TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/21 I405 2234035-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.08.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

21.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z1
AsylG 2005 §13 Abs2 Z3
AsylG 2005 §13 Abs4
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z3
BFA-VG §18 Abs5
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I405 2234035-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria (alias Uganda), vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.06.2020, Zl. 1000020903-170216345, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 06.01.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Er gab am selben Tag in seiner polizeilichen Erstbefragung zu seinen persönlichen Daten an, den im Spruch genannten Namen zu führen und am XXXX in Kampala in Uganda geboren und Staatsangehöriger Uganda zu sein. Als Fluchtgrund brachte er vor, dass er mit 13 Jahren eine Freundin gehabt hätte, deren Vater ihn habe umbringen lassen wollen.

2.       Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der BF bereits am 23.04.2009 in Spanien und am 04.04.2011 in der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) richtete am 14.01.2014 ein Wiederaufnahmeersuchen an Spanien. Mit einem am 28.01.2014 eingelangten Schreiben stimmte Spanien dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung ausdrücklich zu.

3        Die Schweiz antwortete dem BFA auf ein Informationsersuchen, dass der BF dort am 03.04.2011 unter einem anderen Familiennamen und Geburtsdatum sowie der Nationalität Nigeria einen Asylantrag stellte. Spanien habe einem Wiederaufnahmeersuchen zugestimmt und der BF sei untergetaucht.

4.       Mit Bescheid vom 04.03.2014, Zahl: 1000020903/14006416, wurde I. der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Spanien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-Verordnung zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge die Abschiebung des BF nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

5.       Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.04.2014, Zahl: W184 2005246-1, gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen und erwuchs diese Entscheidung mit 30.04.2014 in Rechtskraft.

6.       Nach seiner Überstellung am 23.12.2014 auf dem Luftweg nach Spanien reiste der BF erneut am 01.01.2015 illegal nach Österreich.

7.       Aus der anschließenden Schubhaft wurde er am 27.01.2015 wiederholt aufgrund eines Hungerstreiks als haftunfähig entlassen. In der Folge begab sich der BF unbekannten Aufenthaltes und entzog sich somit fremdenpolizeilicher Maßnahmen.

8.       Am 16.02.2017 wurden er im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle abermals gemäß § 40 BFA-VG festgenommen und am 17.02.2017 einer niederschriftlichen Einvernahme zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vor dem BFA unterzogen, im Rahmen welcher er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Dabei wiederholte er seine Identitätsangaben aus dem ersten Asylverfahren.

9.       Der BF wurde daraufhin am 18.02.2017 einer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen und am 19.05.2017 vor dem BFA niederschriftliche einvernommen. Er wiederholte dabei BF seine personenbezogenen Angaben und führte als Fluchtrund an, dass in seinem Land Krieg herrsche und Leute getötet werden würden. Auf Nachfrage konnte der BF keine Angaben zu Uganda machen.
10.         Daraufhin veranlasste das BFA die Erstellung eines linguistischen Sachverständigengutachtens zur Abklärung der tatsächlichen Herkunft des BF durch XXXX. Die Befundaufnahme fand am 28.08.2017 bei der belangten Behörde statt. Aus dem am 26.01.2020 fertiggestellten Sprachgutachten ergibt sich zusammengefasst, dass der BF mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Nigeria hauptsozialisiert worden sei und keinerlei Hinweise auf die behauptete Hauptsozialisierung oder einen längeren Aufenthalt des BF in Uganda vorliegen würden. Das vom BF gesprochene Englisch sei eindeutig eine nigerianische Varietät des Englischen. Er könne weder irgendeine ugandische Sprache benennen, noch könne er eine Kompetenz in einer solchen Sprache demonstrieren. Auch verfüge er über keinerlei Kenntnisse zu Uganda. Er lasse jedoch einen Erfahrungshintergrund erkennen, wie er im subsaharanischen Afrika, in Westafrika und speziell auch in Nigeria, nicht aber in Uganda gegeben sei.

11.      Mit Verständigung des Landesgerichtes XXXX vom 02.06.2020, Zahl: XXXX, wurde dem BFA mitgeteilt, dass der BF am 02.06.2020 in der Strafsache wegen § 28a Absatz 1 fünfter Fall Suchtmittelgesetz in Untersuchungshaft genommen worden sei.

12.      Mit Verfahrensanordnung vom 03.06.2020 wurde dem BF gemäß § 13 Absatz 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundesgebiet wegen Verhängung der Untersuchungshaft mitgeteilt.

13.      Zur Wahrung des Parteiengehörs wurde der BF am 03.06.2020 schriftlich zum Ergebnis der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, zum Sprachgutachten vom 26.01.2020, dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamtes zum festgestellten Herkunftsland Nigeria vom 20.05.2020 und diversen Fragen hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens schriftlich Stellung zu nehmen. Der BF ließ die Frist ungenützt verstreichen.

14.      Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 16.06.2020, Zl. 1000020903-170216345, wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 13 Absatz 2 Asylgesetz habe er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 02.06.2020 verloren (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht eingeräumt (Spruchpunkt VIII.).

15.      Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 10.07.2020, worin Rechtswidrigkeit des Inhalts sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Hinsichtlich des Sprachgutachtens wurde moniert, dass aus dem Bescheid nicht ersichtlich sei, wen die Behörde zugezogen habe, um das besagte Gutachten zu erstellen. Es sei weder ausgeführt worden, nach welchen Kriterien festgestellt worden sei, dass der BF nicht aus Uganda komme noch nach welchem Maßstab festgestellt werden hätte können, dass der BF aus Nigeria komme. An das besagte Befundgespräch könne sich der BF nicht erinnern und sei auch nicht angeführt worden, wann dieses stattgefunden hätte. Der BF habe zwar ein mangelhaftes Erinnerungsvermögen, was die geographische Lage von Kampala betreffe, er habe jedoch keinerlei Wissen über Nigeria. Wie das Gutachten daher zum Schluss komme, dass der BF mit Sicherheit aus Nigeria stamme, sei nicht eindeutig nachvollziehbar. Auch sei dem BF mangelnde Substantiiertheit nicht vorzuwerfen, da die kognitiven Fähigkeiten des BF höchst eingeschränkt seien und er nicht wissen könne, welcher Grad an Detailliertheit erforderlich sei und wäre daher durch ergänzende Fragestellungen anzuleiten gewesen.

16.      Mit Schriftsatz vom 10.08.2020, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 14.08.2020, legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und spricht nigerianische Varietät des Englischen, welche jedoch weder seine Erst- noch Muttersprache ist. Er kann auch weder irgendeine ugandische Sprache benennen, noch kann er eine Kompetenz in einer solchen Sprache demonstrieren. Des Weiteren verfügt er über keinerlei Kenntnisse zu Uganda. Vielmehr verfügt er über einen subsaharanischen Erfahrungshintergrund, wie er speziell in Nigeria gegeben ist. Einen Erfahrungsgrund, wie er in Uganda gegeben ist, lässt der BF nicht erkennen.

Der BF hat im Zuge seiner Asylantragstellung in der Schweiz einen anderen Namen angeführt und sich als nigerianischer Staatsangehörigen deklariert.

Seine Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit konnten nicht festgestellt werden. Seine Identität steht nicht fest.

Der volljährige BF ist ledig und kinderlos. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.

Er hält sich seit mindestens seit Jänner 2014 (mit kurzer Unterbrechung wegen seines zweiwöchigen Aufenthaltes in Spanien) in Österreich auf.

Der BF verfügt über keine familiären oder sonstigen nennenswerten sozialen Bindungen in Österreich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über qualifizierte Deutschkenntnisse verfügt bzw. eine qualifizierte Deutschprüfung erfolgreich abgelegt hat. Der BF ist in Österreich ohne regelmäßige Beschäftigung und verfügt über keine hinreichenden Mittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes, sondern lebte bislang von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und befindet sich aktuell in Untersuchungshaft.

Über den BF wurde vom Landesgerichtes XXXX am 02.06.2020 wegen des Verdachtes gem. § 28a Absatz 1 fünfter Fall Suchtmittelgesetz Untersuchungshaft verhängt, womit er sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Absatz 2 AsylG ab dem 02.06.2020 ex lege verloren hat.

1.2. Zum Fluchtvorbringen:

Glaubhafte – auf seinen Herkunftsstaat Nigeria bezogene – Fluchtgründe wurden vom BF nicht vorgebracht.

Die Behauptung des BF, er sei aus Uganda geflüchtet, da in seinem Land Krieg herrsche und Leute getötet werden würden, ist dem gegenständlichen Verfahren – wie von der belangten Behörde bereits zutreffend erwogen – aufgrund der Feststellung, dass der BF tatsächlich aus Nigeria stammt, nicht zugrunde zu legen.

Der BF vermochte keine Gründe glaubhaft zu machen, die seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Nigeria entgegenstünden. Der BF wird im Fall seiner Rückkehr nach Nigeria mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der BF in Nigeria aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Solche Umstände wurden vom BF bezogen auf Nigeria auch nicht behauptet.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des BF sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 16.06.2020 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Dem BF wurde durch Parteiengehör vom 03.06.2020 die Möglichkeit geboten, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Nigeria vom 20.05.2020 einzusehen und eine Stellungnahme abzugeben, worauf der BF jedoch verzichtete.

Da die von der belangten Behörde herangezogenen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht eingedenk des vorliegenden Falles und unter Bedachtnahme auf das Beschwerdevorbringen für die erkennende Richterin (auch angesichts der gerichtsbekannten gegenwärtigen Situation in Nigeria) kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen der belangten Behörde zu zweifeln.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF vor dieser und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid, in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand 20.05.2020.

Der BF bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Die belangte Behörde hat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid. Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen.

2.2. Zur Person des BF:

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner derzeitigen privaten und familiären Situation in Österreich gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF vor dem BFA.

In Hinblick auf seine behauptete ugandische Staatszugehörigkeit ist den Ausführungen des BFA im bekämpften Bescheid beizutreten, wonach diese Behauptung durch das vom BFA eingeholte Sprachgutachten vom 26.01.2020 als widerlegt anzusehen ist, und festzustellen war, dass der BF tatsächlich aus Nigeria stammt.

Wie oben unter Pkt. I.4 ausgeführt ergibt sich aus dem Gutachten vom 26.01.2020, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Hauptsozialisation des BF in Nigeria stattgefunden haben muss. Zudem ergibt sich aus dem Gutachten, dass beim BF keine positiven Hinweise auf eine Hauptsozialisierung oder einen längeren Aufenthalt in Uganda vorhanden sind.

Der BF trat diesem Gutachten nicht substantiiert entgegen und konnte auch keine Erklärung dazu präsentieren, die eine Hauptsozialisierung in Nigeria trotz ugandischer Staatsangehörigkeit plausibel erscheinen ließe. Anhaltspunkte dafür, dass der BF tatsächlich aus Uganda stammen könnte, liegen nicht vor. Weder spricht der BF eine in Uganda gängige Sprache noch war er beispielsweise in der Lage, im Rahmen des Befundgesprächs mit dem Gutachter vom 26.01.2020 ugandische Landeskenntnisse hinsichtlich Sprachen, Speisen, prominenter Persönlichkeiten, Banknoten oder der Geografie zu präsentieren. Demgegenüber demonstrierte der BF in der Befundaufnahme vom 26.01.2020 Sprachkenntnisse in einer nigerianischen Varietät des Englischen, wobei diese Sprache nicht seine Erst- oder Muttersprache darstellt (vgl. Gutachten vom 26.01.2020). Der BF bewies auch in seiner Einvernahme vor dem BFA über unzureichende Informationen hinsichtlich seines behaupteten Herkunftsstaates zu verfügen. Beispielsweise konnte er weder generelle Beschreibungen zu seinem Heimatort Kampala geben noch weitere in Uganda liegende Städte nennen (Protokoll vom 19.05.2017).

Insoweit in der Beschwerde hinsichtlich des Sprachgutachtens moniert wurde, dass aus dem Bescheid nicht ersichtlich sei, wen die Behörde zugezogen habe, um das besagte Gutachten zu erstellen, ist dem entgegen zu halten, dass im angefochtenen Bescheid der Gutachter sehr wohl namentlich genannt ist. Entgegen der weiteren Beschwerderüge, wonach weder ausgeführt worden sei, nach welchen Kriterien festgestellt worden sei, dass der BF nicht aus Uganda komme noch nach welchem Maßstab festgestellt werden hätte können, dass der BF aus Nigeria komme, ist entgegenzuhalten, dass aus dem Gutachten nachvollziehbar hervorgeht, welche Methoden verwendet wurden, nämlich die Bildbenennungsaufgabe, die eine phonetische/phonologische Analyse ermöglicht. Darüber hinaus hat der Sachverständige XXXX zu seiner Person angeführt, dass seine Kompetenz eine allgemein afrikanistisch-linguistische sei. Er habe an der Universität Wien Afrikanistik und Politikwissenschaften studiert und im Jahr 1991 promoviert. Seitdem sei er in verschiedenen Forschungsprojekten in Österreich und Deutschland beschäftigt gewesen und habe dort und in Nigeria an verschiedenen Universitäten gelehrt. Bereits 1999 sei er als Gutachter im Asylverfahren verschiedener europäischer Behörden der ersten und zweiten Instanz tätig gewesen. Darüber hinaus ist das Gutachten durch umfassende bibliographische Hinweise gestützt und finden sich darin auch verwendeten Quellen. Der Gutachter hat seine Kompetenz, im vorliegenden Fall ein Gutachten zu erstellen, hinreichend belegt und hat er ein einwandfreies Gutachten erstattet, welches mit Schlüssigkeit und Fachwissen besticht.

Insoweit des Weiteren in der Beschwerde geltend gemacht wird, dass dem BF mangelnde Substantiiertheit nicht vorzuwerfen sei, da die kognitiven Fähigkeiten des BF höchst eingeschränkt seien und er nicht wissen könne, welcher Grad an Detailliertheit erforderlich sei und wäre daher durch ergänzende Fragestellungen anzuleiten gewesen, ist dem entgegenzutreten, dass es im Gutachten um die sprachlichen Kompetenzen des BF sowie seine Landeskenntnisse gegangen ist, über die der BF nicht verfügte und welche durch mangelnde Schulbildung oder kognitive Einschränkungen auch nicht erklärt werden können.

Auf dem Boden des Gesagten ist sohin den Feststellungen der belangten Behörde vorbehaltlos beizutreten, wonach der BF nigerianischer Staatsangehöriger ist und Nigeria seinen Herkunftsstaat widerspiegelt. Diesbezügliche Angaben des BF erachtet das Bundesverwaltungsgericht daher als vollkommen unglaubwürdig und reine Schutzbehauptungen.

Dass der BF tatsächlich aus Nigeria stammt, wird auch durch seine Angaben vor schweizerischen Behörden bestätigt, wie dies bereits in seinem ersten Asylverfahren konstatiert wurde und aus dem Erkenntnis des erkennenden Gerichts vom 22.04.2014, Zahl: W184 2005246-1, zu entnehmen ist.

Die Negativfeststellung zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religionszughörigkeit gründen sich auf die unglaubwürdigen Angaben des BF. So war der BF nicht imstande kohärente Angaben zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit sowie Religionszughörigkeit zu machen, offenbar wiederum in der Absicht, seine Identität bzw. seiner Herkunft zu verschleiern.

Da der BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest. Hinsichtlich der Fluchtroute des BF war eine Negativfeststellung zu treffen, da der BF in seinen Befragungen als Ausgangspunkt stets den Uganda nannte. Sein diesbezügliches Vorbringen ist jedoch aufgrund der zuvor getroffenen Feststellungen zu seiner nigerianischen Staatsangehörigkeit sowie der Unbestimmtheit seiner Angaben nicht glaubwürdig und konnte diesem nicht gefolgt werden.

Die Feststellung zu seinem Aufenthalt in Österreich lassen sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister entnehmen.

Die Verhängung der Untersuchungshaft ergibt sich aus der Mitteilung des Landesgerichts XXXX vom 02.06.2020.

Die Feststellung zum mangelnden Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden aktuell abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

2.3. Zum Fluchtvorbringen:

Die negativen Feststellungen zu potentieller Verfolgungsgefahr und drohender menschenrechtswidriger Behandlung des BF in seinem Herkunftsstaat Nigeria beruhen im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:

Wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zutreffend konstatierte, hat der BF im Hinblick auf seinen tatsächlichen Herkunftsstaat Nigeria keine Fluchtgründe vorgebracht, sondern bezogen sich seine Fluchtbehauptungen ausschließlich auf Uganda, sodass diese dem gegenständlichen Verfahren nicht zugrunde gelegt werden konnten.

Fluchtgründe, die sich auf seinen tatsächlichen Herkunftsstaat Nigeria bezogen hätten, hat der BF zu keinem Zeitpunkt vorgebracht. Raum für die Annahme, dass sich diese in Bezug auf Uganda vorgebrachten Fluchtgründe des BF auch auf den tatsächlichen Herkunftsstaat Nigeria beziehen könnten, besteht nicht.

Insofern ist auch die Ansicht der belangten Behörde zu teilen, dass das Fluchtvorbringen sowohl aufgrund der Tatsache, dass es sich nicht auf den tatsächlichen Herkunftsstaat bezieht als auch aufgrund der vagen und detaillosen Angaben in Bezug auf den behaupteten Herkunftsstaat Uganda auch die Glaubhaftigkeit zu versagen war.

In der Zusammenschau der Ausführungen zeigt sich, dass der BF - wie bereits vor der Administrativbehörde schon - auch im Beschwerdeverfahren nicht imstande war, ein glaubhaftes Fluchtvorbringen in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria zu erstatten, welches dem Verfahren zugrunde gelegt hätte werden können.

Eine wie immer geartete, gegen den BF gerichtete polizeiliche oder staatliche Verfolgung des in Nigeria wurde nicht behauptet und ergibt sich auch nicht aus dem vorliegenden Sachverhalt. Da der BF in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegentrat und sich seine Beschwerdebegründung dahin erschöpfte, seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und aus Uganda zu stammen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und ihrer Beweiswürdigung.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 20.05.2020 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der BF trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen. Im Beschwerdeschriftsatz führte er lediglich Bedenken hinsichtlich der Sicherheit und Arbeitsmarktsituation aus.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher den Feststellungen des BFA vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1.    Zur Nichtgewährung von Asyl (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

3.1.1.  Rechtslage

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art 1 Absch A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt der in Art 1 Absch A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 06.10.1999, 99/01/0279).

Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.1.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ im Sinne von Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der BF im gesamten Asylverfahren keine Fluchtgründe glaubhaft machen konnte. Eine sonstige aktuelle zu berücksichtigende Verfolgungsgefahr wird vom BF nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus Umständen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2.    Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

3.2.1.  Rechtslage

Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Im Rahmen der Prüfung des Einzelfalls ist die Frage zu beantworten, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein – über eine bloße Möglichkeit hinausgehendes – "real risk" einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl VwGH 28.06.2011, 2008/01/0102). Die dabei aufgrund konkreter vom Fremden aufgezeigter oder von Amts wegen bekannter Anhaltspunkte anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 15.12.2010, 2006/19/1354; 31.05.2005, 2005/20/0095, 31.03.2005, 2002/20/0582).

Die Abschiebung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also bezogen auf den Einzelfall die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art 3 EMRK ist nicht ausreichend (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Zu berücksichtigen ist auch, dass nur bei Vorliegen exzeptioneller Umstände, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet, die Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK angenommen werden kann (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174; 19.11.2015, Ra 2015/20/0174 ua). Das Vorliegen solcher exzeptionellen Umstände erfordert detaillierte und konkrete Darlegungen (vgl VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 07.09.2016, Ra 2015/19/0303 ua).

3.2.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Dem BF droht in Nigeria keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung. Es droht ihm auch keine reale Gefahr, im Falle seiner Rückkehr entgegen Art 3 EMRK behandelt zu werden. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzungen des Art 3 EMRK – was in Nigeria aufgrund der Sicherheitslage grundsätzlich nicht ausgeschlossen werden kann – ist hingegen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausreichend. Diese Lebensumstände betreffen sämtliche Personen, die in Nigeria leben und können daher nicht als Grund für die Zuerkennung eines Status eines subsidiär Schutzberechtigten herangezogen werden. So liegt hinsichtlich des BF kein stichhaltiger Grund dafür dar anzunehmen, dass der BF bei seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat tatsächlich in Gefahr liefe, die Todesstrafe oder Hinrichtung, die Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des BF in Nigeria und auch nicht eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des BF in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes in Nigeria erleiden würde. Nachdem der BF selbst angibt, nie ernstliche Probleme mit den Behörden des Herkunftsstaates gehabt zu haben und auch keine Gründe ersichtlich sind, die auf den Vorwurf einer Straftat, welcher zu der Verhängung der Todesstrafe, der Folter oder Bestrafung des Antragstellers im Herkunftsstaat hindeuten könnten, ist ein „ernsthafter Schaden“ im Sinne des Art 15 der Statusrichtlinie auszuschließen. Ein bewaffneter Konflikt besteht in Nigeria ebenfalls nicht. Zwar ist es so, dass in Nigeria die Sicherheitslage nicht mit der österreichischen vergleichbar ist, jedoch erreichen die nach dem Länderinformationsblatt für Nigeria möglichen Gewaltakte nicht ein so hohes Niveau, dass stichhaltige Gründe dafür bestehen, dass der BF bei einer Rückkehr nach Nigeria alleine durch seine Anwesenheit im Gebiet von Nigeria tatsächlich in Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation in Nigeria und den hiermit verbundenen Umständen spezifisch von willkürlicher Gewalt in Nigeria betroffen wäre. Daher ist auch diese Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes nicht erfüllt. Eine Gefahr eines ernsthaften Schadens durch unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des BF in Nigeria liegt ebenfalls nicht vor. Der BF gehört weder einer Bevölkerungsgruppe an, die in Nigeria allgemein einer besonderen Gefahr ausgesetzt worden wäre, noch liegen individuelle Bedrohungen, die dazu führen könnten, dass der BF bei Rückkehr nach Nigeria einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt worden wäre.

Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art 2 oder Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK ausgesetzt wäre. Im Verfahren sind auch keine diesbezüglichen Umstände bekannt geworden. Es ergeben sich auch aus dem Länderinformationsblatt für Nigeria keine Gründe, die es naheliegen würde, dass bezogen auf den BF, ein reales Risiko gegen Art 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Strafe bzw der Todesstrafe besteht.

Schließlich ist im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus festzuhalten, dass es sich beim BF um einen gesunden, jungen und arbeitsfähigen Mann handelt, der an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet, womit er nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des BF nach Nigeria vorliegendes "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK ist somit auch hierzu nicht zu erkennen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 8 Abs 1 Z 1 AsylG abzuweisen war.

3.3.    Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides)

3.3.1.  Rechtslage

Gemäß § 58 Abs 1 AsylG hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird (Z 2) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Gemäß § 58 Abs 2 AsylG hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG (Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK) von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird. Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen (§ 58 Abs 3 AsylG). Auch wenn der Gesetzgeber das Bundesamt im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung zur Prüfung und spruchmäßigen Erledigung der Voraussetzungen der §§ 55 und 57 AsylG von Amts wegen, dh auch ohne dahingehenden Antrag des BF, verpflichtet, ist die Frage der Erteilung eines solchen Titels auch ohne vorhergehenden Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den negativen Bescheid durchsetzbar und daher Gegenstand der Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl VwGH 28.01.2015, Ra 2014/20/0121).

3.3.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Indizien dafür, dass der BF einen Sachverhalt verwirklicht, bei dem ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Aufenthaltstitel besonderer Schutz) zu erteilen wäre, sind weder vorgebracht worden, noch hervorgekommen: Weder war der Aufenthalt des BF seit mindestens einem Jahr im Sinne des § 46 Abs 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet, noch ist dieser zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig, noch ist der BF Opfer von Gewalt im Sinne des § 57 Abs 1 Z 3 AsylG. Ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG war daher nicht zu erteilen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 57 AsylG, abzuweisen war.

3.4.    Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):

3.4.1.  Rechtslage

Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird.

Gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.

Gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).

3.4.2.  Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Zu prüfen ist daher, ob die von der belangten Behörde verfügte Rückkehrentscheidung mit Art 8 EMRK vereinbar ist, weil sie nur dann zulässig wäre und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:

Das vorliegende Asylverfahren erreichte, gerechnet von der Antragstellung am 17.02.2017 bis zum Datum der vorliegenden Entscheidung zwar eine gewisse, auch auf Verzögerungen zurückgehende Dauer. Der Aufenthalt des BF in Österreich beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.

Das Gewicht seiner privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721; 30.04.2009, 2009/21/0086; VfSlg. 18.382/2008 mHa EGMR 24.11.1998, 40.447/98, Mitchell; EGMR 11.04.2006, 61.292/00, Useinov). Der BF führt – wie die belangte Behörde zu Recht ausführt – keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der BF während seines mehr als sechsjährigen Aufenthaltes (nämlich sei Jänner 2014, jedoch mit einer zweiwöchigen Unterbrechung aufgrund seiner Abschiebung nach Spanien) in Österreich einen maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Der BF geht auch keiner regelmäßigen Beschäftigung in Österreich nach und ist daher am Arbeitsmarkt nicht integriert. Überdies wies der BF keine Kenntnisse der deutschen Sprache vor.

Der Umstand, dass der BF in Österreich straffällig geworden ist, bewirkt - wie oben angeführt - eine weitere Verminderung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit von persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen (VwGH 24.07.2002, 2002/18/0112).

Im Hinblick auf den Umstand, dass der erwachsene BF den überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht hat und er die Heimatsprache auf Mutterspracheniveau spricht, ist davon auszugehen, dass anhaltende bzw. wiederaufnehmbare Bindungen zum Herkunftsstaat bestehen, zumal dort mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin Familienangehörige leben sowie ein entsprechendes soziales, aus der Kindheit und der Jugend erwachsenes Umfeld besteht.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich (bzw Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber.

Ihm steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die schwach ausgebildeten privaten Interessen des BF am Verbleib in Österreich.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.

Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der BF verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG abzuweisen war.

3.5.    Zum Ausspruch, dass die Ausweisung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):

3.5.1.  Rechtslage:

Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. bzw 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

3.5.2.  Anwendung der Rechtslage auf den vorliegenden Fall:

Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs 1 FPG unzulässig wäre.

Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005 und 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 – 0062).

Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs 2 FPG, da dem BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.

Die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 52 Abs 9 FPG abzuweisen war.

3.6.    Verlust des Rechts zum Aufenthalt (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):

3.6.1.  Rechtslage:

Gemäß § 13 Abs 1 AsylG ist ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt.

Das Recht des Asylwerbers zum Aufenthalt im Bundesgebiet geht gemäß § 13 Abs 2 AsylG verloren, wenn dieser straffällig geworden ist (Z 1), gegen ihn wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist (Z 2), gegen ihn Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO) (Z 3) oder er bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist (Z 4). Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu (§ 13 Abs 3 AsylG).

Gemäß § 13 Abs 4 AsylG hat das Bundesamt im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.

In § 13 Abs 2 AsylG sind die Gründe, welche zum Verlust des Aufenthaltsrechts nach § 13 Abs 1 AsylG führen taxativ aufgezählt (EBRV 1803 BlgNR 24.GP). Nach dieser Bestimmung führt es zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn der Antragsteller rechtskräftig aufgrund einer Straftat verurteilt wurde sowie in bestimmten Fällen einer (qualifizierten) Verdächtigung einer strafbaren Handlung (Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft bezüglich der Tat, deren Begehung nur mit Vorsatz möglich ist, Verhängung der Untersuchungshaft, Betreten auf frischer Tat bei einem Verbrechen; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 13 AsylG K10). Der Verlust des Aufenthaltsrechts tritt in diesen Fällen ex lege ein (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, aaO, § 13 AsylG K11). Der Verlust des Aufenthaltsrechts wird durch Verfahrensanordnung mitgeteilt. Im verfahrensabschließenden Bescheid hat das Bundesamt deklarativ über einen allenfalls erfolgten Verlust des Aufenthaltsrechts abzusprechen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, aaO, § 13 AsylG K 15).

3.6.2.  Anwendung der Rechtslage auf den Beschwerdefall:

Im vorliegenden Fall wurde über den BF am 02.06.2020 wegen des Verdachtes gem. § 28a Absatz 1 fünfter Fall Suchtmittelgesetz die Untersuchungshaft verhängt. Damit ist der Tatbestand des § 13 Abs 2 Z 3 AsylG erfüllt. Der BF hat sein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 Abs 1 AsylG am 02.06.2020, am Tag der Verhängung der Untersuchungshaft Tag, verloren.

Das Aufenthaltsrecht ist nicht wieder aufgelebt. Der BF, der sich im Bundesgebiet nur aufgrund des Aufenthalts nach § 13 Abs 1 AsylG aufhält, verfügt über keinen anderen Aufenthaltstitel. Damit erfolgte der Ausspruch der belangten Behörde über den Verlust des Aufenthaltsrechts zu Recht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides war daher gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 13 Abs 2 Z 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.7.    Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 18 Abs 1 Z 3 BFA-VG kann vom BFA einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt werden, wenn der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat.

Wie oben ausgeführt, hat der BF falsche Angaben bezüglich seiner Staatsangehörigkeit gemacht.

Unbeschadet dessen erübrigt sich ein Abspruch über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, da das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall binnen der Wochenfrist des § 18 Abs 5 BFA-VG in der Sache selbst entschieden hat.

3.8.    Zum Ausspruch, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 55 Abs 1a FPG besteht ua eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht, wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird. Hierunter fallen neben Verfahren, in denen einer Beschwerde ex lege keine aufschiebende Wirkung zukam, auch die Verfahren, in denen das BFA die aufschiebende Wirkung aberkannt hat und in denen jeweils keine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG erfolgt ist.

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde einer Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid vom 16.06.2020 die aufschiebende Wirkung – zu Recht, wie oben ausgeführt– aberkannt.

3.9.    Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen – allenfalls mit ergänzenden Erhebungen – nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, VfSlg. 19.632/2012).

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des VfGH festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Verfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG – trotz des in der Beschwerde gestellten Antrages – eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Abschiebung Asylantragstellung asylrechtlich relevante Verfolgung Asylverfahren Aufenthalt im Bundesgebiet Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz Aufenthaltsrecht Aufenthaltstitel begründete Furcht vor Verfolgung berücksichtigungswürdige Gründe falsche Angaben Fluchtgründe freiwillige Ausreise Frist Glaubhaftmachung Glaubwürdigkeit Interessenabwägung öffentliche Interessen Privat- und Familienleben private Interessen real risk reale Gefahr Rückkehrentscheidung Staatsangehörigkeit subsidiärer Schutz Suchtmitteldelikt Untersuchungshaft Verfolgungsgefahr Verfolgungshandlung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I405.2234035.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten