TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/11 96/01/0378

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Veröffentlicht am 11.06.1997
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des HG in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in H, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Oktober 1995, Zl. 4.347.373/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "Jugosl. Föderation", der am 18. September 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 19. September 1995 die Gewährung von Asyl.

Der Beschwerdeführer gab anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme an, er sei Angehöriger der albanischen Volksgruppe, islamischen Glaubens, habe sich nie für Politik interessiert, sei nie Mitglied einer bewaffneten Gruppierung gewesen und sei nicht vorbestraft. Seine Fluchtgründe gab er folgendermaßen an:

"Ich beendete im Jahre 1988 meinen Militärdienst als einfacher Soldat der Artillerie. Es ist so üblich, daß man einige Jahre später noch einmal zu militär. Übungen herangezogen wird.

Am 16. und 18.8.1995 wollte ein Briefträger eine Ladung der Militärbehörde zustellen. Da ich mich bei Verwandten befand, nahm meine Mutter das Schriftstück nicht entgegen.

Als ich am 19.8.1995 nach Hause zurückkam, erzählte mir die Mutter von dem Schriftstück.

Als ich am 23.8.1995 die Polizei herannahen sah, flüchtete ich sofort durch das Hinterfenster. Die Polizisten wollten mich wegen der Nichtbefolgung festnehmen. Ich wäre vermutlich 2 Jahre lang eingesperrt worden. Derart lange Strafen sind bei uns auf solche Vergehen üblich.

Auf Befragen, wie eine so rasche Verfolgung überhaupt möglich ist, gebe ich an: "Ich war selbst überrascht".

Auf Befragen, woher ich weiß, daß es sich um eine Ladung zu einer militär. Übung gehandelt hat, gebe ich an: "Der Briefträger hat das meinem Bruder erzählt."

Ich hatte schon früher nicht die Absicht, einer Ladung vom Militär Folge zu leisten, weil ich nicht kämpfen will.

Auf den Vorhalt, daß ich meinen Militärdienst geleistet habe, gebe ich an: "Damals war noch das ganze Jugoslawien zusammen. Ich bin mit der heutigen Situation nicht zufrieden.""

Auf weiteres Befragen gab er noch an, den Kosovo auch wegen der allgemeinen schlechten wirtschaftlichen Situation verlassen zu haben. Er habe alles gesagt und keine anderen Gründe.

Die Behörde erster Instanz wies den Antrag ab. Sie begründete ihre Entscheidung u.a. damit, daß die Furcht vor einer Bestrafung wegen der Nichtbefolgung einer Ladung zu einer militärischen Übung keine Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 darstelle. Die erforderliche Verfolgungsmotivation sei nicht gegeben, wenn die staatlichen Maßnahmen der Durchsetzung staatsbürgerlicher Pflichten dienten. In diesem Sinne stelle die Militärdienstpflicht und deren Sicherstellung durch Strafandrohung eine auf einem originären und souveränen staatlichen Recht beruhende legitime Maßnahme dar, weshalb eine unter Umständen auch strenge Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion als solche nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 zu werten sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers seien keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß mit seiner Einberufung eine asylrelevante Verfolgung beabsichtigt gewesen wäre.

In der dagegen erhobenen Berufung rügte der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel, daß die Behörde erster Instanz nicht der gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 geforderten besonderen Manuduktionspflicht im Asylverfahren nachgekommen sei. Er brachte aber keine Sachverhaltselemente vor.

Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Sie erhob die Wiedergabe der niederschriftlichen Vernehmung im erstinstanzlichen Bescheid zum Inhalt ihres Bescheides. Das Bundesasylamt habe in der Begründung seines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt. Die belangte Behörde schließe sich diesen Ausführungen vollinhaltlich an und erhebe sie zum Inhalt des angefochtenen Bescheides.

Darüber hinausgehend begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, daß der in der Berufung gerügte Verfahrensmangel nicht vorliege. Es könne nicht Zweck der erstinstanzlichen Einvernahme sein, den Beschwerdeführer durch gezielte Fragestellung zu Antworten zu bewegen, welche zur Asylerlangung führen müßten, zumal er seine Fluchtgründe frei habe vorbringen können und durch seine Unterschrift bestätigt habe, daß er seinen Angaben nichts mehr hinzufügen könne. Von der erstinstanzlichen Behörde sei in geeigneter Weise, nämlich durch die Frage, ob der Beschwerdeführer seinem Vorbringen noch etwas hinzufügen könne, auf die Vollständigkeit seiner Angaben hingewirkt worden, der Beschwerdeführer habe die Frage jedoch verneint.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführer rügt als Verfahrensmangel, daß die Berufungsbehörde keine Ergänzung bzw. Wiederholung des Ermittlungsverfahrens durchgeführt habe. Es sei verständlich, daß ein Beschwerdeführer, der am nächsten Tag zu den Gründen seiner Flucht einvernommen werde, den einen oder anderen Umstand, der vielleicht für die Entscheidung von wesentlicher Bedeutung wäre, nicht anführe und somit eine unvollständige Darstellung der Zusammenhänge wiedergebe. Der Beschwerdeführer übersieht aber, daß er in der Berufung bzw. im anschließenden Berufungsverfahren nicht vorgebracht hat, welchen das erstinstanzliche Vorbringen übersteigenden Sachverhalt er noch vorzubringen gehabt hätte. Selbst in der Beschwerde stützt sich der Beschwerdeführer zur Gänze auf sein erstinstanzliches Vorbringen (der Beschwerdeführer hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Befragung zunächst angegeben, er sei zu einer zweijährigen Haftstrafe wegen Nichtbefolgung der Ladung zu einer militärischen Übung verurteilt worden, relativierte dies aber in der Folge in der oben wörtlich wiedergegebenen Weise). Daher mangelt einem allfällig vorliegenden Verfahrensmangel jedenfalls die Relevanz, da der Beschwerdeführer nicht dargetan hat, inwiefern die belangte Behörde bei Einhaltung der verletzten Verfahrensvorschrift zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Im übrigen entspricht aber die von der belangten Behörde durch Übernahme der diesbezüglichen Ausführungen der Behörde erster Instanz vertretene Auffassung, daß die Einberufung des Beschwerdeführers zu einer militärischen Übung keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt für sich allein keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in dem betreffenden Heimatstaat ein Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen einer wegen Nichtbefolgung des Militärdienstes drohenden Strafe könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Der Beschwerdeführer hat keine Ausführungen erstattet, die auf das Vorliegen von Verfolgung im Sinne obiger Judikatur hindeuten würden.

Auf die erstinstanzlich vorgebrachte "allgemeine schlechte wirtschaftliche Situation" kommt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht zurück.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Damit erübrigt sich eine Befassung mit der darüber hinausgehenden Begründung des angefochtenen Bescheides zur Sicherheit des Beschwerdeführers vor Verfolgung in Ungarn sowie mit dem hiegegen erstatteten Beschwerdevorbringen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010378.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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