Entscheidungsdatum
30.11.2020Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch sein Mitglied Dr. Gamauf-Boigner über die Beschwerde des Herrn B. A., vertreten durch Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 40 - Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht, vom 7. April 2020, Zl. …, betreffend die Vergütung des durch die Behinderung seines Erwerbes entstandenen Vermögensnachteils gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 und § 4 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz in der geltenden Fassung
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid wegen örtlicher Unzuständigkeit ersatzlos behoben wird.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 2. April 2020 betreffend Vergütung des durch die Behinderung seines Erwerbes entstandenen Vermögensnachteils des § 32 Epidemiegesetz 1950 und § 4 Abs. 2 COVID-19 Maßnahmengesetz in der geltenden Fassung abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in der der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertreterin im Wesentlichen vorbrachte, dass der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektivem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Unverletzlichkeit der Erwerbsfreiheit verletze. Die belangte Behörde unterstelle in der rechtlichen Beurteilung dem Epidemiegesetz 1950 sowie dem COVID-19 Maßnahmengesetz einen verfassungswidrigen, weil die Unverletzlichkeit des Eigentums und der Erwerbsfreiheit missachtenden Inhalt. Ob es für den Beschwerdeführer zu einer Beschränkung seiner betrieblichen Unternehmungen gekommen ist oder er durch die ausgesprochenen Verkehrsbeschränkungen, die im gesamten Bundesgebiet in Geltung sind, einen Verdienstentgang erlitten hat, möge Auslegungssache sein – im Ergebnis bedeute dies jedoch, dass der Beschwerdeführer einen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs hat. Je nach Auslegung bedeute dies auf jeden Fall einen Anspruch nach § 32 Abs. 1 Epidemiegesetz, entweder nach Z 5 (Betreiben eines Unternehmens, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt worden ist) oder nach Z 7 (Firmensitz in einem Gebiet über welches Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind).
Im angefochtenen Bescheid findet sich nach der Begründung dazu nur der Passus, dass eine Betriebsbeschränkung oder Schließung gewerblicher Unternehmungen im Sinne des § 20 Epidemiegesetz 1950 nicht vorliege und eine Vergütung für Verdienstentgang aufgrund von Maßnahmen nach § 15 Epidemiegesetz 1950 gemäß § 32 Epidemiegesetz 1950 nicht vorgesehen sei. Hinsichtlich sämtlicher auf dem COVID-19-Maßnahmengesetz beruhender Maßnahmen sei jedenfalls keine Vergütung nach dem Epidemiegesetz 1950 vorgesehen und betreffend die Schließung von Betriebsstätten gemäß § 4 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz auch explizit ausgeschlossen.
Aus dem Akteninhalt ergibt sich und wird als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer Inhaber mehrerer Gewerbeberechtigungen ist, die sämtlich in D., E.-Straße betrieben werden. Mit Antrag vom 2. April 2020 hat der nunmehrige Beschwerdeführer gemäß § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz beantragt, den durch die Beschränkung seines Erwerbes entstandenen Vermögensnachteil für die Monate März und April 2020 zu vergüten.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aufgrund der Aktenlage und ist unstrittig.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Gemäß § 15 Abs. 1 Epidemiegesetz sind Veranstaltungen, sofern und solange dies im Hinblick auf Art und Umfang des Auftretens einer meldepflichtigen Erkrankung zum Schutz vor deren Weiterverbreitung unbedingt erforderlich ist, die ein Zusammenströmen größerer Menschenmengen mit sich bringen,
1.
einer Bewilligungspflicht zu unterwerfen,
2.
an die Einhaltung bestimmter Voraussetzungen oder Auflagen zu binden oder
3.
auf bestimmte Personen- oder Berufsgruppen einzuschränken.
Erforderlichenfalls sind die Maßnahmen gemäß Z 1 bis 3 nebeneinander zu ergreifen. Reichen die in Z 1 bis 3 genannten Maßnahmen nicht aus, sind Veranstaltungen zu untersagen.
Gemäß § 20 Abs. 1 Epidemiegesetz kann beim Auftreten von Scharlach, Diphtherie, Abdominaltyphus, Paratyphus, bakterieller Lebensmittelvergiftung, Flecktyphus, Blattern, Asiatischer Cholera, Pest oder Milzbrand kann die Schließung von Betriebsstätten, in denen bestimmte Gewerbe ausgeübt werden, deren Betrieb eine besondere Gefahr für die Ausbreitung dieser Krankheit mit sich bringt, für bestimmt zu bezeichnende Gebiete angeordnet werden, wenn und insoweit nach den im Betriebe bestehenden Verhältnissen die Aufrechterhaltung desselben eine dringende und schwere Gefährdung der Betriebsangestellten selbst sowie der Öffentlichkeit überhaupt durch die Weiterverbreitung der Krankheit begründen würde. (BGBl. Nr. 449/1925, Artikel III Abs. 2, und BGBl. Nr. 151/1947, Artikel II Z 5 lit. h.)
Gemäß § 20 Abs. 2 Epidemiegesetz kann beim Auftreten einer der im ersten Absatz angeführten Krankheiten kann unter den sonstigen dort bezeichneten Bedingungen der Betrieb einzelner gewerbsmäßig betriebener Unternehmungen mit fester Betriebsstätte beschränkt oder die Schließung der Betriebsstätte verfügt sowie auch einzelnen Personen, die mit Kranken in Berührung kommen, das Betreten der Betriebsstätten untersagt werden.
Gemäß § 32 Abs. 1 Epidemiegesetz ist natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit
1.
sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder
2.
ihnen die Abgabe von Lebensmitteln gemäß § 11 untersagt worden ist, oder
3.
ihnen die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gemäß § 17 untersagt worden ist, oder
4.
sie in einem gemäß § 20 im Betrieb beschränkten oder geschlossenen Unternehmen beschäftigt sind, oder
5.
sie ein Unternehmen betreiben, das gemäß § 20 in seinem Betrieb beschränkt oder gesperrt worden ist, oder
6.
sie in Wohnungen oder Gebäuden wohnen, deren Räumung gemäß § 22 angeordnet worden ist, oder
7.
sie in einer Ortschaft wohnen oder berufstätig sind, über welche Verkehrsbeschränkungen gemäß § 24 verhängt worden sind,
und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.
Gemäß § 32 Abs. 2 Epidemiegesetz ist die Vergütung für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfaßt ist.
Gemäß § 32 Abs. 4 Epidemiegesetz ist für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.
Gemäß § 1 AVG richtet sich die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Behörden nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften.
Gemäß § 3 AVG richtet sich diese, soweit die in § 1 erwähnten Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nichts bestimmen,
1. in Sachen, die sich auf ein unbewegliches Gut beziehen: nach der Lage des Gutes;
2. in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll;
3. in sonstigen Sachen: zunächst nach dem Hauptwohnsitz (Sitz) des Beteiligten, und zwar im Zweifelsfall des belangten oder verpflichteten Teiles, dann nach seinem Aufenthalt, dann nach seinem letzten Hauptwohnsitz (Sitz) im Inland, schließlich nach seinem letzten Aufenthalt im Inland, wenn aber keiner dieser Zuständigkeitsgründe in Betracht kommen kann oder Gefahr im Verzug ist, nach dem Anlass zum Einschreiten; kann jedoch auch danach die Zuständigkeit nicht bestimmt werden, so ist die sachlich in Betracht kommende oberste Behörde zuständig.
Im gegenständlichen Fall ist zunächst die örtliche Zuständigkeit des Magistrates der Stadt Wien für das gegenständliche Verfahren zu prüfen. Beim Antragsteller handelt es sich um einen Gewerbeberechtigten mit Sitz in D..
Die belangte Behörde begründet die Abweisung des Antrages damit, dass keiner der in § 32 Abs. 1 Epidemiegesetz 1950 taxativ aufgezählten Tatbestände vorliege. Nach § 3 in Verbindung mit § 1 AVG kommt somit die allgemeine Zuständigkeitsregelung des AVG zur Anwendung. Nach § 3 Z 2 AVG richtet sich die örtliche Zuständigkeit in Sachen, die sich auf den Betrieb eines Unternehmens oder einer sonstigen dauernden Tätigkeit beziehen: Nach dem Ort, an dem das Unternehmen betrieben oder die Tätigkeit ausgeübt wird oder werden soll. Nach der Aktenlage hat der Antragsteller seinen Sitz in D.. Der gegenständliche Antrag nach § 32 Abs. 1 Z 5 Epidemiegesetz bezieht sich auf den Betrieb des Unternehmens. Somit wäre für den gegenständlichen Antrag örtlich die Bezirkshauptmannschaft D. zuständig. Da der Magistrat der Stadt Wien somit als örtlich unzuständige Behörde entschieden hat, war der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Der verfahrenseinleitende Antrag wird zuständigkeitshalber der Bezirkshauptmannschaft D. übermittelt.
Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der örtlichen Zuständigkeit fehlt, wenn es sich bei der Maßnahme für die Vergütung des Verdienstentganges gemäß § 32 Epidemiegesetz geklärt wird, nicht um eine der im § 32 Abs. 1 Z 1 bis 7 Epidemiegesetz taxativ aufgezählten Maßnahmen handelt.
Schlagworte
Verdienstentgang; örtliche Zuständigkeit; Betrieb eines UnternehmensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.101.050.5901.2020Zuletzt aktualisiert am
04.02.2021