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19/05 MenschenrechteNorm
MRK Art6 Abs3 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofrätin Mag. Dr. Zehetner, den Hofrat Mag. Berger, die Hofrätin Dr. Koprivnikar sowie den Hofrat Dr. Terlitza als Richterinnen bzw. Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Landespolizeidirektion Steiermark gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 10. Jänner 2020, LVwG 30.9-335/2019-8, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (mitbeteiligte Partei: A K S, U), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 1.1. Am 11. Jänner 2017 fand in einem näher bezeichneten Lokal in G eine Kontrolle nach dem Glücksspielgesetz - GSpG durch Organwalter der Landespolizeidirektion Steiermark (LPD) statt. Organe der Abgabenbehörde waren nach der Aktenlage in die Kontrolle nicht involviert und erstatteten auch keine Anzeige.
2 1.2. Mit Schreiben der LPD (der nunmehrigen Revisionswerberin) vom 23. Februar 2017 erging an die Mitbeteiligte eine Aufforderung zur Rechtfertigung in deutscher Sprache, in der ihr vorgeworfen wurde, es als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F Kft. zu verantworten zu haben, dass diese Gesellschaft mit zehn Glücksspielgeräten sowie einem Abbuchungsschlüssel in Form von einer Chipkarte und einem Steckschlüssel verbotene Ausspielungen in Form von Walzenspielen unternehmerisch zugänglich gemacht habe, indem diese Gesellschaft in der Zeit von zumindest 10. Jänner 2017 bis zum Kontrolltag am 11. Jänner 2017 gegen Entgelt die Veranstaltung verbotener Ausspielungen in Form der mit den Eingriffsgegenständen ermöglichten Glücksspiele in ihrem Lokal geduldet habe und an der Auszahlung erzielter Spielgewinne dadurch mitgewirkt habe, dass sie das Personal zur Auszahlung von Gewinnen und zur Zurückstellung der Zahlenfelder am Gerätbildschirm auf null angehalten habe. Es lägen Verwaltungsübertretungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 GSpG vor. Diese Aufforderung zur Rechtfertigung wurde von der Mitbeteiligten am 1. März 2017 in Ungarn eigenhändig übernommen und damit zugestellt.
3 1.3. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. Juni 2017 wurde die Mitbeteiligte als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F Kft. der elffachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG schuldig erkannt und über sie elf Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 4.000,-- (sowie im Uneinbringlichkeitsfall elf Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt und ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. Weiters wurde gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der F KFt. für diese Geldstrafen sowie für die Verfahrenskosten ausgesprochen. Dieses Straferkenntnis wurde der Mitbeteiligten sowie der F Kft. in Ungarn zugestellt.
4 2.1. Gegen dieses Straferkenntnis erhob die Mitbeteiligte eine in deutscher Sprache verfasste Beschwerde, in der sie zusammengefasst (u.a.) vorbrachte, der deutschen Sprache nicht ausreichend kundig zu sein. Die P Kft. habe ihr den Inhalt des Straferkenntnisses zur Kenntnis gebracht und die Beschwerde in Absprache mit ihr verfasst. Nach dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sei aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse das ihr ausschließlich in deutscher Sprache übermittelte Straferkenntnis der belangten Behörde aufgrund eines unheilbaren Zustellmangels nicht rechtswirksam erlassen worden.
5 2.2. Mit Beschluss vom 9. Oktober 2018 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark (LVwG) diese Beschwerde als unzulässig zurück, weil mangels ordnungsgemäßer Zustellung des Straferkenntnisses kein solches erlassen worden sei. Es lägen nämlich keine dezidierten Nachweise dahingehend vor, dass die Mitbeteiligte der deutschen Sprache ausreichend kundig sei. Der belangten Behörde seien die Deutschkenntnisse der Mitbeteiligten nicht bekannt gewesen und sie habe hiezu auch keine Feststellungen getroffen. Eine Antwort auf die Aufforderung zur Rechtfertigung sei nicht eingelangt. Die belangte Behörde hätte daher das Straferkenntnis oder zumindest dessen Spruch und die Rechtsmittelbelehrung zusätzlich zur deutschen Langfassung unter Anschluss einer ungarischen Übersetzung zustellen müssen. Eine ordentliche Revision wurde vom LVwG für unzulässig erklärt.
6 2.3. Gegen diesen Beschluss des LVwG wurde keine außerordentliche Revision erhoben.
7 2.4. In der Folge wurde die Mitbeteiligte als handelsrechtliche Geschäftsführerin und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der F Kft mit Straferkenntnis der LPD vom 17. Dezember 2018 der zehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 drittes Tatbild GSpG schuldig erkannt und über sie zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 4.000,-- (sowie zehn Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt sowie ein Verfahrenskostenbeitrag vorgeschrieben. Dieses Straferkenntnis wurde der Mitbeteiligten sowie der F Kft. in deutscher Langfassung unter Beifügung der Übersetzung des Spruchs, der Zahlungsaufforderung und der Rechtsmittelbelehrung in die ungarische Sprache in Ungarn zugestellt. Eine Zustellung an die Abgabenbehörde, die keine Anzeige erstattet hatte, fand nach der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Aktenlage nicht statt.
8 2.5. Dagegen erhob die Mitbeteiligte erneut eine (16-seitige) auf Deutsch verfasste Beschwerde, ohne anzugeben, ob jemand und zutreffendenfalls wer diese für sie erstellt habe. In dieser brachte sie zusammengefasst vor, das angefochtene Straferkenntnis sei nicht zur Gänze übersetzt worden, die Begründung sei als wesentlicher Inhalt des Straferkenntnisses aber jedenfalls zu übersetzen. Zudem liege eine unzulässige Doppelbestrafung vor, weil das Straferkenntnis vom 6. Juni 2017 durch rechtswirksame Zustellung an die Abgabenbehörde Bindungswirkung entfalte. Die belangte Behörde hätte eine neuerliche Zustellung des Straferkenntnisses vom 6. Juni 2017 unter Beifügung einer Übersetzung vorzunehmen gehabt, nicht aber ein weiteres Straferkenntnis mit demselben Inhalt erlassen dürfen. Die Schlussfolgerung des LVwG in seinem Beschluss vom 9. Oktober 2018, es sei gar kein Straferkenntnis erlassen worden, sei „inhaltlich falsch“. Überdies handle es sich bei der Verfolgungshandlung ebenso um eine Urkunde nach Art. 5 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nicht übersetzt worden sei, weshalb vorsichtshalber überdies Verjährung eingewendet werde.
9 2.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 10. Jänner 2020 gab das LVwG dieser Beschwerde der Mitbeteiligten Folge, behob das angefochtene Straferkenntnis und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG ein (Spruchpunkt I.). Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde gemäß § 25a VwGG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt II.).
10 Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, dass aus den vorliegenden Verwaltungsakten ersichtlich sei, dass nach einer Anzeige der belangten Behörde wegen Übertretungen des GSpG ein Verwaltungsstrafverfahren gegen die Mitbeteiligte eingeleitet worden und am 23. Februar 2017 eine Aufforderung zur Rechtfertigung wegen näher angeführter Übertretungen des GSpG in deutscher Sprache und ohne Übersetzung erfolgt sei. Die Mitbeteiligte habe sowohl die Aufforderung zur Rechtfertigung als auch das ursprünglich unübersetzte Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6. Juni 2017 im Postweg zugestellt bekommen und persönlich übernommen. Entsprechende Deutschkenntnisse könnten bei der Mitbeteiligten nicht angenommen werden. Eine auf Deutsch verfasste und „vermutlich“ von der Mitbeteiligten unterfertigte Dienstanweisung stelle keinen entsprechenden Nachweis dar.
11 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Verstoß gegen in internationalen Abkommen zwingend vorgesehene Übersetzungspflichten im Lichte des § 7 Zustellgesetz ein unheilbarer Zustellmangel. Dies deshalb, weil dem Empfänger auf Grund der fehlenden Übersetzung ein unvollständiges Schriftstück zugekommen sei, was die „Unwirksamkeit des gegenständlichen Schriftstückes“ zur Folge habe. Es sei davon auszugehen gewesen, dass „eine rechtzeitige gesetzeskonforme Verfolgungshandlung im Sinne des § 31 Abs. 1 VStG innerhalb eines Jahres ab dem angeführten Tatzeitpunkt/Tatzeitraum nicht“ erfolgt sei. Eine solche sei erst mit Straferkenntnis vom 17. Dezember 2018 anzunehmen gewesen, was jedoch bereits außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist gelegen sei.
12 3.1. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der belangten Behörde. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes stellte das LVwG der Mitbeteiligten eine Übersetzung dieser Revision gemäß § 38a Abs. 3 VwGVG zu.
13 3.2. Die Mitbeteiligte erstattete trotz in ungarischer Übersetzung zugestellter Aufforderung zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung keine solche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
14 4.1. Die Amtsrevision erweist sich bereits mit dem Zulässigkeitsvorbringen, wonach das angefochtene Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur (Rechts-)Wirksamkeit einer Verfolgungshandlung nach § 32 Abs. 2 VStG abweiche, als zulässig und berechtigt.
15 4.2. Das Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018 lautet auszugsweise:
„Verjährung
§ 31. (1) Die Verfolgung einer Person ist unzulässig, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs. 2) vorgenommen worden ist. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat; ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt.
...
Beschuldigter
§ 32. (1) Beschuldigter ist die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache. Der Beschuldigte ist Partei im Sinne des AVG.
(2) Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
(3) Eine Verfolgungshandlung, die gegen einen zur Vertretung nach außen Berufenen (§ 9 Abs. 1) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die anderen zur Vertretung nach außen Berufenen und die verantwortlichen Beauftragten. Eine Verfolgungshandlung, die gegen den Unternehmer (§ 9 Abs. 3) gerichtet ist, gilt auch als Verfolgungshandlung gegen die verantwortlichen Beauftragten.“
Art. 5 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005, lautet auszugweise:
„Übersendung und Zustellung von Verfahrensurkunden
(1) Jeder Mitgliedstaat übersendet Personen, die sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, für sie bestimmte Verfahrensurkunden unmittelbar durch die Post.
(2) [...]
(3) Wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in die Sprache oder in eine der Sprachen des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Empfänger sich aufhält, zu übersetzen. Ist der Behörde, die die Verfahrensurkunde ausgestellt hat, bekannt, daß der Empfänger nur einer anderen Sprache kundig ist, so ist die Urkunde - oder zumindest deren wesentlicher Inhalt - in diese andere Sprache zu übersetzen.
[...]“
16 § 31 Abs. 1 VStG sieht vor, dass die Verfolgung einer Person unzulässig ist, wenn gegen sie binnen einer Frist von einem Jahr keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Eine Verfolgungshandlung ist gemäß § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
17 4.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt eine Aufforderung zur Rechtfertigung als Verfolgungshandlung gemäß § 32 Abs. 2 VStG (vgl. für viele etwa VwGH 16.1.2019, Ra 2018/02/0300).
18 Dabei ist es zur Wahrung der Verfolgungsverjährung ausreichend, wenn die Behörde eine solche Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist abfertigt (z.B. zur Post gibt; vgl. VwGH 25.7.1990, 90/17/0221).
19 4.4. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof zu dem im hg. Beschwerdeverfahren Zl. 2008/09/0285 erstatteten Vorbringen, § 32 Abs. 3 erster Satz VStG sei verfassungswidrig, weil gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. a EMRK jeder Angeklagte das Recht habe, in möglichst kurzer Frist in einer für ihn verständlichen Sprache, in allen Einzelheiten über die Art und den Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung in Kenntnis gesetzt zu werden, bereits ausgesprochen, dass mit einer Verfolgungshandlung lediglich der Wille der Behörde nach außen trete, eine Person wegen einer bestimmten Verwaltungsübertretung verfolgen zu wollen. Nach außen tritt dieser Wille, sobald das jeweilige Schreiben die Sphäre der Behörde verlassen hat (etwa durch Übergabe an die Post). Die Kenntnis des Beschuldigten von der Verfolgungshandlung ist für die Gültigkeit der Verfolgungshandlung jedoch nicht erforderlich. So gilt als Verfolgungshandlung z.B. auch die Vernehmung eines Zeugen (etwa die Zeugenvernehmung eines Meldungslegers, in der dieser ausdrücklich seine in der Anzeige gemachten Angaben aufrecht erhält, wenn in dieser Anzeige alle der späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente enthalten waren), oder ein innerhalb der Frist des § 31 Abs. 2 VStG abgefertigtes Rechtshilfeersuchen. Aus diesem Grund erachtete der Verwaltungsgerichtshof § 32 Abs. 3 erster Satz VStG nicht als verfassungswidrig (vgl. VwGH 16.12.2008, 2008/09/0285, mwN, sowie VwGH 30.8.2019, Ra 2019/17/0035).
20 4.4. Wesentlich ist daher, dass es gemäß § 32 Abs. 2 VStG für die Gültigkeit der Verfolgungshandlung ausdrücklich nicht darauf ankommt, dass die Amtshandlung ihr Ziel erreicht oder dass der Beschuldigte davon Kenntnis erlangt (vgl. etwa VwGH 30.1.2019, Ro 2018/03/0055; 6.3.32014, 2012/17/0444; sowie erneut 16.12.2008, 2008/09/0285, jeweils mwN).
21 Aus diesem Grund führt auch die Pflicht zur Übersetzung von Verfahrensurkunden nach Art. 5 Abs. 3 des Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, BGBl. III Nr. 65/2005, zu keinem anderen Ergebnis: Es kommt nämlich - wie ausgeführt - für die Qualifikation einer behördlichen Handlung als taugliche Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur darauf an, dass der behördliche Wille nach außen tritt, und nicht darauf, dass (auch) eine ordnungsgemäße Zustellung innerhalb der Verjährungsfrist stattfindet (vgl. erneut VwGH 16.12.2008, 2008/09/0285; VwGH 20.9.1996, 96/17/0320).
22 4.5. Im Revisionsfall ist die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Februar 2017 nach dem Vorgesagten als eine die Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 1 VStG unterbrechende Verfolgungshandlung gegenüber der Mitbeteiligten zu sehen, mit der der Wille der Behörde ausreichend nach außen getreten ist, näher konkretisierte Verwaltungsübertretungen gegenüber der Mitbeteiligten als Beschuldigten zu prüfen.
23 4.6. Indem das LVwG jedoch davon ausging, dass es für die Wirksamkeit einer Verfolgungshandlung zur Wahrung der Verfolgungsverjährungsfrist des § 31 Abs. 1 VStG auf die ordnungsgemäße „Zustellung dieser Verfolgungshandlung“ ankomme, hat es sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieses war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
24 Für das fortzusetzende Verfahren wird das LVwG darauf hingewiesen, dass es das Vorliegen einer etwaigig bereits eingetretenen Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs. 2 VStG zu prüfen hat (vgl. z.B. VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0278).
Wien, am 7. Jänner 2021
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2021:RA2020170021.L00Im RIS seit
16.03.2021Zuletzt aktualisiert am
16.03.2021