TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/27 W102 2222230-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.05.2020
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Entscheidungsdatum

27.05.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W102 2222230-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 04.07.2019, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.10.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 18.09.2018 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 19.09.2018 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, er habe sich wegen der Taliban in Lebensgefahr befunden, sie würden ihn töten.

Mit Aktenvermerk vom 09.10.2018 wurde das Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 AsylG eingestellt. Am 06.05.2019 wurde der Beschwerdeführer nach Art. 31 Abs. 4 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 von Deutschland rücküberstellt.

Am 06.05.2019 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen, der Beschwerdeführer vom Verfahrensstand in Kenntnis gesetzt und die Einvernahme wegen Müdigkeit des Beschwerdeführers unterbrochen und auf einen neuen Termin verlegt.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 08.05.2019 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die Taliban hätten ihn erstmals 2017 wegen seines Berufes bedroht, sie hätten über den Malek ausrichten lassen, Englischunterricht sei gegen den Islam. Der Beschwerdeführer habe die Dorfältesten von seinem Unterricht überzeugt und diese hätten mit den Taliban gesprochen. Am XXXX sei der Beschwerdeführer von den Taliban angerufen worden. Sie hätten mitgeteilt, er sei angezeigt und solle am nächsten Tag zu ihnen kommen. Der Beschwerdeführer sei nicht zu den Taliban gegangen und habe am Tag darauf einen Drohbrief vor der Haustür gefunden. Darin habe gestanden, er sei wegen der Vergewaltigung eines Mädchens angezeigt und sei in Abwesenheit entschieden worden, dass er getötet werden solle. Der Beschwerdeführer habe sich an den Schulleiter gewandt, dieser habe dem Beschwerdeführer schriftlich bestätigt, dass er unschuldig sei, könne aber nichts machen. Mit Drohbrief und Schriftstück sei der Beschwerdeführer nachhause gegangen und habe seinen Vater in Kenntnis gesetzt. Gegen Mitternacht hätten die Taliban an die Tür geklopft, der Beschwerdeführer sei über den Stall aus dem Haus geflüchtet und lief zum Haus des Malek, der den Beschwerdeführer mit neuer Kleidung versorgte und mit dem Auto nach XXXX brachte. Von dort aus sei der Beschwerdeführer nach Kabul zu seiner Schwester weitergefahren. Dort sei am 23.05.2018 der Schwager vom Vater des Beschwerdeführers angerufen und gewarnt worden, der Vater sei bis heute bei den Taliban gewesen und habe ihnen Adresse und Telefonnummer des Schwagers gegeben. Der Beschwerdeführer sei dann zum Bruder des Schwagers gegangen und die Taliban hätten den Schwager aufgesucht. Der Beschwerdeführer sei dann ausgereist. Der Vater sei erneut von den Taliban festgenommen worden und der Bruder des Beschwerdeführers in Herkunftsdorf gekommen und habe sich gegen den Vater eingetauscht.

Am 20.05.2019 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde ein.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.07.2019, zugestellt am 09.07.2019, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, es würden zunächst keine Gründe vorliegen, warum der Beschwerdeführer nicht den staatlichen Schutz seines Herkunftsstaates in Anspruch nehmen könne. Das Vorbringen sei nicht glaubhaft, zudem führt die Behörde einige Widersprüche im Detail an.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.07.2019 richtet sich die am 02.08.2019 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde, in der im Wesentlichen ausgeführt wird, Ermittlungsverfahren und Länderfeststellungen seien mangelhaft. Der Beschwerdeführer werde durch die Taliban verfolgt und sei als Lehrer besonders gefährdet. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage, die Bevölkerung effektiv zu schützen. Die Beweiswürdigung sei mangelhaft, die belangte Behörde habe eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Fluchtvorbringens in Auseinandersetzung mit den Länderberichten unterlassen. Der Beschwerdeführer fürchte Verfolgung aufgrund seiner (unterstellten) politischen Gesinnung.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 28.10.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter, ein Vertreter der belangten Behörde und eine Dolmetscherin für die Sprache Paschtu teilnahmen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde wegen seiner Tätigkeit als Lehrer von den Taliban verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Tazkira

* Diverse afghanische Zertifikate und Zeugnisse

* Drohbrief

* Bestätigung der Schulleitung

* Teilnahmebestätigung für Deutschkurs

* Kurszertifikat

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er spricht auch Dari und Englisch.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist in XXXX , Distrikt Surkh Rud, Provinz XXXX geboren und aufgewachsen. Er hat im Herkunftsstaat in XXXX zwölf Jahre die Schule besucht und 2015 abgeschlossen. Zudem hat der Beschwerdeführer Englisch- und Computerkurse besucht. Anschließend hat der Beschwerdeführer an der Universität XXXX zwei Jahre Englisch und Literatur studiert und als Lehrer für Englisch und EDV in der Mädchenschule im Herkunftsdorf gearbeitet.

Der Beschwerdeführer lebte im Haushalt seiner Eltern im eigenen Haus der Familie sowie zur Zeit des Schulbesuches bei seiner Schwester in XXXX . Er hat zwei ältere Brüder und sieben Schwestern.

Die Familie besitzt auch landwirtschaftliche Grundstücke und bezog ihr Einkommen aus der Pacht für diese Grundstücke sowie aus der Tätigkeit des Beschwerdeführers und seines Bruders. Dieser arbeitete als Grenzpolizist in Helmland.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer war ab dem Jahr 2015 als Englisch- und EDV-Lehrer in der Mädchenschule des Herkunftsdorfes beschäftigt.

Der Beschwerdeführer wurde erstmals im Jahr 2017 telefonisch und über den "Malek" aufgefordert, den Englischunterricht einzustellen, weil er gegen den Islam stehe. Der Beschwerdeführer würde damit westliche Ideologie von Ungläubigen verbreiten. Der Beschwerdeführer konnte den "Malek" und die Dorfältesten von seinem Unterricht überzeugen und diese willigten ein, mit den Taliban zu sprechen. Der Beschwerdeführer konnte zunächst weiter unterrichten.

Am XXXX erhielt der Beschwerdeführer einen Anruf der Taliban, er sei angezeigt worden und solle am nächsten Tag zu ihnen kommen. Der Beschwerdeführer kam nicht und fand am Folgetag einen "Drohbrief", in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er in Abwesenheit wegen der Vergewaltigung einer Schülerin zum Tode verurteilt worden sei. Er wandte sich um Hilfe an den Schulleiter, der ihm schriftlich seine Unschuld bestätigte und ging nachhause. In der Nacht klopften Taliban an die Tür des Hauses. Der Beschwerdeführer flüchtete kurz bevor sein Vater die Tür öffnete über eine Tür zum Stall und die Felder und Gärten der Nachbarn in das Haus des "Malek". Dieser brachte den Beschwerdeführer am Folgetag mit seinem Auto nach XXXX , von wo aus der Beschwerdeführer mit dem Linientaxi nach Kabul zu seiner Schwester fuhr.

Am 23.05.2018 wurde der Schwager des Beschwerdeführers vom Vater des Beschwerdeführers angerufen. Dieser warnte den Beschwerdeführer, er sei von den Taliban festgehalten worden und habe ihnen Telefonnummer und Adresse des Schwagers mitgeteilt.

Der Beschwerdeführer flüchtete daraufhin zum Bruder des Schwagers und die Taliban kamen zum Schwager des Beschwerdeführers und fragten dort nach dem Beschwerdeführer. Dann reiste der Beschwerdeführer aus.

Im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen dem Beschwerdeführer von Seiten der Taliban Übergriffe und Misshandlungen bis hin zur Tötung, weil er von diesen unter dem Vorwand eines Vergewaltigungsvorwurfes wegen seiner Tätigkeit als Lehrer und der ihm deshalb zugeschriebenen politischen und religiösen Einstellung zum Tode verurteilt wurde. Dass der Beschwerdeführer sich dieser Gefahr zuverlässig durch Umzug in einen anderen Landesteil entziehen kann, ist nicht zu erwarten.

Mit Schutz der afghanischen Behörden vor Übergriffen der Taliban kann der Beschwerdeführer nicht rechnen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinen sonstigen Sprachkenntnissen ergeben sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren. Auch die belangte Behörde legte diese Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zugrunde.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Gleichbleibend gab der Beschwerdeführer auch an, aus dem festgestellten Dorf zu stammen und zwölf Jahre die Schule besucht zu haben. Zu seinen Kursen hat der Beschwerdeführer außerdem Zertifikate in Kopie vorgelegt. Auch die Behörde zweifelte nicht am Schulabschluss des Beschwerdeführers.

Dazu, dass der Beschwerdeführer anschließend an die Schule ein Studium besucht und als Lehrer gearbeitet hat, führt die belangte Behörde lediglich aus, aufgrund fehlender Dokumente und Unterlagen hätte nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer an einer Universität studiert habe (AS 374). Dazu, dass der Beschwerdeführer nicht als Lehrer gearbeitet haben könne, führt die Behörde ebenso aus, aufgrund fehlender Beweismittel, sowie der fehlenden Lehrerausbildung habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer als Lehrer gearbeitet habe (AS 375). Ein Studium nehme Zeit in Anspruch, dass der Beschwerdeführer gleichzeitig als Lehrer fungiert und auch studiert habe, sei unwahrscheinlich. Hiermit legt die Behörde jedoch nicht nachvollziehbar dar, warum sie alle Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich Identität und Lebenswandel mit Ausnahme jenes Aspektes, der im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen steht, ihrer Entscheidung zugrunde legt, obwohl der Beschwerdeführer seinen Lebenswandel durchgehend gleichbleibend und konsistent schildert. Das Bundesverwaltungsgericht kommt viel mehr angesichts der konsistenten und gleichbleibenden Schilderungen des Beschwerdeführers - auch unter Berücksichtigung der beweiswürdigenden Erwägungen zum Fluchtvorbringen; hierzu unter 2.2. - zu dem Schluss, dass auch die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich Studium und Arbeit als Lehrer glaubhaft sind. Am Rande ist zudem anzumerken, dass das Herkunftsdorf des Beschwerdeführers in unmittelbarer Nähe zu XXXX und zur vom Beschwerdeführer genannten Universität liegt und dass ansonsten nicht ersichtlich ist, warum es unwahrscheinlich sein sollte, dass der Beschwerdeführer studiert und dennoch unterrichtet hat, um zum Familieneinkommen beizutragen. Zudem vermochte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 28.10.2019 plausibel darzulegen, dass er aufgrund des Lehrkräftemangels im Herkunftsstaat auch ohne abgeschlossene Ausbildung als Lehrer eingestellt wurde (Verhandlungsprotokoll, OZ 7, S. 4). Aus dem von der belangten Behörde selbst herangezogenen Bericht geht auch hervor, dass nur 43 % der LehrerInnen in Afghanistan die Voraussetzung der Mindestausbildung für Lehrkräfte erfüllen, bestätigt wird auch der vom Beschwerdeführer angegebene Lehrkräftemangel (ACCORD: Das Schulsystem in Afghanistan von Dezember 2016, insbesondere AS 186). Damit sind die Ausführungen des Behördenvertreters in der mündlichen Verhandlung, "Es ist für das BFA nicht nachvollziehbar, warum sie ohne Ausbildung als Lehrer fungieren können." (Verhandlungsprotokoll, OZ 7, S. 11) vor dem Hintergrund der Länderberichte nicht haltbar.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer ansonsten im Haushalt seiner Eltern bzw. während des Schulbesuches auch bei seiner Schwester in XXXX lebte, beruht auf seinen plausiblen Angaben. Seine Geschwister hat der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 08.05.2019 aufgezählt (AS 97-98) und dort auch die Angaben zu Grundbesitz und Familieneinkommen gemacht (AS 99).

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zu den die Ausreise auslösenden Ereignissen beruhen auf den im Kern gleichbleibenden, konsistenten Angaben des Beschwerdeführers, die sich vor dem Hintergrund der Länderberichte als plausibel erweisen.

So berichtet die EASO, Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge EASO Country Guidance), dass Personal von Bildungseinrichtungen Übergriffen der Taliban ausgesetzt sein könne, wobei der Einschätzung von EASO zufolge die individuelle Gefährdung von verschiedenen Faktoren, wie etwa der Herkunft aus einem umkämpften Gebiet, der Weigerung des Individuums oder der Institution, den Richtlinien bzw. dem Curriculum der Aufständischen nachzukommen, Verbindungen zu ausländischen Geldgebern etc., abhängt (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 7. Educational personnel, S. 54-55). Auch die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) berichten, dass weiterhin gezielte Angriffe auf Bildungseinrichtungen stattfinden, insbesondere im Zusammenhang mit Bildung für Mädchen. Diese würden mehrheitlich den Taliban zugeschrieben (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 10. Kinder mit bestimmten Profilen oder Kinder, die unter bestimmten Bedingungen leben, Buchstabe c) Systematische Verweigerung des Zugangs zu Bildung, S. 96).

Betont wird in der EASO Country Guidance insbesondere, dass Ziel der Aufständischen nicht ist, die Schulen zu schließen. Diese würden unter Druck gesetzt und versucht werden, die Kontrolle über sie zu erlangen. Auf lokaler Ebene komme es zu häufig Übereinkünften zwischen Bildungseinrichtungen und Aufständischen (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 7. Educational personnel, S. 54). Damit zeugt die Spekulation des Vertreters belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, "Es ist umso bemerkenswerter, dass eine Mädchenschule in Nangarhar möglich ist. Warum wurden Sie bedroht als Lehrer in einer Mädchenschule und warum wurde nicht gleich die Schule geschlossen? Sie sind nicht der einzige Lehrer an dieser Schule." von einer auffallenden Unkenntnis der Länderberichte. Insbesondere steht auch die Schilderung des Beschwerdeführers, der zufolge er die Bedrohung im Jahr 2017 mithilfe der Dorfältesten zunächst abwenden konnte, im Einklang mit den Länderberichten. So ist im EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 nachzulesen, dass Lehrkräfte in ländlichen Gebieten oft aus lokalen Gemeinden stammen und daher oft selbst in unter der Kontrolle der Taliban stehenden Gebieten toleriert würden, wenn sie sich nicht gegen die Taliban äußern. Dies weil die Taliban sich bei der Fürsorge für die lokale Gemeinschaft als praktikable Alternative zur afghanischen Regierung präsentieren wollten, weswegen die Tatsache, dass jemand Lehrer oder Beschäftigter des Bildungsministeriums ist, allein, nicht zu gezielten Angriffen führt. Die Taliban könnten lokale Lehrkräfte nicht so einfach aus dem Weg räumen (1.2.4.3 Die Einstellung der Taliban zum Thema Bildung seit 2017, S. 41-42). Somit ist auch die Schilderung des Beschwerdeführers, die Taliban hätten eine Vergewaltigung als Vorwand benutzt, um ihn zum Tode zu verurteilen, dies würde aber mit seiner Tätigkeit als Lehrer zusammenhängen, plausibel. Der Beschwerdeführer gab an, die Taliban hätten ihm vorgeworfen, seine Fächer (Englisch und EDV) seien gegen den Islam ausgerichtet (Verhandlungsprotokoll, OZ 7, S. 6), was sich etwa vor dem Hintergrund der UNHCR-Richtlinien, aus denen sich ergibt, dass sich die Taliban gegen alles wenden, was sie für unislamisch, westlich und ausländisch halten, bestätigt (insbesondere Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile). EASO zufolge steht die Gefahr, der Personal von Bildungseinrichtungen ausgesetzt ist, üblicherweise im Zusammenhang mit dem Vorwurf einer politischen Gesinnung, allenfalls im Zusammenhang mit der Religion, dies insbesondere im Fall von Individuen, die ein Curriculum verwenden, dass der Islaminterpretation der Aufständischen widerspricht (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 7. Educational personnel, S. 55). Zudem stammt der Beschwerdeführer aus einem Gebiet mit starker Talibanpräsenz (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 18.05.2020 [in der Folge: Länderinformationsblatt], Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.22.Nangarhar sowie EASO COI Report, Afghanistan: Security situation von Juni 2019, Kapitel 2.23 Nangarhar, S. 211 ff.). Weiter betont der EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 die Fragilität von lokal ausgehandelten Vereinbarungen, diese seien keine Garantie für den Schutz lokaler Lehrkräfte (Kapitel 1.2.4.3 Die Einstellung der Taliban zum Thema Bildung seit 2017, S. 43).

In einer Gesamtschau sind die von EASO angesprochenen Risikofaktoren in der individuellen Situation des Beschwerdeführers verwirklich. So stammt er aus einem umkämpften Gebiet, hat an einer Mädchenschule EDV und Englisch unterrichtet und sich den Forderungen der Taliban zunächst mithilfe der Dorfältesten erfolgreich widersetzt. Zudem konnte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht mit seinen lebendigen und detailreichen Schilderungen überzeugen. Er legte seine Ausreisegründe von sich aus umfassend dar, sobald ihm das Wort erteilt wurde und antwortete auf Nachfragen ebenso umfassend und nicht ausweichend.

Im Ergebnis ist dem Beschwerdevorbringen, demzufolge die belangte Behörde eine gesamtheitliche Auseinandersetzung mit dem Fluchtvorbringen vor dem Hintergrund der Länderberichte unterlässt, zuzustimmen. So beschränkt sich die belangte Behörde darauf, unbedeutende, teilweise vermeintliche Widersprüche übertrieben hervorzuheben und Spekulationen über die übliche Vorgehensweise der Taliban anzustellen, statt sich mit der tatsächlichen Vorgehensweise, wie sie aus den Länderberichten hervorgeht, auseinanderzusetzen.

Dazu, dass nicht zu erwarten ist, dass der Beschwerdeführer sich der Gefahr von Seiten der Taliban zuverlässig durch Umzug in einen anderen Landesteil entziehen kann, ist zunächst auf die UNHCR-Richtlinien zu verweisen. Diese gehen hinsichtlich der Taliban von einem geografisch großen Wirkungsradius aus und davon, dass sich eine Person diesen nicht durch Umzug innerhalb des Landes entziehen kann (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 1. Analyse der Relevanz, S. 120-121). Zudem ergibt sich aus dem Landinfo report Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne von 23.08.2017, dass die Taliban über ein landesweites Informationsnetzwerk verfügen. Dies bestätigt auch die EASO Country Guidance, die zur Reichweite der Taliban berichtet, dass ihre Informationsnetzwerke und ihr Geheimdienst bis in die afghanischen Städte reichen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel I. Actors of persecution, Abschnitt Insurgent groups, S. 44-45). Auch berichtet wird vom Vollzug gezielter Tötungen in den Städten, sowie von Talibankampagnen gezielter Gewalt (EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen, Kapitel 1.1.4.1 Das Ziel der Kampagne gezielter Gewalt durch die Taliban, S. 18). Insbesondere würden die Taliban in Städten auch Personen angreifen, die keine besonders hohe öffentliche Stellung haben. Derartige Angriffe würden bloß der Demonstration dienen, wie weit der Arm der Taliban reiche, um andere bedrohte Einzelpersonen einzuschüchtern (EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan. Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen, Kapitel 1.1.5.5 Unterschiede zwischen Stadt und Land, S. 27). Angesichts dieser Reichweite ist nicht ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer in einer andere (sicher erreichbaren) Region des Herkunftsstaates dauerhaft gefahrlos und unbehelligt niederlassen könnte. Überdies ergibt sich hieraus auch, dass auch künftig Übergriffe von Seiten der Taliban zu erwarten sind.

Die UNHCR-Richtlinien berichten, dass die Umsetzung der Menschenrechte mangelhaft bleibt und die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit als besonders schwach wahrgenommen wird. Die Fähigkeit der Regierung, Menschenrechte zu schützen, werde untergraben, das förmliche Justizsystem sei schwach und unfähig, Zivil- und Strafverfahren effektiv und zuverlässig zu entscheiden. Die Korruption sei groß und es herrsche ein Klima der Straflosigkeit. Täter von Menschenrechtsverletzungen würden selten zur Rechenschaft gezogen (Abschnitt II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Kapitel C. Die Menschenrechtssituation, Unterkapitel 2. Die Fähigkeit und Bereitschaft des Staates, Zivilisten vor Menschenrechtsverletzungen zu schützen, S. 34 f.). Im Wesentlichen inhaltsgleich berichtet auch das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, von der Lage hinsichtlich Menschenrechte, Justiz etc. (siehe insbesondere Kapitel 3. Rechtsschutz/Justizwesen und Kapitel 10. Allgemeine Menschenrechtslage). Auch die EASO Country Guidance schätzt die Durchsetzung der Gesetze sowie die afghanische Justiz im Allgemeinen als schwach ein. Die Behörden seien generell nicht in der Lage, Verfolgungsakte und schwere Übergriffe effizient zu ermitteln, zu verfolgen und zu bestrafen (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel IV. Actors of protection, Abschnitt The State, S. 122-124). Demnach entspricht die Erwartung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer sich an die Polizei hätte wenden müssen, nicht der afghanischen Lebensrealität. Folglich wurde auch festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Schutz der afghanischen Behörden vor Übergriffen der Taliban nicht rechnen kann.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den "EASO-Richtlinien" verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Fluchtvorbringen einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der Religion und der politischen Gesinnung

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Übergriffe und Misshandlungen von Seiten der Taliban bis hin zur Tötung drohen, weil er von diesen unter dem Vorwand eines Vergewaltigungsvorwurfes wegen seiner Tätigkeit als Lehrer und der ihm deshalb zugeschriebenen politischen und religiösen Einstellung zum Tode verurteilt wurde. Wie ebenso festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, kann der Beschwerdeführer nicht mit Schutz der afghanischen Behörden vor Übergriffen der Taliban rechnen.

Damit konnte der Beschwerdeführer glaubhaft machen, dass ihm im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat aus Gründen der Religion und der politischen Gesinnung asylrelevante Verfolgung durch Privatpersonen im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes droht, wobei staatlicher Schutz nicht verfügbar ist.

3.2. Zum Nichtvorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Nach § 3 Abs. 3 Z 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden, nämlich die Frage, ob Schutz gewährleistet ist, sowie die Frage, ob dem Asylwerber der Aufenthalt in diesem Gebiet zugemutet werden kann (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN). Diese beiden Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen.

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt ist nicht zu erwarten, dass sich der Beschwerdeführer der von den Taliban ausgehenden Gefahr durch Umzug in einen anderen Landesteil entziehen kann.

Damit steht dem Beschwerdeführer mangels Verfügbarkeit von Schutz iSd § 11 Abs. 1 AsylG in einem Teil des Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung. Eine Auseinandersetzung mit der Zumutbarkeit des Aufenthaltes in einem möglichen Neuansiedelungsgebiet erübrigt sich sohin, wobei auch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen ist, der in der Vergangenheit der Annahme fehlenden Schutzes iSd § 11 AsylG vor Talibanverfolgung in Afghanistan nicht entgegentrat, sofern er diese Schlussfolgerung auf solide beweiswürdigende Grundlage gestellt sah (Vgl. etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0330).

3.3. Zum Nichtvorliegen eines Asylausschlussgrundes

Nach § 3 Abs. 2 Z 2 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn der Fremde einen Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG gesetzt hat. Dass der Beschwerdeführer einen Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 1 bis 4 AsylG gesetzt hat, ist im Verfahren nicht hervorgekommen.

3.4. Zur Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Die Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht des Asylberechtigten unmittelbar kraft Gesetzes bestimmt. Die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter hat somit nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht zu erfolgen. Auch gemäß § 3 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 kommt dem Asylberechtigten eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung zu, ohne dass eine darüberhinausgehende Erteilung dieser Berechtigung vorzunehmen wäre (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373).

Dem Beschwerdeführer war daher spruchgemäß nach § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Ihm kommt damit unmittelbar kraft Gesetzes (VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0373) eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu, die (vorerst) für drei Jahre gilt.

4. Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegt. Hinsichtlich des Fluchtvorbringens folgt das Bundesverwaltungsgericht der unter 3.1. zitierten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtes zum Themenkomplex der privaten Verfolgung (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN und VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN). Für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts waren dagegen beweiswürdigende Erwägungen maßgeblich, wobei anzumerken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof der Annahme fehlenden Schutzes iSd § 11 AsylG vor Talibanverfolgung in Afghanistan nicht entgegentritt, sofern er diese Schlussfolgerung auf solide beweiswürdigende Grundlage gestellt sieht (Vgl. etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0330).

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung befristete Aufenthaltsberechtigung Lehrer Religion Schutzunfähigkeit unterstellte politische Gesinnung wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W102.2222230.1.00

Im RIS seit

15.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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