TE Bvwg Erkenntnis 2020/4/1 W214 2143948-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2020
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Entscheidungsdatum

01.04.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
AsylG 2005 §9 Abs2 Z3
AsylG 2005 §9 Abs3
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55 Abs2
JGG §5
StGB §87 Abs1
VwGVG §14 Abs1
VwGVG §15 Abs1
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W214 2143948-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. sowie VI. und VII. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2020, Zl. XXXX , nach Ergehen einer Beschwerdevorentscheidung vom 18.02.2020, Zl. XXXX , und nach Stellung eines Vorlageantrages zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung wird bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht, BFA) vom 02.12.2016, Zl. XXXX , wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) abgewiesen, gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und die befristete Aufenthaltsgenehmigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 01.12.2017 erteilt.

3. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 02.01.2017 beim BFA einlangte. In dieser wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Das BFA habe festgestellt, es liege kein Einberufungsbefehl durch die syrischen Streitkräfte vor, auch befinde sich der minderjährige Beschwerdeführer noch nicht im wehrpflichtigen Alter. Der minderjährige Beschwerdeführer sei daher weder als Wehrdienstverweigerer noch als Deserteur zu sehen. Auch habe er sich nicht der Einberufung durch die Kurdenmilizen entzogen. Der Beschwerdeführer sei den syrischen Rekrutierungsbehörden oder den kurdischen Behörden namentlich und persönlich nicht bekannt. Dieser Feststellung werde entschieden entgegengetreten, da der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 15.11.2016 vor dem BFA angegeben habe, dass es ein Familienbuch gebe und daher die Behörden über ihn Bescheid wüssten. Weiters sei der Beschwerdeführer bei einer zwangsweisen Rückkehr nach Syrien einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt, da die legale Einreise nur über den Flughafen Damaskus möglich sei und dieser sich in der Hand der Regierung befinde. Einreisende Personen würden im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokument einer intensiven Überprüfung unterzogen werden. Diesbezüglich habe es die Behörde unterlassen, weitere Länderfeststellungen zur konkreten Situation des Beschwerdeführers in Syrien zu treffen. Außerdem werde zu der angeblich fehlenden Bedrohung des Vaters des Beschwerdeführers vorgebracht, dass durch diese nicht gleichzeitig auf eine fehlende Bedrohung des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Der im März 2014 veröffentlichte Bericht der unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu Syrien habe angegeben, dass auch regierungsfreundliche bewaffnete Gruppen Kinder rekrutieren und einsetzen würden.

Weiters wurde bemängelt, dass das BFA die Rechtslage und die dazu ergangene (höchstgerichtliche) Judikatur verkannt habe, da es gemeint hätte, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgung nicht glaubhaft geltend gemacht habe. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es nämlich keinesfalls erforderlich, dass eine tatsächliche Verfolgung bereits stattgefunden habe. Vielmehr reiche es hin, dass aufgrund der äußeren Umstände und allenfalls bereits geschehener Ereignisse die Gefahr der Verfolgung gegeben sei. Dabei sei auch die politische Situation des Heimatlandes zu berücksichtigen (VwGH 95/20/0288, 12.09.1996). Ebenso unterliege der Beschwerdeführer der Gefahr, dass er durch die jeweiligen Kriegsparteien als oppositionell eingestuft werde, dies allein aufgrund von Wohnort, Volksgruppe, familiären Verbindungen oder religiöser Überzeugung.

4. Mit Schreiben vom 03.01.2017 - einlangend am 04.01.2017 - wurde die Beschwerde - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

5. Mit Schreiben vom 20.11.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung. Am 04.12.2017 wurde dieser Antrag neuerlich durch seine gesetzliche Vertretung eingebracht.

6. Mit Bescheid des BFA vom 05.12.2017, Zl. XXXX wurde dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis zum 01.12.2019 erteilt.

7. Mit Aktenvermerk vom 15.01.2018 wurde ein Aberkennungsverfahren eingeleitet, da über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft wegen des Verdachtes der absichtlich schweren Körperverletzung verhängt wurde.

8. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX .06.2018, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 12, 87 Abs. 1 StGB und wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG und § 28 Abs. 1 StGB nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von 3 Jahren) verurteilt. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Aufgrund dieser Verurteilung wurde der Beschwerdeführer im Aberkennungsverfahren am 08.08.2018 im Beisein eines Dolmetschers für Arabisch niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer verweigerte die Einvernahme und legte lediglich die Visitenkarte eines bestimmten Anwaltes vor, von dem er vertreten werden wolle, der aber nicht habe kommen können.

8. Mit Schreiben vom 08.10.2019 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2019, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des BFA vom 02.12.2016 hinsichtlich § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

Als wesentliche Entscheidungsgründe wurden vom Bundesverwaltungsgericht angegeben, dass der Beschwerdeführer wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sei und auch Gemeingefährlichkeit vorliege, was einen Ausschlussgrund nach dem AsylG darstelle.

10. Mit Schriftsatz vom 13.12.2019 übermittelte das BFA dem Beschwerdeführer ein Schreiben, mit dem er zu einer Stellungnahme hinsichtlich des Aberkennungsverfahrens aufgefordert wurde.

Eine Stellungnahme seitens des Beschwerdeführers langte vor Bescheiderlassung durch das BFA nicht ein.

11. Mit dem Bescheid des der belangten Behörde vom 10.01.2020, Zl. XXXX , wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Die belangte Behörde wies den Antrag des Beschwerdeführers vom 08.10.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 5 Fremdenpolizeigesetz (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Syrien wurde gemäß § 9 Abs. 2 AsylG iVm § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig erklärt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.) Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot für die Dauer von acht Jahren erlassen (Spruchpunkt VII).

Zu Spruchpunkt I. (Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten) wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen sei, wenn der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens nach § 17 StGB rechtskräftig verurteilt worden sei.

Nach § 17 Abs. 1 StGB seien Verbrechen vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht seien.

Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .06.2018, Zl. XXXX wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 12, 87 Abs. 1 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (16 Monate davon bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren) verurteilt worden. Somit sei die Begehung der angeführten Straftat bzw. seine Verurteilung nach Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erfolgt (vgl. VfGH 16.12.2010, U 1769/10).

Der Strafrahmen für das Delikt der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB betrage bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. Der Strafrahmen für das Delikt der absichtlich schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB betrage bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe. Es handle sich dabei demnach jeweils um Delikte, welche ein Verbrechen im Sinne des § 17 StGB darstellen würden.

Nach § 9 Abs. 2 letzter Satz AsylG sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder NR. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dazu werde auf die umseitigen Ausführungen unter Spruchpunkt IV. verwiesen.

Dem Beschwerdeführer sei daher gemäß § 9 Abs. 2 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen.

Zu Spruchpunkt II. (Abweisung des Antrages auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung) führte die belangte Behörde Folgendes aus: Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG sei die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte über Antrag zu verlängern, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen würden. Mit Spruchpunkt I. des vorliegenden Bescheides sei dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 AsylG aberkannt worden. Dementsprechend sei auch der Verlängerungsantrag nach § 8 Abs. 4 AsylG mangels Vorliegens der Voraussetzungen für die Verlängerung abzuweisen.

Unbeschadet dessen komme dem Beschwerdeführer bis zur Rechtskraft der Entscheidung weiterhin ein Aufenthaltsrecht iSd § 8 Abs. 4 AslyG zu.

Zu Spruchpunkt III. (Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG) führte die belangte Behörde aus: Das BFA habe gemäß § 58 Abs. 1 Z 4 AsylG die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von Amts wegen zu prüfen, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt werde. Es sei im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen, wenn der Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 AsylG 2005 seit mindestens einem Jahr geduldet sei und die Voraussetzungen für diese Duldung weiter vorlägen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stelle eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich dar oder sei wegen eines Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden. Eine Erteilung sei auch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von mit diesen im Zusammenhang stehenden zivilrechtlichen Ansprüchen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitenden Prostitutionshandel, vorgesehen. Die Aufenthaltsberechtigung werde auch an Opfer von Gewalt erteilt, sofern eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen worden sei oder hätte werden können und die Erteilung zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich sei.

Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .06.2018, Zl. XXXX wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 12, 87 Abs. 1 StGB und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren) verurteilt worden. Da es sich dabei jeweils um Delikte handle, welche ein Verbrechen im Sinne des § 17 StGB darstellen würden, scheide die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz ohne Notwendigkeit einer weiteren Prüfung aus.

Zu Spruchpunkt IV. (Rückkehrentscheidung) führte die belangte Behörde aus, dass dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuerkennen gewesen sei, da ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG vorliege. Gemäß § 9 Abs. 2 AsylG sei die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten diesfalls mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig sei, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK und Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG sowie gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG sei eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn einem Drittstaatsangehörigen der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt werde und ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG von Amts wegen nicht zu erteilen sei. Werde durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so sei die Erlassung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei.

Für den Beschwerdeführer bedeute dies: Hinsichtlich eines in Österreich im Sinne des Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens sei auszuführen, dass das Bestehen eines Familienlebens vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden sei und ein solches aus der Aktenlage auch nicht erkennbar sei. Da vom Beschwerdeführer weder ein Zusammenleben noch sonstige außergewöhnliche Aspekte in Österreich behauptet worden sei, liege kein hinreichend intensives Familienleben und Privatleben im Sinne der EMRK vor und stelle somit die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar. Das BFA sei eine öffentliche Behörde im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK; der Eingriff sei - wie bereits oben dargestellt - in § 10 AsylG iVm § 52 Abs. 2 Z 4 FPG und § 9 Abs. 2 AsylG gesetzlich vorgesehen. Daher sei zu prüfen, ob der Eingriff in das Recht auf Achtung des Familien- und Privatlebens im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt sei und in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK, verfolge. Es sei eine individuelle Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Eingriff durch die Rückkehrentscheidung auch als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden könne.

Nach Ansicht des BFA würden auch im Lichte der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, insbesondere im Hinblick auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers, derzeit die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung, insbesondere das Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und der Verhütung von Straftaten, seine privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet überwiegen. Daher sei eine Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG habe zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig sei (§ 58 Abs. 2 AsylG).

Zu Spruchpunkt V. (Unzulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Syrien) führte die belangte Behörde aus, dass sie gemäß § 52 Abs. 9 FPG mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen habe, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig sei. Dies gelte nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden solle, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei.

Gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG sei der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung gemäß §§ 8 Abs. 3a und 9 Abs. 2 AsylG unzulässig sei. Die Ausreiseverpflichtung eines Fremden, dessen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Satz 1 leg. cit. geduldet sei, bleibe unberührt.

Es ergebe sich aus den Länderfeststellungen zu Syrien, dass der Beschwerdeführer aufgrund der derzeit vorherrschenden Sicherheitslage im Falle seiner Rückkehr nach Syrien einer lebensbedrohlichen Situation überantwortet sein würde. Seine Abschiebung nach Syrien sei daher gemäß § 9 Abs. 2 AsylG unzulässig. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet sei gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet. Seine Ausreiseverpflichtung bleibe unberührt.

Zu Spruchpunkt VI. (Frist für die freiwillige Ausreise) führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 55 FPG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt werde. Diese betrage 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer von der belangten Behörde vorzunehmenden Abwägung festgestellt werde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt hätten, überwiegen. Im Fall des Beschwerdeführers hätten solche Gründe nicht festgestellt werden können. Unter den in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen könne der Beschwerdeführer zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung). Diese Rückkehrentscheidung werde nach ungenutztem Ablauf der Beschwerdefrist oder - im Falle der rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde - mit Zustellung eines abweisenden Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes rechtskräftig.

Zu Spruchpunkt VII. (Einreiseverbot) führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 53 Abs. 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden könne. Gemäß § 53 Abs. 3 StGB sei dieses gemäß Abs. 1 für die Dauer von höchstens zehn Jahren, in den Fällen der Z 5 bis 8 auch unbefristet zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant sei, habe insbesondere zu gelten, wenn (Z 1) ein Drittstaatsangehöriger von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen rechtskräftig verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .06.2018, Zl. XXXX wegen der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 12, 87 Abs. 1 StGB und der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten (davon 16 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren) verurteilt worden. Aufgrund der Schwere des Fehlverhaltens sei unter Bedachtnahme auf das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers, d.h. im Hinblick darauf, wie er sein Leben in Österreich insgesamt gestalte, davon auszugehen, dass die im Gesetz umschriebenen Annahme, dass er eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle, gerechtfertigt sei.

Bei der Bemessung des Einreiseverbotes könne sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern sei insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (Verweis auf VwGH 07.11.2012, 2012/18/0057).

Die familiären und privaten Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in Österreich seien nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletze in seinem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es müsse daher nun, unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 3 FPG genannten Tatbestandes, ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiege.

Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seiner Lebensumstände sowie seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte habe daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die von ihm ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot sei daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Das Einreiseverbot umfasse alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union außer Irland und das Vereinigte Königreich. Umfasst seien allerdings weiters Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein.

12. Mit Verfahrensanordnung vom 13.01.2020 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater gemäß § 52 BFA-VG zur Seite gestellt.

13. Gegen die Spruchpunkt I. bis IV. und VI. bis VII. des oben genannten Bescheides wurde mit Schreiben vom 22.01.2020 fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Es werde die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides geltend gemacht, da eine Einvernahme des Beschwerdeführers im Aberkennungsverfahren nicht stattgefunden habe. Dem Beschwerdeführer sei die Beiziehung eines Rechtsanwaltes verwehrt worden. § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG sei die Umsetzung von Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 vom 13.12.2011. Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser sei von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen, wenn er u.a. eine "schwere Straftat" begangen habe. In der Rechtssache C-369/17 habe der EuGH in dem Urteil vom 13.09.2018 festgestellt, dass Art. 17 einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedsstaates entgegenstehe, nach der ausschließlich an Hand der Strafdrohung davon ausgegangen werde, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, "eine schwere Straftat" im Sinne dieser Bestimmung begangen habe. Es sei Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des Gerichtes die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen sei. Es stelle daher auch eine grobe Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, dass im Aberkennungsverfahren die vorgesehene Einvernahme des Beschwerdeführers nicht durchgeführt und die Beiziehung eines Rechtsanwaltes verweigert worden sei. In deren Rahmen hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit gehabt, auf die besonderen Umstände der von ihm begangenen Jugendstraftat, eine positive Zukunftsprognose sowie Integration hinweisen zu können. Zusammenfassend sei § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG auf Grund des Vorranges des Unionsrechtes richtlinienkonform entsprechend der Judikatur des EuGH zu interpretieren.

Es werde daher beantragt, a. den angefochtenen Bescheid (mit Ausnahme des Spruchpunktes V.) aufzuheben, b. allenfalls das Verfahren zur Ergänzung an die 1. Instanz zurückzuverweisen sowie c. eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

14. Mit der Beschwerdevorentscheidung vom 18.02.2020, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VI. bis VII. ab, wobei nunmehr auch ausdrücklich auf das Urteil des EuGH vom 19.03.2018, Rs C-369/17, Ahmed, eingegangen wurde und die Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers begründet wurde.

15. Der Beschwerdeführer stellte innerhalb offener Frist den Antrag, die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

16. Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .02.2020, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. dargelegte Verfahrensgang wird dem Sachverhalt zugrunde gelegt.

Damit steht insbesondere fest:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch angeführten Namen und ist am XXXX geboren. Er stammt aus XXXX (Provinz XXXX ), ist syrischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Kurden. Er ist muslimisch-sunnitischen Glaubens.

1.2. Dem Beschwerdeführer, der illegal in Österreich eingereist ist, wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.12.2016, Zl. XXXX , der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Seine an das Bundesverwaltungsgericht gerichtete Beschwerde wegen der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wurde mit (mündlich verkündetem) Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.12.2019 (gekürzte Fassung vom 08.01.2020) aufgrund des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes abgewiesen.

1.3. Der Beschwerdeführer ist ledig, lebt in keiner Partnerschaft und hat keine Kinder. In Österreich leben zwei Brüder des Beschwerdeführers, denen jeweils der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurden. Diese haben jeweils vom Beschwerdeführer getrennte Wohnsitze und es besteht kein besonderes Naheverhältnis (iSd Art. 8 EMRK) des Beschwerdeführers zu seinen Brüdern. Der Beschwerdeführer hat keinen Schulabschluss. Er ist arbeitsfähig und war zeitweise als geringfügig beschäftigter Arbeiter bzw. als Arbeiter tätig.

In Syrien leben die Eltern, drei Geschwister und der Onkel des Beschwerdeführers.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde mit dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX .06.2018, Zl. XXXX , wegen der Verbrechen

I. der absichtlich schweren Körperverletzung nach §§ 12, 87 Abs. 1 StGB und

II. der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 4 StGB

unter Bedachtnahme auf § 5 Z 4 JGG und § 28 Abs. 1 StGB nach § 87 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten (16 Monate bedingt unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren) rechtskräftig verurteilt.

Als erschwerend wurde die Tatwiederholung, das Zusammentreffen zweier Verbrechen, die teilweise Tatbegehung in Gesellschaft, sowie die besonders grausame Vorgehensweise für das Opfer durch das ins Gesichtspringen, was die große Ablehnung des Rechtsguts der körperlichen Integrität zum Ausdruck brachte, gewertet. Als mildernd wurde der bisherigen ordentlichen Lebenswandel, sowie das reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis hinsichtlich Punkt II. (hinsichtlich der zweiten Straftat vom 31.12.2017) gewertet.

1.5. Der Beschwerdeführer wurde mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .02.2020, Zl. XXXX , wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von vier Monaten rechtskräftig verurteilt. Die verhängte Freiheitsstrafe wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Als mildernd wurde das reumütige Geständnis, die teilweise Schadenswiedergutmachung, die Tatbegehung unter 21 Jahren und die durch seine Alkoholisierung herabgesetzte Urteilsfähigkeit im Tatzeitpunkt, als erschwerend eine einschlägige Vorstrafe und die Tatbegehung während offener Probezeit gewertet.

1.6. Der Beschwerdeführer ist aufgrund der teilweisen Schwere seiner Straftaten, für die er zum Teil die Verantwortung nicht übernimmt, und seines Persönlichkeitsbildes als Gefahr für die Gemeinschaft einzuschätzen.

1.7. Strafrahmen in anderen Ländern1

1.7.1. Deutschland:

§ 223 und 224 des deutschen Strafgesetzbuches (dStGB) lauten (https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/StGB.pdf):

-

"§ 223 Körperverletzung?

-

(1) Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.?

-

(2) Der Versuch ist strafbar.?

?

§ 224 Gefährliche Körperverletzung?

-

(1) Wer die Körperverletzung?

-

1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,?

?

2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,?

-

3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,?

-

4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder?

-

5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung?

-

begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.?

-

(2) Der Versuch ist strafbar."?

-

Zur Unterscheidung zwischen Verbrechen und Vergehen sieht § 12 dtStGB vor:?

-

"§ 12 Verbrechen und Vergehen?

-

(1) Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.?

-

(2) Vergehen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit einer geringeren Freiheitsstrafe oder die mit Geldstrafe bedroht sind.-

-

(3) Schärfungen oder Milderungen, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils oder für besonders schwere oder minder schwere Fälle vorgesehen sind, bleiben für die Einteilung außer Betracht."?

1.7.2. Frankreich:

In Frankreich wird eine Körperverletzung, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von mehr als acht Tagen führt, mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren Gefängnis und bis zu EUR 45.000 Geldstrafe bestraft (Art. 222-11 Code Pénal); sind mehrere Personen als Komplizen daran beteiligt, wird dies mit einer Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe bis zu EUR 75.000 bestraft (Art. 222-12 Abs. 8 Code Pénal). Sind die Folgen weniger schwer, d.h. liegt eine Arbeitsunfähigkeit von weniger als acht Tagen (oder sogar gar keine Arbeitsunfähigkeit) vor, waren aber mehrere Personen als Komplizen daran beteiligt, wird dies mit einer Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bis zu EUR 45.000 bestraft (Art. 222-13 Abs. 8 Code Pénal). In Frankreich handelt es sich bei den genannten Tatbeständen um Vergehen.

Art. 222-11 bis 222-13 des französischen Strafgesetzbuchs (Code Pénal) lauten

(https://www.legifrance.gouv.fr/affichCode.do;jsessionid=504D2C567E2FBD250149C60A4494E1DE.tplgfr21s_3?idSectionTA=LEGISCTA000006181751&cidTexte=LEGITEXT000006070719&dateTexte=20190115):

"Article 222-11

Les violences ayant entraîné une incapacité totale de travail pendant plus de huit jours sont punies de trois ans d'emprisonnement et de 45 000 euros d'amende.

Article 222-12

L'infraction définie à l'article 222-11 est punie de cinq ans d'emprisonnement et de 75 000 euros d'amende lorsqu'elle est commise

(...)

8° Par plusieurs personnes agissant en qualité d'auteur ou de complice;

(...)

Article 222-13

Les violences ayant entraîné une incapacité de travail inférieure ou égale à huit jours ou n'ayant entraîné aucune incapacité de travail sont punies de trois ans d'emprisonnement et de 45 000 euros d'amende lorsqu'elles sont commises:

(...)

8° Par plusieurs personnes agissant en qualité d'auteur ou de complice;

(...)"

Nach dem französischen Code Pénal wird die Grenze zwischen Verbrechen ("crime") und Vergehen ("délit") so getroffen, dass ein Vergehen vorliegt, wenn eine höchstens 10-jährige Freiheitsstrafe droht (Art. 131-4 Code Pénal;

http://www.internet-juridique.net/delit,l72.html). Die geringste Form der Straftat sind Übertretungen ("contraventions"), die mit Geldstrafen geahndet werden (Art. 131-13 Code Pénal).

1.7.3. Spanien:

In Spanien wird eine Körperverletzung, die eine medizinische Behandlung nötig macht, mit einer Gefängnisstrafe von drei Monaten bis drei Jahren oder Geldstrafe von sechs bis zwölf Monaten bestraft (Art. 147 Abs. 1 Código Penal). Davon nicht umfasste Körperverletzungen werden mit Geldstrafe bis zu drei Monaten bestraft (Art. 147 Abs. 2 Código Penal). Misshandlungen werden mit einer Geldstrafe von ein bis zwei Monaten bestraft (Art. 147 Abs. 3 Código Penal).

Unter gefahrenerhöhenden Gesichtspunkten droht für eine Körperverletzung eine Gefängnisstrafe von zwei bis fünf Jahren, abhängig vom eingetretenen Taterfolg oder hergestellten Risiko (Art. 148 Código Penal). Nach Art. 148 Abs. 1 Código Penal fallen darunter etwa jene Fälle, die unter Anwendung einer Waffe, eines Instruments, eines Objekts, einer Methode oder in einer Form erfolgen, die besonders gefährlich für das Leben oder die physische oder psychische Gesundheit der verletzten Person sind oder nach Abs. 2 leg.cit. jene Fälle, in denen es Grausamkeit oder Verrat gab.

Die bezughabenden Vorschriften des spanischen Código Penal lauten (vgl. https://www.boe.es/buscar/act.php?id=BOE-A-1995-25444):

"Artículo 147.

1. El que, por cualquier medio o procedimiento, causare a otro una lesión que menoscabe su integridad corporal o su salud física o mental, será castigado, como reo del delito de lesiones con la pena de prisión de tres meses a tres años o multa de seis a doce meses, siempre que la lesión requiera objetivamente para su sanidad, además de una primera asistencia facultativa, tratamiento médico o quirúrgico. La simple vigilancia o seguimiento facultativo del curso de la lesión no se considerará tratamiento médico.

2. El que, por cualquier medio o procedimiento, causare a otro una lesión no incluida en el apartado anterior, será castigado con la pena de multa de uno a tres meses.

3. El que golpeare o maltratare de obra a otro sin causarle lesión, será castigado con la pena de multa de uno a dos meses.

4. Los delitos previstos en los dos apartados anteriores sólo serán perseguibles mediante denuncia de la persona agraviada o de su representante legal.

Artículo 148.

Las lesiones previstas en el apartado 1 del artículo anterior podrán ser castigadas con la pena de prisión de dos a cinco años, atendiendo al resultado causado o riesgo producido:

1.º Si en la agresión se hubieren utilizado armas, instrumentos, objetos, medios, métodos o formas concretamente peligrosas para la vida o salud, física o psíquica, del lesionado.

2.º Si hubiere mediado ensañamiento o alevosía.

(...)."

Das spanische Strafgesetzbuch teilt Straftaten nach ihrer Schwere in schwere, mittelschwere und leichte Straftaten ein ("delitos graves", "delitos menos graves" und "delitos leves"); die Einordnung ist abhängig von Strafrahmen und verhängter Strafe (vgl. Art. 13 Código Penal):

"Artículo 13.

1. Son delitos graves las infracciones que la Ley castiga con pena grave.

2. Son delitos menos graves las infracciones que la Ley castiga con pena menos grave.

3. Son delitos leves las infracciones que la ley castiga con pena leve.

4. Cuando la pena, por su extensión, pueda incluirse a la vez entre las mencionadas en los dos primeros números de este artículo, el delito se considerará, en todo caso, como grave. Cuando la pena, por su extensión, pueda considerarse como leve y como menos grave, el delito se considerará, en todo caso, como leve."

Zu den schweren Strafen zählen etwa die lebenslange Freiheitsstrafe oder auch schon eine Freiheitsstrafe über fünf Jahren (Art. 33 Abs. 2 Código Penal). Zu den mittelschweren Strafen gehört etwa eine Gefängnisstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren (Art. 33 Abs. 3 Código Penal); zu den leichten Strafen gehören Arbeiten für die Gemeinschaft oder der zeitlich befristete Führerscheinentzug (Art. 33 Abs. 4 Código Penal):

"Artículo 33.

1. En función de su naturaleza y duración, las penas se clasifican en graves, menos graves y leves.

2. Son penas graves:

a) La prisión permanente revisable.

b) La prisión superior a cinco años.

[...]

3. Son penas menos graves:

a) La prisión de tres meses hasta cinco años.

[...]

4. Son penas leves:

a) La privación del derecho a conducir vehículos a motor y ciclomotores de tres meses a un año.

[...]

i) Los trabajos en beneficio de la comunidad de uno a treinta días."

Körperverletzung zählt nach dem Código Penal zu den "mittelschweren Straftaten".

1.7.4. "Menschenhandel"

Die Straftat "Menschenhandel" wird in Österreich mit Gefängnisstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (§ 104a StGB). In Deutschland wird Menschenhandel mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft (§ 232 Abs. 1 dStGB). In Frankreich drohen dafür bis zu sieben Jahre Haft (Art. 225-4 Code Pénal); in Spanien drohen sogar fünf bis acht Jahre Haft (Art. 177 Abs. 1 Código Penal). Für die qualifizierte Tatbegehung werden jeweils höhere Strafen verhängt.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der vorgelegten Asylverfahrensakten betreffend das Asylanerkennungsverfahren und das Asylaberkennungsverfahren des Beschwerdeführers, insbesondere aus dem angefochtenen Bescheid, der Beschwerde und der Beschwerdevorentscheidung, sowie aus dem hg. Gerichtakt. Insbesondere liegen die erwähnten Strafurteile sowie Anlass- und Abschlussbericht zur ersten Verurteilung in den Akten ein. Weiters ergibt sich die Einschätzung der Gemeingefährlichkeit des Beschwerdeführers auch aus der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht im Verfahren XXXX vom 11.12.2019.

Die für die Entscheidung wesentlichen Umstände im Tatsachenbereich sind geklärt, die relevanten Urkunden und Ermittlungsergebnisse liegen in den Verwaltungsakten ein. Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung den maßgeblichen Sachverhalt in Übereinstimmung mit der Aktenlage richtig festgestellt sowie die diesen Sachverhalt tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt. Den Feststellungen der Behörde im angefochtenen Bescheid zum Privat- und Familienleben und zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich trat der Beschwerdeführer nicht entgegen. Die Feststellung, dass die Brüder des Beschwerdeführers anderer Wohnsitze haben als er, wurde durch die Einholung aktueller ZMR-Auszüge bestätigt.

Der Beschwerdeführer trat dem Sachverhalt und der Beweiswürdigung der belangten Behörde lediglich dahingehend entgegen, als er (zu Recht) darauf hinwies, dass das Urteil des EuGH vom 19.03.2018, Rs C-369/17, im Bescheid der belangten Behörde keine Berücksichtigung gefunden habe und keine Zukunftsprognose hinsichtlich des künftigen Verhaltens des Beschwerdeführers abgegeben wurde. Dies hat die belangte Behörde aber in ihrer Beschwerdevorentscheidung nachgeholt und eingehend begründet, warum keine positive Zukunftsprognose möglich ist.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von dem bereits von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt aus, wobei ergänzend festzustellen war, dass der Beschwerdeführer am XXXX .02.2020 wegen des Vergehens der Körperverletzung verurteilt wurde.

Somit steht die erste strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers anhand des in den Verwaltungsakten einliegenden Urteils und den diesbezüglichen Strafaktsteilen unbestritten fest. Die Feststellungen zur zweiten strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und die Details diesbezüglich ergeben sich aus den im hg. Gerichtsakt einliegendem Urteil.

Was die Gefährlichkeitsprognose bezüglich des Beschwerdeführers betrifft, so ist auf die Ausführungen der belangten Behörde (S. 34 ff der Beschwerdevorentscheidung) zu verweisen. Insbesondere hat der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 11.12.2019 zum Verfahren XXXX nicht die Verantwortung für seine schwere Straftat übernommen, sondern seine Rolle als Tatbeteiligter heruntergespielt (so sei er nicht - wie im Gerichtsurteil des Strafgerichtes festgestellt - dem Opfer ins Gesicht gesprungen, sondern nur "über ihn" gesprungen und er habe das Opfer nur einmal gegen die Beine getreten). Er habe inzwischen ein Anti-Gewalt-Training gemacht und so etwas würde nicht mehr vorkommen. Das Bundesverwaltungsgericht kam bereits damals zum Schluss, dass der Beschwerdeführer als gemeingefährlich einzuschätzen ist (siehe S 11 und 12 der Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 11.12.2019, welche im Verwaltungsakt einliegt). Die inzwischen erfolgte weitere Verurteilung wegen einer Körperverletzung erhärtet die Einschätzung, dass der Beschwerdeführer die Rechtsordnung nicht respektiert und auch weiterhin als gemeingefährlich einzustufen ist, weshalb keine positive Zukunftsprognose abgegeben werden kann.

Die Feststellungen zu den Strafrahmen in vergleichbaren ausländischen Strafgesetzen beruhen auf den angeführten Fundstellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG), geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 idgF (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 idgF (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 idgF (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes derogiert eine Beschwerdevorentscheidung dem Ausgangsbescheid endgültig. Das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, bleibt aber im Fall eines zulässigen Vorlageantrages dennoch die Beschwerde. Da sich die Beschwerde gegen den Ausgangsbescheid richtet (und sich ihre Begründung auf diesen beziehen muss), bleibt der Ausgangsbescheid auch Maßstab dafür, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht. Aufgehoben, abgeändert oder bestätigt werden kann aber nur die - außer in Fällen einer Zurückweisung einer Beschwerde - an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung (siehe VwGH 04.03.2016, Ra 2015/08/0026).

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. VwGH 2.9.2015, Ra 2014/19/0127).

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechte-Charta der EU auch im vor-liegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Vor-aussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, Appl. Nr. 28.394/95, Döry/Schweden; 8.2.2005, Appl. Nr. 55.853/00, Miller/Schweden), ebenso, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten und die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten sind (EGMR 18.7.2013, Appl. Nr. 56.422/09, Schädler-Eberle/Liechtenstein, Rz 97 ff).

Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde sowie den vorgelegten Urteilen und den Anlass- und Abschlussberichten als geklärt anzusehen ist.

Wenn der Beschwerdeführer in der Beschwerde vorbringt, ihm sei kein Parteigehör gewährt worden und es sei ihm die Beiziehung eines Rechtsanwaltes verwehrt worden, ist dem entgegenzuhalten, dass im Aberkennungsverfahren sehr wohl eine Einvernahme stattgefunden hat, in der der Beschwerdeführer selbst angab, nichts sagen zu wollen und dass zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens dem Beschwerdeführer die Inanspruchnahme eines Rechtsanwaltes unmöglich gemacht wurde. Überdies übermittelte die belangte Behörde mit Schriftsatz vom 13.12.2019 dem Beschwerdeführer ein Schreiben, mit dem er zu einer Stellungnahme hinsichtlich des Aberkennungsverfahrens aufgefordert wurde. Eine Stellungnahme seitens des Beschwerdeführers langte vor Bescheiderlassung durch die belangte Behörde nicht ein.

Im Übrigen könne sogar eine im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde erfolgte Verletzung des Parteiengehörs durch die mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, zumal der bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt (siehe VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

3.2. Zu Spruchpunkt A) Abweisung:

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides, auf die auch in der Beschwerdevorentscheidung Bezug genommen wurde:

3.2.1. Zu Spruchpunkt I. Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten:

Gemäß § 9 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 2 AsylG ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 9 Abs. 3 AsylG ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

Gemäß § 9 Abs. 4 AsylG ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.

Die belangte Behörde nahm aufgrund der vorliegenden Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens an, dass der Aberkennungsgrund des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG verwirklicht worden sei und verfügte die Aberkennung des ihm früher zuerkannten subsidiären Schutzes (wobei die Begründung in der Beschwerdevorentscheidung noch im Sinne des unten erwähnten Urteils des EuGH im Fall "Ahmed" ergänzt wurde).

Verbrechen sind nach § 17 StGB, auf den 9 Abs. 2 Z 3 AsylG verweist, vorsätzlich strafbare Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind (§ 17 Abs. 1 StGB).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH vom 13.09.2018, Rs C-369/17 "Ahmed") hat klargestellt, wie mit "schweren Straftaten" und der Aberkennung eines Schutztitels umzugehen ist.

Der EuGH hat in seiner Entscheidung vom 13.09.2018, Rs C-369/17 "Ahmed", festgehalten, dass nicht ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat vorgesehen ist, davon ausgegangen werden darf, dass eine Person eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie begangen hat.

Der EuGH fasste seine Ausführungen wie folgt zusammen:

"Art. 17 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ist dahin auszulegen, dass er einer Rechtsvorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der ausschließlich anhand des Strafmaßes, das für eine bestimmte Straftat nach dem Recht dieses Mitgliedstaats vorgesehen ist, davon ausgegangen wird, dass die Person, die einen Antrag auf subsidiären Schutz gestellt hat, "eine schwere Straftat" im Sinne dieser Bestimmung begangen hat, derentwegen sie von der Gewährung subsidiären Schutzes ausgeschlossen werden kann. Es ist Sache der zuständigen nationalen Behörde bzw. des zuständigen nationalen Gerichts, die oder das über den Antrag auf subsidiären Schutz entscheidet, die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen, wobei eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen ist."

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall ist daraus zu gewinnen, dass eine Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht alleine aus dem Grund erfolgen darf, weil eine Person wegen eines Straftatbestandes verurteilt wurde, den der Gesetzgeber aufgrund seines Strafmaßes als "Verbrechen" eingeordnet hat, auch wenn diese Einordnung ein Indiz für das Vorliegen einer schweren Straftat ist.

Der Verwaltungsgerichtshof baute in seiner im gegenständlichen Fall ergangenen Entscheidung vom 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, auf diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes auf: Demnach kommt "dem Kriterium des in den strafrechtlichen Vorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehenen Strafmaßes zwar eine besondere Bedeutung bei der Beurteilung der Schwere der Straftat [zu], die den Ausschluss vom subsidiären Schutz nach Art. 17 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95 rechtfertigt", doch darf sich "die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats gleichwohl erst dann auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgrund berufen, nachdem sie in jedem Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen" (Rs Ahmed, Rn. 55).

Bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG, der nach der Intention des Gesetzgebers die Bestimmung des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie umsetzt, ist daher jedenfalls eine Einzelprüfung durchzuführen, ob eine "schwere Straftat" im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b der Statusrichtlinie vorliegt: "Dabei ist die Schwere der fraglichen Straftat zu würdigen und eine vollständige Prüfung sämtlicher besonderer Umstände des jeweiligen Einzelfalls vorzunehmen. Es ist jedoch nicht unbeachtet zu lassen, dass auch der EuGH dem in einer strafrechtlichen Bestimmung vorgesehenen Strafmaß eine besondere Bedeutung zugemessen hat (vgl. EuGH 13.9.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55) und somit die Verurteilung des Fremden wegen eines Verbrechens zweifelsfrei ein gewichtiges Indiz für die Aberkennung darstellt, dieses Kriterium allein jedoch nach den unionsrechtlichen Vorgaben für eine Aberkennung nicht ausreicht." (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295, Rn. 25).

Der Verwaltungsgerichtshof gab dem Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung für den zweiten Rechtsgang mit, es würde "zusätzlich zum Kriterium der rechtskräftigen Verurteilung des Revisionswerbers wegen eines Verbrechens eine vollständige Prüfung sämtlicher Umstände des konkreten Einz

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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