Gbk 2019/12/10 GBK I/805/18

JUSLINE Allgemeines Dokument

Veröffentlicht am 10.12.2019
beobachten
merken

Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch den/die Arbeitgeber/in

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 10. Dezember 2019 über den am 24. Jänner 2018 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft Regionalbüro … (R-GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/805/18, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS

A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG durch B (Betreiber des Unternehmens X) diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin habe seit Februar 2017 in der Bar des Antragsgegners in … gearbeitet und beschreibe das Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber, den sie schon länger gekannt habe, bis zum nachstehend geschilderten Vorfall als positiv.

Mitte August habe die Antragstellerin, als das Lokal bereits geschlossen war, mit ihrem Arbeitgeber wegen ihrer Arbeitszeiten reden wollen. Sie beide seien daher alleine im Lokal gewesen, als er begonnen habe, sexuelle Anspielungen zu machen und zu versuchen, die Antragstellerin zu küssen. Er habe auch ihr T-Shirt hinaufgeschoben und probiert, ihren BH zu öffnen. Als sie habe weggehen wollen, habe er die Antragstellerin gegen deren Willen an die Wand gedrückt und sie wieder küssen wollen. Dabei habe er sie auch im Genitalbereich berührt. Die Antragstellerin habe sich losreißen können und sei rasch zum Hinterausgang gegangen, wobei sie zuerst noch vom Antragsgegner verfolgt worden sei, der aber zurückgeblieben sei, als sie das Lokal verlassen habe.

Das oben geschilderte Verhalten des Antragsgegners sei der sexuellen bzw. geschlechtsbezogenen Sphäre zuzuordnen und sei für die Antragstellerin unerwünscht und unangebracht gewesen. Es habe eine so feindselige und entwürdigende Arbeitsatmosphäre geschaffen, dass für sie eine Zusammenarbeit mit ihm nicht mehr auszuhalten gewesen sei und sie sich daher gezwungen gesehen habe, das Arbeitsverhältnis zu beenden.

Nach einem Beratungsgespräch bei der Regionalanwältin sei ein Interventionsschreiben erfolgt. Auf einen Vergleichsversuch sei die Gegenseite nicht eingegangen.

In seiner Antwort auf das Interventionsschreiben der Regionalanwältin habe der Rechtsanwalt des Antragsgegners die Antragstellerin der Verleumdung bezichtigt.

Er führe zum Beweis Fotos an, die nach diesem Vorfall bei der Geburtstagsfeier des Antragsgegners in dessen Lokal aufgenommen worden seien. Die Antragstellerin erkläre dazu, dass sie an diesem Abend Dienst gehabt hätte und deshalb anwesend gewesen wäre und ihrem Arbeitgeber auch gratuliert habe.

Ihr Entschluss, das Arbeitsverhältnis aufzugeben, sei erst danach erfolgt, da sie das Ereignis nicht habe verarbeiten können und psychosomatische Beschwerden entwickelt habe.

Ein vom Anwalt erwähnter Chatverlauf, aus dem er ableite, dass die Mutter von der Antragstellerin ihr den Vorschlag gemacht hätte, zu behaupten, sie wäre von ihrem Arbeitgeber belästigt worden, sei von ihm inhaltlich völlig falsch wiedergegeben worden. Er habe daher nicht nur einen zweifelhaften Beweiswert, sondern werfe auch die Frage auf, wie der Antragsgegner zu diesem von ihm angeführten Beweismittel gelangt sei.

Wahr sei vielmehr, dass die Antragstellerin ihrer Mutter erzählt habe, dass Sie von ihrem Arbeitgeber belästigt worden wäre und dass sie befürchten würde, er werde alles abstreiten. Daher habe ihr diese den gutgemeinten, aber unglücklichen, Tipp gegeben, ihm gegenüber zu behaupten, dass es Zeugen gegeben hätte, um der Wahrheit mehr Gewicht zu verleihen. Dies habe die Antragstellerin umgehend abgelehnt und sei ihr ein Vorschlag ihrer Mutter, der nie in die Tat umgesetzt worden sei, nicht vorzuwerfen.

Daraus jedoch abzuleiten, dass die Mutter ihr den Vorschlag gemacht habe, zu behaupten, dass sie vom Antragsgegner belästigt worden wäre und daher der Vorwurf der Belästigung erfunden wäre, wie es der Rechtsvertreter des Antragsgegners ausführe, sei absurd.

Vielmehr sei der von ihm angeführte Chatverlauf ein Indiz dafür, dass eine Belästigung stattgefunden habe.

Die Antragstellerin sei auf Anraten der Arbeiterkammer zur Beratung in die Gleichbehandlungsanwaltschaft gekommen, da der Verdacht vorgelegen habe, dass sie in Zusammenhang mit ihrem Arbeitsverhältnis sexuell belästigt worden sei. Dort sei sie auch über die erleichterte Beweislast informiert worden und sie habe daraufhin ihre Befürchtung, dass ihr kein Glaube geschenkt würde, abgelegt.

Bei einem persönlichen Beratungsgespräch habe die Antragstellerin ihrerseits einen Chatverlauf auf ihrem Smartphone vorgelegt, wonach sie unmittelbar nach dem Vorfall einem Freund davon erzählt habe, gerade von ihrem Chef belästigt worden zu sein.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 16. April 2018 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Es entspreche nicht der Wahrheit, dass die Antragstellerin infolge der von ihr belastenden Situation am Arbeitsplatz erkrankt sei und außer Stande gewesen sei, unter den gegebenen Bedingungen an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Tatsächlich habe sie dem Antragsgegner auf WhatsApp am 5. September 2017 geschrieben, dass sie an diesem Tag beim Arzt gewesen wäre und eine Entzündung hätte. Weiters hätte sie gar nicht so früh schon wieder arbeiten dürfen nach einer Operation und der Arzt hätte sie deswegen krankgeschrieben. Die Antragstellerin habe diese Nachricht mit „LG A" beendet. Es sei lebensfremd, dass die Antragstellerin kurz nach dem behaupteten sexuellen Übergriff durch den Antragsgegner, die mit ihm geführte Konversation mit „LG A", was Liebe Grüße bedeute, beende und zu keinem Zeitpunkt in der Kommunikation mit dem Antraggegner diesen Vorfall erwähne. Noch merkwürdiger sei das Verhalten der Antragstellerin auf der Geburtstagsfeier des Antraggegners am 21. August 2017 gewesen, auf der sie ausgelassen gefeiert habe, wenn es den sexuellen Übergriff des Antraggegners am 16. August 2017 tatsächlich gegeben hätte. Es sei geradezu als lebensfremd zu bezeichnen, dass die Antragstellerin, welche behaupte, so unter den Folgen des Vorfalles vom 16. August 2017 gelitten zu haben, dass sie sogar erkrankt wäre, nur 4 Tage nach dem Übergriff im Stande wäre, den Antragsgegner auf seiner Geburtstagsfeier zu umarmen und mit ihm zu feiern.

Tatsache sei, dass der Antragstellerin aufgrund ihres Fehlverhaltens die Kündigung gedroht habe und sie nun durch haltlose Vorwürfe gegenüber dem Antragsgegner versuche, ihre Kündigung zu rechtfertigen und den Ruf des Antragsgegners zu schädigen. Die Glaubwürdigkeit der Bestreitung der Vorwürfe durch den Antragsgegner ergebe sich schon alleine aus dem Chatverlauf vom 19. September 2017, in dem er der Antragstellerin schreibt, dass ihn interessieren würde was die Antragstellerin mit „dem Vorfall vom 16. August 2017“ meine. Allein aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergebe sich, dass kein Täter sein Opfer mit einer solchen Frage konfrontieren würde. Auch hätte ein tatsächliches Opfer auf eine solche Frage mit dem Vorwurf der behaupteten Tat geantwortet und nicht wie die Antragstellerin, eine solche Frage einfach ignoriert. Zusammenfassend reiche das widersprüchliche Verhalten der Antragstellerin zu den erhobenen Vorwürfen nicht einmal aus, um die behauptete Tat des Antraggegners glaubhaft zu machen.

Aus all diesen Gründen werde die Abweisung der gestellten Anträge begehrt.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und des Antragsgegners vom 10. Dezember 2019. Als weitere Auskunftsperson wurde C am 10. Dezember 2019 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf den Whatsapp-Chat zwischen der Antragstellerin und B, den Whatsapp-Chat zwischen der Antragstellerin und ihrem Bekannten vom 17. August 2017, den Whatsapp-Chat zwischen der Antragstellerin und C sowie die Fotografien von der Geburtstagsfeier von B.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person

1.   vom/von der Arbeitgeber/in selbst sexuell belästigt wird,

2.   durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen,

3.   durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird oder

4.   durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses (§ 4) belästigt wird.

(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

1.   eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder

2.   der Umstand, dass die betroffene Person ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder von Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung oder Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei vom Inhaber von X verbal und körperlich sexuell belästigt worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin arbeitete ca. sechs Jahre lang immer wieder in den Bars des Antragsgegners. Mit dem Antragsgegner hatte die Antragstellerin ein gutes zwischenmenschliches Verhältnis und auch die Zusammenarbeit funktionierte weitestgehend reibungslos bis sich folgendes ereignete:

In der Nacht vom 16. auf 17. August 2017 wollte die Antragstellerin nach Schließung der Bar, in der sie an diesem Tag gearbeitet hatte, mit dem Antragsgegner noch etwas besprechen. Deswegen ging sie in dessen zweite Bar, in der er in der besagten Nacht arbeitete.

Dort kam es, nachdem alle Gäste das Lokal verlassen hatten, zu einem Vorfall, bei dem der Antragsgegner sexuelle Anspielungen gegenüber der Antragstellerin machte und versuchte, sie zu küssen. Weiters schob er ihr T-Shirt hinauf und versuchte, ihren BH zu öffnen. Als die Antragstellerin gehen wollte, drückte der Antragsgegner sie gegen ihren Willen gegen die Wand und versuchte abermals sie zu küssen, wobei er die Antragstellerin auch im Genitalbereich berührte. Der Antragstellerin gelang es jedoch, sich loszureißen und sie verließ das Lokal so schnell wie möglich über den Hinterausgang.

Noch am 17. August 2017, somit kurz nach diesem Vorfall, teilte die Antragstellerin einem Bekannten via Whatsapp mit, was sie zuvor erlebt hatte, indem sie schrieb „Heey […] da Chef is bissl aufdringlich worden […] und „Zu aufdringlich es is eigl scho fast zu weit gonga i hab abhaun können weil ah Nein is ned akzeptiert worden…[…].

Die Antragstellerin wollte vergessen was passiert war und arbeitete nach dem Vorfall weiter für den Antragsgegner. Nachdem sie die Vorkommnisse stark belasteten, trank sie immer wieder viel Alkohol, um mit der Situation umgehen zu können. Sie nahm auch am 21. August 2017 kurz an der Geburtstagsfeier des Antragsgegners teil, wobei sie zusammen mit den anderen KellnerInnen ein Geschenk für den Antragsgegner organisiert hatte.

Die Mutter der Antragstellerin, C, bemerkte aber, dass mit ihrer Tochter etwas nicht stimmte, weshalb die Antragstellerin einige Tage nach den sexuellen Übergriffen des Antragsgegners auch ihrer Mutter erzählte was passiert war. Da keine Zeugen anwesend waren als der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin aufdringlich wurde, befürchtete die Antragstellerin jedoch, dass ihr niemand glauben werde. Daher erteilte ihre Mutter der Antragstellerin via Whatsapp folgenden Rat: „I tat so: Wir wurden beobachtet dass Du mich sexuell Belästigt hast. Es gibt Zeugen! Werde Anzeige machen…“ Darauf antwortete die Antragstellerin mit „Mama es war ja alles zu und dunkel!“.

Die Antragstellerin wusste nicht, wie sie weiter mit der bedrückenden Situation umgehen solle, weshalb sie sich zunächst krankmeldete. Letztendlich schickte sie dem Antragsgegner aufgrund der für sie zunehmend belastenden Situation mittels eingeschriebenen Briefes Mitte September 2017 die Kündigung. Als Kündigungsgrund gab die Antragstellerin den Vorfall vom 16. August 2017 an. Den Erhalt des Kündigungsschreibens bestätigte der Antragsgegner der Antragstellerin am 19. September 2017 über Whatsapp.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch den/die ArbeitgeberIn gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 GlBG vor.

Im Arbeitsrecht ist der Begriff „Arbeitgeber/in“ (AG) kaum definiert, auch nicht im GlBG. Durch die Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis ist hier der arbeitsvertragliche AG-Begriff zu Grunde zu legen. Demnach ist als AG jede Person anzusehen, die im Rahmen des Arbeitsvertrags über die Arbeitskraft einer anderen Person verfügt.4

Aufgrund dieser Ausführungen ist der Antragsgegner auf jeden Fall vom Arbeitgeber-Begriff umfasst, da er als Betreiber der Bars über die Arbeitskraft der Antragstellerin verfügte.

Vorausgesetzt wird bei der sexuellen Belästigung gemäß § 6 Abs. 2 ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten. Darunter sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise aufgedrängte Küsse, erzwungene Umarmungen und „Begrapschen“.5

Somit sind auch die sexuellen Anspielungen, das versuchte Küssen und ungewollte Berühren der Antragstellerin durch den Antragsgegner als ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten anzusehen.

Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs. 2 sprechen zu können, muss des Weiteren auch die Würde einer Person durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten beeinträchtigt bzw. deren Beeinträchtigung bezweckt werden. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.6

Objektiv betrachtet hat das Verhalten des Antragsgegners jedenfalls die Würde der Antragstellerin beeinträchtigt, da ein Arbeitgeber nicht davon ausgehen kann, dass es in Ordnung ist, gegenüber den ArbeitnehmerInnen sexuelle Anspielungen zu machen bzw. diesen sogar körperlich zu nahe zu treten oder sie anzufassen. Ganz klar ist hier auch das subjektive Kriterium erfüllt. Die Antragstellerin hat sich gegen die Annäherungsversuche des Antragsgegners gewehrt und sich auch von ihm losgerissen, da das Verhalten des Antragsgegners für sie unerwünscht, unangebracht und anstößig war.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.7

Auch diese Voraussetzung der sexuellen Belästigung liegt im gegebenen Fall vor, da die Antragstellerin nur schwer mit der Situation umgehen konnte und es mied, den Antragsgegner gegenübertreten zu müssen. Deshalb nahm sie auch nur kurz an der Geburtstagsfeier des Antragsgegners teil. Auch der Umstand, dass die Antragstellerin den Vorfall nur mit dem Konsum von Alkohol aushielt und sie sich in weiterer Folge sogar krankmeldete und letztendlich kündigte, zeigt, dass es ihr nicht mehr möglich war, an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Dies, obwohl sie versucht hatte, die Geschehnisse zu vergessen und in der Bar des Antragsgegners weiterzuarbeiten.

Die Antragstellerin konnte den Senat vor allem von ihrer Glaubwürdigkeit überzeugen, da sie bei ihrer persönlichen Befragung besonders betroffen und nachvollziehbar die Vorwürfe des Antrages wiederholte. Sie betonte wie gut die Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner bis zu diesem Zeitpunkt über mehrere Jahre funktioniert hatte, und dass die sexuelle Belästigung einen Wendepunkt für sie darstellte. Zu keinem Zeitpunkt verwickelte sie sich in Widersprüche und beim Senat kamen auch keine Zweifel bezüglich des von der Antragstellerin dargelegten Geschehnisablaufes auf. Sogar in ihrem Kündigungsschreiben an den Antragsgegner führte sie den „Vorfall vom 16. August 2017“ an. Zudem ließ auch die Whatsapp-Korrespondenz der Antragstellerin mit einem Bekannten unmittelbar nach dem Vorfall darauf schließen, dass der von der Antragstellerin geschilderten Version Glauben zu schenken ist.

Die Gegenargumente des Antragsgegners waren jedoch nicht glaubwürdig und plausibel. Einerseits wurde vorgebracht, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner die sexuelle Belästigung nur unterstellen wollte, was aus dem Chat mit C hervorgehe. Dies konnte aber in jedem Fall durch die persönliche Aussage der Auskunftsperson C widerlegt werden, die in nachvollziehbarer Weise erklärte, dass sie ihrer Tochter nur helfen wollte und ihr den nur gut gemeinten Rat gab, zu behaupten, dass es Zeugen gegeben habe. Auch die bei der persönlichen Befragung des Antragsgegners erneut dargelegte angebliche Unzuverlässigkeit der Antragstellerin und eine geplante Kündigung vermochten das Vorbringen der Antragstellerin nicht zu entkräften. Denn auch nach einer Kündigung durch den Antragsgegner hätte die Antragstellerin noch immer Vorwürfe gegen den Antragsgegner erheben können. Dass die Ehefrau des Antragsgegners von Zeit zu Zeit in der Bar gewesen sei und die Antragstellerin diese kenne, schließt auch auf keinen Fall aus, dass der Vorfall stattgefunden hat. Bezüglich der Geburtstagsfeier des Antragsgegners war die Schilderung der Antragstellerin durchaus nachvollziehbar, dass sie gemeinsam mit den anderen KellnerInnen das Geschenk für den Antragsgegner besorgt hatte, wobei sie mit der Form des Kuchens nichts zu tun hatte und nur kurz an der Feier teilnahm, um den Schein der guten Zusammenarbeit zu wahren. Des Weiteren erklärte der Antragsgegner bei seiner Befragung durch den Senat nur, dass es aufgrund der Uhrzeit gar nicht möglich sei, dass der Vorfall an diesem Tag stattgefunden habe und beteuerte nie, dass er auf keinen Fall ein derartiges Verhalten setzen würde.

Zusammengefasst geht der Senat somit davon aus, dass die sexuelle Belästigung genauso stattgefunden hat wie von der Antragstellerin geschildert. Der Antragsgegner hat durch die sexuellen Anspielungen und die Versuche, sich körperlich der Antragstellerin anzunähern, ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt, das die Antragstellerin in ihrer Würde beeinträchtigte und für sie eine einschüchternde und demütigende Arbeitsumwelt schuf.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist, zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 10. Dezember 2019

Mag.a Stefanie Mandl, MA

Stv. Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 7 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 20 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 12 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 28 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten