Entscheidungsdatum
23.10.2020Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W101 2227531-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Christine AMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Anton MARKU, M.E.S., MA, Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Spruchteil I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2019, Zl. 1247042104-190973213/BMI-BFA_WIEN_AST_04, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige und Zugehörige der arabischen Volksgruppe mit christlich-orthodoxem Bekenntnis, reiste legal am 20.09.2019 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 24.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz (in weiterer Folge auch als Asylantrag bezeichnet) stellte. Am Tag der Antragstellung fand eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
2. Mit Bescheid vom 19.12.2019, Zl. 1247042104/190973213/BMI-BFA_WIEN_AST_04, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF ab (Spruchteil I.) und erklärte, dass ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 zuerkannt werde (Spruchteil II.); ferner erteilte das Bundesamt der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 19.12.2020 (Spruchteil III.).
3. Gegen den Spruchteil I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin am 13.01.2019 fristgerecht eine Beschwerde. Die Spruchteile II. und III. dieses Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft.
4. Mit Schreiben vom 14.01.2020 (hg. eingelangt am 15.01.2020) legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
5. Am XXXX war die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin, XXXX , geboren worden.
6. Mit Schriftsatz vom 27.08.2020 brachte die Beschwerdeführerin eine Beschwerdeergänzung ein, in der sie den Bescheid betreffend ihrer minderjährigen Tochter vorlegte. Demnach war der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2020 der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG iVm § 34 Abs. 2 AsylG zuerkannt worden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist syrische Staatsangehörige und Zugehörige der arabischen Volksgruppe, welche am 24.09.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hat.
Die Beschwerdeführerin hat am XXXX ihre minderjährige Tochter, XXXX , IFA: 1266107004, in Österreich zur Welt gebracht.
Die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin hat am 09.07.2020 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. In der Folge wurde ihr mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2020 der Status der Asylberechtigten, abgeleitet von ihrem Vater, XXXX , gemäß § 3 AsylG iVm § 34 Abs. 2 AsylG zuerkannt.
Die Beschwerdeführerin lebt seit der Geburt der minderjährigen Tochter mit dieser im selben Haushalt unter der Adresse XXXX . Der Vater, XXXX , hingegen wohnt nicht an dieser Adresse.
Unter Berücksichtigung der konkreten Familiensituation und der Zeitpunkte der Antragstellungen liegt im gegenständlichen Fall ein Familienverfahren vor.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Identität der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt und in der Beschwerde.
Die Daten der Antragstellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass die minderjährige Tochter der Beschwerdeführerin in Österreich geboren wurde sowie dass der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 04.08.2020 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl der Status der Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG iVm § 34 Abs. 2 AsylG zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.08.2020.
Die Feststellungen zu den Wohnadressen ergeben sich aus einer aktuellen Anfrage aus dem Zentralen Melderegister.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu A)
3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
3.2.2. Für den gegenständlichen Fall ist Folgendes maßgeblich:
3.2.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einer Fremden, die in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihr im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt einer Fremden, der der Status der Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Gemäß § 3 Abs. 4b AsylG 2005 gilt leg.cit. in einem Familienverfahren gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 leg.cit. mit der Maßgabe, dass sie die Gültigkeitsdauer der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach der Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung des Familienangehörigen, von dem das Recht abgeleitet wird, richtet.
3.2.2.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation der Asylwerberin unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob die Asylwerberin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für die Asylwerberin die Möglichkeit, in einem Gebiet ihres Heimatstaates, in dem sie keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH, 18.02.1999, Zl. 98/20/0468). Einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz dann zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat der Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. unter vielen anderen mwN VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/20/0030 und 08.09.2015, Ra 2015/18/0010).
3.2.2.3. Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,
so gilt dieser gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).
Gemäß § 34 Abs. 5 AsylG 2005 gelten die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.
3.2.2.4. Der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin, XXXX , wurde mit Bescheid vom 04.08.2020 gemäß § 3 Abs. 1 (iVm § 34 Abs. 2) AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
Im Fall der Beschwerdeführerin gilt es zu berücksichtigen, dass sie ihren Asylantrag am 24.09.2019 gestellt hat, die minderjährige Tochter in Österreich nachgeboren wurde und sie mit dieser als einzige im selben Haushalt lebt bzw. ein Familienleben führt.
Folglich erfüllt die Beschwerdeführerin als Mutter der minderjährigen XXXX die Begriffsbestimmung einer Familienangehörigen iSd § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005.
Da der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin durch die oben genannte Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 (iVm § 34 Abs. 2) AsylG 2005 das stärkste Recht gewährt wurde, hat die Beschwerdeführerin als Familienangehörige ihrer minderjährigen Tochter gemäß § 34 Abs. 4 AsylG 2005 das Recht, ein gesondertes Erkenntnis mit demselben Inhalt zu erhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nämlich ausdrücklich ausgesprochen, dass das Gesetz beim Status der Asylberechtigten nicht differenziert. Weder kennt das Gesetz einen "originären" Status des Asylberechtigten, noch spricht das Gesetz in § 34 Abs. 4 AsylG 2005 davon, dass im Familienverfahren ein anderer, nur "abgeleiteter" Status zuzuerkennen ist. Im Gegenteil spricht der zweite Satz des § 34 Abs. 4 AsylG 2005 ausdrücklich davon, dass "der" Status der Asylberechtigten zuzuerkennen ist, was nur bedeuten kann, dass der Status der Asylberechtigten an sich (ohne weitere Differenzierung) zuzuerkennen ist. Im Übrigen lässt sich auch der Status-Richtlinie 2011/95/EU eine solche Differenzierung bei der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht entnehmen (vgl. insbesondere deren Art. 13). Ist einem Familienangehörigen - aus welchen Gründen auch immer - ohnedies der Status der Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen (vgl. VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
In dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof dazu insbesondere hervorgehoben, dass der Status eines Asylberechtigten auch in einem Familienverfahren nicht „iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005“ zu erfolgen hat, zumal eine solche Differenzierung vom Gesetz nicht vorgesehen und daher rechtlich unbeachtlich ist.
Im Einklang mit den Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 ist der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 aus den dargelegten Gründen ebenfalls der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen, ohne dass allfällige eigene Fluchtgründe zu prüfen gewesen sind (siehe in diesem Zusammenhang VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418, und VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0040), zumal im gegenständlichen Verfahren keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, hervorgekommen sind. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist auch für diese auszusprechen, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.2.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Nach der ersten Fallvariante des § 21 Abs. 7 BFA-VG darf von einer Verhandlung nur abgesehen werden, wenn die Verwaltungsinstanz ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und eine schlüssige Beweiswürdigung vorgenommen hat. Darüber hinaus darf in der Beschwerde nicht zulässigerweise ein neuer Sachverhalt konkret behauptet oder die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft worden sein (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Kommentar zum Asyl-und Fremdenrecht, § 21 BFA-VG, K 19; zusammenfassend VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, siehe sogleich).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und -0018, zusammenfassend ausgeführt, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.
Im gegenständlichen Fall konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da der Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung zweifellos feststeht. Aufgrund des Bescheides vom 04.08.2020, in dem der minderjährigen Tochter der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zugesprochen worden ist, liegt kein klärungsbedürftiger Sachverhalt vor, der in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern wäre. Diese Tatsachen hat das Bundesverwaltungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt.
3.2.4. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (siehe oben unter 3.2. zit. Judikatur), noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Asylgewährung von Familienangehörigen Asylverfahren befristete Aufenthaltsberechtigung Familienangehöriger Familienverfahren FlüchtlingseigenschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W101.2227531.1.00Im RIS seit
01.02.2021Zuletzt aktualisiert am
01.02.2021