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41/02 Passrecht FremdenrechtNorm
AsylG 2005 §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des E A in D, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2020, W121 2168548-2/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Dem im Jahr 2000 geborenen und aus Afghanistan stammenden Revisionswerber, der im November 2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) gestellt hatte, wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit Bescheid vom 1. August 2017 gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung mit Gültigkeit bis zum 1. August 2018 erteilt. Dies begründete die Behörde damit, dass dem Revisionswerber aufgrund der zu damaligen Zeit gegebenen Minderjährigkeit die Rückkehr in sein Heimatland nicht zumutbar sei. Die Gültigkeit der ihm erteilten Aufenthaltsberechtigung wurde von der Behörde über seinen Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2017 bis zum 1. August 2020 verlängert. Sein weiteres Begehren, ihm den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wurde im Instanzenzug (mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2020) abgewiesen.
2 Der Revisionswerber wurde in Österreich straffällig und unter anderem wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 Suchtmittelgesetz rechtskräftig verurteilt, weshalb das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im September 2019 ein Verfahren zur Aberkennung des dem Revisionswerber früher zuerkannten Status des subsidiär Schutzberechtigten einleitete.
3 Mit dem Bescheid vom 10. Februar 2020 sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass dem Revisionswerber gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, die ihm erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 erteilt, gegen ihn gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005, § 9 BFA-Verfahrensgesetz eine Rückkehrentscheidung sowie nach § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt werde, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise legte die Behörde gemäß § 55 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
4 Die Behörde ging in ihrer Entscheidung - zusammengefasst und soweit hier von Interesse - davon aus, der für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz und für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung maßgebliche Sachverhalt habe sich in einer solchen Weise geändert, dass im Fall der Rückführung des Revisionswerbers in sein Heimatland keine Verletzung des Art. 3 EMRK mehr zu befürchten sei.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ohne Durchführung einer Verhandlung mit dem Erkenntnis vom 17. August 2020 als unbegründet ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Erhebung einer Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren wesentlich - aus, nach § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 dürfe eine neue Bewertung, ob dem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zustehe, allein bezogen auf die aktuelle Sach- und Rechtslage vorgenommen werden. Auf eine „Lageänderung“ oder den Grund für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz komme es dabei nicht an.
7 Die Erhebung einer Revision sei nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil es zu den vom Bundesverwaltungsgericht zu lösenden Rechtsfragen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gebe und im Übrigen die Rechtslage klar sei.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten durch das Bundesverwaltungsgericht und nach Einleitung des Vorverfahrens - es wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
9 Mit der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Ansicht sowie der Rechtslage nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 hat sich der Verwaltungsgerichtshof in einem ähnlich gelagerten Fall, in dem das Bundesverwaltungsgericht seine Entscheidung in identer Weise begründet hat, (zu Ra 2020/14/0082) befasst. Im Erkenntnis vom 18. November 2020, Ra 2020/14/0082, ist der Verwaltungsgerichtshof zum Ergebnis gekommen, es könne - anders als das Bundesverwaltungsgericht (auch im vorliegenden Fall) meint - nicht davon ausgegangen werden, dass § 9 Abs. 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 es der Behörde ermögliche, ohne Bedachtnahme auf die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stets losgelöst davon eine Neubewertung vorzunehmen, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorlägen, und die Aberkennung dieses Status auszusprechen. Es wird hinsichtlich der näheren Begründung gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen.
10 Der - in ihrer Begründung für die Zulässigkeit auf diese Rechtswidrigkeit hinweisenden und somit zulässigen - Revision kommt demnach aus den im genannten Erkenntnis Ra 2020/14/0082 angeführten Gründen Berechtigung zu. Das Bundesverwaltungsgericht hat infolge der Verkennung der Rechtslage (auch) im vorliegenden Fall keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die die Beurteilung ermöglicht hätten, ob die für die Zuerkennung maßgeblichen Feststellungen unrichtig gewesen wären oder sich gegenüber den für die Zuerkennung entscheidungswesentlichen Umständen maßgebliche Änderungen ergeben hätten.
11 Das angefochtene Erkenntnis war daher - zur Gänze, weil die rechtlich von der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abhängenden Aussprüche ihre Grundlage verlieren - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 3. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020200360.L00Im RIS seit
18.01.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2021