TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/16 G313 2198290-1

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Veröffentlicht am 16.01.2020
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Entscheidungsdatum

16.01.2020

Norm

AsylG 2005 §55 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs2
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G313 2198290-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX geb. XXXX, StA. Albanien, vertreten durch Dr. Peter LECHENAUER, Dr. Margrit SWOZIL RAE, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2018, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.04.2019 zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist.

Der Beschwerdeführerin wird gemäß § 55 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) beantragte am 19.09.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK (zur "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens"). Dieser Antrag langte am 20.09.2017 beim BFA ein.

2. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA wurde der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 19.09.2017 gemäß

§ 55 AsylG 2005 idgF abgewiesen und gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 idgF erlassen, gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß

§ 46 FPG nach Albanien zulässig sei, und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der BF mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt wird.

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückzuverweisen, oder eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der BF den von ihr beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen und die Abschiebung für unzulässig zu erklären.

4. Am 14.06.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

5. Am 02.04.2019 wurde vor dem BVwG, Außenstelle Graz, unter Teilnahme der BF und ihres Rechtsvertreters, ihrer Tochter und ihres Schwiegersohnes als Zeugen, im Beisein einer Dolmetscherin für die albanische Sprache eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die - nunmehr 58 Jahre alte - BF ist Staatsangehörige von Albanien und stammt aus einer westlich von Tirana gelegenen Stadt.

1.2. Die BF hat sowohl in Albanien, ihrem Herkunftsland, als auch in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte:

1.2.1. Sie hat im Bundesgebiet eine Tochter, deren Ehegatten und deren beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder (Enkeltochter und Enkelsohn), mit denen sie nunmehr seit April 2017 in gemeinsamem Haushalt zusammenwohnt. Die Tochter der BF ist im Jahr 2013 mit ihrer minderjährigen, im Mai 2010 geborenen, nunmehr neun Jahre alten, Tochter nach Österreich verzogen und hat mit ihr im September 2013 bei ihrem Ehegatten, der bereits ab November 2001, ununterbrochen jedoch erst seit dem Jahr 2012, im Bundesgebiet gemeldet war, einen Hauptwohnsitz begründet.

Der im Dezember 2012 geborene Enkelsohn der BF ist nachweislich bei der BF in Albanien verblieben und bei ihr aufgewachsen. Die BF sprach in der mündlichen Verhandlung am 02.04.2019 glaubhaft davon, ihr Enkelsohn sei ein Monat alt gewesen, als die BF bereits begonnen habe, für ihn allein zu sorgen. (VH-Niederschrift, S. 5).

Die Kindeseltern haben die BF im April 2016 nachweislich dazu bevollmächtigt, für ihren Sohn in Albanien einen Reisepass zu besorgen und mit ihrem Sohn nach Österreich - und wieder nach Albanien - zurückzureisen.

Die BF ist im Mai 2016 mit ihrem Enkelsohn nach Österreich gereist und über die ihr zugekommene unionsrechtliche sichtvermerkfreie Aufenthaltsberechtigung hinaus im Bundesgebiet verblieben und erst im Jänner 2017 aus dem Bundesgebiet ausgereist und kurze Zeit darauf am 12.04.2017 wieder zu ihren Familienangehörigen nach Österreich zurückgekehrt.

Mit E-Mail des Rechtsvertreters der BF vom 21.06.2017 - vor Ablauf der ihr zugekommenen dreimonatigen sichtvermerkfreien Aufenthaltsberechtigung mit "12.07.2017" - wurde die belangte Behörde um eine vierwöchige Verlängerung ihres Bleiberechts bzw. um Aufschub ihrer Ausreiseverpflichtung um vier Wochen ersucht, dies mit der Begründung, die BF müsse sich um ihre beiden Enkelkinder kümmern, seien die Kindeseltern doch vollzeitbeschäftigt.

Die BF ist der Ausreiseaufforderung des BFA vom 08.08.2017 nicht nachgekommen und weiterhin im Bundesgebiet verblieben.

Sie hat ihren minderjährigen Enkelsohn, der in Österreich nachweislich einer logopädischen Therapie bedurfte, nachweislich regelmäßig zur von ihm benötigten Therapie begleitet. Dass sie ihren Enkelsohn regelmäßig zur Therapie bringen und abholen kann, wurde seitens des betreffenden Gesundheitsnetzwerks nach Rücksprache mit der Kindesmutter schriftlich festgehalten.

Am 19.09.2017 beantragte die BF beim BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK. Im Zuge dieser Antragstellung wurde darauf hingewiesen, in Österreich ihre zwei Enkelkinder zu versorgen. In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 02.04.2019 betonte die BF, sie müsse sich in Österreich besonders um ihren unter Sprachschwierigkeiten leidenden minderjährigen Enkelsohn kümmern.

Die Tochter der BF hob in der mündlichen Verhandlung hervor, dass sie besonders auf die Unterstützung durch ihre Mutter angewiesen sei und ihr minderjähriger Sohn eine starke Bindung zur BF habe. Sie brachte nach Vorbringen, ihre Mutter - die BF - werde ihren Sohn ab September 2019 in die Volksschule begleiten, befragt, ob sie sagen würde, dass ihr Sohn dadurch eine noch stärkere Beziehung zur BF als zu ihr habe, vor:

"Ja, anfänglich hat er mich eigentlich total abgelehnt, weil er mich überhaupt nicht gewohnt war, er wollte nur immer mit der Oma zusammen sein. Aber es wird nun besser." (VH-Niederschrift, S. 10).

Dem Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 19.09.2019 wurde unter anderem eine farbenfrohe Kinderzeichnung beigelegt, auf welcher zwei - mit "Schule" und "Kindergarten" beschriftete Häuser gezeichnet wurden, wobei auf dem mit "Schule" beschrifteten Haus die BF mit ihrer Enkeltochter und auf dem mit "Kindergarten" beschrifteten Haus die BF mit ihrem Enkelsohn - die Personen jeweils mit "Oma" und dem jeweiligen Namen des Enkelkindes beschriftet - und ein rotes Band zwischen den zwei "Omas" zu sehen sind. (AS 57).

1.2.2. In Albanien, dem Herkunftsland der BF, leben ein Sohn und eine Tochter der BF. Der Ehegatte der BF ist in Albanien verstorben. Die BF hat in Albanien zwei Häuser samt Grundstücke, worum sich, seit die BF ihr Herkunftsland verlassen hat, der in Albanien lebende Sohn der BF kümmert.

1.3. Die BF ist im Bundesgebiet nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen. In der mündlichen Verhandlung befragt, ob die BF Pension beziehe, gab diese an:

"In Albanien bekommt man ab 62, 63 eine Pension. Ich habe angesucht, bin aber (...) zu jung und habe keine bekommen. Ich beziehe aber von einem Haus in Albanien, das ich vermietet habe, Mieteinkünfte in der Höhe zwischen 150,- bis 160,- Euro." (VH-Niederschrift, S. 7).

Die BF konnte keine ihre Mieteinkünfte bescheinigende Bestätigung, nur einen Einzahlungsbeleg über EUR 200,- vorlegen, und brachte vor, von ihrem Sohn "das Geld mit Bekannten oder per Post" geschickt zu erhalten und fügte hinzu, die Gebühren seien zu hoch gewesen, weshalb ihr Sohn das Geld lieber mit Bekannten mitschicken habe wollen (VH-Niederschrift, S. 7).

Die Tochter und der Schwiegersohn der BF sind nachweislich in Österreich beschäftigt, wobei die BF ihre Tochter und deren Mann bei der Kinderbetreuung unterstützt und ihren Enkelsohn vormals regelmäßig in den Kindergarten und zu von ihm benötigten logopädischen Therapie gebracht und von dort wieder abgeholt hat und nunmehr beide Enkelkinder - geht doch seit Herbst 2019 nicht nur die Enkeltochter, sondern auch der Enkelsohn der BF zur Volksschule - regelmäßig zur Schule bringt und von dort wieder abholt.

Die Tochter der BF gab in der mündlichen Verhandlung an, nicht zu wissen, wie sie ohne ihre Mutter - die BF - ihre Arbeit aufrecht halten könne.

Festgestellt werden kann, dass die Tochter der BF im Bundesgebiet ab Juli 2014 - bei verschiedenen Dienstgebern - unselbstständig und vier Monate lang im Jahr 2017 auch gewerblich selbstständig erwerbstätig war, und deren Ehegatte, der Schwiegersohn der BF, in Österreich bereits ab September 2001 - bei verschiedenen Dienstgebern - unselbstständig und drei Monate lang im Jahr 2005 auch gewerblich selbstständig erwerbstätig war.

1.4. Die Tochter der BF ist nunmehr im Besitz eines bis 10.05.2022 gültigen Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot Karte plus", welcher ihr nach ihrem am 10.05.2016 abgelaufenen derartigen Aufenthaltstitel stets verlängert wurde.

Der Schwiegersohn der BF, der sich seit September 2012 ununterbrochen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, suchte am 07.07.2017 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an. Diese wurde ihm jedoch mangels Nachweises des erforderlichen durchgehenden rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet bislang (noch) nicht verliehen. Er ist nunmehr jedenfalls im Besitz eines von 15.03.2019 bis 14.03.2024 gültigen Daueraufenthaltstitels-EU. Dieser ist die Verlängerung des ihm zuvor vom 15.03.2014 bis 14.03.2019 erteilten Daueraufenthaltstitels-EU und dieser wiederum die Verlängerung der ihm von 15.03.2004 bis 14.03.2014 zugekommenen Niederlassungsbewilligung.

Seinem minderjährigen Sohn bzw. dem Enkelsohn der BF wurde am 13.05.2018 ein - bis 12.05.2024 gültiger - Daueraufenthaltstitel-EU erteilt. Diesem ist ein ab 13.05.2016 gültiger stets verlängerter Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" vorausgegangen. Auch die mit der Kindesmutter eingereiste minderjährige Enkeltochter der BF ist nunmehr im Besitz eines - von 15.03.2018 bis 14.03.2023 gültigen - Daueraufenthaltstitels-EU. Diesem ist ein ab 06.06.2014 gültiger stets verlängerter Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot-Karte plus vorausgegangen.

1.5. Die BF besuchte im Bundesgebiet nachweislich vom 25.09.2017 bis 13.12.2017 einen Deutschkurs im Ausmaß von 36 Unterrichtseinheiten und im Mai 2018 einen weiteren Deutschkurs.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Zur Person der BF und ihren individuellen Verhältnissen:

2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit der BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich unbedenklichen Akteninhalt.

2.2.2. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen der BF, die seit April 2017 in Österreich bei ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und deren beiden minderjährigen Kindern in gemeinsamem Haushalt zusammenwohnt, beruhen auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung (VH-Niederschrift, S. 5) in Zusammenschau mit den die BF und ihre Familienangehörigen betreffenden Zentralmelderegisterauszügen. Dass die BF in Albanien einen Sohn und eine Tochter hat, beruht auf ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung (VH-Niederschrift, S. 4), ebenso die Feststellung, dass ihr Ehegatte verstorben ist (VH-Niederschrift, S. 7).

Dass der minderjährige im Dezember 2012 geborene Enkelsohn der BF in Albanien bei der BF aufgewachsen ist, beruht auf der diesbezüglichen vom Albanischen in die deutsche Sprache übersetzten "Bescheinigung" von September 2017 (AS 55).

Dass die BF von ihrer Tochter und deren Ehegatten zur Besorgung eines Reisepasses für ihren Enkelsohn in Albanien und zur Reise mit ihm zusammen von Albanien nach Österreich und von Österreich nach Albanien bevollmächtigt wurde, beruht auf einer dies bescheinigenden dem Verwaltungsakt einliegenden "Vollmacht" (AS 15).

Dass der Enkelsohn der BF einer logopädischen Therapie bedurfte, ergab sich aus dem Akteninhalt bzw. der den Therapieeinheiten vorangegangenen Verordnung einer "Therapie bei Kinder mit Entwicklungsstörungen im Vorschulalter" für zehn Therapieeinheiten zu je 60 Minuten durch einen Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde von November 2017 (AS 67).

Dass die BF ihren minderjährigen Enkelsohn regelmäßig in den Kindergarten und zu benötigten logopädischen Therapieeinheiten begleitet und von dort wieder abgeholt hat und beide Enkelkinder (Enkeltochter und Enkelsohn) nunmehr in die Volksschule begleitet, ergab sich aus dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.2.3. Dass sich die BF ab Einreise im Mai 2016 im Bundesgebiet aufgehalten hat, beruht auf dem diesbezüglichen Akteninhalt. Dass die BF im Jänner 2017 wieder aus dem Bundesgebiet ausgereist und am 12.04.2017 wieder in den Schengen-Raum und folglich in das österreichische Bundesgebiet zurückgekehrt ist, beruht auf einer dem Verwaltungsakt einliegenden Reisepasskopie bzw. den dies bescheinigenden Ein- und Ausreisestempeln auf dieser Reisepasskopie (AS 47).

2.2.4. Die Feststellungen zum Aufenthaltsstatus der Familienangehörigen der BF in Österreich beruhen auf diese Personen betreffende Fremdenregisterauszüge.

2.2.5. Die Feststellungen zur Erwerbstätigkeit der Tochter und des Schwiegersohnes der BF im Bundesgebiet beruhen auf diese Personen betreffende AJ-WEB Auskunftsverfahrensauszüge.

Dass die BF Einnahmen aus der Vermietung ihres Hauses in Albanien von ihrem in Albanien lebenden Sohn vorwiegend über Bekannte zugeschickt erhält, konnte sie in der mündlichen Verhandlung glaubhaft machen (VH-Niederschrift, S. 7).

Ebenso glaubhaft machen konnte die BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, in Österreich "selbst versichert" zu sein. (VH-Niederschrift, S. 8).

2.2.6. Dass die BF im Bundesgebiet vom 25.09.2017 bis 13.12.2017 einen Deutschkurs im Ausmaß von 36 Unterrichtseinheiten absolviert hat (AS 145), beruht auf einer dies bescheinigenden "Teilnahmebestätigung". Dass die BF im Mai 2018 einen weiteren Deutschkurs besucht hat, wurde mit einer Bestätigung vom 28.05.2018, wonach die BF bis zum Bestätigungszeitpunkt zwei Monate lang regelmäßig einen Deutschkurs besucht hat, nachgewiesen (AS 147).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zum ersten Absatz im Spruch des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Der mit "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" betitelte § 10 AsylG lautet:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG und gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG zurück- oder abgewiesen wird.

§ 55 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 lauten wie folgt:

"§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen."

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:

"§ 9.

(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2.

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

3.

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4.

der Grad der Integration,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5.

die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

6.

die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

7.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

8.

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

 

 

 

 

 

 

 

 

 

9.

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(...)."

3.1.2. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80,

X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80,

EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981,

B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

3.1.3. Im gegenständlichen Fall steht fest, dass sich in Österreich eine Tochter der BF, deren Ehegatte und deren beiden gemeinsamen minderjährigen Kinder (Enkelsohn und Enkeltochter, die beide nunmehr die Volksschule in Österreich besuchen) aufhalten und die BF ihre Tochter und deren Ehegatten bei der Kindesbetreuung unterstützt und deren beiden gemeinsamen Kinder regelmäßig in die Schule bringt und von dort wieder abholt. Die BF hat ihren minderjährigen Enkelsohn vor seinem Schulbesuch auch regelmäßig in den Kindergarten und zu einer von ihm benötigten logopädischen Therapie begleitet.

Die BF hat ihren im Dezember 2012 in Albanien geborenen, nunmehr sieben Jahre alten Enkelsohn, der bei ihr nachweislich in Albanien aufgewachsen ist, im Mai 2016 zur Kindesmutter nach Österreich begleitet, ist auch nach Ablauf der ihr zugekommenen dreimonatigen sichtvermerkfreien Aufenthaltsberechtigung bei ihren Familienangehörigen im Bundesgebiet verblieben und erst im Jänner 2017 ausgereist und kurze Zeit darauf im April 2017 wieder zu ihren Familienangehörigen nach Österreich zurückgekehrt. Seither lebt die BF mit ihrer Tochter, deren Ehegatten und deren beiden gemeinsamen minderjährigen Kindern in gemeinsamem Haushalt zusammen.

Sowohl die BF als auch ihre Tochter betonten im Zuge der mündlichen Verhandlung eine starke familiäre Bindung, die Tochter der BF mit der Begründung, sie sei auf ihre Mutter angewiesen und wisse nicht, wie sie ohne Unterstützung durch die BF ihre Arbeit aufrecht halten könne.

Es ist von einer besonders intensiven Bindung der BF zu ihrem minderjährigen Enkelsohn, der nachweislich bei ihr in Albanien aufgewachsen ist und in Österreich von der BF stets regelmäßig in den Kindergarten, zu von ihm benötigter logopädischer Therapie begleitet wurde und nunmehr wie seine Schwester in die Schule gebracht wird, und aufgrund der intensiven Kinderbetreuung durch die BF während Erwerbstätigkeit der Kindeseltern auch von einem zwischen der BF und ihren Familienangehörigen in Österreich bestehenden Abhängigkeitsverhältnis, demnach in Gesamtbetrachtung aller individuellen Umstände somit von einem zwischen der BF und ihren in Österreich aufhältigen Familienangehörigen (Tochter, Schwiegersohn und zwei minderjährigen Enkelkindern) in Österreich bestehenden Familienleben iSv Art. 8 EMRK auszugehen.

Mit E-Mail des Rechtsvertreters der BF vom 21.06.2017 und damit noch vor Ablauf der der BF als albanischen Staatsangehörigen zugekommenen dreimonatigen sichtvermerkfreien Aufenthaltsberechtigung wurde um Aufschub der der BF aufgetragenen Ausreiseverpflichtung um vier Wochen ersucht, mit der Begründung, dass sich die BF - wegen Vollzeitbeschäftigung der Kindeseltern - um ihre beiden minderjährigen Enkelkinder kümmern müsse. Die BF ist der nachfolgenden Ausreiseaufforderung vom 08.08.2017 nicht nachgekommen, sondern weiterhin bei ihren Familienangehörigen in Österreich verblieben, dies deshalb, um im Bundesgebiet weiterhin ihre minderjährigen Enkelkinder betreuen zu können.

Der im Bundesgebiet nach Ablauf der der BF nach Wiedereinreise im April 2017 zugekommenen dreimonatigen sichtvermerkfreien Aufenthaltsberechtigung unrechtmäßige Aufenthaltsstatus der BF tritt bei der Interessensabwägung gegenüber ihrem (groß-) mütterlichen Pflichtbewusstsein - vor allem gegenüber ihrem besonders unterstützungsbedürftigen minderjährigen Enkelsohn, der nachweislich bei der BF in Albanien aufgewachsen ist, maßgeblich in den Hintergrund.

Nach Ablauf der dreimonatigen sichtvermerkfreien Aufenthaltsberechtigung mit "12.07.2017" stellte die BF am 19.09.2017 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK.

Im Zuge dieses Antrags wurde unter anderem eine farbenfrohe Kinderzeichnung vorgelegt, auf welcher zwei - mit "Schule" und "Kindergarten" beschriftete Häuser gezeichnet wurden, wobei auf dem mit "Schule" beschrifteten Haus die BF mit ihrer Enkeltochter und auf dem mit "Kindergarten" beschrifteten Haus die BF mit ihrem Enkelsohn - die Personen jeweils mit "Oma" und dem jeweiligen Namen des Enkelkindes beschriftet - und ein rotes Band zwischen den zwei "Omas" zu sehen sind.

Dieses von Kinderhand gezeichnete rote Band versinnbildlicht bzw. symbolisiert die zwischen der BF, die ihre Enkelkinder intensiv betreut und regelmäßig zur Schule bringt, bestehende starke familiäre Bindung.

Bezüglich des Privatlebens der BF, die sich seit Wiedereinreise im April 2017 nunmehr zwei Jahre und neun Monate lang im Bundesgebiet aufhält, wird festgehalten, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0058, mwN). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - ein relativ kurzzeitiger Aufenthalt in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 10.4.2019, Ra 2019/18/0049, mwN).

Die nunmehr 58 Jahre alte BF konnte während ihres nunmehr zwei Jahre, neun Monate langen ununterbrochenen Aufenthaltes im Bundesgebiet seit April 2017 bzw. ihrer Aufenthaltsdauer von Mai 2016 bis Jänner 2017 davor keine besonders berücksichtigungswürdigen Integrationsschritte setzen. Sie hat nachweislich von September bis Dezember 2017 einen Deutschkurs im Ausmaß von 36 Unterrichtseinheiten absolviert, im Mai 2018 nachweislich einen weiteren Deutschkurs besucht und bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn zuhause deren Kinder betreut und sich, wie auch aus ihrem Antrag vom 19.09.2017 bzw. dem diesbezüglichen Antragsformular hervorgehend, sich in Österreich vorwiegend mit ihren beiden Enkelkindern "beschäftigt" bzw. diese betreut.

Es ist davon auszugehen, dass die BF, die ihren Enkelsohn regelmäßig zum Kindergarten und zu einer Therapieeinrichtung gebracht hat und nunmehr beide Enkelkinder regelmäßig in die Volksschule bringt, während ihres nunmehr zwei Jahre, neun Monate langen Aufenthaltes im Bundesgebiet auch einige Sozialkontakte knüpfen konnte.

Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass die Umstände, dass der Fremde einen großen Freundes- und Bekanntenkreis hat und er der deutschen Sprache mächtig ist, seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken können (vgl. VwGH 26.11.2009, 2007/18/0311; 29.6.2010, 2010/180/0226).

Bei der Interessensabwägung konnten jedenfalls keine außergewöhnlichen Integrationsschritte der BF im Bundesgebiet berücksichtigt werden. Dazu war die 58 Jahre alte BF, die den Großteil ihres Lebens in ihrem Herkunftsstaat verbracht hat, offenbar bereits altersbedingt gar nicht imstande.

Die Tochter der BF betonte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, dass sie nicht wisse, wie sie ohne Unterstützung durch ihre Mutter ihre Arbeit erhalten könne. Fest steht, dass die Tochter der BF ihren Sohn bei der BF in Albanien zurückgelassen hat und zusammen mit ihrer damals drei Jahre und nunmehr neun Jahre alten Tochter im September 2013 bei ihrem Ehegatten in Österreich einen Hauptwohnsitz begründet hat, ab Juli 2014 in Österreich erwerbstätig war und auch derzeit einer Erwerbstätigkeit nachgeht.

Die Tochter der BF und deren Ehegatte verwiesen in der mündlichen Verhandlung darauf, auch für den Lebensunterhalt der BF aufkommen zu können. Eine in Österreich notariell beglaubigte diesbezügliche Haftungserklärung liegt nicht vor. Festgestellt werden kann jedoch jedenfalls, dass die Tochter der BF und deren Ehegatte mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Bundesgebiet für den Lebensunterhalt der BF, die seit ihrer Einreise im April 2017 mit ihnen in gemeinsamem Haushalt zusammenwohnt, aufkommen können, gehen doch beide derzeit einer Erwerbstätigkeit nach, und war die Tochter der BF bereits ab Juli 2014 immer wieder - bei verschiedenen Dienstgebern - unselbstständig und vier Monate lang im Jahr 2017 auch gewerblich selbstständig erwerbstätig, und deren Ehegatte, der Schwiegersohn der BF, bereits ab September 2001 - bei verschiedenen Dienstgebern - unselbstständig und drei Monate lang im Jahr 2005 auch gewerblich selbstständig erwerbstätig, woraus ersichtlich ist, dass beide von Beginn an im Bundesgebiet um Arbeit bemüht bzw. erwerbstätig waren.

Ihre Bemühungen und Erwerbstätigkeiten hatten zur Folge, dass der Tochter der BF eine "Rot-Weiß-Rot-Karte plus und dem Schwiegersohn der BF ein Daueraufenthaltstitel-EU erteilt wurde. Der Schwiegersohn der BF konnte die von ihm am 07.07.2017 beantragte Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft mangels geforderten ununterbrochenen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet jedenfalls (noch) nicht erlangen.

Die nunmehr 58 Jahre alte BF sprach in der mündlichen Verhandlung glaubhaft davon, in Albanien bereits um Pension angesucht zu haben, dafür jedoch noch nicht alt genug zu sein, und davon, Mieteinnahmen aus der Vermietung ihres Hauses in Albanien von ihrem in ihrer Heimatstadt aufhältigen Sohn zugeschickt zu erhalten. Die BF sprach von Mieteinkünften in Höhe von EUR 150,- bis EUR 160,-, konnte jedoch nur einen Einzahlungsbeleg über einen Betrag von EUR 200,- und keinen konkreten Nachweis für die Mieteinnahmen in Albanien vorlegen, jedoch glaubhaft machen, dass sie von ihrem Sohn in Albanien, der sich seit Verlassen ihres Herkunftsstaates um ihre in Albanien verbliebenen Liegenschaften kümmert, Geld per Post bzw. vorwiegend über Bekannte mitgeschickt erhält. Demzufolge steht fest, dass die BF finanzielle Unterstützung auch aus Albanien erhält.

Es kann folglich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die BF mit Unterstützung ihrer Tochter und deren Ehegatten und mit aus Albanien erhaltener finanzieller Unterstützung ihren Lebensunterhalt in Österreich längerfristig bzw. dauerhaft zu bestreiten imstande ist. Die BF ist zudem, wie sie in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 02.04.2019 glaubhaft vorbrachte, in Österreich "selbst versichert".

Die BF unterstützt ihre Tochter und deren Ehegatten in Österreich durch die Kinderbetreuung, führte auch bei ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK am 19.09.2017 unter dem Unterpunkt "Beschäftigung" am Antragsformular eine "Versorgung" ihrer Enkelkinder an, und ersuchte über ihren Rechtsvertreter im Juni 2017, demnach noch während ihres unionsrechtlich rechtmäßigen dreimonatigen Aufenthaltes im Bundesgebiet, um einen Aufschub ihrer Ausreiseverpflichtung um vier Wochen, mit der Begründung, sie müsse sich um ihre Enkelkinder kümmern.

Die BF ist dem Ausreiseauftrag des BFA vom 08.08.2017 nicht nachgekommen und weiterhin im Bundesgebiet verblieben. Nunmehr hält sich die BF seit Wiedereinreise im April 2017 seit zwei Jahren, neun Monaten durchgehend im Bundesgebiet auf. Fest steht, dass die BF zusammen mit ihrem minderjährigen Enkelsohn bereits im Mai 2016 in das österreichische Bundesgebiet ein-, daraufhin im Jänner 2017 aus dem Bundesgebiet aus- und kurze Zeit darauf im April 2017 wieder in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, und unter Mitberücksichtigung ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet von Mai 2016 bis Jänner 2017 eine insgesamt drei Jahre überschreitende Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet aufweist.

Die BF führt das mit ihrem im Dezember 2012 geborenen Enkelsohn in Albanien geführte Familienleben in Österreich weiter.

Der minderjährige, nunmehr sieben Jahre alte Enkelsohn der BF ist nachweislich bei der BF in Albanien aufgewachsen und im Mai 2016 und damit im Alter von fast dreieinhalb Jahren zusammen mit der BF zu seiner Mutter nach Österreich gekommen.

Im Hinblick auf das Alter des Enkelsohnes der BF zum Zeitpunkt der Ausreise aus Albanien wird darauf hingewiesen, dass "die Einübung in soziale Verhältnisse außerhalb des engen Familienkreises aus dem Blickwinkel der Sozialisation des Kindes etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres beginnt, wobei jedoch die Abgrenzung zum vorangehenden Lebensabschnitt fließend ist. Die genannte altersmäßige Abgrenzung ist auch aus entwicklungspsychologischer Sicht von Bedeutung, wird doch die "Phase der ersten Verselbstständigung" - das ist das Stadium, in dem Kinder auch familienfremde Erzieher akzeptieren, mit anderen Kindern Freundschaften anbahnen, Spiele spielen, sich im Gruppenleben integrieren und somit ihren Lebensbereich über ihre unmittelbare familiäre Sphäre hinaus ausdehnen können - mit etwa drei Jahren erreicht. (vgl. VwGH 05.04.2002, Zl. 2001/18/0176)."

Die BF war für ihren Enkelsohn im Kleinkindalter bzw. im Alter, in welchem dieser besonders auf eine nahe Bezugsperson aus dem engen Familienkreis angewiesen war, sozusagen ein "Mutterersatz" - war doch dessen leibliche Mutter, die Tochter der BF, nach Österreich verzogen.

Die BF konnte in Albanien eine mutterähnliche Bindung zu ihrem Enkelsohn entwickeln.

Diese bereits im Kleinkindalter des Enkelsohnes der BF entstandene familiäre Nahebeziehung zu ihr wurde nach Verlassen ihres Herkunftslandes und ihrer gemeinsamen Einreise in das österreichische Bundesgebiet ab Mai 2016 in Österreich fortgeführt.

Die BF reiste nur im Jänner 2017 für kurze Zeit aus dem Bundesgebiet aus, kurz darauf im April 2017 jedoch wieder in Österreich ein. Sie blieb beharrlich in Österreich bei ihrer Familie, um weiterhin ihre Enkelkinder betreuen und durch die Kinderbetreuung auch ihre Tochter und deren Ehegatten, die beide im Bundesgebiet erwerbstätig sind, unterstützen zu können. Die BF begleitete ihren Enkelsohn regelmäßig zur von ihm benötigten logopädischen Therapie und in den Kindergarten und gemeinsam mit seiner Schwester ab Herbst 2019 in die Volksschule. Der bei der Einreise in das österreichische Bundesgebiet im Mai 2016 nicht ganz dreieinhalb Jahre alt gewesene Enkelsohn der BF ist von ihr auch besonders emotional abhängig, zumal er in Albanien bei ihr aufgewachsen ist und während Abwesenheit der leiblichen Mutter eine stark ausgeprägte Nahebeziehung zu ihr entwickelt hat. Das (groß-) mütterliche Pflichtgefühl der BF ihren Enkelkindern gegenüber ließ diese beharrlich in Österreich verbleiben. Auch der Ausreiseaufforderung des BFA vom 08.08.2017 ist die BF nicht nachgekommen. Dies wird zwar nicht gutgeheißen, im gegenständlichen Einzelfall jedoch für nachvollziehbar gehalten, zumal für die BF die (emotionale) Notwendigkeit bestand, fortgesetzt ihre beiden Enkelkinder und dabei besonders ihren besonders unterstützungsbedürftigen Enkelsohn, der bei ihr in Albanien aufgewachsen ist und zu welchem bereits in dessen Kleinkindalter in Albanien ein besonders ausgeprägtes Naheverhältnis entstanden ist, zu betreuen.

Wie bereits oben angeführt, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass in der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80,

X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19) anerkannt wurden, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1).

Im gegenständlichen Fall besteht eine besonders zu schützende Nahebeziehung der BF zu ihren beiden Enkelkindern iSv Art. 8 EMRK, dabei vor allem zu ihrem minderjährigen Enkelsohn bzw. damit in Zusammenhang auch ein besonders zu schützendes Kindeswohl, zumal nach § 138 Z. 9 ABGB verlässliche Kontakte des Kindes nicht nur zu beiden Elternteilen, sondern auch zu wichtigen Bezugspersonen, sowie sichere Bindungen des Kindes zu diesen Personen wichtige Kriterien bei der Beurteilung des Kindeswohls darstellen (vgl. VwGH 15.05.2019, Zl. Ra 2018/01/0076), und die BF für ihre beiden Enkelkinder und dabei vor allem für ihren minderjährigen Enkelsohn, der bei ihr in Albanien aufgewachsen ist und zu ihr bereits im Kleinkindalter in Albanien eine einer Mutter-Kind-Beziehung ähnlichen ausgeprägte Nahebeziehung entwickelt hat, eine derart "wichtige Bezugsperson" iSv § 138 Z. 9 ABGB darstellt, und die Enkelkinder der BF, die im Bundesgebiet von ihrer Großmutter intensiv betreut werden, eine starke (Ver-) Bindung zu ihr haben.

Da im gegenständlichen Fall die privaten Interessen der BF an einem weiteren Bleiberecht vor allem aufgrund der besonders berücksichtigungswürdigen "außergewöhnlichen" Nahebeziehung der BF zu ihrem Enkelsohn bzw. dessen Kindeswohls die öffentlichen Interessen bzw. das Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens eindeutig überwiegen, ist die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären.

Es ist der BF, die im Bundesgebiet zwar nachweislich Deutschkurse besucht hat, nicht jedoch das Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllt, nach § 55 Abs. 1 Z. 1 iVm § 55 Abs. 2 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung" - zur Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK - zu erteilen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG),

BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2198290.1.00

Im RIS seit

04.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.08.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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