Index
24/01 Strafgesetzbuch;Norm
BDG 1979 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien III, Siegelgasse 6, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 4. April 1997, Zl. 22/7-DOK/97, betreffend Disziplinarstrafe der Entlassung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der im Jahre 1950 geborene Beschwerdeführer stand als Fachinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er war als Gerichtsvollzieher und zuletzt als Kanzleibeamter im Bezirksgericht H. eingesetzt.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz vom 21. Jänner 1997 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, in der Zeit zwischen Februar 1995 bis Jänner 1996 in Wien
1. in seiner Eigenschaft als Gerichtsvollzieher des Bezirksgerichtes H. in 28 Exekutionsverfahren des Bezirksgerichtes H. nach Entgegennahme von Zahlungen durch die verpflichteten Parteien die von ihm kassierten Beträge in der Gesamthöhe von S 615.203,59 nicht sogleich, sondern erst mit erheblichen Zeitverzögerungen (bis zu elf Monaten) an die betreibenden Parteien bzw. deren Vertreter überwiesen;
2. in den angeführten Fällen die Prüfungsvermerke in den Quittungsheften und auf den Berichten unter Verwendung von nicht zuordenbaren Zeichen anstelle des Zuteilers selbst paraphiert;
3. zur Verschleierung seines Fehlverhaltens die manipulierten Akten im Zuteilbuch ausgetragen zu haben.
Der Beschwerdeführer habe hiedurch schuldhaft gegen seine Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und hiedurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen. Über ihn werde gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt.
Diese Entscheidung war im wesentlichen damit begründet worden, daß sich die finanzielle Situation des - verheirateten und noch für zwei Kinder im Alter von 16 und 22 Jahren sorgepflichtigen - Beschwerdeführers zu Beginn des Jahres 1995 trotz seines damals hohen Monatseinkommens von rund S 40.000,-- in einer derartigen Situation befunden habe, daß er sich entschlossen habe, die ihm in seiner Eigenschaft als Vollstrecker im Zuge der Exekutionen durch Inkasso zugekommenen Geldbeträge nicht sofort an die betreibenden Gläubiger zu überweisen, sondern zunächst auf Zeit für sich zu behalten. Die einkassierten Beträge habe der Beschwerdeführer zum Abdecken der dringendsten anderen Verbindlichkeiten verwendet. So sei es gekommen, daß der Beschwerdeführer in einem Zeitraum von rund einem Jahr in insgesamt 28 näher genannten Exekutionsverfahren des Bezirksgerichtes H. nach Entgegennahme von Zahlungen durch die verpflichteten Parteien die von ihm kassierten Beträge in der Gesamthöhe von S 615.203,59 nicht sofort an die betreibenden Gläubiger bzw. deren Vertreter weitergeleitet habe, sondern diese Beträge erst mit erheblichen Zeitverzögerungen (maximal bis zu elf Monaten) überwiesen habe. Damit seine Machenschaften nicht sofort entdeckt würden, habe der Beschwerdeführer in allen angeführten Fällen die Prüfungsvermerke in den Quittungsheften und auf den Berichten unter Verwendung von nicht zuordenbaren Zeichen anstelle des Zuteilers selbst paraphiert. Ferner habe er die manipulierten Akten im Zuteilbuch ausgetragen, um sein Fehlverhalten auch auf diese Weise weiter zu verschleiern.
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 23. August 1996, rechtskräftig seit dem 26. August 1996, wegen des identen Sachverhaltes wegen des Verbrechens des Amtsmißbrauches nach § 302 Abs. 1, Abs. 2 zweiter Satz StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt worden. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB sei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben worden. Das Gericht habe eine Schadenshöhe von S 615.203,59, somit einen S 500.000,-- übersteigenden Schaden angenommen. Der Umstand, daß der Schaden durch Aufnahme eines weiteren Darlehens von der Mutter des Beschwerdeführers gutgemacht worden sei, habe dem Beschwerdeführer durch das Gericht nicht zugute gehalten werden können, da eine tätige Reue beim Verbrechen des Amtsmißbrauches nicht vorgesehen sei. Das Gericht habe allerdings festgestellt, daß der Schaden zur Gänze gutgemacht worden sei.
Der Beschwerdeführer habe es an Treue und Gewissenhaftigkeit in gröblicher Weise fehlen lassen. Er habe nicht, wie es seine Aufgabe gewesen sei, dem Recht zum Durchbruch verholfen, sondern die Rechtsverfolgung durch die betreibenden Gläubiger zu seinem eigenen Vorteil mißbraucht. Er habe gerade jene Rechtsgüter verletzt, deren Schutz bzw. deren Durchsetzung in einem weiteren Sinn gerade zu seinen dienstlichen Aufgaben gezählt hätten. Dies nicht nur in einer einmaligen oder geringfügigen Weise, sondern in insgesamt 28 Exekutionsverfahren und über einen längeren Zeitraum hindurch. Wäre die durch das Gericht verhängte Strafe nur einen einzigen Tag länger ausgemessen worden, so wäre gemäß § 27 StGB mit der Verurteilung der Amtsverlust zwingend verbunden gewesen. Der Beschwerdeführer sei angesichts der Vielzahl der Begehungen, des langen Zeitraums der begangenen Straftaten und der enormen Höhe des Schadens für den Dienst als Justizbeamter untragbar geworden. Denn mit Recht werde von Justizbediensteten ein besonders hohes Maß an Rechtstreue erwartet. Die Verurteilung des Beschwerdeführers sei auch zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangt und teilweise auch in den Medien wiedergegeben worden, es sei daher zu einer beträchtlichen Schädigung des Ansehens der Justiz insgesamt, vor allem aber des Berufsstandes der Vollstrecker gekommen. Besonders in Kreisen der Vollstrecker werde dem Disziplinarverfahren ein ganz besonderes Interesse entgegengebracht, nicht zuletzt auch deshalb, da der Beschwerdeführer als (ehemaliger) Vorsitzender eines Vereines der Gerichtsvollzieher einen sehr hohen Bekanntheitsgrad unter seinen Fachkollegen habe. Die Untragbarkeit des Beschwerdeführers allein rechtfertige seine Entlassung, und zwar auch dann, wenn im Strafurteil ein deckungsgleicher Sachverhalt angenommen worden sei und auch das gesamte Verhalten vom Strafrecht umfaßt gewesen sei.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, daß das Gericht über ihn die Mindeststrafe verhängt und diese bedingt nachgesehen habe. Er sei wegen eines Beamtendeliktes (Amtsmißbrauch gemäß § 302 StGB) verurteilt worden. Der Gesetzgeber habe in § 27 StGB vorgesehen, daß Freiheitsstrafen über einem Jahr den Amtsverlust automatisch herbeiführten. Zugleich habe er aber auch angeordnet, daß - insbesondere auch über Beamte - eine Freiheitsstrafe verhängt werden könne, die unter der Grenze des § 27 StGB liege. Das Gericht sei daher davon ausgegangen, daß mit der Mindeststrafe von einem Jahr das Auslangen gefunden werden könne, weshalb der Amtsverlust nicht eingetreten sei. Wäre das Gericht der Auffassung gewesen, daß seine weitere Belassung im Amt nicht tragbar sei, so hätte es eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr verhängt und damit erreicht, daß er nicht mehr Beamter sei. Wenn die Behörde erster Instanz die von ihr ausgesprochene Entlassung mit der enormen Höhe des vom Beschwerdeführer verursachten Schadens begründe, so sei auszuführen, daß durch die Handlungen des Beschwerdeführers Dritten keine Schäden entstanden seien, da er die gesamten von ihm einbehaltenen Beträge noch vor Kenntnis der Dienstbehörde an die betreibenden Gläubiger zurückgeleitet habe. Der Beschwerdeführer habe aus freien Stücken sämtliche von ihm einbehaltenen Geldbeträge bekanntgegeben. Zum Zeitpunkt seiner Einvernahme durch die Dienstbehörde am 2. Februar 1996 habe keine Veranlassung für ihn bestanden, ein solches Geständnis abzulegen.
Nach Aufdeckung des Sachverhaltes sei dem Beschwerdeführer die Leitung einer Exekutionsabteilung übertragen worden, welche Funktion er zur vollsten Zufriedenheit seiner vorgesetzten Dienststelle erledige. Daher sei die Vertrauenswürdigkeit nicht derart gestört, daß die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes darunter zu leiden hätte. Die Behörde erster Instanz hätte diesbezüglich die Dienstvorgesetzten des Beschwerdeführers einvernehmen müssen. Soweit die Behörde erster Instanz sich darauf berufe, daß seine Verurteilung zur Kenntnis der Öffentlichkeit gelangt sei, übersehe sie, daß diese auf einem Bericht in einer Tageszeitung, der ohne Nennung von Namen verfaßt gewesen sei, beschränkt gewesen sei.
Die belangte Behörde führte am 4. April 1997 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer ausführte, daß er trotz Aufdeckung seiner Dienstpflichtverletzungen über sechs Monate anderweitig eingesetzt worden sei, eine Exekutionsabteilung völlig neu aufgebaut habe und ein reumütiges Geständnis abgelegt habe, weshalb eine Entlassung nicht gerechtfertigt sei. Er sei wegen familiärer Probleme in finanzielle Schwierigkeiten geraten; schließlich hätten ihm seine Eltern geholfen, das Geld zurückzuzahlen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und verhängte über den Beschwerdeführer die Disziplinarstrafe der Entlassung, wobei sie jedoch den Ausspruch der Behörde erster Instanz über die Schuld des Beschwerdeführers dahin abänderte, daß er die Dienstpflichtverletzungen gemäß § 43 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 91 BDG 1979 begangen habe.
Nach Wiedergabe des Inhaltes des Bescheides der Behörde erster Instanz, der Berufung des Beschwerdeführers und seiner Ausführungen in der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid im wesentlichen damit, daß die Sachverhaltsstellungen der Behörde erster Instanz der Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers zugrundezulegen seien. Das Verhalten des Beschwerdeführers sei nicht nur als schuldhafter Verstoß gegen die Dienstpflichten nach § 43 Abs. 1 BDG 1979, sondern auch als Verletzung der Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 zu qualifizieren. Nach dieser Bestimmung habe der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibe. Der Beschwerdeführer habe außer Acht gelassen, daß er als Exekutor, der ständig mit fremdem Geld umzugehen habe und täglich mit den Folgen von Exekutionen konfrontiert sei, der außerdem Sprecher eines privaten Vereines der Gerichtsvollzieher gewesen sei, gerade hinsichtlich der von ihm eingehobenenen Gelder auch die Dienstpflichten nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 in besonderem Maße zu beachten habe. Der Beschwerdeführer sei im Hinblick auf die Schwere seiner Dienstpflichtverletzungen für den öffentlichen Dienst nicht mehr tragbar, es sei daher die Strafe der Entlassung zu verhängen. Diesbezüglich übernehme die belangte Behörde vollinhaltlich die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides.
Aus der Tatsache, daß das Strafgericht den Beschwerdeführer zu einer einjährigen und nicht zu einer höheren bedingten Freiheitsstrafe verurteilt habe, könne dieser nichts für sich gewinnen. Im vorliegenden Fall läge ein "disziplinärer Überhang" vor. Tätige Reue sei beim Delikt des Amtsmißbrauches gemäß § 302 StGB ausgeschlossen; der Beschwerdeführer könne eine solche daher auch für sich nicht geltend machen. Daß der Beschwerdeführer an der Aufklärung seiner Machenschaften persönlich mitgewirkt habe, sei vom Strafgericht mildernd berücksichtigt worden. Ausgelöst worden sei seine Mitwirkung jedoch nicht durch eigene Schuldeinsicht, sondern erst durch die EDV-unterstützte Kontrolle seiner Tätigkeit. Erst diese sei für den Beschwerdeführer Anlaß gewesen, die Sinnlosigkeit weiterer Verdunkelungshandlungen zu erkennen.
Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers nach der Aufdeckung seiner Straftaten werde nicht in Frage gestellt. Dieses sei als selbstverständlich zu werten und sei daher für die Beurteilung der Straftaten, aber auch für die der Frage des Vorliegens der Untragbarkeit unerheblich, weshalb auch von der Einvernahme der in der Berufung genannten Zeugen abgesehen worden sei.
Es könne nicht festgestellt werden, daß Dritten durch die Handlungen des Beschwerdeführers kein Schaden entstanden sei; schließlich seien die betroffenen Gläubiger nach mit zum Teil großen Zeitverzögerungen (bis zu elf Monaten) zu ihrem Geld gekommen. Das Gericht habe allerdings festgestellt, daß der Schaden zur Gänze gutgemacht worden sei.
Der Umstand, daß über die Verurteilung des Beschwerdeführers nur von einer Tageszeitung und ohne Nennung seines Namens berichtet worden sei, könne keine Änderung der Beurteilung seines deliktischen Verhaltens herbeiführen. Durch seinen Bekanntheitsgrad in Fachkreisen und das Interesse dieser Kreise am Ausgang der ihn betreffenden Verfahren sei genügend Öffentlichkeit auf seine Straftaten aufmerksam geworden, sodaß es zu einer beträchtlichen Schädigung des Ansehens der Justiz insgesamt, vor allem aber des Berufsstandes der Vollstrecker gekommen sei.
Mit Recht sei die Behörde erster Instanz mit Rücksicht auf die Schwere der Dienstpflichtverletzungen und der beträchtlichen Schädigung des Ansehens der Justiz allein von den objektiven Gegebenheiten ausgegangen und habe die familiären Ursachen, die nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Straftaten geführt hätten, nicht näher untersucht. Der Beschwerdeführer sei somit für den öffentlichen Dienst untragbar, damit erübrige sich auch die Prüfung, ob er nicht an anderer Stelle eingesetzt werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft und dessen Aufhebung beantragt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979 ist der Beamte verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen. Gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
Gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 ist von der Verfolgung eines wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilten Beamten abzusehen, wenn sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes erschöpft und wenn anzunehmen ist, daß die Verhängung einer Disziplinarstrafe nicht erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die Disziplinarbehörde ist gemäß § 95 Abs. 1 BDG 1979 an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrundegelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis einer Verwaltungsbehörde) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (die Verwaltungsbehörde) als nicht erweisbar angenommen hat. Wird von einer Verfolgung nach § 95 Abs. 1 BDG 1979 mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht abgesehen, dann ist nach der Anordnung des § 95 Abs. 3 BDG 1979, wenn sich eine strafgerichtliche Verurteilung auf denselben Sachverhalt bezieht, eine Disziplinarstrafe nur auszusprechen, wenn und soweit dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die Richtlinien, nach denen bei der Strafbemessung vorzugehen ist, enthält § 93 Abs. 1 BDG 1979, wonach das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung ist. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem StGB für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
Der Beschwerdeführer bestreitet seine von der belangten Behörde festgestellte strafgerichtliche Verurteilung gemäß § 302 StGB nicht. Er hält den angefochtenen Bescheid aber deswegen für rechtswidrig, weil der Gesetzgeber mit § 27 StGB dem Strafgericht bei der Beurteilung des Verhaltens eines Beamten die Möglichkeit gegeben habe, den Amtsverlust mit der Verurteilung automatisch zu verbinden. Andererseits sei damit dem Gericht auch die Möglichkeit gegeben worden, von dieser Sanktion Abstand zu nehmen und eine Strafe zu verhängen, die die in § 27 StGB beschriebene Dauer von einem Jahr nicht übersteige. Selbst wenn in seinem Fall ein disziplinärer Überhang gegeben sei, so sei die Bestimmung des § 95 BDG 1979 doch dahingehend anzuwenden, daß das Ergebnis des strafgerichtlichen Verfahrens entsprechend zu berücksichtigen sei. Die Dienstpflichtverletzung des Beschwerdeführers erschöpfe sich in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes. Es habe dem Beschwerdeführer nur ein Beamtendelikt, nämlich der Amtsmißbrauch gemäß § 302 StGB, vorgeworfen werden können. Wäre der Beschwerdeführer kein Beamter gewesen, so hätte er tätige Reue für sich in Anspruch nehmen können und es wäre zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung gekommen, da der Schaden bereits vor Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden zur Gänze wieder gutgemacht worden sei. Bei der disziplinären Beurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde unter Berücksichtigung des § 95 BDG 1979 von der Entlassung Abstand nehmen müssen, zumal das Strafgericht, das über denselben Sachverhalt zu urteilen hatte, von dieser Sanktion nicht Gebrauch gemacht habe. Eine Notwendigkeit, den Beschwerdeführer von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, habe nicht bestanden, zumal ihm das Unrecht seiner Tat umfangreich vor Augen geführt worden sei und er durch Einkommenseinbußen bereits finanzielle Nachteile beträchtlichen Umfanges erlitten habe.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Hätte nämlich der Gesetzgeber beabsichtigt, der strafgerichtlichen Strafbemessung die Bedeutung beizumessen, daß eine Strafe unter der Grenze des § 27 StGB eine Entlassung des Beschuldigten als gesetzwidrig oder auch nur als unerwünscht erkennen lassen sollte, dann hätte er die einschlägigen Bestimmungen des StGB und des BDG 1979 anders gestaltet; insoweit kommt dem Strafurteil indes keineswegs Bindungswirkung zu, aber auch sonst kein maßgeblicher Einfluß auf die Bemessung der Disziplinarstrafe (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. November 1992, Zl. 91/09/0166, und vom 18. Oktober 1996, Zl. 96/09/0292, m.w.N.). Im übrigen wäre der Beschwerdeführer auch dann disziplinarrechtlich verantwortlich, wenn er strafgerichtlich nicht verfolgt worden wäre.
Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall auch zu Recht die Notwendigkeit der Verhängung einer Disziplinarstrafe im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG 1979 bejaht. Dem stand auch nicht der Umstand entgegen, daß der Beschwerdeführer wegen des seiner Entlassung zugrundeliegenden Delikts des Amtsmißbrauches gemäß § 302 StGB, einer Straftat, die nur ein "Beamter" im Sinne des § 74 Z. 4 StGB - welcher Begriff allerdings mit jenem des "Beamten" im Sinne des § 1 Abs. 1 BDG 1979 nicht deckungsgleich ist - begehen kann ("echtes Beamtendelikt"), verurteilt worden ist. Zum einen deckt nämlich im Beschwerdefall die Berücksichtigung der Beamteneigenschaft des Täters bei seiner Verurteilung gemäß § 302 StGB nicht den spezifischen disziplinären Unrechtsgehalt der sachgleichen Tat ab, wegen der er gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 bestraft wurde. Zum anderen kann dem Gesetz nicht entnommen werden, daß das Vorliegen eines "disziplinären Überhangs" im Sinne des § 95 Abs. 1 BDG 1979 im Falle einer Verurteilung wegen eines "echten Beamtendelikts" stets zu verneinen wäre. Denn auch die Berücksichtigung der Beamteneigenschaft bei der (strafgerichtlichen) Verurteilung nach dem StGB deckt für sich allein nicht den - im funktionsbeeinträchtigenden Verhalten des Täters gelegenen - spezifisch disziplinären Unrechtsgehalt der sachgleichen Tat ab, die mit einem Verstoß gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 verbunden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1993, Slg. N.F. Nr. 13.917/A).
Der Beschwerdeführer meint weiters, die belangte Behörde übersehe auch, daß der Beschwerdeführer nach Kenntnis der Dienstbehörde von seinen Handlungen von dieser in eine andere Abteilung versetzt und mit anderen Tätigkeiten betraut worden sei. Er habe seine Tätigkeit weiterhin zur vollsten Zufriedenheit seiner Vorgesetzten erledigt und es sei ihm immerhin die Leitung einer Exekutionsabteilung anvertraut worden. Seine Suspendierung sei erst nach seiner Entlassung durch die Behörde erster Instanz, also sieben Monate nach Kenntnis der Dienstbehörde von den ihm vorgeworfenen strafbaren Handlungen erfolgt. Auch seine strafgerichtliche Verurteilung habe die Suspendierung nicht bewirkt. Außerhalb des BDG 1979 sei eine Entlassung nur dann möglich, wenn die Entlassung nach Kenntnis des Entlassungsgrundes unverzüglich erfolge. Die Vornahme der Entlassung dulde keinen Aufschub. Sie müsse sofort erfolgen, sonst sei der Entlassungsgrund verwirkt (OGH, 4 Ob 97/85, INFAS 1986/a34 u.a.). Mehr als ein Jahr nach Kenntnis der Dienstbehörde vom Entlassungsgrund sei die Entlassung jedoch verspätet.
Die belangte Behörde übersehe auch, daß zahlreiche Milderungsgründe bestünden, die letztendlich nicht berücksichtigt worden seien. Der Beschwerdeführer habe den Schaden noch vor Kenntnis der Dienstbehörde zum Großteil gutgemacht. Die Zahlungen seien noch im Jänner 1996 erfolgt, erst am 2. Februar 1996 sei jedoch vom Beschwerdeführer der gesamte Sachverhalt aufgedeckt worden. Der Beschwerdeführer habe ein reumütiges Geständnis geleistet, was ausschließlich zur Aufdeckung sämtlicher von ihm begangenen Handlungen geführt habe. Die belangte Behörde hätte daher sowohl sein Geständnis als auch die von ihm vorgenommene Wiedergutmachung entsprechend berücksichtigen müssen. Das Strafgericht habe ausdrücklich festgestellt, daß ein Schaden nicht entstanden sei; an diese Feststellung sei die belangte Behörde gemäß § 95 Abs. 2 BDG 1979 gebunden.
Der Beschwerdeführer habe sich auch nach den strafbaren Handlungen wohlverhalten und seine Aufgabe der Leitung einer Exekutionsabteilung im Bezirksgericht H. zur vollsten Zufriedenheit seiner vorgesetzten Dienststelle erledigt. Wenn daher tatsächlich ein disziplinärer Überhang vorliege, so hätte mit der Verhängung einer Geldstrafe das Auslangen gefunden werden können.
Auch diese Ausführungen erweisen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
Bei der Strafbemessung ist nach der oben wiedergegebenen Gesetzesbestimmung des § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 vor allem die Schwere der Dienstpflichtverletzung, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, entscheidend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es für die Schwere der Dienstpflichtverletzung maßgeblich, in welchem objektiven Ausmaß gegen Standes- oder Amtspflichten verstoßen oder der Dienstbereich beeinträchtigt wird (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. Juni 1975, Zl. 115/75, Slg. N.F. Nr. 8.853/A, und vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0088).
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 29. September 1992, Zl. 92/09/0025, und vom 11. April 1996, Zl. 95/09/0050) dargelegt hat, ist die Disziplinarstrafe der Entlassung keine Strafe, die der Sicherung der Gesellschaft, der Resozialisierung des Täters oder gar der Vergeltung dient, sondern eine dienstrechtliche Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes. Im Vordergrund steht dabei die Frage des durch die Verfehlung eingetretenen Vertrauensverlustes. Die Gründe für eine solche Unvereinbarkeit lassen sich nur den Anforderungen entnehmen, die das Dienstrecht an einen Beamten stellt. Wird dieser überhaupt nicht mehr der Achtung und dem Vertrauen gerecht, das seine Stellung als Beamter fordert, so hat er das Vertrauensverhältnis zwischen sich und der Verwaltung zerstört und kann auch nicht mehr im Dienst verbleiben. Ist das gegenseitige Vertrauensverhältnis zerstört, so fehlt es an der Grundlage für weitere Differenzierungen und Bemessungserwägungen. Verträgt die Funktion der staatlichen Verwaltung die Weiterbeschäftigung eines Beamten nicht mehr, dann auch nicht teilweise. Hier geht es nicht, wie beim Strafrecht, um die Wiedereingliederung in die soziale Gemeinschaft, sondern um die weitere Tragbarkeit in einem besonderen Dienstverhältnis (vgl. zu diesen Ausführungen und insbesondere zum "Untragbarkeitsgrundsatz" die hg. Erkenntnisse vom 21. Februar 1991, Zl. 90/09/0191, mit zahlreichen Beispielen aus der Vorjudikatur, und vom 7. Mai 1997, Zl. 95/09/0045).
Die belangte Behörde gelangte bei der Prüfung der Frage, ob über den Beschwerdeführer zusätzlich zu der gerichtlichen, gemäß § 43 Abs. 2 StGB auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt aufgeschobenen Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr noch eine Disziplinarstrafe zu verhängen war, unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auffassung, daß wegen Art des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers und der besonderen Umstände, vor allem der engen Bindung seiner dienstlichen Stellung mit der Tätigkeit, die ihm die Gelegenheit zur strafbaren Handlung geboten hat, die Voraussetzung für die Verhängung der Disziplinarstrafe der Entlassung gegeben sind.
Diese Auffassung der belangten Behörde erweist sich als nicht rechtswidrig.
Ein Beamter, der unter Ausnutzung seiner dienstlichen Möglichkeiten und während seines Dienstes, so wie der Beschwerdeführer, ihm dienstlich anvertrautes Geld zum Nachteil jener, zu deren Gunsten er es einzutreiben hat, einbehält, ist grundsätzlich als Beamter nicht mehr tragbar, weil durch eine derartige Straftat nicht nur das Vertrauensverhältnis zu seinen Vorgesetzten, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit zerstört wird. Daran ändert im vorliegenden Fall auch nichts, daß der Beschwerdeführer nach der Aufklärung seiner Straftat - in anderer Verwendung - zunächst im Dienst belassen wurde, weil es - anders als im Zivilrecht - bei der Disziplinarstrafe der Entlassung nach dem BDG 1979 auch auf das öffentliche, für den Dienstgeber nicht disponible Interesse des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der Aufgaben durch den Beamten ankommt. Durfte die belangte Behörde aber die Untragbarkeit des Beschwerdeführers bejahen, so war die Berücksichtigung von Milderungsgründen nicht mehr geeignet, ein anderes Ergebnis herbeizuführen.
Ob und auf welche Weise die strafrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers der Öffentlichkeit bekannt geworden ist, war für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides im übrigen ebensowenig von Bedeutung wie die Frage, ob und welche Funktion der Beschwerdeführer in einem Verein der Gerichtsvollzieher hatte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0174).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Mit Rücksicht auf die Beendigung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erübrigt sich auch ein Ausspruch des Verwaltungsgerichtshofes über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997090183.X00Im RIS seit
07.06.2001