TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/24 W192 2209934-1

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Veröffentlicht am 24.01.2020
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Entscheidungsdatum

24.01.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §51 Abs1
NAG §52 Abs1
NAG §54
NAG §55 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W192 2209934-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.10.2018, Zahl: 1167084604-180222431, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß §§ 66 Abs. 1, 70 Abs. 3 FPG und § 55 Abs. 3 NAG stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Schreiben vom 28.02.2018 teilte die Magistratsabteilung 35 des Amtes der Wiener Landesregierung dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit, dass der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, am 07.09.2017 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als "Angehöriger in gerader aufsteigender Linie" seiner in Österreich lebenden volljährigen Tochter, einer Staatsbürgerin Rumäniens, gestellt hätte. Mangels Unterhaltsbedarfs sowie mangels tatsächlicher Unterhaltsleistung im Herkunftsland durch den zusammenführenden EWR-Bürger würden die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG nicht vorliegen. Der Beschwerdeführer würde im Herkunftsstaat eine Eigentumswohnung besitzen und sei Bezugsberechtigter einer monatlichen Pension in Höhe von rund EUR 200,-, sodass er auf tatsächlichen Unterhalt seiner Tochter nicht angewiesen gewesen wäre. Es werde daher gemäß § 55 Abs. 3 NAG um die Prüfung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung ersucht.

Am 06.03.2018 erging seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme betreffend die beabsichtigte Erlassung einer Ausweisung.

Mit Schreiben vom 05.04.2018 wurde die Vollmacht eines Rechtsanwaltes bekanntgegeben, welcher ausführte, der Beschwerdeführer habe sich von 04.09.2017 bis 13.09.2017 sowie neuerlich seit dem 01.04.2018 im Zuge seines visumsfreien Aufenthalts rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und werde von seiner Tochter und seinem Schwiegersohn aufgrund der geringen Pensionen in der Ukraine seit Jahren mit etwa EUR 200 bis 300 monatlich finanziell unterstützt.

Am 09.05.2018 erfolgte im Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, anlässlich derer er zusammengefasst angab, er habe in der Ukraine eine Eigentumswohnung und beziehe dort eine Pension; seit dem Tod seiner Frau zwei Jahre zuvor werde er von seiner Tochter und seinem Schwiegersohn zusätzlich finanziell unterstützt. Diesbezügliche Belege besitze er nicht, er würde das Geld in bar erhalten. In Österreich würden seine Tochter, sein Schwiegersohn und seine Enkelkinder leben, in der Ukraine habe er keine Angehörigen mehr. Er wolle bei seiner Tochter in Österreich bleiben. Der Beschwerdeführer sei zuckerkrank, und leide an verminderter Sehstärke sowie Hypertonie.

Mit Eingabe vom 30.05.2018 schlüsselte der rechtsfreundliche Vertreter die regelmäßigen Einnahmen und Ausgaben des Beschwerdeführers auf; seinen Einnahmen von UAH 9498,57 würden Ausgaben in Höhe vom UAH 17034,17 gegenüberstehen. Der Beschwerdeführer nutze die im Eigentum seiner Tochter stehende Wohnung und seine Tochter und sein Schwiegersohn würden monatlich UAH 7535,60 (rund EUR 250,-) an Unterhaltsleistungen erbringen. Angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer an beginnender Demenz leide und herzkrank sei, bestünde im Übrigen ohnedies ein Anspruch auf weiteren Aufenthalt iSd Art. 8 EMRK bei seinen einzigen Angehörigen, zumal Betreuung/Pflege durch die eigenen Angehörigen der Fremdpflege vorzuziehen wäre. Beiliegend übermittelt wurden Belege zu den Einkommensverhältnissen und zur gesundheitlichen Situation des Beschwerdeführers sowie zum Einkommen seines Schwiegersohns.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt I.) und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat ab Durchsetzbarkeit dieser Entscheidung (Spruchpunkt II.).

Begründend wurde - durch eine sowohl in dem als "Feststellungen" wie auch in dem als "Rechtliche Beurteilung" bezeichneten Abschnitt des Bescheids enthaltene sprachlich übereistimmende Passage - im Wesentlichen festgehalten, der Beschwerdeführer hätte keinen Unterhalt im Herkunftsstaat bezogen. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ergebe sich die Eigenschaft als Angehöriger, dem vom EWR-Bürger Unterhalt gewährt wird, aus der tatsächlichen Unterhaltsgewährung vom EWR-Bürger an den Angehörigen. Das Vorliegen eines gesetzlichen oder vertraglichen Unterhaltsanspruches sei jedoch keine Voraussetzung. Zu prüfen sei, ob die Person aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Situation nicht in der Lage wäre, die Grundbedürfnisse im Heimatstaat selbst zu decken (Unterhaltsbedarf). Als Kriterium für den Unterhaltsbedarf sei in erster Linie maßgeblich, ob der Angehörige aufgrund seiner persönlichen Umstände über die finanziellen Mittel verfügt, um im Land seines ständigen Wohnsitzes das Existenzminimum zu erreichen. Die FreizügigkeitsRL schreibe weder eine Mindesthöhe noch eine Mindestdauer für die Gewährung des Unterhalts vor. Entscheidend sei, dass der Unterhalt nicht nur kurzfristig - etwa als einmaliges Geldgeschenk oder lediglich zum Zwecke der Erfüllung des Kriteriums "Leistung von Unterhalt" - sondern mit der Absicht einer längerfristigen notwendigen Unterstützung geleistet wird. Ein Zeitraum von einigen Monaten könne im Einzelfall durchaus reichen. Welche Höhe der geleistete Unterhalt aufweisen muss, hänge somit vom Einzelfall ab, etwa ob der Antragsteller ohne diese Summe aus seinen anderen Mitteln seinen Lebensbedarf abdecken könnte und auch von der Kaufkraft im Herkunftsland. Die diesbezüglichen Voraussetzungen für den Erwerb der Anmeldebescheinigung hätten im Falle des Beschwerdeführers, dem ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht auf Basis der Freizügigkeitsrichtlinie nicht zukomme, nie vorgelegen. Auch unter Einbeziehung des Art.8 EMRK würden sich keine Gründe ergeben, die einer Ausweisung aus dem Bundesgebiet entgegenstünden.

Im als "Beweiswürdigung" bezeichneten Abschnitt des Bescheids wurde ausgeführt, dass die Feststellungen sich aus dem gesamten Inhalt des Verwaltungsakts ergeben.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die durch den rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers mit Schriftsatz vom 17.11.2018 fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher begründend ausgeführt wurde, seine Tochter besitze die rumänische Staatsbürgerschaft und lebe mit ihrer Familie in Wien. Der Beschwerdeführer sei nicht mehr gesund, er leide u.a. an Demenz, sodass er betreuungsbedürftig geworden wäre. Der Ehegatte seiner Tochter beziehe ein überdurchschnittliches Einkommen, der Beschwerdeführer selbst habe eine nur geringe Pension, welche zum Leben nicht ausreiche. Aus diesem Grund stelle ihm seine Tochter eine in ihrem Eigentum stehende Wohnung zur Verfügung und er erhalte von dieser im Monat rund EUR 250,- zusätzlich an Unterhaltsleistungen um insgesamt auf ein Einkommen zu kommen, welches ihm einen komfortablen Lebensabend sichere. Aufgrund der erhöhten Betreuungsbedürftigkeit sei bei seiner Tochter der Wunsch entstanden, das der Beschwerdeführer bei ihr in Österreich lebe, wobei ihm bei fortschreitender Demenz ein alleiniges Reisen bald nicht mehr möglich sein werde. Aus dieser Voraussicht heraus habe der Beschwerdeführer bei der Niederlassungsbehörde die Ausstellung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG beantragt. Entgegen der Ansicht der Behörde müssen durch eigenes Einkommen nicht nur ein Existenzminimum gedeckt, sondern die Grundbedürfnisse, gedeckt sein. Der Beschwerdeführer sei aufgrund beginnender Demenz und altersgemäßer körperlicher Gebrechen auf eine Betreuung angewiesen, welche durch seine Tochter bzw. den Schwiegersohn finanziert werde. Dieser habe daher laufend eine für ihn wirtschaftlich notwendige finanzielle Hilfe erhalten, weshalb die Voraussetzungen der Niederlassung nach den Bestimmungen der UnionsbürgerRL gegeben seien und eine Ausweisung rechtswidrig wäre. Hinzukomme, dass die Behörde keine lebensnahen Abwägungen zu den Rechten des Beschwerdeführers nach Art. 8 EMKR auf Aufenthalt bei der Familie getroffen hätte. Aufgrund der besonderen Abhängigkeit dementer Personen von der Betreuung durch eigene Angehörige werde in das Recht auf Familienleben des Beschwerdeführers in unzulässiger Weise eingegriffen.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der bis dahin zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

Mit Schriftsatz vom20.02.20120 stellte der Beschwerdeführer einen Fristsetzungasntrag gemäß Art. 133 Abs.1 Z 2 B-VG

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Ukraine, stellte am 07.09.2017 bei der Magistratsabteilung 35 des Amtes der Wiener Landesregierung einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte als Angehöriger seiner im Bundesgebiet lebenden volljährigen Tochter. Diese Tochter, eine ukrainische und rumänische Staatsangehörige, hält sich seit 26.06.2017 auf Grund einer Anmeldebescheinigung in Österreich auf und verfügt über einen am 20.09.2017 in Wien ausgestellten Lichtbildausweis für EWR-Bürger.

Seit 05.09.2017 verfügt der Beschwerdeführer über einen aufrechten Hauptwohnsitz im Bundesgebiet, eigenen Angaben zufolge hielt er sich jedoch nicht durchgehend in Österreich auf, sondern reiste mehrfach in die Ukraine zurück. In der Ukraine nutzte der Beschwerdeführer eine im Eigentum seiner Tochter stehende Wohnung und ist Bezugsberechtigter einer Pension in Höhe von umgerechnet etwa 200,- EUR monatlich. Zusätzlich unterstützte die Familie seiner Tochter ihn seit etwa Mai 2016 mit monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von umgerechnet ca. 250 EUR.

Der Beschwerdeführer leidet an beginnender Demenz, Diabetes mellitus Typ II, Hypertonie, ischämischer Herzkrankheit.

Der unbescholtene Beschwerdeführer ist im Bundesgebiet nicht selbsterhaltungsfähig und lebt in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner volljährigen Tochter und deren Familie.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seiner Tochter ergeben sich aus dem Reisepass des Beschwerdeführers und aus einem seine Tochter betreffende Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister.

Die Feststellungen zu den materiellen Lebensbedingungen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat zum Zeitpunkt seiner Antragstellung ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers, den Mitteilungen seines Rechtsvertreters vom 05.04.2018 und vom 30.05.2018 und den damit vorgelegten Dokumenten. Diese wurden zufolge der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheids nicht in Zweifel gezogen, sondern im Rahmen des "gesamten Akteninhalts" zugrunde gelegt. Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers beruht auf den bereits erwähnten vorgelegten Dokumenten.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBl I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2. § 51 Abs. 1 NAG lautet:

"§ 51. (1) Auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen."

Der mit "Aufenthaltskarten für Angehörige eines EWR-Bürgers" betitelte § 54 NAG lautet:

"§ 54. (1) Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern (§ 51) sind und die in § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Voraussetzungen erfüllen, sind zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Dieser Antrag ist innerhalb von vier Monaten ab Einreise zu stellen. § 1 Abs. 2 Z 1 gilt nicht.

(2) Zum Nachweis des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind ein gültiger Personalausweis oder Reisepass, die Anmeldebescheinigung oder die Bescheinigung des Daueraufenthalts des zusammenführenden EWR-Bürgers sowie folgende Nachweise vorzulegen:

1. nach § 52 Abs. 1 Z 1: ein urkundlicher Nachweis des Bestehens der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft;

2. nach § 52 Abs. 1 Z 2 und 3: ein urkundlicher Nachweis über das Bestehen einer familiären Beziehung sowie bei Kindern über 21 Jahren und Verwandten des EWR-Bürgers, seines Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie ein Nachweis über die tatsächliche Unterhaltsgewährung.

(3) Das Aufenthaltsrecht der Angehörigen gemäß Abs. 1 bleibt trotz Tod des EWR-Bürgers erhalten, wenn sie sich vor dem Tod des EWR-Bürgers mindestens ein Jahr als seine Angehörigen im Bundesgebiet aufgehalten haben und nachweisen, dass sie die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 bis 2 erfüllen.

(4) Das Aufenthaltsrecht von minderjährigen Kindern eines unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt auch nach dem Tod oder nicht bloß vorübergehenden Wegzug des EWR-Bürgers bis zum Abschluss der Schulausbildung an einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule erhalten. Dies gilt auch für den Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, sofern dieser die Obsorge für die minderjährigen Kinder tatsächlich wahrnimmt.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 und 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

3. ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird;

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf.

(6) Der Angehörige hat diese Umstände, wie insbesondere den Tod oder Wegzug des zusammenführenden EWR-Bürgers, die Scheidung der Ehe oder die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, der Behörde unverzüglich, bekannt zu geben.

(7) Liegt eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30), eine Zwangsehe oder Zwangspartnerschaft (§ 30a) oder eine Vortäuschung eines Abstammungsverhältnisses oder einer familiären Beziehung zu einem unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger vor, ist ein Antrag gemäß Abs. 1 zurückzuweisen und die Zurückweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass der Antragsteller nicht in den Anwendungsbereich des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts fällt."

Der mit "Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechtes für mehr als drei Monate" betitelte § 55 NAG lautet:

"§ 55. (1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs. 3 und 54 Abs. 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs. 2 oder § 54 Abs. 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs. 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Der mit "Ausweisung" betitelte § 66 FPG lautet:

"§ 66. (1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs. 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(4) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

3.3. Der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 3 NAG 2005 entspricht Art. 2 Nr. 2 lit d Unionsbürger-RL. Dieser Tatbestand setzt voraus, dass es sich beim Angehörigen des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers um einen Verwandten in gerader aufsteigender Linie handeln muss, dem von diesem "Unterhalt (tatsächlich) gewährt" wird. Zum Erfordernis der tatsächlichen Unterhaltsgewährung ist der Rechtsprechung des EuGH zu entnehmen, dass sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem der aufenthaltsberechtigte Unionsbürger "Unterhalt gewährt", aus einer tatsächlichen Situation ergibt, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der Familienangehörige vom Aufenthaltsberechtigten materiell unterstützt wird. (VwGH vom 12.12.2017, Ra 2015/22/0149)

Der EuGH hat im Urteil vom 09.01.2007, C-1/05, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung von Art. 2 Nr. 2 lit d Unionsbürger-RL. festgehalten, dass unter "Unterhalt gewähren" zu verstehen ist, dass das Familienmitglied eines in einem anderen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 43 EG niedergelassenen Gemeinschaftsangehörigen der materiellen Unterstützung durch diesen Gemeinschaftsangehörigen oder dessen Ehegatten bedarf, um seine Grundbedürfnisse in seinem Herkunftsstaat in dem Zeitpunkt zu decken, in dem er beantragt, dem Gemeinschaftsangehörigen zu folgen.

Auf Grund des bereits dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als begründet, da sich aus den Angaben des Beschwerdeführers und den von ihm vorgelegten Belegen ergibt, dass er seit etwa Mai 2016, somit 15 Monate vor seiner Antragstellung, im Herkunftsstaat durch seine Tochter Unterhalt durch Überlassung einer Wohnung zur Nutzung und durch monatliche Zahlungen zur Deckung der Aufwendungen für Unterhalt, Betreuung und medizinische Versorgung erhalten hat.

4. Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 21 Abs. 7 erster Fall BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich ausführlich in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, mit dem Verständnis dieser Bestimmung auseinandergesetzt und geht seitdem in seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. dazu statt vieler die Erkenntnisse vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, vom 2. September 2015, Ra 2014/19/0127, vom 15. März 2016, Ra 2015/19/0180, vom 18. Mai 2017, Ra 2016/20/0258, und vom 20. Juni 2017, Ra 2017/01/0039) davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" folgende Kriterien beachtlich sind:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall hat die Behörde ihre Entscheidung nicht auf die Mitteilung der Aufenthaltsbehörde vom 28.02.2018, dass dem Beschwerdeführer nicht bereits im Herkunftsstaat Unterhalt gewährt worden sei, gestützt, sondern durch die Einvernahme des Beschwerdeführers und die Einholung von Stellungnahmen und der vorgelegten Dokumente über dessen materielle Lebenssituation im Herkunftsstaat ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Im zufolge der Beweiswürdigung zugrunde gelegten Ergebnis dieses Ermittlungsverfahrens finden die im angefochtenen Bescheid auch enthaltenen Ausführungen, der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat keinen Unterhalt bezogen, zwar keine Deckung, der angefochtenen Bescheid enthält jedoch keinerlei Anhaltspunkte, dass dieses Ergebnis nicht zutreffe.

Das Bundesverwaltungsgericht hat keinerlei neue Beweismittel beigeschafft und sich für seine Feststellungen über die Person des Beschwerdeführers und zur materiellen Lebenssituation im Herkunftsstaat auf die im angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Inhalte des Verwaltungsakts einschließlich der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente gestützt. Die Beschwerde hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zwar beantragt, aber es nicht konkret aufzuzeigen unternommen, dass eine solche Notwendigkeit im vorliegenden Fall bestehen würde (vgl. zuletzt etwa VwGH 4.12.2017, Ra 2017/19/0316-14).

Da gemäß der Rechtsprechung des EuGH (C-1/05 vom 09.01.2007) die Unterhaltsgewährung im Zeitpunkt der Antragstellung zu beurteilen ist, war eine mündliche Verhandlung auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Aktualisierung der vorgelegten Dokumente erforderlich.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte daher im vorliegenden Fall von einem geklärten Sachverhalt im Sinne des § 21 Abs. 7 BFA-VG ausgehen; es war nach den oben dargestellten Kriterien nicht verpflichtet, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Ausweisung Ausweisung aufgehoben Ausweisungsverfahren Behebung der Entscheidung Durchsetzungsaufschub ersatzlose Behebung Familienangehöriger Kassation Unterhaltsanspruch Unterhaltszahlung Unterkunft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W192.2209934.1.00

Im RIS seit

29.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.07.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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