Entscheidungsdatum
30.07.2019Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §19Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag.a Hillisch über die Beschwerden der Frau A. B. (Erstbeschwerdeführerin) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25.3.2019, GZ: MBA/1/2019, und des mj. C. B. (Zweitbeschwerdeführer), vertreten durch die Mutter Frau A. B., gegen die Bescheide des Magistrates der Stadt Wien vom 5.4.2019, GZ: MBA/2/2019, und vom 29.3.2019, GZ: MBA/3/2019, mit welchen jeweils gemäß § 49 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991) den Einsprüchen gegen die Strafverfügungen stattgegeben und die Strafen herabgesetzt wurden, zu Recht:
I. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen und die angefochtenen Bescheide bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG hat die Erstbeschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von EUR 16,00 (das sind 20 % der verhängten Geldstrafe) zu leisten.
Der Zweitbeschwerdeführer hat einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von insgesamt EUR 32,00 (das sind 20 % der verhängten Geldstrafen) zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, angefochtene Bescheide und Beschwerden
1.1. Die gegen die Erstbeschwerdeführerin erlassene Strafverfügung vom 4. März 2019, GZ: MBA/1/2019, hat folgenden Spruch:
„1. Datum: 18.09.2018
Ort: Wien, D.-straße
Sie haben es als Erziehungsberechtigte unterlassen, dafür zu sorgen, dass der Schüler C. B., geboren 2004, seiner Pflicht für den regelmäßigen Schulbesuch nachkommt. Der Schüler ist zum Besuch der Öffentlichen Schule der Stadt Wien, Wien, D.-straße verpflichtet und ist am 18.09.2018, 20.09.2018, 04.10.2018, 10.10.2018, 11.10.2018, 15.10.2018, 18.10.2018, 24.10.2018, 06.11.2018, 22.11.2018, 07.12.2018, 14.12.2018, 10.01.2019, 11.01.2019, 16.01.2019, 17.01.2019, 30.01.2019, 31.01.2019, 19.02.2019 bis 21.02.2019 und 26.02.2019, das sind insgesamt 132 Unterrichtsstunden unentschuldigt dem Unterricht ferngeblieben.
Verwaltungsübertretung(en) nach
1. § 24 Abs. 4 i.V.m § 24 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. 76/1985 i.d.g.F
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe von
Gemäß
1. € 160,00
0 Tage(n) 4 Stunde(n)
0 Minute(n)
§ 24 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 160,00“
1.2. Die gegen den Zweitbeschwerdeführer erlassene Strafverfügung vom 26. März 2019, GZ: MBA/2/2019, hat folgenden Spruch:
„1. Datum: 27.02.2019
Ort: Wien, D.-straße
Sie sind dem Unterricht an der Öffentlichen Schule der Stadt Wien, Wien, D.-straße, in der Zeit vom 27.02.2019 bis 28.02.2019 und vom 04.03.2019 bis 08.03.2019 ohne zwingenden Grund ferngeblieben und haben dadurch der Ihnen gesetzlich auferlegten Pflicht zum Besuch dieser Schule nicht entsprochen.
Verwaltungsübertretung(en) nach
1. § 24 Abs. 4 i.V.m § 24 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. 76/1985 i.d.g.F
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe von
Gemäß
1. € 160,00
§ 24 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 160,00“
1.3. Die gegen den Zweitbeschwerdeführer erlassene Strafverfügung vom 4. März 2019, GZ: MBA/3/2019, hat folgenden Spruch:
„1. Datum: 18.09.2018
Ort: Wien, D.-straße
Sie sind dem Unterricht an der Öffentlichen Schule der Stadt Wien, Wien, D.-straße, an folgenden Tagen bzw. Stunden 18.09.2018, 20.09.2018, 04.10.2018, 10.10.2018 bis 11.10.2018, 15.10.2018, 18.10.2018, 24.10.2018, 06.11.2018, 22.11.2018, 07.12.2018, 14.12.2018, 10.01.2019 bis 11.01.2019, 16.01.2019 bis 17.01.2019, 30.01.2019 bis 31.01.2019, 19.02.2019 bis 21.02.2019 und 26.02.2019 ohne zwingenden Grund ferngeblieben und haben dadurch der Ihnen gesetzlich auferlegten Pflicht zum Besuch dieser Schule nicht entsprochen.
Verwaltungsübertretung(en) nach
1. § 24 Abs. 4 i.V.m § 24 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985, BGBl. 76/1985 i.d.g.F
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheitsstrafe von
Gemäß
1. € 160,00
§ 24 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 160,00“
2. Dagegen erhoben die nunmehrigen Beschwerdeführer gegen die Strafhöhe gerichtete Einsprüche und brachten begründend vor, sie würden aufgrund ihrer ungünstigen Einkommensverhältnisse (Einkommen der Erstbeschwerdeführerin ca. € 500,--, sorgepflichtig für 2 Kinder; kein Einkommen des Zweitbeschwerdeführers) um Herabsetzung der Strafhöhe bitten.
3. Mit den drei nunmehr bekämpften Bescheiden vom 25.3.2019, GZ: MBA/1/2019 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), vom 5.4.2019, GZ: MBA/2/2019, und vom 29.3.2019, GZ: MBA/3/2019 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer), wurden die verhängten Geldstrafen jeweils um die Hälfte reduziert und mit € 80,00 (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden betreffend die Erstbeschwerdeführerin) neu bemessen. Zusätzlich wurde den Beschwerdeführern gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG jeweils ein Verfahrenskostenbeitrag in Höhe von € 10,00 auferlegt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Strafen herabgesetzt werden konnten, da in den Strafverfügungen der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit hinsichtlich beider Einspruchswerber noch keine Berücksichtigung gefunden habe. Zudem seien das unterdurchschnittliche Einkommen und die bestehenden Sorgepflichten der Erstbeschwerdeführerin zu berücksichtigen.
4. In den dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerden baten die Beschwerdeführer um Aufhebung der Geldstrafe unter Hinweis auf ihre ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse (die Erstbeschwerdeführerin sei derzeit arbeitslos und Mindestsicherungsbezieherin, der Zweitbeschwerdeführer habe kein Einkommen). Die Strafen seien viel Geld für sie, sie wüssten nicht, wie sie diese bezahlen sollen.
5. Die belangte Behörde verzichtete auf die Fällung einer Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes dem Verwaltungsgericht Wien zur Entscheidung vor.
II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
1. § 49 Abs. 2 vierter Satz VStG sieht vor, dass durch den Einspruch gegen eine Strafverfügung, wenn dieser rechtzeitig eingebracht wurde und darin nicht ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft tritt (vgl. VwGH 3.5.2017, Ro 2016/03/0027).
Wird mit dem Einspruch daher bloß die Art oder das Ausmaß der Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten, bleibt die Strafverfügung weiterhin in Kraft; der unangefochten gebliebene Schuldspruch erwächst in Rechtskraft; die Behörde darf daher nur über den angefochtenen Teil – die Strafe oder Kosten – neu entscheiden (VwGH 25. 4. 2002, 2000/15/0084).
Aufgrund der nur gegen die Strafhöhe gerichteten Einsprüche sind die mit den Strafverfügungen gefällten Schuldsprüche in Rechtskraft erwachsen. „Sache“ des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist daher gegenständlich nur die Straffrage (vgl. VwGH 16.9.2009, 2008/09/0366) und Prüfungsgegenstand demnach ausschließlich die von der belangten Behörde vorgenommene Strafzumessung und Kostenvorschreibung (vgl. VwGH 27.10.2014, Ra 2014/02/0053; 29.7.2015, Ra 2015/07/0092).
2. Der Strafrahmen für eine Übertretung des § 24 Abs. 1 Schulpflichtgesetz 1985 beträgt gemäß § 24 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 € 110,– bis € 440,–(Ersatzfreiheitsstrafe: bis zu zwei Wochen).
Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.
Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Eine Strafherabsetzung kam aus nachstehenden Gründen nicht in Betracht:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verhängung einer Geldstrafe sogar dann gerechtfertigt, wenn der Bestrafte kein oder nur ein geringes Einkommen bezieht. Eine Geldstrafe ist somit auch dann zu verhängen, wenn die Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Bestraften es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass er nicht in der Lage sein wird, sie zu bezahlen. Nur bei der Bemessung ihrer Höhe sind gemäß § 19 VStG neben den mildernden und erschwerenden Umständen auch die Vermögens- und Familienverhältnisse zu berücksichtigen (vgl. u.a. VwGH 13.3.1991, 90/03/0016; 0042).
Die belangte Behörde hat die ungünstigen wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführer bereits bei der behördlichen Strafbemessung ausdrücklich berücksichtigt, die ursprünglich in den Strafverfügungen verhängten Geldstrafen um jeweils die Hälfte reduziert und mit € 80,– neu bemessen.
Die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Taten konnte nicht bloß als geringfügig angesehen werden, zumal durch die zahlreichen Abwesenheiten des Zweitbeschwerdeführers vom Unterricht das gesetzlich geschützte Interesse an der Gewährleistung eines geordneten Schulbesuches und der Hintanhaltung einer erheblichen Benachteiligung eines Kindes beim Bildungserwerb durch das Fernbleiben vom Unterricht in erheblichem Maß geschädigt wurde.
Entgegen der Annahme der belangten Behörde ist die Erstbeschwerdeführerin verwaltungsstrafrechtlich nicht unbescholten (Übertretungen nach dem Meldegesetz). Der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit ist daher ausschließlich im Hinblick auf den Zweitbeschwerdeführer heranzuziehen. Erschwerungsgründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Im Hinblick auf die Erstbeschwerdeführerin kommt schon aufgrund der bisher nicht berücksichtigten verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen und der bereits erfolgten Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine weitere Herabsetzung der ohnehin schon unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Strafrahmens (€ 110,– bis € 440,–) angesetzten Strafen nicht in Betracht.
Im Hinblick auf den Zweitbeschwerdeführer kann zwar aufgrund seines jugendlichen Alters gemäß § 20 VStG die Mindeststrafe um die Hälfte unterschritten werden, sodass der Strafrahmen € 55,– bis € 440,– beträgt. Angesichts der jeweils mehrfachen Begehung (unentschuldigtes Fernbleiben an mehreren Tagen) sind die von der Behörde nunmehr verhängten, am untersten Ende des Strafrahmens angesetzten Strafen von jeweils € 80,– jedoch als tat- und schuldangemessen zu werten, sodass eine weitere Herabsetzung ebenfalls nicht in Betracht kommt.
3. Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die im Spruch angeführten Gesetzesstellen.
4. Gemäß § 54b Abs. 3 VStG besteht für die Beschwerdeführer die Möglichkeit, bei der Behörde einen Antrag zu stellen, ihnen einen angemessenen Aufschub oder Teilzahlung zu bewilligen, wenn ihnen aus wirtschaftlichen Gründen die unverzügliche Zahlung der Geldstrafe nicht zuzumuten ist.
5. Von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte gemäß § 44 Abs. 3 Z 2 VwGVG abgesehen werden, weil die Verfahrensparteien dies nicht beantragt haben und sich die Beschwerden nur gegen die Höhe der Strafen richtet.
6. Eine Revision wegen Verletzung in Rechten gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist im vorliegenden Fall gemäß § 25a Abs. 4 VwGG nicht zulässig, weil es sich um Verwaltungsstrafsachen handelt, bei welchen jeweils eine Geldstrafe von weniger als € 750,– verhängt werden durfte und jeweils lediglich eine Geldstrafe von € 80,– verhängt wurde. Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, weil im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Strafbemessung erfolgte anhand einer einzelfallbezogenen Abwägung, die nach den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätzen vorgenommen wurde, und warf daher keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf (VwGH 9.6.2017, Ra 2017/02/0018).
Schlagworte
Schule; Schulpflicht; Nichterfüllung; StrafbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.069.5785.2019Zuletzt aktualisiert am
12.08.2020