Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Dr. Alois Obereder, Rechtsanwalt in Wien VIII, Alser Straße 21, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 31. Juli 1996, Zl. SD 567/96, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 31. Juli 1996 wurde gemäß § 54
Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhältigen Gründe für die Annahme bestünden, daß der Beschwerdeführer in der Jugoslawischen Föderation gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Der Beschwerdeführer sei eigenen Angaben zufolge am 11. Juni 1995 von Ungarn kommend mit Hilfe von Schleppern und mit einem gefälschten Reisepaß in das Bundesgebiet gelangt. Ein von ihm am selben Tag gestellter Antrag auf Asylgewährung sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 26. Juni 1995 abgewiesen worden. Die Asylbehörde sei dabei zu Recht zum Ergebnis gelangt, daß eine asylrechtlich relevante Bedrohung des Beschwerdeführers nicht gegeben wäre. Die Bezirkshauptmannschaft Baden habe ihn mit Bescheid vom 13. Juni 1995 gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 und Abs. 3 des Fremdengesetzes ausgewiesen. In seiner Niederschrift vom 13. Juni 1995 vor einem Organ der Bezirkshauptmannschaft Baden habe der Beschwerdeführer ohne weitere Begründung den Antrag auf Überprüfung der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach "Restjugoslawien" gestellt. Die Erstbehörde habe daher ihrem Bescheid die niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des Bundesasylamtes der Außenstelle Traiskirchen vom 12. Juni 1995 zugrunde gelegt. Dort habe der Beschwerdeführer angegeben, er wäre "Helfer" der Organisation "Mutter Theresa" und seine Aufgabe hätte innerhalb der "LDK" (nach dem Beschwerdevorbringen handelt es sich dabei um die "demokratische Liga von Kosovo (DLK oder LDK)", die "wichtigste politische(r) Partei der albanischen Volksgruppe") darin bestanden, Hilfsbedürftige auszuforschen, damit sie Hilfsgüter erhalten könnten. Anlaß für die Ausreise aus seiner Heimat wäre eine Vorladung der Polizeibehörde nach Prizren am 14. April 1995 gewesen, der er nicht hätte Folge leisten wollen, weil er bereits im September 1994 einer Ladung der Polizei gefolgt, eine Nacht festgehalten und ein zweites Mal im Jänner 1995 im Zuge einer Hausdurchsuchung festgenommen, fünf Stunden lang festgehalten und geschlagen worden wäre. Die Polizei hätte ihn zur Mitarbeit bewegen wollen. Am 17. April 1995 hätte er seine Eltern verlassen und sich zu seinem Onkel nach Brezne begeben, wo er bis zum 1. Juni 1995, dem Zeitpunkt seiner Abreise nach Österreich, geblieben wäre.
Nach Ansicht der belangten Behörde habe die Asylbehörde zu Recht der (vom Beschwerdeführer vorgelegten) Kopie der angeblichen Ladung "die Beweisfähigkeit" abgesprochen. Es sei eine amtsbekannte Tatsache, daß unbeglaubigte Ablichtungen jeder nur erdenklichen Manipulation offenstünden und gerade im Kosovo "jedes nur gewünschte Papier" erhältlich wäre.
Die Hinweise des Beschwerdeführers, jedweder Aktivist sei im Kosovo gefährdet, weil die Behörden jeden mißliebigen Aktivismus ahndeten und es "keine unabhängige Gerichtsgepflogenheit" gäbe, sei ebenfalls nicht zielführend. Die Asylbehörde habe zu Recht darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer in seiner Heimat das Leben eines Bürgers geführt habe, der noch nie "wirkliche Probleme" mit den Behörden und Organen des Staates gehabt habe. Man habe dem Beschwerdeführer seitens der Behörden sogar dadurch Vertrauensbeweise entgegengebracht, daß man ihn offensichtlich für den Polizeidienst rekrutieren wollte. Die behauptete Fluchtbegründung sei daher "nicht logisch".
Zu dem vom Beschwerdeführer behaupteten zweimaligen Polizeigewahrsam und den dabei erlittenen Schlägen sei festzuhalten, daß, wie auch die Asylbehörde festgestellt habe, der Beschwerdeführer jedesmal wieder "ohne irgendwelche Konsequenzen" freigelassen worden sei und daß es sich dabei noch um keine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gehandelt habe. Auch Übergriffe der geschilderten Art durch einzelne Organe begründeten noch keine Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG. Ebenso spreche gegen den Beschwerdeführer, daß er sich nach der Ladung zur Polizei noch bis zum 1. Juni 1995 in seiner Heimat aufgehalten habe und offenbar von der Polizei nicht einmal gesucht worden sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte (im hg. Verfahren zu 96/21/0489) die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde wendet gegen den angefochtenen Bescheid ein, daß kein Ermittlungsverfahren stattgefunden habe, sondern sich die Erstbehörde - und daher auch die sich auf das erstinstanzliche Verfahren stützende belangte Behörde - an die Entscheidung über den Asylantrag des Beschwerdeführers gebunden erachtet hätten.
Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid klar zum Ausdruck gebracht hat, daß sie sich in keiner Weise an den im Asylverfahren ergangenen Bescheid gebunden erachtet hat.
Im übrigen enthält der Erstbescheid - nach Ausweis des Verwaltungsaktes - ebenfalls keinen Hinweis darauf, daß die Erstbehörde ihrerseits eine Bindung an die Entscheidung im Asylverfahren angenommen hätte (auf diese Entscheidung wird im Erstbescheid nicht einmal Bezug genommen); entgegen der Beschwerde hat die Erstbehörde auch keinen Bescheid gemäß § 38 AVG erlassen, mit dem sie das von ihr geführte Verfahren mit Rücksicht auf die Entscheidung im Asylverfahren ausgesetzt hätte.
Unbeschadet dessen war der belangten Behörde - wie die Beschwerde selbst erkennt, aufgrund des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel - eine Berücksichtigung der Ergebnisse des Asylverfahrens nicht verwehrt, war dies doch schon im Hinblick darauf naheliegend, daß im Asylverfahren die behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zu prüfen war (§ 1 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. I Abschnitt A der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955) und § 37 Abs. 2 FrG ebenfalls auf eine Bedrohung von Leben und Freiheit des Fremden aus den genannten Gründen abstellt (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 1994, 94/18/0256). Entgegen der Beschwerde durfte die Behörde somit auch auf die Ergebnisse des im Asylverfahren geführten Ermittlungsverfahrens Bedacht nehmen.
2.1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht ist.
Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhältige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/18/1363).
2.2 Soweit das Beschwerdevorbringen - in ausführlicher Weise - auf die allgemein gespannte Situation im Heimatgebiet des Beschwerdeführers abstellt und diesbezüglich auf - u.a. in seiner Berufung angebotene - Quellen über diese allgemeine Situation verweist, ist dieses nicht geeignet, eine Bedrohung der genannten Art glaubhaft zu machen, läßt es doch mangels Darlegung konkreter, die Person des Beschwerdeführers betreffender, einschlägiger Fakten keinen Schluß auf die Annahme zu, er hätte im Fall seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat dort mit der Gefahr unmenschlicher Behandlung oder Todesstrafe (§ 37 Abs. 1 FrG) oder/und mit der Bedrohung seines Lebens oder seiner Freiheit aus den im § 37 Abs. 2 leg. cit. genannten Gründen zu rechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1997, Zl. 95/18/0381). Der Beschwerde ist weiters entgegenzuhalten, daß der bloße Hinweis auf seine Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe im Kosovo, zum muslimischen Glauben bzw. zu einer politischen Partei nicht ausreicht, um eine den Beschwerdeführer individuell betreffende aktuelle Verfolgungssituation darzutun (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 4. September 1997). Auch die vom Beschwerdeführer geschilderten und von der Behörde als erwiesen angenommenen Maßnahmen der Polizei gegen den Beschwerdeführer (zweimalige Festnahme des Beschwerdeführers durch die Polizei, wobei er bei seiner zweiten Festnahme auch geschlagen worden sei) - selbst wenn es sich dabei nicht um Übergriffe von Einzelpersonen gehandelt haben sollte - lassen im Hinblick auf deren Art und Intensität nicht den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr in sein Heimatland dort einer Gefahr im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG und/oder einer Bedrohung im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG ausgesetzt wäre. Diese vom Beschwerdeführer behaupteten nicht weiter bescheinigten Vorkommnisse, die im Zeitpunkt der Abreise des Beschwerdeführers nach Österreich (am 1. Juni 1995) zudem etwa neun bzw. fünf Monate zurücklagen, sind Maßnahmen, auf die sich die Wahrscheinlichkeit einer nunmehrigen Gefährdung und/oder Bedrohung im Sinn der genannten Bestimmungen nicht nachvollziehbar gründen läßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1997, Zl. 97/18/0454).
Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Gefährdung und/oder Bedrohung des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Regelungen des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG als nicht gegeben erachtete. Daran kann die Behauptung des Beschwerdeführers nichts ändern, daß die Vorgangsweise der Polizei dadurch motiviert gewesen wäre, ihn zu Spitzeldiensten für die Polizei zu bewegen.
3.1. Der Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte aufgrund der vom Beschwerdeführer im Asylverfahren gemachten Angaben den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt, mangelt die Relevanz hinsichtlich der Dartuung einer Gefährdung und/oder Bedrohung nach § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG schon deshalb, weil die vom Beschwerdeführer dazu als "Beweise" angebotenen Gutachten des Ludwig-Boltzmann-Institutes und von amnesty international - als Quellen über die allgemeine politische und menschenrechtliche Situation im Kosovo - sowie der Hinweis auf die allgemeine Situation der Kosovo-Albaner konkrete, die Person des Fremden betreffende Angaben nicht ersetzen können (vgl. Punkt II.2.1.). Die Beschwerde tut auch nicht dar, welche (weiteren) Ermittlungen von der belangten Behörde zum Vorliegen einer Bedrohung und/oder Gefährdung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG hätten gepflogen werden müssen.
3.2. Bei diesem Ergebnis ist auch der - als Verfahrens- wie auch Rechtsrüge ausgeführte - Vorwurf, die belangte Behörde sei davon ausgegangen, daß "die Beweislast zur Gänze beim Beschwerdeführer" liege, nicht zielführend.
4. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde zur Gänze als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Aufwandersatz war nur in der Höhe der Hälfte des dort genannten Pauschalsatzes für Vorlageaufwand zuzusprechen, weil sich der vorgelegte Verwaltungsakt auch auf einen anderen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall bezieht, über den ein anderer nach der Geschäftsverteilung des Verwaltungsgerichtshofes zuständiger Senat zu entscheiden hat (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/11/0103).
Schlagworte
Beweismittel Grundsatz der UnbeschränktheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996180612.X00Im RIS seit
20.11.2000