Gbk 2020/2/25 GBK I/819/18

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Veröffentlicht am 25.02.2020
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Sexuelle Belästigung durch Dritten

Text

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 25. Februar 2020 über den am 23. April 2018 eingelangten Antrag der Gleichbehandlungsanwaltschaft Regionalbüro … (R-GAW) für A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) durch B (Antragsgegner) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/819/18, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG durch B diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag, mit dem die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Berufsberatung, Berufsausbildung, beruflichen Weiterbildung und Umschulung außerhalb eines Arbeitsverhältnisses durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemäß §§ 4 Z 1 iVm 6 Abs. 1 Z 4 GlBG beantragt wurde, konkretisiert im Zuge der Sitzung vom 25. Februar 2020 auf Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG, wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Die Antragstellerin sei seit 4. April 2016 im Rahmen eines Lehrverhältnisses für die Ausbildung zur Gastronomiefachfrau bei der X GmbH beschäftigt. Die Arbeit gefalle ihr grundsätzlich sehr gut.

Leider komme es seit Sommer 2017 immer wieder zu für die Antragstellerin sehr unangenehmen Vorfällen. Bei einer Feier mit Arbeitskolleglnnen im „…" … sei der Antragsgegner neben der Antragstellerin gesessen und habe ihr wiederholt aufs Knie gegriffen und ihr darüber gestreichelt. Die Antragstellerin sei etwas weiter weggerutscht, um diesem für sie unangenehmen Verhalten zu entgehen.

Als die Antragstellerin im August 2017 im Service eingesetzt gewesen sei, habe sie des Öfteren Zitronen aus dem Kühlhaus holen müssen, wobei der Antragsgegner ihr gefolgt sei, ihr aufs Gesäß geklopft habe, sie an den Hüften und am Rücken berührt habe und versucht habe, ihr Kleid hochzuziehen. Die Antragstellerin habe ihm mitgeteilt, dass sie dies nicht wolle.

Danach sei die Antragstellerin von 30. Oktober bis 22. Dezember 2017 in der Berufsschule gewesen. Wieder zurück in der X GmbH sei es, nachdem der Antragsgegner aus dem Urlaub zurückgekehrt gewesen sei, zu weiteren Vorfällen gekommen. Der Antragsgegner habe versucht die Antragstellerin wiederholt zu küssen und zu berühren. Er habe sich, während die Antragstellerin etwas schneiden habe müssen, so knapp hinter sie gestellt, dass sie seinen Penis an ihrem Gesäß habe reiben spüren. Die Antragstellerin habe sich umgedreht und gesagt, er solle damit aufhören.

Des Weiteren habe der Antragsgegner die Antragstellerin immer wieder ins Tageskühlhaus und ins Gemüsekühlhaus geschickt, wobei er ihr nachgegangen sei und sie umarmt habe. Er habe versucht ihre Hand zu nehmen und über seine Hose auf seinen Penis zu legen. Die Antragstellerin habe versucht sich zu befreien und das Kühlhaus verlassen wollen. Der Antragsgegner habe jedoch die Türe geschlossen und sich an sie gedrängt, den Arm um ihre Mitte gelegt und sei mit seinem Mund ganz nahe an den Hals der Antragstellerin gekommen. Die Antragstellerin habe ihn wegtauchen können und schließlich den Raum verlassen können.

Als die Antragstellerin an einem Tag zum Paprika schneiden eingeteilt gewesen sei, habe der Antragsgegner gewartet bis alle anderen Kolleglnnen weg gewesen seien und sie am Rücken berührt, ihr über den Körper gestrichen, sich hinter sie gestellt und seinen Penis an ihr gerieben. Die Antragstellerin habe sich umgedreht, gesagt, er solle das sofort lassen und, dass sie jetzt nach Hause gehen werde. Daraufhin habe der Antragsgegner aufgehört und die Antragstellerin sei gegangen.

Einmal habe die Antragstellerin keinen Wagen gefunden. Der Antragsgegner habe sie hinunter zur Putzkammer begleitet, wo einer gestanden sei. Dann habe er gemeint, noch etwas aus der Kammer holen zu müssen, wobei er die Antragstellerin um Hilfe gebeten habe. Plötzlich habe er das Licht abgedreht, die Antragstellerin zu sich gezogen, die obersten Knöpfe ihrer Kochjacke geöffnet, wobei er mit seinem Gesicht ganz nahe zu ihrem Hals gekommen sei und die Antragstellerin habe küssen wollen. Die Antragstellerin habe sich gewehrt und habe den Raum verlassen. Kurz danach sei jemand die Treppe hinuntergekommen, woraufhin der Antragsgegner zu den Kabinen gelaufen sei.

Der Antragsgegner habe die Antragstellerin oft gefragt: „Was machen wir heute?" Er habe sie auch gefragt, wie der Sex mit ihrem Freund wäre und habe gemeint, er wäre sicher besser beim Sex als ihr Freund. Er habe ihr erklärt, dass sie nach dem Sex mit ihm, nicht mehr würde stehen können. Darüber hinaus habe er der Antragstellerin angeboten, sie nach Hause zu fahren und gefragt, ob sie sich privat treffen könnten. Die Antragstellerin habe diese Fragen ignoriert. Einmal habe er bei ihrer Wohnung Sturm geläutet. Die Antragstellerin habe ihm jedoch nicht geöffnet.

Am 10. Februar 2018 habe er die Antragstellerin ins Kühlhaus geschickt und versucht, sie wieder zu küssen und zu umarmen. Er habe sie auch aufgefordert, über seine Hose auf seinen Penis zu greifen und habe sie wiederholt gebeten: „Bitte lass es zu!“

Am folgenden Tag sei die Antragstellerin wieder an ihrem Posten eingeteilt gewesen. Kurz vor 14:00 Uhr habe der Antragsgegner die Antragstellerin ins Gitterlager geschickt und sei ihr dorthin gefolgt. Als er die Antragstellerin habe berühren wollte, sei ein Arbeitskollege gekommen, um etwas vom Servicelager zu holen. Daraufhin habe er erklärt, die Antragstellerin müsste mit ihm in das Bio-Lager gehen, um Nüsse von dort zu holen. Als die Antragstellerin nach den Nüssen gesucht habe. habe er die Türe von innen abgeschlossen und sich die Schürze ausgezogen. Er habe das Licht abgedreht, die Antragstellerin umarmt und versucht, ihre Hand über seine Hose auf seinen Penis zu legen. Dann habe die Antragstellerin gehört wie er den Gürtel und den Reißverschluss seiner Hose geöffnet habe. Die Antragstellerin habe das Licht aufgedreht, erklärt, all das nicht zu wollen und gesagt, er solle aufhören. Der Antragsgegner habe sich schließlich wieder vollständig angezogen und die Antragstellerin habe endlich gehen können.

Die Antragstellerin habe das Verhalten vom Antragsgegner als zutiefst demütigend und herabsetzend empfunden. Sie habe sich in erheblichem Ausmaß in ihrer Würde als Frau beeinträchtigt gefühlt. Die Antragstellerin habe gegenüber dem Antragsgegner die Unerwünschtheit seines Verhaltens, mit welchem für sie eine sehr einschüchternde und demütigende Arbeitsumwelt geschaffen worden sei, wiederholt unmissverständlich erklärt. Dennoch habe der Antragsgegner sein Verhalten ungehindert dessen über einen Zeitraum von sechs Monaten fortgesetzt.

Am 5. März 2018 habe sich die Antragstellerin gemeinsam mit ihrer Erziehungsberechtigten C zur Beratung und Unterstützung an die Gleichbehandlungsanwaltschaft, Regionalbüro …, gewandt. Nach einem ausführlichen Beratungsgespräch, bei dem auch D als zuständiger Sozialarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe des Magistrat … einbezogen gewesen wäre, habe die Gleichbehandlungsanwältin für … ein Schreiben an den Antragsgegner, in dem die Vorfälle geschildert worden wären, gerichtet. Darüber hinaus sei das Ersuchen um Stellungnahme zum vorgebrachten Sachverhalt sowie um Mitteilung, ob Bereitschaft für eine ernsthafte Entschuldigung sowie zur Leistung eines angemessenen Schadenersatzbetrages an die Antragstellerin bestehe, ergangen.

In der Stellungnahme des Rechtsanwaltes des Antragsgegners vom 21. März 2018 sei im Wesentlichen festgehalten worden, dass der Antragsgegner kein Verhalten gesetzt habe, welches als sexuelle Belästigung iSd GIBG zu qualifizieren sei.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung des Antragsgegners übermittelten Stellungnahme vom 25. Mai 2018 bestritt dieser die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Vorweg dürfe darauf verwiesen werden, dass der Antragsgegner vollkommen unbescholten sei. Weder in seinem beruflichen noch in seinem privaten Leben und Umfeld habe er sich irgendwelche Verfehlungen zu Schulde kommen lassen und seien auch noch niemals irgendwelche Anschuldigungen in der gegenständlichen Art gegen ihn erhoben worden. Er weise einen untadeligen Lebenswandel auf.

In diesem Zusammenhang dürfe auf die Stellungnahme von E, Inhaberin des „…", vom 18. März 2018 verwiesen werden. Der Antragsgegner sei sowohl in Küche als auch im Service tätig gewesen und habe sich durch Freundlichkeit und Pünktlichkeit ausgezeichnet. Sowohl zu männlichen als auch weiblichen Kollegen habe der Antragsgegner immer ein gutes und korrektes Verhältnis gehabt.

Prinzipiell sei darauf hinzuweisen, dass es für den Antragsgegner äußerst schwierig sei zu beweisen, dass irgendwelche vorgeworfenen Handlungen nicht geschehen seien. In diesem Zusammenhang werde nochmals ausgeführt, dass mit Sicherheit erhöhte Erfordernisse an die Intensität der Glaubhaftmachung, die durch die angeblich betroffene Person zu erfolgen hätten, gestellt werden müssten.

Wie aus dem Protokoll über ein Gespräch mit F hervorgehe, habe es mit der Antragstellerin mehrfach schwierige Situationen in der Zeit, in der sie im Service beschäftigt gewesen sei, gegeben. Der Küchenchef (G) habe nach Bekanntwerden der Anschuldigungen mit verschiedenen Mitarbeiterinnen (auch solchen, die nicht mehr im Betrieb der X GmbH beschäftigt gewesen wären und sohin keinerlei Repressalien — von welcher Seite auch immer — zu befürchten gehabt hätten) gesprochen. Zu keiner Zeit seien irgendwelche Beschwerden gegen das Verhalten des Antragsgegners erhoben worden.

Der Antragsgegner habe (weder im beruflichen noch im privaten Rahmen) jemals Handlungen gesetzt, die unkorrekt oder übergriffig gegenüber der Antragstellerin gewesen wären.

Auf den Inhalt der Stellungnahme an die Gleichbehandlungsanwaltschaft Österreich, Regionalbüro …, vom 21. März 2018 dürfe verwiesen werden. Die Vorlage weiterer schriftlicher Beweismittel bleibe vorbehalten.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen (inklusive Beilagen) der Antragstellerin und des Antragsgegners sowie die mündliche Befragung der Antragstellerin und des Antragsgegners vom 25. Februar 2020. Als weitere Auskunftspersonen wurden H, C, I, J und K am 25. Februar 2020 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf das Protokoll von F vom 16. März 2018.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 1. (1) Die Bestimmungen des I. Teiles gelten für den Bereich der Arbeitswelt, dazu zählen

1.   Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen;“

㤠6. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person

[…]

3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird […]

(2) Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und

1.   eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt […]“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne des § 6 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen.3 Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei vom Antragsgegner verbal und körperlich sexuell belästigt worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin begann am 4. April 2016 ihre Ausbildung zur Gastronomiefachfrau als Lehrling bei der X GmbH.

Im Sommer 2017 ereignete sich ein Vorfall, bei dem der bei der X GmbH in der Küche tätige Antragsgegner versuchte, sich der Antragstellerin körperlich anzunähern. Er legte bei einer Mitarbeiterfeier seine Hand auf ihr Knie, woraufhin die Antragstellerin von ihm wegrutschte.

Diesem Vorfall folgten weitere Annäherungsversuche des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin. Als die Antragstellerin im Sommer 2017 noch als Lehrling im Servicebereich eingeteilt war, ging der Antragsgegner der Antragstellerin zum Beispiel immer wieder ins Kühlhaus nach und schob dann ihr Kleid hoch. Die Antragstellerin erklärte dem Antragsgegner, dass er das bitte bleiben lassen solle.

Daraufhin besuchte die Antragstellerin die Berufsschule. Nach ihrer Zeit in der Berufsschule wechselte sie als Lehrling vom Service- in den Küchenbereich. Dort musste sie auch direkt mit dem Antragsgegner zusammenarbeiten, denn sie war des Öfteren am Posten des Antragsgegners zum Arbeiten eingeteilt. Dabei hat er sich mehrmals so nah hinter die Antragstellerin gestellt, dass sein Penis an ihr rieb. Wiederum erklärte die Antragstellerin dem Antragsgegner, dass er das nicht mehr machen solle. Er hat es jedoch immer wieder versucht und ist der Antragstellerin auch immer wieder ins Kühlhaus nachgegangen. Einmal hat er sogar die Türe des Kühlhauses geschlossen und versucht die Antragstellerin zu küssen. Die Antragstellerin hat wieder darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner das bleiben lassen solle. Er sagte, sie solle es zulassen. Dies sagte er immer wieder zur Antragstellerin.

Ein weiterer Vorfall ereignete sich als die Antragstellerin keinen Wagen fand und der Antragsgegner ihr erklärte, dass bei den Kühlhäusern einer wäre. Sie ging nach unten zu den Kühlhäusern, wohin der Antragsgegner ihr folgte. Er meinte, noch etwas aus der Putzkammer holen zu müssen und forderte die Antragstellerin auf mitzukommen. Diese wollte dem Antragsgegner helfen und begleitete ihn. Plötzlich begann der Antragsgegner ihre Kochjacke zu öffnen und kam der Antragstellerin sehr nahe. Das war für die Antragstellerin sehr unangenehm und sie fühlte sich stark belästigt, insbesondere, weil sie ihn schon mehrmals aufgefordert hatte, ein derartiges Verhalten zu unterlassen.

Immer wieder fragte der Antragsgegner die Antragstellerin während der Arbeit auch: „Was machen wir heute?“ Einmal stellte er ihr sogar die Frage, wie denn der Sex mit ihrem Freund sei. Dies hörte auch der Arbeitskollege J.

Ein anderes Mal suchte die Antragstellerin in einem Lager nach Nüssen, der Antragsgegner erklärte ihr, die seien woanders. Sie suchte dann in einem anderen Raum weiter. Der Antragsgegner ging ihr auch in diesen Raum nach, sperrte die Tür zu und machte seine Hose auf und zog die Hand der Antragstellerin in Richtung der geöffneten Hose. Die Antragstellerin spürte seine Hose, erklärte dem Antragsgegner abermals er solle das lassen und drückte sich weg von ihm. Sie hat ihn aufgefordert, sie rauszulassen, als sie plötzlich hörte, dass ein Kollege vorbeiging. Der Antragsgegner forderte die Antragstellerin auf, leise zu sein. Es war finster in der Kammer, die Antragstellerin drehte, als der vorbeigehende Kollege weg war, das Licht auf und bat den Antragsgegner, dass er das nicht machen solle, woraufhin er die Türe aufsperrte. Nach diesem Vorfall quälte das vom Antragsgegner zuvor gesetzte Verhalten die Antragstellerin immer mehr. Derartige Vorfälle fanden meistens statt, wenn die KollegInnen früher nach Hause gegangen waren.

Weiters läutete der Antragsgegner einmal bei der Privatwohnung der Antragstellerin Sturm, wobei die Antragstellerin den Antragsgegner durch den Türschlitz erkennen konnte, kontaktierte sie immer wieder über den Instant-Messaging-Dienst Snapchat und borgte sich auch immer wieder unter dem Vorwand, jemanden anrufen zu müssen, ihr Handy aus. Danach waren auf dem Handy der Antragstellerin keine getätigten Anrufe ersichtlich, sondern nur der Fotoordner geöffnet.

Nach den sich häufenden Vorfällen erzählte die Antragstellerin ihrem Arbeitskollegen J im Februar 2018 vom Verhalten des Antragsgegners gegenüber der Antragstellerin. Gemeinsam mit J ging die Antragstellerin dann auch zur Direktorin der X GmbH, K, um ihr von den Vorfällen mit dem Antragsgegner zu erzählen. Vor dem Gespräch mit der Direktorin und nachdem sie J davon erzählt hatte, informierte die Antragstellerin auch ihre zum damaligen Zeitpunkt gesetzliche Vertreterin, C, darüber wie sich der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin verhalten hatte.

Nach dem Gespräch mit der Direktorin, stellte die Arbeitgeberin die Antragstellerin von der Arbeit frei. Danach wurde die Antragstellerin in der Bar der X GmbH eingesetzt, damit sie nicht mehr direkt mit dem Antragsgegner zusammenarbeiten musste. Letztendlich wurde aufgrund der stark belastenden Situation für die Antragstellerin der Lehrvertrag gelöst und sie setzte ihre Lehre in einem anderen Betrieb fort.

Der Antragsgegner ist nach wie vor bei der X GmbH beschäftigt und wurde mittlerweile zum stellvertretenden Küchenchef befördert.

Zum Zeitpunkt der Vorfälle war die Antragstellerin minderjährig, mittlerweile ist sie volljährig.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine sexuelle Belästigung durch Dritte gemäß § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG vor

§ 1 Abs. 1 Z 1 erfasst „Arbeitsverhältnisse aller Art, die auf privatrechtlichem Vertrag beruhen“. Mit dem Arbeitsverhältnis wird ein Dauerschuldverhältnis bezeichnet, das durch die persönliche Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen von den ArbeitgeberInnen gekennzeichnet ist. Es kommt nur auf das Arbeitsverhältnis an sich an, nicht jedoch auf dessen Ausgestaltung. Daher unterliegen auch Lehrlinge dem GlBG und sind von § 1 Abs. 1 Z 1 GlBG erfasst.4

Auch das von der Antragstellerin mit der X GmbH eingegangene Lehrverhältnis ist somit als Arbeitsverhältnis iSd § 1 Abs. 1 Z 1 GlBG zu werten.

Dritte im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG können Personen sein, die vom/von der Arbeitgeber/in und der belästigten Person verschieden sind. Dazu zählen zum Beispiel Arbeitskolleg/inn/en der belästigten Person, Vorgesetzte, Geschäftspartner/innen und Kund/inn/en des/der Arbeitgeber/in.5

Da auch der Antragsgegner eine von der X GmbH und der Antragstellerin verschiedene Person ist, die ebenfalls bei der X GmbH beschäftigt war bzw. noch immer ist, ist er Dritter iSd § 6 Abs. 1 Z 3 GlBG.

Vorausgesetzt wird bei der sexuellen Belästigung gemäß § 6 Abs. 2 ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten. Darunter sind nach den Erläuterungen zum GlBG „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen, so beispielsweise aufgedrängte Küsse, erzwungene Umarmungen und „Begrapschen“.6

Wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, hat der Antragsteller die Antragstellerin mehrmals an ihrem Körper berührt bzw. dies versucht und sie zum Beispiel auch auf das Sexualleben mit ihrem Partner angesprochen. Dadurch ist auf jeden Fall der Begriff des der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhaltens erfüllt.

Um von einer sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs. 2 sprechen zu können, muss des Weiteren auch die Würde einer Person durch ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten beeinträchtigt bzw. deren Beeinträchtigung bezweckt werden. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt wird, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen. Hinzu kommt das subjektive Kriterium, dass für die betroffene Person dieses Verhalten ein unerwünschtes, unangebrachtes oder anstößiges darstellt. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Haftung des/der unmittelbaren Belästigers/Belästigerin grundsätzlich verschuldensunabhängig ist. Subjektive Elemente auf Seite des Belästigers/der Belästigerin bleiben daher außer Betracht. Es ist demnach unerheblich, ob er/sie die Absicht hatte, zu belästigen.7

Was das ablehnende Verhalten der betroffenen Person betrifft, so dürfen an dieses keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Demnach ist ein Verhalten nicht erst dann abgelehnt und somit unerwünscht, wenn sich die betroffene Person lautstark zur Wehr setzt. Möglich ist es auch, dass die Ablehnung eines konkreten Verhaltens schlüssig erfolgt.8

Objektiv betrachtet war das Verhalten des Antragsgegners jedenfalls geeignet, die Würde der Antragstellerin zu beeinträchtigen, da ein Mitarbeiter bzw. Vorgesetzter nicht davon ausgehen kann, dass es in Ordnung ist, gegenüber Lehrlingen, die aufgrund ihres jungen Alters besonders schutzbedürftig sind, sexuelle Anspielungen zu machen bzw. diesen sogar körperlich zu nahe zu treten oder sie anzufassen. Ganz klar ist hier auch das subjektive Kriterium erfüllt. Die Antragstellerin hat sich gegen die Annäherungsversuche des Antragsgegners gewehrt und ihm immer wieder gesagt, dass er damit aufhören solle, da das Verhalten des Antragsgegners für sie unerwünscht, unangebracht und anstößig war.

Das Verhalten muss weiters eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schaffen oder dies bezwecken. Die „Arbeitsumwelt“ wird häufig erst durch mehrere Belästigungshandlungen im beschriebenen Sinn beeinflusst und verändert. Allerdings kann auch schon eine einzelne Belästigungshandlung derart schwerwiegend und in ihren Auswirkungen nachhaltig sein, dass damit für die betroffene Person ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Umfeld geschaffen wird.9

Wie festgestellt, war es der Antragstellerin nach den Vorfällen nicht mehr möglich ihr Lehrverhältnis bei der X GmbH fortzusetzen, da sie sich nach den Vorfällen dort nicht mehr wohl fühlte und letztendlich auch den Betrieb wechselte. Ihre Reaktion ist auch objektiv betrachtet nachvollziehbar. Somit ist auch diese Voraussetzung der sexuellen Belästigung erfüllt.

Die Antragstellerin wiederholte im mündlichen Vorbringen in für den Senat nachvollziehbarer Weise die erhobenen Vorwürfe gegen den Antragsgegner ohne Widerspruch zu den Angaben im Antrag und konnte somit den Vorwurf der sexuellen Belästigung glaubhaft machen. Selbst nach dem längeren Zeitraum, der seit den Vorfällen vergangen war, war für den Senat noch immer spürbar, dass die Übergriffe des Antragsgegners eine starke Belastung für die Antragstellerin darstellten. So konnte sie auch in überzeugender Weise darstellen, wie gerne sie bei der X GmbH gearbeitet hat und bei einer Entschuldigung des Antragsgegners sogar dort weitergearbeitet hätte. Es kostete sie große Überwindung ihrem Kollegen, der Auskunftsperson J, und ihrer zum damaligen Zeitpunkt gesetzlichen Vertreterin, C, von den Geschehnissen zu erzählen. Wie belastend die Situation mit dem Antragsgegner für sie war zeigt sich auch daran, dass sie sich bei der GAW Hilfe holte.

Der Antragsgegner jedoch vermochte den Senat nicht von seiner Glaubwürdigkeit zu überzeugen. Er stritt alle Vorfälle ab und sein Hauptargument, dass die Antragstellerin diese Vorwürfe insbesondere erhoben hätte, weil er ihr Arbeitsaufträge erteilt hätte und sie sich von niemanden etwas habe sagen lassen wollen und ihn habe loswerden wollen, stellte sich für den Senat als reine Schutzbehauptung dar. Denn, dass jemand aus diesem Grund derartig schwere Anschuldigungen erhebt, erschien dem Senat nicht gerade plausibel. Auch die Aussage, dass er sich im Leben immer total korrekt verhalte, sogar wenn er betrunken sei, bzw., dass er die Antragstellerin nie etwas Privates gefragt habe, ließ an der Glaubwürdigkeit des Antragsgegners zweifeln, da sich kaum ein Mensch immer richtig verhält und es seltsam anmutet, dass in der Arbeit nie private Themen angesprochen wurden. Schließlich haben die KollegInnen, wie auch aus den übereinstimmenden Aussagen mehrerer Auskunftspersonen hervorgeht, immer wieder auch außerhalb der Dienstzeit etwas gemeinsam unternommen. Die Antragstellerin hingegen versuchte nichts zu beschönigen, sondern gab auch ganz klar zu, dass sie in ihrer Lehrzeit des Öfteren frech gewesen und es mit ihr als pubertierender Teenager nicht immer so leicht gewesen sei. Dieses Verhalten muss aber unbedingt vom Vorwurf der sexuellen Belästigung getrennt werden. Bezüglich dessen bestand beim Senat nämlich kein Zweifel, dass die von der Antragstellerin geschilderten Vorfälle genauso stattgefunden haben wie von ihr dargelegt. So konnten auch die Auskunftspersonen C und J glaubwürdig darlegen, dass die Antragstellerin zwar immer wieder ein trotziges Verhalten an den Tag legte, aber bezüglich des Vorwurfes der sexuellen Belästigung sehr glaubwürdig erschien. Zudem hatte die Auskunftsperson J auch persönliche Wahrnehmungen zum Vorfall, bei dem der Antragsgegner die Antragstellerin fragte, wie der Sex mit ihrem Freund wäre. Dass er dies selbst gehört hatte, geht auch schon aus dem Protokoll von F vom 16. März 2018 hervor. Die übrigen Auskunftspersonen konnten sich zwar nicht vorstellen, dass der Antragsgegner ein wie von der Antragstellerin geschildertes Verhalten setzen würde, hatten aber dennoch keine persönlichen Wahrnehmungen zu den Ereignissen und konnten ihn daher auch nicht entlasten. Schließlich arbeiten sie auch alle noch bei der X GmbH zusammen und sind sichtlich um ein gutes Arbeitsklima dort bemüht.

Zusammengefasst geht der Senat somit davon aus, dass der Antragsgegner mit seinem Verhalten gegenüber der Antragstellerin – sowohl den körperlichen Annäherungsversuchen als auch den Fragen nach dem Sexualleben der Antragstellerin bzw. ob sie sich auch privat treffen könnten – objektiv ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt hat, das aufgrund der Intensität geeignet war, die Würde der Antragstellerin zu beeinträchtigen, für die Antragstellerin persönlich unerwünscht war und zudem geeignet war, eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt zu schaffen.

Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass seitens des Senates auf eine weitere Ladung von G verzichtet wurde.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es dem Antragsgegner nicht gelungen ist zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm vorgebrachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

VORSCHLAG

Gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz hat der Senat, wenn er der Auffassung ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, dem/der ArbeitgeberIn oder in Fällen in Zusammenhang mit einer sonstigen Diskriminierung in der Arbeitswelt dem/der für die Diskriminierung Verantwortlichen schriftlich einen Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes zu übermitteln und ihn/sie aufzufordern, die Diskriminierung zu beenden. Für die Umsetzung des Vorschlags ist eine Frist von zwei Monaten zu setzen. Wird einem Auftrag nach Abs. 3 nicht entsprochen, kann gemäß § 12 Abs. 4 GBK/GAW-Gesetz jede der im jeweiligen Senat vertretenen Interessensvertretungen beim zuständigen Arbeitsgericht oder Zivilgericht auf Feststellung der Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes klagen.

Da der Senat I der GBK zur Auffassung gelangt ist, dass eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes vorliegt, wird der Antragsgegner, B, gemäß § 12 Abs. 3 GBK/GAW-Gesetz aufgefordert, die Diskriminierung zu beenden, und wird folgender Vorschlag zur Verwirklichung des Gleichbehandlungsgebotes erteilt:

Leistung eines angemessenen Schadenersatzes.

Wien, 25. Februar 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Vgl. OGH 9 ObA 144/14p, Arb 13.203 mit weiteren Nachweisen.

4  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 1 Rz. 4 f (Stand 1.1.2009, rdb.at).

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 9 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 20 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 12 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

8  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 26 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

9  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 6 Rz. 28 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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