblick auf § 343 Abs 1 BVergG rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Antrag auf Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung gemäß § 350 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch die Voraussetzungen des § 350 Abs 2 BVergG 2018 vorliegen. Die Pauschalgebühr wurde in entsprechender Höhe entrichtet (§ 340 Abs 1 Z 1, 3 und 4 BVergG iVm §§ 1, 2 Abs 2 BVwG-PauschGebV Vergabe 2018).
3.2. Inhaltliche Beurteilung des Antrages
3.2.1. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung ergeben sich aus § 351 BVergG 2018, der lautet:
„Erlassung der einstweiligen Verfügung
§ 351. (1) Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Bundesverwaltungsgericht die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen des Antragstellers, der sonstigen Bewerber oder Bieter und des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Abwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.
(2) Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist absolut nichtig bzw. unwirksam.
(3) Mit einer einstweiligen Verfügung können das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen des Auftraggebers bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.
(4) In einer einstweiligen Verfügung ist die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über den Antrag auf Nichtigerklärung außer Kraft, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.
(5) Einstweilige Verfügungen sind sofort vollstreckbar.“
3.2.2. Im Rahmen der Interessenabwägung nach § 351 Abs 1 BVergG 2018 sowie auch im Hinblick auf die zu verfügende einstweilige Maßnahme ist darauf Bedacht zu nehmen, dass von Seiten der Auftraggeberinnen der Abschluss der Rahmenvereinbarung beabsichtigt ist.
Die Interessen der Antragstellerin bestehen im Wesentlichen in der Abwendung des drohenden Schadens der frustrierten Aufwendungen für die Teilnahme am Vergabeverfahren und im Erhalt des Auftrags auch für die Verwendung als Referenzprojekt.
Es kann aus der Sicht des Provisorialverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass die von der Antragstellerin vorgebrachten Rechtswidrigkeiten in Bezug auf die die Ausschreibung (Mindestlagerbestand laut Ausschreibungsunterlagen nicht erfüllt, ausschreibungswidriges Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin) zutreffen und sie an einem sodann rechtmäßigen Verfahren erfolgreich teilnehmen könnte. Die Antragstellerin brachte in ihren Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung vor, die bestehende Rahmenvereinbarung (der Auftraggeberinnen) mit der Antragstellerin sei noch bis Ende Januar 2021 aufrecht.
Das Interesse der Auftraggeberinnen besteht in der raschen Abwicklung des Vergabeverfahrens und im Abschluss der Rahmenvereinbarung. Die Auftraggeberinnen brachte vor, dass ein dringender Beschaffungsbedarf bestehe, ohne dies in Bezug auf die vergabegegenständlichen Produkte näher zu konkretisieren und trat auch dem Vorbringen der Antragstellerin zur noch bis Ende Januar 2021 aufrechten Rahmenvereinbarung nicht entgegen.
Bei der Interessenabwägung ist auf die allgemeinen Interessen und Grundsätze Rücksicht zu nehmen, dass der Auftraggeber bei seiner zeitlichen Planung des Beschaffungsvorganges die Dauer eines allfälligen Rechtsschutzverfahrens mit einzukalkulieren hat (siehe zB BVwG 22. 8. 2014, W187 2010665-1/11E; 11. 7. 2017, W187 2163208- 1/3E), dass das öffentliche Interesse an der Sicherstellung der Auftragserteilung an den tatsächlichen Bestbieter zu berücksichtigen ist (grundlegend VfGH 1. 8. 2002, B 1194/02) und schließlich, dass von der Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur dann abzusehen ist, wenn die Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen ergibt (zB BVwG 2. 3. 2015, W187 2101270-1/6E; 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E). Es besteht ein Primat des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 30, Slg 2003, I-3249).
3.2.3. Die Erfolgsaussichten des Hauptantrags sind im Provisorialverfahren nicht zu prüfen (zB VwGH 4. 11. 2013, AW 2013/04/0045). Sie gehören nicht zu den Kriterien, die die für Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zuständige Instanz berücksichtigen muss oder kann, wenn sie über einen Antrag auf vorläufige Maßnahmen gemäß Art 2 Abs 1 lit a RL 89/665/EWG entscheidet; die Richtlinie untersagt eine solche Berücksichtigung jedoch auch nicht (EuGH 9. 4. 2003, C-424/01, CS Austria, Rn 29). Sie sind nach dem zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften unter Beachtung des Äquivalenzgrundsatzes und des Effektivitätsgrundsatzes zu berücksichtigen. Erfasst sind jedenfalls Fälle, in denen der Nachprüfungsantrag formal unzulässig ist. Dieser Umstand liegt gegenständlich nicht vor.
Die von der Antragstellerin vorgebrachten Gründe für die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung sind jedenfalls inhaltlich zu prüfen, weil die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung den Hauptgegenstand des Nachprüfungsverfahrens darstellt. Diese Fragen können angesichts der kurzen Entscheidungsfrist im Provisorialverfahren nicht abschließen geklärt werden (zB BVA 14. 11. 2012, N/0103- BVA/10/2012-EV12; 18. 3. 2013, N/0020-BVA-07/2013-EV8).
Die Interessenabwägung führt im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Interessen der Antragstellerin an der Beseitigung der geltend gemachten Rechtswidrigkeiten, der Abwendung des drohenden Schadens und der Beteiligung an einem rechtskonform geführten Vergabeverfahren gegenüber den Interessen der Auftraggeberinnen an dem raschen Abschluss der Rahmenvereinbarung überwiegen. Öffentliche Interessen, die einen sofortigen Abschluss der Rahmenvereinbarung erforderlich machen würden, sind nicht ersichtlich und ergeben sich insbesondere auch nicht aus dem allgemeinen Vorbringen der Auftraggeberinnen zum Bestehen eines dringenden Beschaffungsbedarfs.
3.2.4. Zweck einer einstweiligen Verfügung ist es, die dem Antragsteller bei Zutreffen seines Vorbringens drohenden Schäden und Nachteile abzuwenden, indem der denkmögliche Anspruch auf Zuschlagserteilung dadurch wirksam gesichert wird, dass das Verfahren bis zur Entscheidung in der Hauptsache in einem Stand gehalten wird, der eine allfällige Teilnahme der Antragstellerin am Vergabeverfahren ermöglicht. Dabei ist gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die jeweils gelindeste zum Ziel führende Maßnahme anzuordnen.
Bei der bevorstehenden Zuschlagserteilung ist das nötige und gelindeste Mittel gemäß § 351 Abs 3 BVergG 2018 die vorläufige Untersagung derselben (zB BVwG 19. 1. 2017, W187 2144680-1/2E; 17. 11. 2017, W187 2175977-1/3E; 10. 4. 2018, W187 2190113-1/3E). Dies gilt in gleicher Weise im Fall des bevorstehenden Abschlusses der Rahmenvereinbarung. Es soll somit (lediglich) der Rechtsgestaltungsanspruch dahingehend gesichert werden, dass durch die einstweilige Verfügung verhindert werde, dass eine nachfolgende im Hauptverfahren erfolgte Nichtigerklärung unmöglich oder sonst absolut sinnlos wird (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 7. 8. 2017, W187 2165912-1/2E; 27. 2. 2018, W187 2186439-1/2E).
3.2.5. Adressaten der einstweiligen Untersagung des Abschlusses der Rahmenvereinbarung sind alle Auftraggeber im Sinne des § 2 Z 5 BVergG 2018. Im gegenständlichen Fall sind die Auftraggeber laut den Allgemeinen Auskünften und laut dem Entwurf der Rahmenvereinbarung alle juristischen Personen und Gebietskörperschaften, die in der Kundenliste Bundesbeschaffungsgeschäftszahl 3701.03415 aufgelistet sind. Da alle daraus ersichtlichen Auftraggeber Adressaten dieser einstweiligen Verfügung sind, wird die Kundenlisten diesem Beschluss als Beilage ./I angeschlossen. Gemäß der Rechtsprechung ist es zulässig, im Spruch eines Bescheides auf außerhalb des Bescheides gelegene Schriftstücke oder Pläne Bezug zu nehmen, deren Aussagen und Darstellungen rechtlich in den normativen Bescheid zu integrieren und solcherart zum Inhalt des rechtserzeugenden oder rechtsfeststellenden Bescheides zu machen, sofern der Bescheidspruch den Integrationsakt unzweifelhaft klargestellt hat und die im Spruch genannten Unterlagen, Beilagen, Pläne, Befundausführungen oder Erklärungen in Verhandlungsschriften ihrerseits das für den jeweiligen Abspruch nötige Bestimmtheitserfordernis erfüllen (VwGH 16.12.2010 2007/16/0188 Hinweis E 31.5.1979, 545/79; E 18.2.1986, 83/07/0124; E 26.4.1988, 87/07/0062; E 17.9.1996, 95/05/0228). Dies ist auf den vorliegenden Beschluss zu übertragen.
3.2.6. Durch die Begrenzung der einstweiligen Verfügung mit der Dauer des abzusichernden Nachprüfungsverfahrens wird die Dauer der einstweiligen Verfügung bestimmbar gemacht (Kodek in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung³ [2015], § 391 Rz 2). Die Zeit bemisst sich nach der Dauer des Nachprüfungsverfahrens. § 351 Abs 4 BVergG 2018 verlangt lediglich die Festsetzung einer Zeit und legt im Gegensatz zu den Vorgängerbestimmungen keine Höchstfrist fest. Aus dem Zweck der einstweiligen Verfügung, der Absicherung eines effektiven Nachprüfungsverfahrens, ergibt sich, dass die einstweilige Verfügung für die gesamte Dauer des Nachprüfungsverfahrens erlassen werden soll und mit dieser Dauer durch das Gesetz überdies begrenzt ist.
Die Auftraggeberinnen sind durch eine derartige Bestimmung der Zeit nicht belastet, weil die Entscheidungsfrist des Bundesverwaltungsgerichts davon nicht verlängert wird, sie jederzeit bei Wegfall der Voraussetzungen für die Erlassung der einstweiligen Verfügung deren Aufhebung beantragen können und die einstweilige Verfügung mit der Entscheidung über den Nachprüfungsantrag außer Kraft tritt. Von der Bestimmung einer nach einem bestimmten Datum festgesetzten Frist konnte daher abgesehen werden (zB BVwG 10. 1. 2014, W187 2000170-1/11; 4. 5. 2015, W187 2106525-1/2E; siehe auch VwGH 10. 12. 2007, AW 2007/04/0054). Eine Beschränkung der einstweiligen Verfügung auf die gesetzliche Entscheidungsfrist von sechs Wochen konnte vor diesem Hintergrund ebenso unterbleiben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Über den Antrag auf Ersatz der Pauschalgebühr wird gesondert entschieden werden.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die im gegenständlichen Fall herangezogene Rechtsprechung ist unter der rechtlichen Beurteilung zu A) zitiert.
Schlagworte
Abschlussverbot Angebot ausschreibungswidrig Ausscheidensentscheidung Ausscheidensgrund Bestimmtheitsgebot Dauer der Maßnahme einstweilige Verfügung-finanzielle Interessen Entscheidungsfrist Interessenabwägung Lieferauftrag Nachprüfungsantrag Nachprüfungsverfahren öffentliche Interessen Provisorialverfahren Rahmenvereinbarung Schaden Untersagung Vergabeverfahren wirtschaftliche InteressenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W273.2237297.1.00Im RIS seit
17.02.2021Zuletzt aktualisiert am
17.02.2021