Entscheidungsdatum
16.09.2020Norm
B-VG Art132 Abs1 Z1Spruch
W179 2188547-1/44E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch seinen Richter Mag. Eduard Hartwig PAULUS als Einzelrichter über die Beschwerde der XXXX GmbH, vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH, 1020 Wien, Trabrennstraße 2B, gegen den Bescheid der Regulierungskommission der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft vom XXXX , GZ XXXX , (weitere Verfahrenspartei XXXX , vertreten durch zeiler.partners Rechtsanwälte GmbH, 1010 Wien, Stubenbastei 2), betreffend einen Streitschlichtungsantrag nach § 132 Abs 2 Gaswirtschaftsgesetz 2011, zu Recht:
SPRUCH
A) Beschwerde:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Revision:
Die Revision ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Diese Entscheidung setzt das Judikat des VfGH vom 26.6.2020, E 4233/2019-35, um.
Vorauszuschicken ist ferner, § 132 Abs 2 Gaswirtschaftsgesetz 2011 (GWG) normiert eine sukzessive Zuständigkeit zwischen der Regulierungskommission (REK) der Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft (E-Control) als Schlichtungsstelle einerseits und den (ordentlichen) Gerichten andererseits, ua in Rechtsstreitigkeiten zwischen Netzbetreibern und Netzzugangsberechtigten (Z 1 leg cit).
Vorliegend haben die weiterführende Verfahrenspartei (Antragstellerin) als Netzzugangsberechtigte und die Beschwerdeführerin (Antragsgegnerin) – als Fernleitungsnetzbetreiberin – XXXX Transportverträge über die Durchleitung von Gas geschlossen und enthalten diese eine Schiedsklausel. In der Folge brachte die weiterführende Partei beim zuständigen Schiedsgericht eine Schiedsklage, gerichtet ua auf die Nichtigerklärung der besagten Verträge, ein; woraufhin das Schiedsgericht ihr Verfahren aussetzte, um der weiterführenden Partei Gelegenheit zu geben, zunächst die REK als Streitschlichtungsstelle anzurufen, weil die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens nach § 132 Abs 2 GWG vor Beschreitung des Rechtswegs (oder vor Anrufung eines Schiedsgerichts) vor dem Hintergrund des § 582 Abs 1 ZPO für „Netzbenutzer“ zwingend vorgesehen sei.
Zwischen allen Parteien ist maßgeblich strittig, ob die in § 132 Abs 2 GWG normierte sukzessive Kompetenz ausschließlich den „ordentlichen Gerichten“ oder auch Schiedsgerichten zukommt.
2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde (REK) den Streitschlichtungsantrag der weiterführenden Partei im Wesentlichen deswegen zurück, weil die vorliegende Streitigkeit objektiv schiedsfähig und ein Rechtsweg von der REK zu einem Schiedsgericht gesetzlich nicht vorgesehen sei, weswegen eine ausschließliche Zuständigkeit des zuständigen Schiedsgerichts, jedoch keine der REK vorliege.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde, macht als „Beschwerdepunkt“ die Verletzung des subjektiven Rechts auf Sachentscheidung der Beschwerdeführerin [als Antragsgegnerin und Netzbetreiberin] und ausschließlich inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend; dies mit dem Begehren, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, und in der Folge den angefochtenen Bescheid ausweislich § 28 Abs 3 VwGVG aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines Bescheides in der Sache an die belangte Behörde zurückverweisen. Dem Rechtsmittel sind ua zwei Rechtsgutachten beigeschlossen. Begründend wird eine Zuständigkeit zur Sachentscheidung der belangten Behörde moniert.
4. Mit Schreiben vom XXXX legt die belangte Behörde, ohne einen Antrag zu stellen, ihren Verwaltungsakt, jedoch (zunächst) keine Gegenschrift vor.
5. Im weiteren Verfahrensverlauf erstattet die belangte Behörde eine Replik, die Rechtsmittelwerberin zwei Stellungnahmen unter Vorlage eines dritten Rechtsgutachtens und eines weiteren Ergänzungsgutachtens, sowie die weitere Verfahrenspartei zwei Äußerungen samt Übermittlung eines eigenen Rechtsgutachtens.
Die belangte Behörde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen; das Abführen einer Beschwerdeverhandlung beantragt sie nicht.
Die weitere Verfahrenspartei begehrt, das Bundesverwaltungsgericht wolle die Beschwerde als unzulässig zurückweisen, in eventu abweisen, in eventu abweisen mangels Anwendbarkeit des § 132 Abs 2 GWG, in eventu aus anderen Gründen zurück- bzw abweisen. Im Übrigen sei eine mündliche Verhandlung weder erforderlich noch zweckmäßig.
Die Beschwerdeführerin hält ihre (dargestellten) Anträge aufrecht.
6. Mit Schreiben vom XXXX stellt die Beschwerdeführerin einen Fristsetzungsantrag, welchen das Bundesverwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof unter Anschluss der Akten vorlegt. Mit beim Bundesverwaltungsgericht am XXXX eingehender verfahrensleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes wird jenem aufgetragen, binnen drei Monaten die Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) zu erlassen und eine Ausfertigung, Abschrift oder Kopie derselben sowie eine Kopie des Nachweises über die Zustellung der Entscheidung (Erkenntnis/Beschluss) an die antragstellende Partei dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt. Binnen aufrechter Frist ergeht die Entscheidung BVwG 8. Oktober 2019, Zl W179 2188547-1/31E.
7. Mit dieser Entscheidung erklärt sich das Bundesverwaltungsgericht für zuständig, weist jedoch das Rechtsmittel mangels Beschwerdelegitimation als unzulässig zurück. Das Bundesverwaltungsgericht begründet dies zusammengefasst damit, dass die beschwerdeführende Partei durch die Zurückweisung des Antrages der beteiligten Partei durch die Regulierungsbehörde nicht beschwert sei. Die Behörde habe nicht meritorisch entschieden; deshalb könne keine materielle Beschwer vorliegen, weil weder subjektive Rechte noch Pflichten der beschwerdeführenden Partei begründet, verändert oder festgestellt worden seien. Ferner werde mit dem angefochtenen Bescheid ein Antrag der beteiligten Partei und nicht der beschwerdeführenden Partei zurückgewiesen, sodass diese auch nicht formell beschwert sein könne. § 132 Abs 2 GWG 2011 lasse keinen Zweifel daran, dass die sukzessive Kompetenz nur für Netzzugangsberechtigte, nicht hingegen für Netzbetreiber vorgesehen sei. Die beschwerdeführende Partei könne sich – solange in der gleichen Sache nicht bereits ein Verfahren vor der Regulierungsbehörde anhängig sei – jederzeit selbst an die ordentlichen Gerichte wenden, ohne dass ein Streitschlichtungsverfahren erforderlich sei. Mit der angefochtenen Entscheidung sei das Verfahren nach § 132 Abs 2 Z 1 GWG 2011 abgeschlossen und die Zuständigkeit der Gerichte für allfällige Klagen der beschwerdeführenden Partei (wieder) gegeben.
8. Mit höchstgerichtliche Entscheidung vom 26. Juni 2020, E 4223/2019-35, wird dieser Beschluss vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben. Das Bundesverwaltungsgericht habe seine Zuständigkeit zutreffend bejaht, jedoch der besonderen Verfahrenskonstellation nicht ausreichend Rechnung getragen, wäre doch die Beschwerde aus näher angeführten Gründen nicht zurückzuweisen, sondern abzuweisen und damit die zurückweisende Entscheidung der Regulierungskommission zu bestätigen gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der angefochtene Bescheid stellt nachstehenden Sachverhalt als unstrittig fest, der auch diesem Verfahren als maßgeblicher Sachstand zugrunde gelegt wird:
„Die in XXXX ansässige Antragstellerin [die hiergerichtlich weiterführende Partei] und die Antragsgegnerin [die hiergerichtliche Beschwerdeführerin] - eine Fernleitungsnetzbetreibern mit Sitz in XXXX - schlossen eine Reihe von XXXX Transportverträge über die Durchleitung von Gas der Antragstellerin XXXX , die in der Änderungsvereinbarung vom XXXX geändert, neu gefasst und konsolidiert wurden. XXXX dieser Änderungsvereinbarung enthält folgende Schiedsklausel:
„ XXXX “
Am XXXX brachte die Antragstellerin – gestützt auf Art 14 der Änderungsvereinbarung – XXXX eine Schiedsklage gegen die Antragsgegnerin ein. Mit dieser Klage begehrt sie einen Schiedsspruch, der eine Erklärung enthält, dass die XXXX Verträge und die Änderung ab dem XXXX null und nichtig sind, und mit dem angeordnet wird, dass die Antragsgegnerin XXXX EUR an die Antragstellerin bezahlt. Dazu stellt sie Eventualbegehren.
Mit prozessleitende Verfügung XXXX setzte das Schiedsgericht das Schiedsverfahren bis zum XXXX aus und gab der Antragstellerin die Gelegenheit, das Streitschlichtungsverfahren vor der Regulierungskommission gemäß § 132 Abs 2 GWG 2011 bis spätestens XXXX einzuleiten, und sprach ferner aus, das Schiedsverfahren so lange weiter auszusetzen, bis der Bescheid der Regulierungsbehörde im Streitschlichtungsverfahren innerhalb der in § 12 Abs 3 E-ControlG vorgesehenen Frist zugestellt worden ist, wenn die Antragstellerin das Streitschlichtungsverfahren einleitet. Die Ansprüche der Antragstellerin seien zumindest gegenwärtig unzulässig. Diese Ansprüche fielen in den Geltungsbereich von § 132 Abs 2 GWG 2011. Die Durchführung des in § 132 Abs 2 GWG 2011 festgelegten Streitschlichtungsverfahrens vor Beschreitung des Rechtswegs (oder vor Anrufung eines Schiedsgerichts) für Netzbenutzer sei zwingend. Im Hinblick auf § 582 Abs 1 ZPO teilt das Schiedsgericht die Ansicht, dass die „Unzulässigkeit des Rechtswegs“ die Unzulässigkeit von Schiedsverfahren zur Folge haben.“
2. Im Anschluss an den dargestellten Sachverhalt gibt der angefochtene Bescheid den „Verfahrensablauf“ wieder, der nachstehend (teilweise) ebenso festgestellt wird:
„Am XXXX brachte die Antragstellerin bei der Regulierungskommission der E-Control einen Streitschlichtungsantrag gemäß § 132 Abs 2 GWG 2011 iVm § 12 E-ControlG ein. Sie beantragt, die Regulierungskommission möge,
a) sich für unzuständig erklären, den streitgegenständlichen Streitfall zu entscheiden, und aus diesem Grund die Anträge der Antragstellerin zurückweisen,
b) in eventu die XXXX Transportverträge und den Änderungsvertrag seit XXXX für nichtig erklären und die Antragsgegnerin zur Zahlung von XXXX EUR samt Zinsen zu verurteilen.“
3. Dieser Antrag ist näher begründet und stützt sich unter einem auf eine angebliche Zuwiderhandlung der Antragsgegnerin (und deren XXXX ) gegen Europäisches Wettbewerbsrecht, aus welcher die begehrte Nichtigkeit der Verträge als auch gegebenenfalls konkrete Bereicherungs- und Schadenersatzansprüche der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin resultiere.
4. Die Antragsgegnerin (die hiergerichtliche Beschwerdeführerin) repliziert auf den Streitschlichtungsantrag, nachdem sie von der REK über diesen verständigt wurde, mit Schreiben vom XXXX an die REK, und beantragt, die REK möge
„(1) das Hauptbegehren a) von [der Antragstellerin] kostenpflichtig abweisen und feststellen, dass die Regulierungskommission zuständig ist, den gegenständlichen Fall und die folgenden Eventualbegehren b) bis e) der Reihe nach zu entscheiden; und
(2) die Eventualbegehren b) bis e) von [der Antragstellerin] kostenpflichtig abweisen.“
5. Der Spruch des angefochtenen Bescheids vom XXXX lautet (wortwörtlich) wie folgt:
„I. Spruch
Der Streitschlichtungsantrag wird zurückgewiesen.“
6. Die Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der E-Control vom XXXX zur GZ XXXX als ein unabhängiger Fernleitungsnetzbetreiber (Independent Transmissionsystem Operator – ITO) gemäß § 119 Abs 1 Z 3 GWG 2011 zertifiziert.
2. Beweiswürdigung:
1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Einsicht genommen in den Akt der belangten Behörde und in den Gerichtsakt – insbesondere in den angefochtenen Bescheid, die dagegen erhobene Beschwerde, alle eingebrachten Schriftsätze und vorgelegten Rechtsgutachten, jeweils samt Anlagen, sowie die zitierte Entscheidung des VfGH.
2. Die getroffenen Feststellungen erschließen sich zweifelsfrei aus der Aktenlage (zumal teilweise in den Feststellungen auf das konkret herangezogene Beweismittel bereits hingewiesen wurde.)
3. Ferner ist zu erwägen:
Die Feststellung zum Zertifizierungsbescheid der Beschwerdeführerin als Fernleitungsnetzbetreiberin beruht auf den diesbezüglichen Ausführungen der Gegenschrift der belangten Behörde vom XXXX , die von den anderen Parteien unbestritten blieben, zumal sich die Rechtsmittelwerberin in der Beschwerde selbst als Netzbetreiberin bezeichnet.
3. Rechtliche Beurteilung:
1. Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und ist im Lichte der zitierten Judikatur des VfGH auch zulässig.
3.1. Rechtsnormen:
2. Der § 132 Abs 1 B-VG, BGBl Nr 1/1930 idF BGBl I Nr 138/2017, lautet (auszugsweise) wortwörtlich:
„132. (1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet; (…)“
3. Der § 132 Gaswirtschaftsgesetzes 2011, BGBl I Nr 107/2011, lautet wortwörtlich:
„12. Teil
Streitbeilegung
Verfahren
§ 132. (1) In Streitigkeiten
1.
zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges,
2.
zwischen Speicherzugangsberechtigten und Speicherunternehmen über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Speicherzuganges sowie
3.
zwischen Versorgern über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Übertragung von Einspeisekapazitäten
entscheidet – sofern keine Zuständigkeit des Kartellgerichtes (§ 38 Kartellgesetz 2005, BGBl. I Nr. 61/2005) vorliegt – die Regulierungsbehörde.
(2) In allen übrigen Streitigkeiten
1.
zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen,
2.
zwischen Speicherzugangsberechtigten und Speicherunternehmen über die aus diesem Verhältnis entspringenden Verpflichtungen,
3.
zwischen Kunden und dem Betreiber des Virtuellen Handelspunktes,
4.
zwischen dem unabhängigen Netzbetreiber gemäß § 109 und dem Eigentümer des Fernleitungsnetzes gemäß § 111,
5.
zwischen dem vertikal integrierten Unternehmen und dem unabhängigen Fernleitungsnetzbetreiber gemäß § 112 sowie
6.
über die Abrechnung von Ausgleichsenergie
entscheiden die Gerichte. Eine Klage eines Netzzugangsberechtigten in Streitigkeiten gemäß Z 1 bzw. Speicherzugangsberechtigten in Streitigkeiten gemäß Z 2 sowie eine Klage in Streitigkeiten gemäß Z 3 bis 6 kann erst nach Zustellung des Bescheides der Regulierungsbehörde im Streitschlichtungsverfahren innerhalb der in § 12 Abs. 4 E-ControlG vorgesehenen Frist eingebracht werden. Falls ein Verfahren gemäß Z 1 bzw. Z 2 bei der Regulierungsbehörde anhängig ist, kann bis zu dessen Abschluss in gleicher Sache kein Gerichtsverfahren anhängig gemacht werden.
(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 2 kann eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges bzw. Speicherzugangs gründen, erst nach Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde zu unterbrechen.“
3.2. Zu Spruchpunkt A) Beschwerde:
3. Diese Entscheidung dient der Umsetzung des Judikates des Verfassungsgerichtshofes vom 26.6.2020, E 4233/2019-35, in welchem der VfGH aussprach, dass das Bundesverwaltungsgericht seine Zuständigkeit zutreffend bejaht (vgl Rz 32), jedoch der gegebenen besonderen Verfahrenskonstellation des § 132 Abs 2 Z 1 GWG 2011 nicht hinreichend Rechnung getragen habe, weil die vorliegende Beschwerde auf dem Boden der von den Parteien vertraglich vereinbarten Schiedsklausel inhaltlich abzuweisen (und nicht zurückzuweisen) sei (vgl Rz 67); weshalb die Regelungskommission auch den zugrundeliegenden an sie gerichteten Antrag zu Recht zurückgewiesen habe (vgl Rz 66).
4. Im Lichte der Entscheidung des VfGH 26.6.2020, E 4233/2019-35, ist die erhobene Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen und begründend die höchstgerichtliche Entscheidung (auszugsweise) darzustellen:
VfGH 26.6.2020, E 4233/2019-35, lautet in seiner Begründung (auszugsweise) wie folgt:
„5. Zur objektiven Schiedsfähigkeit von Ansprüchen aus dem Vertrag zwischen dem Netzbetreiber und dem Netzzugangsberechtigten
5.1. Der Verfassungsgerichtshof hat nunmehr die Frage zu beantworten, ob die Streitigkeit zwischen der beschwerdeführenden Partei und der beteiligten Partei ausschließlich vor einem – durch vertragliche Vereinbarung zur Entscheidung berufenen – Schiedsgericht (unter Verzicht auf die verwaltungsbehördliche und gerichtliche Entscheidung nach § 132 Abs. 2 GWG 2011 und § 12 Abs. 4 E-ControlG) ausgetragen werden kann. Dies betrifft die Frage der objektiven Schiedsfähigkeit von Streitigkeiten nach § 132 Abs. 2 (Z 1) GWG 2011.
5.2. bis 5.3 (…)
5.4. Eine – im vorliegenden Zusammenhang atypische – sukzessive Kompetenz stellt insofern eine Sonderkonstellation dar, als die Rechtssache zunächst von einer Verwaltungsbehörde entschieden wird; gegen deren Entscheidung steht den Parteien jedoch die Möglichkeit offen, eine Entscheidung durch das ordentliche Gericht zu begehren. Es stellt sich daher die Frage nach der objektiven Schiedsfähigkeit der von der Regulierungsbehörde und in der Folge von den ordentlichen Gerichten zu entscheidenden Rechtssache.
5.4.1. (…)
5.4.2. Ein (expliziter) Ausschluss der (objektiven) Schiedsfähigkeit wird vom Gesetzgeber in Bezug auf Streitigkeiten gemäß § 132 Abs. 2 Z 1 GWG 2011 nicht vorgesehen. Der Verfassungsgerichtshof hat darüber hinaus bereits ausgesprochen, dass die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte in Streitigkeiten nach § 132 Abs. 2 Z 1 GWG 2011 wirksam ausgeschlossen werden kann (VfSlg. 19.874/2014). Dies wird von der beschwerdeführenden Partei auch nicht bestritten. Zu beantworten ist somit lediglich die Frage, ob auch die Zuständigkeit der Regulierungskommission zur Durchführung eines verwaltungsbehördlichen Schlichtungsverfahrens durch eine Schiedsvereinbarung wirksam abbedungen werden kann.
Aus systematischer Perspektive ist zunächst hervorzuheben, dass der Gesetzgeber hinsichtlich Streitigkeiten, die öffentlich-rechtlicher Natur sind, jedenfalls eine Zuständigkeit (nur) der Regulierungskommission vorgesehen hat (§ 132 Abs. 1 GWG 2011). Streitigkeiten nach § 132 Abs. 2 GWG 2011 sind demgegenüber der Sache nach zivilrechtliche Streitigkeiten zwischen Gleichrangigen, die – ohne Vorliegen einer wirksamen Vereinbarung einer Schiedsklausel – letztlich von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden sind.
5.5. Aus dem Hinweis der beschwerdeführenden Partei auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. etwa OGH 16.10.2003, 8 ObS 12/03b; 14.3.2005, 4 Ob 287/04s; 24.3.2015, 10 Ob 19/15i), wonach eine Klage in Fällen sukzessiver Kompetenz wegen temporärer Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückzuweisen ist, wenn das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde nicht durchgeführt worden ist, kann für den vorliegenden Zusammenhang nichts gewonnen werden. Diese Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bezieht sich nur auf Fälle, in denen keine Schiedsklausel vereinbart und sogleich das staatliche Gericht angerufen wurde, ohne vorher die Verwaltungsbehörde damit zu befassen. Diesfalls ist die Klage jedenfalls zurückzuweisen.
Die beschwerdeführende Partei meint, aus dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Konstruktion einer "temporären Schiedsunfähigkeit" ableiten zu können. Das Schiedsgericht könne erst nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens vor der Regulierungskommission angerufen werden, weil das verwaltungsbehördliche Verfahren zwingend vorgesehen sei.
Dazu ist zunächst festzuhalten, dass die Rechtsfigur einer "temporären Schiedsunfähigkeit" – soweit ersichtlich – bisher in keinem Fall einer sukzessiven Kompetenz von der schiedsrechtlichen Lehre oder der Rechtsprechung anerkannt worden ist. Der Gesetzgeber hat bisher Streitigkeiten entweder zur Gänze als schiedsfähig oder zur Gänze als schiedsunfähig – wie etwa im Mietrecht, im kollektiven Arbeitsrecht oder im Sozialrecht – festgelegt.
Darüber hinaus kann aus der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur temporären Unzulässigkeit des Rechtsweges im Verhältnis zwischen Verwaltungsbehörden und ordentlichen Gerichten – wie bereits ausgeführt – keinesfalls der generelle Schluss gezogen werden, dass die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit in (allen) Fällen einer sukzessiven Kompetenz nicht zu Gunsten eines Schiedsgerichtes ausgeschlossen werden kann. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes führt – umgelegt auf den vorliegenden Fall – lediglich zu dem Ergebnis, dass vor der Anrufung der ordentlichen Gerichte ein Schlichtungsverfahren vor der Regulierungskommission durchgeführt werden muss. Das ergibt sich aber bereits aus dem Wortlaut des § 132 Abs. 2 GWG 2011.
5.6. Die Frage, ob eine "temporäre Schiedsunfähigkeit" im vorliegenden Zusammenhang anzunehmen ist, kann nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes nur anhand der durch das behördliche Schlichtungsverfahren im vorliegenden Zusammenhang verfolgten Zwecke beurteilt werden. Dabei ist zu prüfen, ob es zwingende Gründe dafür gibt, dass das Schlichtungsverfahren vor der Regulierungskommission – trotz Vorliegens einer wirksamen Schiedsvereinbarung zwischen zwei Unternehmern – durchzuführen ist, bevor das Schiedsgericht angerufen werden kann.
Die Regelung des § 132 Abs. 2 (vorletzter und letzter Satz) GWG 2011 dient vor allem der Entlastung der ordentlichen Gerichte; diese sollen erst nach Durchführung eines Verfahrens vor der Regulierungskommission in jenen Fällen in Anspruch genommen werden können, in denen die Rechtssache auch nach der Entscheidung der Regulierungskommission weiter strittig ist. Anders als etwa bei mietrechtlichen, kollektiven arbeits- und sozialrechtlichen Streitigkeiten kann der Zweck der Entlastung der ordentlichen Gerichte nicht gegen die Zulässigkeit einer Schiedsvereinbarung, mit der auch das Schlichtungsverfahren vor der Regulierungskommission ausgeschlossen werden soll, ins Treffen geführt werden. Mit einer solchen Vereinbarung werden sowohl die ordentlichen Gerichte als auch die Regulierungskommission entlastet.
5.7. Darüber hinaus dient die Vorschaltung der Regulierungskommission in Streitigkeiten nach § 132 Abs. 2 Z 1 GWG 2011 nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes auch den Interessen der Verfahrensparteien. Netzbetreiber können erst nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens gerichtlich in Anspruch genommen werden, während Netzzugangsberechtigten die Möglichkeit gegeben wird, die Streitigkeit in kostensparender Weise vor der Regulierungskommission auszutragen, ohne sogleich eine Klage bei den ordentlichen Gerichten einbringen zu müssen.
Der Regelungszweck spricht für die Zulässigkeit einer Schiedsklausel, die auch die verwaltungsbehördliche Zuständigkeit verdrängt. Dabei ist zunächst zu beachten, dass durch Schiedsvereinbarungen stets – grundsätzlich zwingend vorgesehene – staatliche Zuständigkeitsregeln abbedungen werden können. So ist es beispielsweise auch möglich, eine Schiedsklausel zu vereinbaren, wenn im Rahmen der staatlichen Gerichtsbarkeit eine Zwangszuständigkeit eines staatlichen Gerichtes gegeben ist (vgl. OGH 3.6.1950, 2 Ob 276/50; 10.12.1998, 7 Ob 221/98w). Darüber hinaus handelt es sich bei den Parteien des vorliegenden Verfahrens um im Energiewesen spezialisierte Unternehmer, denen auch im Allgemeinen zugemutet wird, dass sie die Folgen eines Rechtsschutzverzichtes richtig einschätzen und dementsprechend disponieren können (zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Verzichtes [sogar] auf die Garantien des Art. 6 EMRK durch Vereinbarung einer Schiedsklausel, vgl. Grabenwarter/Ganglbauer, 1. Kapitel. Die Stellung des Schiedsverfahrens aus verfassungsrechtlicher Sicht, in: Czernich/Deixler-Hübner/Schauer [Hrsg.], Handbuch Schiedsrecht, 2018, Rz 1.37 ff. mwN).
Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang, dass Verbraucher durch die Bestimmung des § 617 ZPO einen besonderen Schutz genießen (vgl. dazu Hausmaninger, § 617 ZPO, in: Fasching/Konecny [Hrsg.], Kommentar zu den Zivilprozess-gesetzen3, rdb.at, Stand 1.10.2016, Rz 24 f. mwN): Nach dieser Bestimmung kann eine Schiedsvereinbarung mit Verbrauchern – ebenso wie gemäß § 9 Abs. 2 ASGG in individualarbeitsrechtlichen Streitigkeiten mit Arbeitnehmern, die keine Geschäftsführer bzw. Vorstandsmitglieder einer Kapitalgesellschaft sind, – nur hinsichtlich bereits anhängiger Rechtsstreitigkeiten wirksam vereinbart werden.
Die vertragliche Vereinbarung einer Schiedsklausel (etwa in Allgemeinen Geschäftsbedingungen) hinsichtlich Streitigkeiten, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht entstanden sind, ist daher bereits aus diesem Grund unzulässig.
5.8. Damit verbleibt als möglicher Zweck einer – zwingenden und nicht durch Schiedsklausel abdingbaren – Vorschaltung des behördlichen Schlichtungsverfahrens, dass dadurch öffentliche Interessen, insbesondere aus dem Bereich des Regulierungsrechtes, verwirklicht werden sollen. Solche zwingenden öffentlichen Interessen sind für den Verfassungsgerichtshof aus den folgenden Gründen nicht zu erkennen:
Dass Streitigkeiten zwischen Netzzugangsberechtigten und Netzbetreibern zwingend vor der Regulierungskommission ausgetragen werden müssen, kann bereits deshalb nicht angenommen werden, weil Streitigkeiten, die von Netzbetreibern gegen Netzzugangsberechtigte anhängig gemacht werden, jedenfalls ohne Schlichtungsverfahren sogleich vor den ordentlichen Gerichten auszutragen sind (vgl. dazu Oberndorfer, aaO, 99 f.; Ballon, Der österreichische Zivilprozess – bemerkenswerte Schwerpunkte der Reformen im neuen Jahrtausend, FS Kaissis, 2012, 37 [43 ff.]). Es kann diesbezüglich keinen Unterschied machen, ob etwa die Nichtigkeit des Vertrages zwischen einem Netzbetreiber und einem Netzzugangsberechtigten von der einen oder anderen Vertragspartei geltend gemacht wird. Der Umstand, dass Netzbetreiber sogleich den Klagsweg vor den ordentlichen Gerichten beschreiten können, zeigt, dass kein öffentliches Interesse bestehen kann, solche – der Sache nach zivilrechtlichen – Streitigkeiten zwingend vor der Regulierungskommission zu schlichten, bevor ein Schiedsgericht angerufen werden kann.
5.9. Die Zulässigkeit, mittels Schiedsvereinbarung die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichtes (unter Ausschluss der Regulierungskommission) zu begründen, erweist sich auch aus einem weiteren Grund: Netzzugangsberechtigte und Netzbetreiber können sich über Ansprüche wie jenen, der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, jedenfalls durch privatautonome Vereinbarung vergleichen (§ 1380 ABGB). Diesfalls wird die Rechtssache nicht vor der Regulierungskommission geschlichtet und hat diese dementsprechend keine Kenntnis von der entstandenen Streitigkeit. Gäbe es tatsächlich ein zwingendes öffentliches Interesse, dass entsprechende Streitigkeiten jedenfalls vor der Regulierungskommission geschlichtet werden müssten, hätte der Gesetzgeber ausdrücklich vorsehen müssen, dass auch Vergleiche in Streitigkeiten nach § 132 Abs. 2 Z 1 GWG 2011 nur vor der Regulierungskommission abgeschlossen werden können.
Letztlich zeigt der in § 132 Abs. 2 GWG 2011 normierte Rechtsweg, dass das Schlichtungsverfahren vor der Regulierungskommission auch insofern keinem zwingenden öffentlichen Interesse dienen kann, weil es sich um eine – wenn auch atypische – sukzessive Kompetenz handelt, bei der der Bescheid der Regulierungskommission im nachfolgenden – gerichtlichen oder schiedsgerichtlichen Verfahren – nicht Gegenstand der Kontrolle ist. Das Verfahren wird vielmehr vor dem Gericht oder Schiedsgericht vollständig neu geführt.
5.10. Der Gesetzgeber hat die Schiedsunfähigkeit von Streitigkeiten nach § 132 Abs. 2 Z 1 GWG 2011 somit weder ausdrücklich angeordnet, noch ergibt sich diese aus den Zwecken, die mit der Vorschaltung des behördlichen Schlichtungsverfahrens vor der Regulierungskommission im Verhältnis zu dem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Durch privatautonome Vereinbarung kann dementsprechend sowohl die Zuständigkeit der Regulierungskommission als auch der ordentlichen Gerichte ausgeschlossen werden. Die Regulierungskommission hat daher den Antrag der beteiligten Partei zu Recht zurückgewiesen. [Hervorhebung BvwG]“
5. Bei diesem Ergebnis konnte eine mündliche Beschwerdeverhandlung ausweislich § 24 Abs 1 und Abs 4 VwGVG entfallen.
6. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass Entscheidungen der Verwaltungsgerichte mit ihrer Erlassung (formell und materiell) rechtskräftig werden. Damit ist das ihnen jeweils zugrundeliegende Beschwerdeverfahren beendet. Dass noch die Frist zur Erhebung einer Revision an den VwGH offen ist, ändert daran nichts. (Vgl VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111, mHa 24.5.2016, Ra 2016/03/0050).
4. Zu Spruchpunkt B) Revision:
7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Vorliegend war die Rechtsfrage zu beantworten, inwieweit das Rechtsmittel begründet ist.
Nach Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ist die Rechtslage eindeutig, liegt keine die Zulässigkeit einer Revision begründende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor (zB VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095; oder 28.05.2014, Zl Ro 2014/07/0053).
Die Rechtslage (als auch vorliegendes Beschwerdeverfahren) wurde durch die zugehörige Rechtsprechung des VfGH 26.6.2020, E 4233/2019-35, eingehend geklärt und ist damit eindeutig, weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und eine Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig ist.
Schlagworte
Beschwerdelegimitation Beschwerderecht Ersatzentscheidung Schlichtungsstelle Schlichtungsverfahren sukzessive Kompetenz Zurückweisung ZuständigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W179.2188547.1.00Im RIS seit
07.12.2020Zuletzt aktualisiert am
07.12.2020