TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 95/04/0080

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §74 Abs1 impl;
GewO 1973 §74 Abs3 impl;
GewO 1973 §75 impl;
GewO 1994 §74 Abs1;
GewO 1994 §74 Abs3;
GewO 1994 §75;
GewO 1994 §77 Abs1;
GewO 1994 §79;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde der J-Aktiengesellschaft in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Oktober 1993, Zl. 301.029/2-III/A/2a/93, betreffend Vorschreibung einer Auflage gemäß § 79 GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1993, Zl. 91/04/0338, verwiesen.

Im fortgesetzten Verfahren erging der Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 28. Oktober 1993, mit dem der angefochtene Bescheid und der diesem zugrunde liegende Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 14. Dezember 1989 in der Weise abgeändert wurde, daß die zusätzlich vorgeschriebene Auflage wie folgt lautet:

"Die Betriebsanlage ist in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr soweit geschlossen zu halten, daß während dieses Zeitraumes keine Warenzulieferungen zur Betriebsanlage durch den Betriebsinhaber selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen vorgenommen werden können."

Im übrigen wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Zur Begründung wurde im wesentlichen - unter Darlegung der Rechtslage - ausgeführt, der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem aufhebenden Erkenntnis festgestellt, daß es der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten unterlassen habe, festzustellen, ob und gegebenenfalls welcher Lärm im Zusammenhang mit den Liefervorgängen "in der Betriebsanlage" entstanden sei. Tatsächlich resultiere die im angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Auflage aus Immissionen, die im "Ladebereich" des gegenständlichen Verkaufsmarktes hervorgerufen würden. Diesbezüglich habe der Verwaltungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis ausgeführt, daß die Grenze zwischen einer Betriebsanlage und ihrer Umwelt nicht dadurch verändert werde, daß das wesentlich zum Betriebsgeschehen in einer Betriebsanlage gehörende Zufahren zu dieser und das betreffende Wegfahren von dieser - nicht jedoch das bloße Vorbeifahren auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr - dem einer Betriebsanlage zugehörigen Geschehen zuzurechnen sei. Aus der Neufassung des § 74 Abs. 3 GewO 1973 durch die Gewerberechtsnovelle 1988 ergebe sich weiters, daß diese Vorgänge der Betriebsanlage dann zuzurechnen seien, wenn sie vom Inhaber der Anlage und seinen Erfüllungsgehilfen herrührten (während das Zu- und Wegfahren von sonstigen dritten Personen nicht der Betriebsanlage zugerechnet werden könne). Aus dem Erkenntnis des verstärkten Senates vom 10. Oktober 1979, Slg. N.F. Nr. 9.943/A, ergebe sich darüber hinaus, daß die Eignung einer "örtlich gebundenen Einrichtung" die Nachbarn zu belästigen, in Vorgängen, die sich zwar außerhalb, aber im engeren örtlichen Bereich einer Betriebsanlage abspielten, liegen könne. Diese Rechtslage gelte auch unbeschadet dessen, daß eine Auflage im Sinne der §§ 77 Abs. 1 und 79 GewO 1973 nur als ein an den Inhaber einer Betriebsanlage gerichteter normativer Ausspruch - mit entsprechender Sanktionsmöglichkeit - ergehen dürfe. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten habe daher im fortgesetzten Verfahren die Immissionen, herrührend vom Ladebereich des Verkaufsmarktes, unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, daß diese Immissionen dem betrieblichen Geschehen zuzurechnen seien und diesbezüglich notwendige Auflagen - obwohl sie Vorgänge außerhalb der Betriebsanlage beträfen - an den Inhaber der Betriebsanlage zu richten seien. Darüber hinaus hätte sich die Berufungsentscheidung auf die Immissionen vom Ladebereich zu beschränken, da nur diese angesichts des Bescheidabspruches der Unterinstanzen die "Sache" des Berufungsverfahrens nach § 66 Abs. 4 AVG darstellten. Die Behörde habe daher die ursprüngliche Auflage im erstinstanzlichen Bescheid konkretisiert, um klarzustellen, daß sich dieser an die Konsensinhaberin richte, wobei gleichzeitig im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1993 darauf Bedacht zu nehmen sei, daß die konkreten Lärmimmissionen aus Vorgängen außerhalb, aber aus einem engen örtlichen Bereich zur Betriebsanlage resultierten.

Im übrigen gleichen die Ausführungen des nunmehr angefochtenen Bescheides weitestgehend (und zwar wörtlich) jenen des vom Verwaltungsgerichtshof aufgehobenen Bescheides. Diese wurden im bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juli 1993 wiedergegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird diesbezüglich auf dieses Erkenntnis verwiesen. Abweichend von dem vom Verwaltungsgerichtshof mit dem zitierten Erkenntnis vom 7. Juli 1993 aufgehobenen Bescheid enthält der nunmehr angefochtene Bescheid lediglich (auch) Hinweise auf die Impulshaltigkeit der den Grundgeräuschpegel beträchtlich übersteigenden Störgeräusche, daß "im Sinne des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 91/04/0038 darauf Bedacht genommen werden mußte, daß die konkreten Lärmimmissionen aus Vorgängen außerhalb, aber aus einem engen örtlichen Bereich zur Betriebsanlage resultieren" sowie schließlich, daß in Anbetracht der Schwankungen der akustischen Umgebungssituation von jener Situation auszugehen sei, in der die Immissionen für die Nachbarn am ungünstigsten (= belastendsten) seien.

Gegen diesen (erst mit 3. März 1995 zugestellten) Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in dem Recht auf Unterbleiben der in Rede stehenden Auflagenvorschreibung gemäß § 79 GewO verletzt. Sie bringt hiezu zunächst vor, im gesamten Verfahren sei nicht Beschwerdegegenstand gewesen, daß etwa konzerneigene Zulieferer oder Erfüllungsgehilfen Lärmbelästigungen vorgenommen hätten, sondern richteten sich die Beschwerden hauptsächlich gegen konzernfremde Zulieferungen etwa durch die Fuhrparks der Molkereien. Ein Erfüllungsgehilfe sei eine Person, deren sich der Geschäftsmann zur Erfüllung eines bestehenden Schuldverhältnisses bediene. Auch dabei könne er sich nur auf eigene Lkw oder auf direkt beauftragte Spediteure beziehen. Die Erfüllung eines Vertrages durch einen Dritten, etwa eben der Molkerei, lasse sich daraus nicht decken. Dazu seien auch keinerlei Erhebungen angestellt worden. Die Haftung für den Erfüllungsgehilfen werde dogmatisch damit begründet, daß jeder, der sich zur Erweiterung seines Aktionsradius eines Erfüllungsgehilfen bediene, auch für dessen Handlungen haften solle. Daß die Beschwerdeführerin ihren Aktionsradius durch Zulieferungen von Drittfirmen erweitert hätte, habe das Verfahren absolut nicht ergeben. Schon aus dem Begriff des Erfüllungsgehilfen ergebe sich, daß damit nicht Mitarbeiter von Drittfirmen gemeint seien. Nur gegen diese hätten sich auch die Beschwerden gerichtet.

Schon im Hinblick auf dieses Vorbringen erweist sich die Beschwerde als begründet:

Ergibt sich nach Genehmigung der Anlage, daß die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, so hat gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 die Behörde (§§ 333, 334, 335) die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem, wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.

Eine "Auflage" im Sinne des § 79 wie im Sinne des § 77 Abs. 1 GewO 1994 kann jede bestimmte, der Vermeidung von Immissionen dienende und zur Erfüllung dieses Zweckes geeignete und behördlich erzwingbare Maßnahme des Inhabers der Betriebsanlage zum Gegenstand haben (vgl. hiezu u.a. das zitierte Vorerkenntnis vom 7. Juli 1993 und die dort zitierte weitere hg. Rechtsprechung).

Die belangte Behörde geht nunmehr offenbar - wie sich aus dem oben wiedergegebenen Hinweis auf das zitierte Vorerkenntnis vom 7. Juli 1993 ergibt - davon aus, daß die Auflagenvorschreibung deshalb erforderlich sei, weil die die Lärmimmissionen verursachenden Störgeräusche aus Liefervorgängen zwar außerhalb, aber aus einem engeren örtlichen Bereich zur Betriebsanlage resultierten. Wie aber der Verwaltungsgerichtshof im Vorerkenntnis vom 7. Juli 1993 zum Ausdruck gebracht hat, können derartige Vorgänge - in der Rechtslage seit der Gewerberechtsnovelle 1988 - nur insoweit dem zur Betriebsanlage zugehörigen Geschehen zugerechnet werden, als sie vom Inhaber der Anlage und seinen Erfüllungsgehilfen herrühren, nicht aber von Personen, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen. Darüber, inwiefern die für die Auflagenvorschreibung als betriebskausal herangezogenen Störgeräusche vom erstgenannten Personenkreis herrühren, trifft der angefochtene Bescheid keine Aussage. Wenn nun die (nunmehrige) Auflagenvorschreibung lediglich auf Warenzulieferungen zur Betriebsanlage durch den Betriebsinhaber selbst oder dessen Erfüllungsgehilfen abstellt, so findet diese Differenzierung in der Bescheidbegründung keinen im Sinne des vorher Gesagten entsprechenden Niederschlag. Dies hindert aber die Nachprüfbarkeit des angefochtenen Bescheides daraufhin, ob die vorgeschriebene Auflage (auch) im Hinblick auf die nach § 77 Abs. 1 i.V.m. § 74 Abs. 2 und 3 zu schützenden Interessen erforderlich ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995040080.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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