TE Vwgh Beschluss 2020/9/10 Ra 2020/14/0230

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Veröffentlicht am 10.09.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VwGG §34 Abs4
VwGG §46
ZustG §17 Abs2

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/14/0231
Ra 2020/14/0232
Ra 2020/14/0233
Ra 2020/14/0234

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofrätin Mag. Rossmeisel und den Hofrat Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, in den Revisionssachen 1. der A B, 2. des C D, 3. der E F, 4. des G H und 5. des I J, alle in K, alle vertreten durch MMag. Dr. Claus Casati, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b/17, gegen die Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2020, 1. W276 2195890-2/5E, 2. W276 2195741-2/5E, 3. W276 2195895-2/5E, 4. W276 2195880-2/5E und 5. W276 2195897-2/5E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Erstrevisionswerberin stellte für sich und ihre Kinder, die Zweit- bis Fünftrevisionswerber, am 13. November 2017 Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge, soweit sie damit die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begehrten, mit Bescheiden vom 27. November 2017 ab. Es erkannte ihnen jeweils den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

3        Nach dem im Verwaltungsakt erliegenden Rückschein wurde am 29. November 2017 versucht, diese Bescheide der Erstrevisionswerberin (für sich und als gesetzliche Vertreterin der Zweit- bis Fünftrevisionswerber) an ihrer Abgabestelle zuzustellen. Die Verständigung über die Hinterlegung sei in die Abgabeeinrichtung eingelegt und die Sendung zur Abholung bei einer Postgeschäftsstelle hinterlegt worden.

4        Mit Schriftsatz vom 20. März 2018 erhoben die Revisionswerber jeweils Beschwerde gegen die abweisenden Teile der Bescheide des BFA vom 27. November 2017 und stellten in eventu jeweils einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde.

5        Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerden sowie zu den Wiedereinsetzungsanträgen brachten die Revisionswerber vor, dass ihnen die Bescheide postalisch bis dato nicht zugestellt worden seien. Diese seien ihnen erst am 15. März 2018 zugekommen, nachdem sie dem Ehemann bzw. Vater der Revisionswerber auf dessen Ersuchen hin vom BFA ausgehändigt worden seien. Sie würden regelmäßig den Briefkasten kontrollieren, insbesondere der Familienvater sei im Umgang mit Zustellungen und Hinterlegungsanzeigen vertraut und geübt. Sie hätten weder eine Briefsendung des BFA mit den betreffenden Bescheiden noch eine etwaige Verständigung von einer Hinterlegung erhalten. Sie hätten weder auffallend sorglos gehandelt, noch seien sie für einen etwaigen Zustellmangel verantwortlich.

6        Mit Bescheiden vom 16. April 2018 wies das BFA die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab.

7        Mit Erkenntnissen vom 12. Oktober 2018 gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den dagegen erhobenen Beschwerden statt und behob die angefochtenen Bescheide ersatzlos. Es begründete seine Entscheidung damit, dass das BFA für die Erledigung der Wiedereinsetzungsanträge nicht zuständig gewesen sei, weil der Eventualfall (negative Erledigung der Beschwerden gegen die Bescheide vom 27. November 2017) noch nicht eingetreten gewesen sei.

8        Daraufhin legte das BFA mit Verfügung vom 8. Oktober 2019 die Beschwerden der Revisionswerber gegen die Bescheide vom 27. November 2017 dem BVwG zur Entscheidung vor.

9        Mit den nunmehr angefochtenen Beschlüssen wies das Bundesverwaltungsgericht die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab (Spruchpunkt A I.) und die Beschwerden als verspätet zurück (Spruchpunkt A II.). Weiters erklärte es die Revision gegen diese Beschlüsse gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).

10       Das BVwG ging dabei zusammengefasst davon aus, dass die Bescheide nach einem Zustellversuch an der Wohnadresse der Revisionswerber am 29. November 2017 hinterlegt und zur Abholung in der Zustellbasis ab 30. November 2017 bereitgehalten worden seien. Die die Zustellung der Bescheide betreffenden Vorgänge seien gesetzmäßig erfolgt. Es habe kein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis eine solche Zustellung verhindert. Die Anträge auf Wiedereinsetzung seien aufgrund der rechtswirksamen Zustellung abzuweisen. Die Beschwerden seien im Hinblick auf die rechtswirksame Zustellung durch Hinterlegung verspätet. Weiters führte das BVwG aus, dass die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gesetzeskonform, sondern sinnwidrig formuliert gewesen seien: Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setze die Versäumung einer verfahrensrechtlichen Frist voraus, sodass die Stellung eines solchen Antrags „in eventu gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Beschwerde im Grundsatz verdreht und deshalb nicht zulässig sei“.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Die vorliegende Revision richtet sich ausdrücklich gegen den „Beschluss ... über die Abweisung der Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 20.03.2018“. Als Revisionspunkte sind die Verletzung in den einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren (Mündlichkeit des Verfahrens), rechtliches Gehör sowie „Recht auf ein Verfahren vor einem Gericht durch Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und daraus resultierende Erteilung einer Asylberechtigung“ genannt. Bei der Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren und rechtliches Gehör handelt es sich jedoch nicht um Revisionspunkte, die losgelöst von materiellen Rechten geltend gemacht werden können (vgl. etwa VwGH 28.1.2016, Ro 2015/16/0040, mwN). Somit richtet sich die Revision ausschließlich gegen die Abweisung der Wiedereinsetzungsanträge, und lässt die - davon rechtlich trennbare - Zurückweisung der Beschwerden unbekämpft. Dies ergibt sich auch aus dem im Folgenden dargestellten Zulässigkeitsvorbringen.

15       Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, der angefochtene Beschluss weiche in zweierlei Hinsicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. So gehe das BVwG einerseits entgegen der bestehenden Rechtsprechung davon aus, dass die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages „in eventu“ nicht zulässig sei. Andererseits seien die Anträge auf Wiedereinsetzung bei Heranziehung der bestehenden Rechtsprechung zu bewilligen gewesen, weil weder eine auffallende Sorglosigkeit noch irgendeine Art von Verschulden der Revisionswerber erkennbar sei.

16       Entgegen der Ansicht der Revisionswerber hängt das Schicksal der vorliegenden Revisionen nicht von der Lösung dieser Rechtsfragen ab:

17       Den im ersten Teil des Zulässigkeitsvorbringens kritisierten Ausführungen des BVwG zur angeblichen Sinnwidrigkeit und Unzulässigkeit, Wiedereinsetzungsanträge in der vorliegenden Art und Weise zu formulieren, kommt im Ergebnis keine Relevanz zu, weil das BVwG die Wiedereinsetzungsanträge dessen ungeachtet inhaltlich beurteilt und durch Abweisung, also materiell, erledigt hat.

18       Im zweiten Teil des Zulässigkeitsvorbringens wenden sich die Revisionswerber gegen die Beurteilung des BVwG, es lägen die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung nicht vor.

19       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen. Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur im Rahmen der Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers zu untersuchen. An den im Antrag vorgebrachten Grund bleibt die Partei gebunden (vgl. VwGH 11.10.2019, Ra 2019/01/0095, mwN).

20       Die Revisionswerber stützten ihr Wiedereinsetzungsbegehren auf die Behauptung, sie hätten weder eine Briefsendung des BFA noch eine Hinterlegungsanzeige erhalten. Sie machen damit im Ergebnis lediglich einen Zustellmangel (nämlich die Nichteinhaltung des § 17 Abs. 2 Zustellgesetz) geltend. Ein Zustellmangel bildet aber keinen Wiedereinsetzungsgrund (vgl. VwGH 20.12.2016, Ra 2016/20/0330; 17.3.2015, Ra 2014/01/0134; mwN).

21       Die Revision zeigt ein Abweichen von dieser Rechtsprechung nicht auf, sodass schon mangels tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dem Wiedereinsetzungsbegehren der Erfolg zu versagen war.

22       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Auf die Frage der (Un-)Zuständigkeit des BVwG zur Entscheidung über die Wiedereinsetzungsanträge (vgl. VwGH 28.9.2016, Ro 2016/16/0013) war daher nicht mehr einzugehen (diese ist nur bei Zulässigkeit der Revision amtswegig aufzugreifen: vgl. VwGH 3.7.2020, Ra 2020/14/0008, Rn. 17). Die Revision war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 10. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020140230.L00

Im RIS seit

06.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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