TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/5 W154 2155527-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2020
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Entscheidungsdatum

05.05.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs3
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W154 2155527-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.05.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung durch die Richterin Mag. Helga KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. VR China, vertreten durch RA Mag. UMSCHADEN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.04.2017, Zl. 1138167304-170511932, die Anordnung der Schubhaft sowie die fortdauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 28.04.2017 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 76 Abs. 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013 hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von ? 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer reiste im Dezember 2016 illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten ein und stellte am 17.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei seiner Erstbefragung am 17.12.2016 gab er im Wesentlichen an, er sei am 12.12.2016 auf dem Luftweg nach Wien Schwechat gekommen. Dort sei ihm von seinem Schlepper der Reisepass abgenommen worden. Er wolle in Österreich bleiben und hier arbeiten. Er habe gehört, dass man hier gut verdienen könne. Er habe sein Land verlassen, weil er als Bauarbeiter in China keine Arbeit mehr gefunden habe. Es bestehe keine konkrete Bedrohung seiner körperlichen Sicherheit. Er habe sich für die Schleppung 80.000 Yuan von einem Bekannten geliehen, diese müsse er erst verdienen, bevor er nach China zurückkehren könne. Er könne von den Gläubigern geschlagen werden, wenn er das Geld nicht zurückzahle.

2. Am 28.12.2016 wurde dem Bundesamt seitens des Quartiergebers des Beschwerdeführers mitgeteilt, dass er seit dem 22.12.2016 nicht mehr im Verteilungsquartier aufhältig sei. Er sei unbekannt abgängig und daher aus der Grundversorgung entlassen worden. Die Ladung zur Einvernahme habe daher nicht zugestellt werden können.

3. Mit Bescheid vom 02.01.2017 des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Zl. 1138167304-161692296 wurde I.) der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 17.12.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen, II.) gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat China abgewiesen, III.) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt und ausgesprochen, dass gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach China gemäß § 46 FPG zulässig sei. IV.) Gemäß § 55 Abs. 1 und 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Begründend führte das Bundesamt aus, die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Er habe keinen aufrechten Wohnsitz in Österreich. Er besitze keine Berufsausbildung. Er sei gesund. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer China aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen habe.

Der Bescheid wurde durch öffentliche Bekanntmachung gemäß § 25 ZustellG zugestellt.

4. Aus einem Aktenvermerk der Polizeiinspektion Bruck an der Mur vom 23.01.2017 geht hervor, dass laut Auskunft des LKA Steiermark der Verdacht bestanden habe, dass sich der Beschwerdeführer in einem China-Restaurant in Bruck an der Mur aufhalte. Es sei eine fremdenrechtliche Kontrolle im genannten Lokal durchgeführt werden. Der Beschwerdeführer wies sich beim Aufgriff mit seiner Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG aus. Zur weiteren Abklärung des fremdenrechtlichen Status sei der Beschwerdeführer auf die Polizeiinspektion verbracht worden. Seitens des Bundesamtes sei mitgeteilt worden, dass der Beschwerdeführer nicht festzunehmen sei und seitens des Bundesamtes keine fremdenpolizeilichen Maßnahmen gesetzt würden. Der Beschwerdeführer wurde auf die Abholung des Bescheides hingewiesen und ihm die Beschwerdefrist mitgeteilt.

Seit dem 30.01.2017 war der Beschwerdeführer beim Flüchtlingsprojekt Ute Bock obdachlos gemeldet.

Aus einem Kurzbrief des SPK Favoriten vom 14.03.2017 an das Bundesamt ergibt sich jedoch, dass keine postalische Erreichbarkeit besteht.

Am 19.04.2017 buchte das Bundesamt einen Flug für den Beschwerdeführer nach Peking am 28.04.2017.

Am 19.04.2017 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Festnahmeauftrag an die Landespolizeidirektion Wien gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG. Für die Erlassung desselben sei maßgebend gewesen, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung bestehe und er seiner Ausreiseverpflichtung bisher nicht nachgekommen sei. Die Abschiebung sei für den 28.04.2017, um 17:40 geplant. Das Heimreisezertifikat werde rechtzeitig an das PAZ übermittelt werden. Die Ausreise werde nun unter Anwendung von Zwangsmitteln (Festnahme und Abschiebung) durchgeführt. Die Abschiebung solle innerhalb von 72 Stunden nach Festnahme stattfinden.

Ebenfalls am 19.04.2017 erließ das Bundesamt einen Durchsuchungsauftrag gemäß § 35 Abs. 1 BFA-VG an die Landespolizeidirektion Wien zum Betreten und Durchsuchen der Räumlichkeiten, an denen der Beschwerdeführer behördlich gemeldet sei.

Darüber hinaus werde per Abschiebeauftrag - Luftweg ersucht, den Beschwerdeführer zeitgerecht zwecks unbegleiteter Abschiebung zum Flughafen Schwechat zu verbringen.

Am 27.04.2017 berichtete die Landespolizeidirektion Wien, dass den Aufträgen nicht entsprochen habe werden können, da der Beschwerdeführer bereits seit Längerem verzogen sei. Der neue Aufenthaltsort des Beschwerdeführers habe nicht eruiert werden können.

5. Am 28.04.2017 berichtete die Fremdenpolizei, dass der Beschwerdeführer am selben Tag festgenommen worden sei. Er sei in das Polizeianhaltezentrum verbracht worden.

6. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 28.04.2017 im Polizeianhaltezentrum, gab der Beschwerdeführer an, er sei gesund und könne der Einvernahme folgen. Er habe ein Schreiben bei der Festnahme erhalten, jedoch den Inhalt nicht verstanden. Er habe die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr nicht in Anspruch genommen, weil er keine Möglichkeit habe - kein Geld und keine Dokumente. Er wohne im 15. Bezirk in Wien. Seit dem Vortag sei er dort abgemeldet. Er wohne seit dem Vortag nicht mehr dort und habe keinen fixen Schlafplatz. Es würden noch weitere drei männliche Chinesen an dieser Adresse wohnen, deren Namen kenne er aber nicht. Er werde von Landsleuten unterstützt. Er habe knapp über 100 Euro. Er gehe keiner Beschäftigung nach. Er verfüge nicht über eine Krankenversicherung. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen. In China würden seine Eltern leben. Sie würden miteinander telefonieren. Er sei seit Dezember 2016 durchgehend in Österreich.

Der Beschwerdeführer stellte einen weiteren Asylantrag.

Er spreche kein Deutsch und habe auch keinen Kurs absolviert. Er wolle in Österreich bleiben, weil er kein Geld habe und in China auch Schulden.

7. Am 28.04.2017 erließ das Bundesamt gegen den Beschwerdeführer den im Spruch angeführten Mandatsbescheid, mit dem gemäß § 76 Abs. 1 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung und der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung über ihn angeordnet wurde.

Begründend führte die Behörde aus, für den Beschwerdeführer sei am 04.04.2017 ein Heimreisezertifikat ausgestellt worden. Er sei nicht behördlich gemeldet. Er sei gesund, nicht krankenversichert und gehe keiner legalen Beschäftigung nach. Er habe die Zeit seit Dezember 2016 in Österreich nicht genützt, um Integrationsschritte zu setzen. Es liege begründet Fluchtgefahr vor: Der Beschwerdeführer habe sich dem Verfahren entzogen und seinen Aufenthalt im Verborgenen verbracht. Er sei zwar behördlich gemeldet gewesen, jedoch sei bei einem Versuch ihn an der angeführten Adresse festzunehmen, festgestellt worden, dass er dort nicht wohnhaft sei. Am 28.04.2017 habe er einen neuerlichen Asylantrag gestellt und angegeben, in China weder politisch, noch strafrechtlich verfolgt zu werden. Mit der Erlassung eines gelinderen Mittels könne in seinem Fall nicht das Auslangen gefunden werden.

Aus einem Aktenvermerk des Bundesamtes vom 28.04.2017 ergibt sich, dass Gründe zu der Annahme bestehen würden, dass der am 28.04.2017 gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei. Die Anhaltung in Schubhaft bleibe derzeit aufrecht, da die Voraussetzungen hierfür vorliegen würden. Für die Höchstdauer gelte § 80 Abs. 5 FPG.

8. Am 04.05.2017 erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde gegen Mandatsbescheid. Der Bescheid sei dem Beschwerdeführer niemals zugestellt worden, da dieser ortsabwesend gewesen sei (er arbeite in Graz). Der Bescheid sei nicht auf Mandarin übersetzt worden. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers sei der Schluss zu ziehen, dass er niemals einen Bescheid zugestellt erhalten bzw. verstanden habe, worum es im gegenständlichen Bescheid gegangen sei. Das Verfahren über seinen zweiten Asylantrag sei nach wie vor anhängig. Dieser sei auch nicht aussichtslos, weil die Schulden des Beschwerdeführers mit Gewalt eingetrieben werden könnten. Weiters wird die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

9. Mit der Vorlage der Beschwerde gab das Bundesamt folgende Stellungnahme ab: Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit, Österreich selbstständig zu verlassen, nicht in Anspruch genommen. Er sei nicht in Besitz eines Reisepasses. Die chinesische Botschaft habe am 04.04.2017 ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Die geplante Rückführung am 28.04.2017 habe nicht stattfinden können, weil der Beschwerdeführer nicht an seiner Meldeadresse habe angetroffen werden können. Der Sicherungsbedarf gründe auf mehreren Punkten des § 76 Abs. 3 FPG. Es hätten aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers keine Gründe gefunden werden können, welche eine Abstandnahme von der Schubhaft rechtfertigen würden. Es werde beabsichtigt, den Beschwerdeführer nach Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes in sein Heimatland abzuschieben. Die Abschiebung könne somit in absehbarer Zeit voraussichtlich innerhalb eines Monats erfolgen. Es werde beantragt, den Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten zu verpflichten.

10. Für den 09.05.2017 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Der Vertreter des Beschwerdeführers beantragte eine Verschiebung der Verhandlung, da dies jedoch aufgrund der einzuhaltenden Entscheidungsfrist nicht möglich war, verzichtete er auf die Teilnahme.

Am 09.08.2017 fand die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Der Beschwerdeführer gab nunmehr an, am XXXX geboren zu sein. Seine Muttersprache sei Mandarin, andere Sprachen könne er nicht. Er habe nicht gewusst, dass eine Rückkehrentscheidung erlassen worden sei. Er habe gedacht, mit der Asylklarte könne er in Österreich bleiben. Den Inhalt des Schreibens vom 14.02.2017 habe er nicht verstanden. An der Adresse in Wien, 15. habe er nie gewohnt. Er sei Mitte Februar zu einer Polizeistelle im 10. Bezirk gegangen und habe nachgefragt, was das Schreiben zu bedeuten habe. Sein Anwalt habe ihm gesagt, dass er einen weiteren Asylantrag stellen könne. Er habe nichts von seiner Ausreiseverpflichtung gewusst. Er habe sich nach einer Arbeitsstelle bereits umgeschaut und hätte gerne eine. Solange der zweite Asylantrag noch laufe, könne er nicht nach China zurückkehren. Es sei ihm nicht bewusst, dass eine Ablehnung des zweiten Asylantrages bereits ergangen sei. Er könne nicht nach Hause zurück. Betreffend die Berichtigung seines Geburtsdatums gab er an, er habe beim ersten Kontakt mit der Polizei zwar das richtige Jahr angegeben, aber den falschen Tag und den falschen Monat. Es sei ihm von jemandem geraten worden, dieses Datum anzugeben. Und zwar von demjenigen, der ihn vom Wiener Flughafen abgeholt habe. Er sollte auch seine richtige Adresse nicht angeben. Er habe die Person nicht gekannt. Die Person habe ihn in ein Hotel gebracht, wo er übernachten habe können. Er sei am 12.12.2016 nach Österreich eingereist. Zuhause habe seine Mutter hohe Schulden gehabt. Sie habe sich 150.000 chinesische Yen geliehen und die Zinsen nicht bezahlt. Er habe dann auch noch Geld geliehen und insgesamt hätten sie dann 500.000 chinesische Yen an Schulen gehabt. Die Geldverleiher hätten sie aufgesucht und die Zinsen und die Rückzahlung des Geldes verlangt. Er habe sich verstecken müssen. Schließlich organisierte er einen Schlepper, dem er 80.000 Yen bezahlt habe. Ursprünglich habe er hier arbeiten und Geld verdienen wollen. Er habe erst später erfahren, dass das nicht möglich sei. Er sei hier nämlich immer noch im Asylantragstatus. Zu Beginn habe er gedacht, er könne mit der Asylkarte schon arbeiten. Dann sei ihm bewusst geworden, dass er eine Arbeitsstelle brauche, bei der er offiziell angemeldet sei. Er habe einen Reisepass gehabt, aber der sei ihm von der Person, die ihn hierher gebracht habe abgenommen worden, als er hier angekommen sei. Nach der Asylantragstellung habe er etwa eine Woche lang in Innsbruck gewohnt. Auf dem Land sei ein China-Restaurant gewesen. Er habe gesagt, er habe kein Geld. Dann habe er dort 5 bis 6 Tage Teller gewaschen, aber dann habe er Probleme mit seinem Rücken bekommen. Darüber hinaus habe es eine Polizeikontrolle gegeben. Dann habe er sich versteckt, die Polizei habe ihn jedoch gefunden und auf die Polizeiinspektion gebracht. Als er wieder ins Flüchtlingslager nach Innsbruck wollte, sei er nicht mehr aufgenommen worden. Er habe sich nicht abgemeldet, sondern sei eigenständig gegangen. Er habe eine Woche dort verbracht und nachdem er die Karte bekommen habe, sei er weggegangen. Er habe den Kontakt mit dem China-Restaurant aufgenommen und habe dann fünf Tage mitgeholfen, bis zu seiner Hüftverletzung. Erst nach der Polizeikontrolle habe er gewusst, dass er nicht arbeiten dürfe. Er habe sich nach dem Verlassen der Asylunterkunft im 10. Bezirk mit einer Adresse angemeldet. Er habe gedacht, wenn er eine Adresse registrieren lasse, werde er gefunden. In der Flüchtlingsunterkunft in Innsbruck hätten sie ihm schon gesagt, dass er nach Wien gehen könne und dass es diese Adresse gebe. Er kenne das Meldesystem in Österreich nicht. Er habe sich nicht ausgekannt. Im 15. Bezirk habe er nie gewohnt, das sei eine Adresse, die er über das Internet herausgefunden habe. Er habe sich selbst unter Mitnahme seiner Asylkarte angemeldet. Er wolle anmerken, dass er selbst zur Polizei gekommen sei und nicht aufgespürt habe werden müssen. Die Zusammenhänge hier kenne er nicht. Er habe auch nicht mehr gearbeitet, seitdem ihm gesagt worden sei, dass er das nicht dürfe. Er habe in Österreich keine Familienangehörigen. Er habe keinen Ort, an dem er bleiben könnte, außer diesem Restaurant in Graz. Die Adresse kenne er nicht. Er kenne auch den Namen des Eigentümers nicht. Er besitze weniger als 200 Euro.

Das Erkenntnis wurde wie im Spruch festgehalten gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG mündlich verkündet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China, seine Identität steht fest. Am 17.12.2016 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz. Er besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Der Beschwerdeführer reiste unter Verwendung eines erschlichenen Visums schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Wenige Tage nach seiner Unterbringung in einem Quartier für Asylwerber tauchte er im Bundesgebiet unter. Bis er 23.01.2017 einer fremdenrechtlichen Kontrolle unterzogen wurde, arbeitete er illegal in einem China-Restaurant. Am 30.01.2017 meldete er sich beim Flüchtlingsprojekt Ute Bock obdachlos, war jedoch an dieser Adresse nicht postalisch erreichbar. Bis zu seiner Festnahme am 28.04.2017 war er wiederum untergetaucht. Seit diesem Tag befindet sich der Beschwerdeführer in Schubhaft. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme, ebenfalls am 28.04.2017, stellte der Beschwerdeführer einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Er hat in Österreich weder familiäre, noch berufliche oder soziale Anknüpfungspunkte.

1.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Gegen den Beschwerdeführer besteht seit dem 01.02.2017 eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Der Beschwerdeführer ist haftfähig.

Am 04.04.2017 wurde für ihn ein Heimreisezertifikat ausgestellt.

1.4. Zum Sicherungsbedarf:

Im gegenständlichen Fall liegt seitens des Beschwerdeführers eine ausgeprägte Fluchtgefahr vor. Es kann mit Recht davon ausgegangen werden, dass er sich im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft dem Zugriff der österreichischen Behörden umgehend entziehen würde. Er war abgesehen von seinem etwa einwöchigen Aufenthalt im Asylquartier während seines gesamten Aufenthaltes in Österreich für die Behörden nicht greifbar. Zunächst bestand keine behördliche Meldung für ihn, als er sich obdachlos meldete, war er ebenfalls postalisch nicht erreichbar und an seiner späteren Meldeadresse in Wien war er nie wohnhaft.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht einmal ansatzweise integriert und verfügt weder über soziale noch familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte. Er hielt sich in Österreich ausschließlich zum Zweck der illegalen Erwerbstätigkeit auf. Er war nie legal beschäftigt und verfügt weder über eine Unterkunft, noch über hinreichende Mittel, um seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auch nur mittelfristig zu finanzieren.

2. Beweiswürdigung

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die chinesische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ist unstrittig; ebenso die Einreise mit einem gültigen Visum.

Es bestehen für das Bundesverwaltungsgericht keinerlei Zweifel hinsichtlich der Motivationslage des Beschwerdeführers für sein Untertauchen und das Stellen eines zweiten Asylantrages, nämlich die bewusste Verhinderung oder Verzögerung aufenthaltsbeendender Maßnahmen. Schon nach eigenen Angaben hat der Beschwerdeführer das Asylquartier nach einer Woche verlassen, um zu arbeiten. Dass er nicht gewusst habe, dass er als Asylwerber nicht ohne Weiteres einer Beschäftigung nachgehen darf und sich für die Behörden zur Verfügung halten muss, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft vermitteln, zumal Asylwerbern die Information über ihre Rechte und Pflichten im Asylverfahren in ihrer Muttersprache schriftlich zur Verfügung gestellt werden.

2.3. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Die Feststellung, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung bestand, ergibt sich aus dem Verfahrensakt.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 28.04.2017 in Schubhaft. Eine vorangehende geplante Abschiebung scheiterte daran, dass der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse nicht anzutreffen war.

2.4. Zum Sicherungsbedarf:

Die Fluchtgefahr ergibt sich - wie im angefochtenen Mandatsbescheid zutreffend argumentiert, zunächst daraus, dass der Beschwerdeführer dem Großteil seines Aufenthaltes im Bundesgebiet im Verborgenen verbrachte und nicht greifbar für die Behörden war. Zwar war er zeitweise behördlich gemeldet, jedoch nie an einer Adresse, wo er wohnhaft bzw. zumindest regelmäßig aufhältig war. Völlig zu Recht ging die Behörde davon aus, dass sich der Beschwerdeführer sich abermals dem Zugriff der Behörden entziehen würde. Schließlich hat er bereits mehrere Verhaltensweisen gezielt gesetzt, um aufenthaltsbeendenden Maßnahmen zu entgehen. Aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise ersichtlich, die für eine Integration des Beschwerdeführers oder substantielle soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich sprechen würden - auch in der Beschwerde werden solche nicht behauptet.

Die Feststellung zum Aufenthaltszweck des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergibt sich aus seiner Lebensführung seit der Einreise nach Österreich. Er hat keinerlei Integrationsschritte gesetzt, nicht einmal einen Deutschkurs besucht. Eine legale Beschäftigung, eine bestehende Unterkunft oder nennenswerte finanzielle Mittel wurden vom Beschwerdeführer nie behauptet. Aus der dargelegten Fluchtgefahr und der Aussichtslosigkeit alternativer Sicherungsmaßnahmen ergibt sich auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft - im Übrigen findet sich in der Beschwerde auch kein konkretes Argument für die Anwendung des gelinderen Mittels sowie auch keine substantielle Auseinandersetzung mit der "Ultima Ratio"-Argumentation des Bundesamtes.

3. Rechtliche Beurteilung

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 25/2016 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft seit 28.04.2017:

Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die "Fluchtgefahr" ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich vor seiner Festnahme im Verborgenen gehalten und war für die Behörde trotz zeitweiser behördlicher Meldung nicht greifbar.

Die belangte Behörde begründete die Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der mangelnden Mitwirkung am Verfahren. Zudem wurde auch die mangelnde soziale Verankerung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet - insbesondere dem Fehlen familiärer Bindungen, das Fehlen einer (legalen) Erwerbstätigkeit und eines gesicherten Wohnsitzes sowie nicht ausreichender Existenzmittel zur Begründung der Fluchtgefahr herangezogen.

Dies ist aus den Ausführungen im angefochtenen Mandatsbescheid klar ersichtlich. Das Bundesamt stützte sich bei Feststellung der Fluchtgefahr somit erkennbar auf die Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.

Die belangte Behörde kam darüber hinaus zutreffend zu der Auffassung, dass der Beschwerdeführer über keine Bindungen in Österreich verfügt, auf Grund welcher anzunehmen sein könnte, dass er sich bis zur Überstellung den Behörden nicht entziehen werde. Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem hinreichenden Ausmaß bestand und konnte das auch für den konkreten Einzelfall schlüssig und nachvollziehbar begründen. Dieser Einschätzung wurde in der Beschwerde im Übrigen erneut nicht substanziell entgegen getreten. Die bloße Erwähnung der angeblichen Bekannten in dem China-Restaurant, in dem der Beschwerdeführer illegal gearbeitet habe, stellt kein hinreichendes Indiz für substanzielle soziale Anknüpfungspunkte dar.

Auf Grund der klar erkennbaren Fluchtgefahr und dem bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden:

Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen: Der Beschwerdeführer ist in Österreich nicht familiär gebunden; es gibt keine feststellbaren Sozialkontakte von hinreichender Intensität, um eine Verankerung im Bundesgebiet annehmen zu können. Auf Grund der Fluchtgefahr, die sich im bisherigen Verhalten des Beschwerdeführers - insbesondere der fehlenden Kooperation mit den Behörden in Form des Sich-Verborgen-Haltens bei gleichzeitiger illegaler Beschäftigung - manifestiert, überwogen daher - wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als Ultima-ratio-Maßnahme notwendig. Die in der Beschwerde nur rudimentär begründete Behauptung einer nicht erfolgten einzelfallbezogenen Abwägung lässt sich nicht schlüssig nachvollziehen. Eine hinreichende finanzielle Sicherheitsleistung ist dem Beschwerdeführer nicht möglich.

Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid vom 28.04.2017 und die Anhaltung in Schubhaft ab 28.04.2017 abzuweisen.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ist festzustellen, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen:

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur "ermächtigt", einen "weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen", sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG übertragbar.

Für die Führung des am 28.04.2017 eingeleiteten zweiten Asylverfahrens ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers unabdingbar. Da der Beschwerdeführer - wie schon dargelegt - über keine beruflichen und auch keine substanziellen sozialen Anknüpfungspunkte (oder substanzielle Geldmittel für einen auch nur mittelfristigen Aufenthalt) im Bundesgebiet verfügt, ist nicht ersichtlich, was ihn im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem erneuten Untertauchen abhalten sollte. Besonders relevant ist dabei auch, dass er dabei offenkundig auf eine Unterstützung seitens der "chinesischen Community" vertrauen konnte und es gibt keinerlei Indiz, dass ihm eine solche in Form von Wohnmöglichkeiten und weiteren illegalen Beschäftigungsverhältnissen nicht erneut zur Verfügung stehen würde.

An den Gründen, die zur Anordnung der Schubhaft am 28.04.2017 geführt haben, hat sich somit substanziell nichts geändert. Im gegenständlichen Fall ist daher die Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG (nachweislich) erfüllt. Hinweise für einen substanziellen Grad der sozialen Verankerung des Beschwerdeführers im Sinne der Z 9 leg.cit. sind wie dargelegt im Verfahren nicht hervorgekommen (und wurden auch in der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt). Hinsichtlich der Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) "soziale Anknüpfungspunkte" für sich alleine nicht ausreichen, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den "Grad der sozialen Verankerung in Österreich", wobei familiäre Beziehungen, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor eine Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein erhebliches staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist.

Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung des gelinderen Mittels weiterhin nicht ausreichend ist, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt die geforderte "Ultima-ratio-Situation" für die Verhängung oder Fortsetzung der Schubhaft vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.

Da zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit der raschen (negativen) Entscheidung im Asylverfahren des Beschwerdeführers sowie der damit verbundenen Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu rechnen ist, erweist sich die derzeit absehbare Anhaltedauer in Schubhaft auch als nicht unverhältnismäßig.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Zum Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen:

Maßnahmenbeschwerden kommt gemäß § 22 VwGVG keine aufschiebende Wirkung zu. Dass der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid aufschiebende Wirkung zukommen müsse, hat dementsprechend bislang weder der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 17.340/2004) noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR 26.07.2011, Fall M ua., Appl. 41.416/08 = newsletter 4/2011, 235) gefordert; dies ist auch in Art. 15 Abs. 2 lit. b RL 2008/115/EG (anders etwa als in Art. 13 leg.cit.) nicht vorgesehen.

Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegene Partei daher kein Kostenersatz. Die belangte Behörde ist auf Grund der Rechtmäßigkeit der Schubhaftanordnung und der Anhaltung in Schubhaft in allen Punkten obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz (im beantragten Umfang) hat.

Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren und Barauslagen sind im gegenständlichen Verfahren nicht angefallen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich zudem aus der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die besondere Relevanz der Rechtskraft von Entscheidungen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft Mitwirkungspflicht öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2155527.1.00

Im RIS seit

04.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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