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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
StGB §153;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des Dkfm. DDr. S U in Wien, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in 3040 Neulengbach 270, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 22. September 1997, Zl. SD 642/97, betreffend Entziehung eines Waffenpasses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.030,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. April 1997, mit dem dem Beschwerdeführer der ihm am 21. November 1977 ausgestellte Waffenpaß 075191 entzogen worden war, keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Maßgabe bestätigt, daß sich die ausgesprochene Entziehung des Waffenpasses auf § 25 iVm § 8 Abs. 1 Z. 1 des Waffengesetzes 1996, BGBl. I Nr. 12/1997 (im folgenden WaffG 1996), zu stützen habe.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei am 17. Mai 1995 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens der Untreue gemäß § 153 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer als Vorstandsmitglied und Leiter der "Finanz- und Personaldirektion" der X-Aktien-Gesellschaft die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über das Vermögen dieser Gesellschaft zu verfügen, wissentlich mißbraucht und dadurch der Gesellschaft einen Vermögensnachteil in der Höhe von etwa 22 Mio Schilling zugefügt habe.
Gemäß § 25 Abs. 1 und Abs. 2 erster Satz bzw. Abs. 3 WaffG 1996 habe die Behörde dann mit der Entziehung eines Waffenpasses oder einer Waffenbesitzkarte vorzugehen, wenn sich bei Vornahme der periodisch durchzuführenden Überprüfung oder aus einem anderen Anlaß ergibt, daß der Inhaber der betreffenden waffenrechtlichen Urkunde nicht mehr verläßlich ist. Dem Erfordernis der Verläßlichkeit des zum Waffenbesitz Berechtigten sei unter anderem nach § 8 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. nicht mehr entsprochen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwendet werden. Dabei sei ein strenger Maßstab anzuwenden und auch dann mit der Entziehung vorzugehen, wenn im Einzelfall auch ein nur einmal gesetzes Verhalten den Umständen nach die Folgerung rechtfertigt, der Urkundeninhaber gewährleiste nicht mehr die im § 8 Abs. 1 leg. cit. genannten Voraussetzungen. Eine solche Schlußfolgerung sei aus der erfolgten Verurteilung des Beschwerdeführers zu ziehen. Wenngleich der Beschwerdeführer bei seinen Tathandlungen keine Gewalt angewendet habe, zeigten diese dennoch einen Charaktermangel, der die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit des Beschwerdeführers als nicht (mehr) gewährleistet erweise. Es sei nämlich auf die Wesensmerkmale der Gesamtpersönlichkeit sowie auf die konkrete Verhaltensweise des Betroffenen Bedacht zu nehmen. Das Ergebnis dieser Schlußfolgerung müsse sein, daß insbesondere eine leichtfertige Verwendung von Faustfeuerwaffen nach menschlicher Voraussicht ausgeschlossen werden könne. Dies könne angesichts der vom Beschwerdeführer bewirkten erheblichen Beeinträchtigung fremden Eigentums nicht gesagt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer fristgerecht erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 WaffG 1996 ist eine Person als verläßlich anzusehen, wenn sie voraussichtlich mit Waffen sachgemäß umgehen wird und keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Waffen mißbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird.
§ 8 Abs. 3 WaffG 1996 lautet:
"(3) Als nicht verläßlich gilt ein Mensch im Falle einer Verurteilung
1.
wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden oder wegen Zuhälterei, Menschenhandels, Schlepperei oder Tierquälerei zu einer Freiheitsstrafe von mehr als zwei Monaten oder einer Geldstrafe von mehr als 120 Tagessätzen oder
2.
wegen gewerbsmäßigen, bandenmäßigen oder bewaffneten Schmuggels oder
3.
wegen einer durch fahrlässigen Gebrauch von Waffen erfolgten Verletzung oder Gefährdung von Menschen oder
4.
wegen einer in Z 1 genannten strafbaren Handlung, sofern er bereits zweimal wegen einer solchen verurteilt worden ist."
§ 8 Abs. 3 leg. cit. zählt somit in mehreren Tatbeständen gerichtliche Verurteilungen auf, bei deren Vorliegen eine Person im Sinne des Waffengesetzes als nicht verläßlich anzusehen ist. Bei Vorliegen einer derartigen Verurteilung erübrigt sich demnach eine weitere Prüfung der Verläßlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 leg. cit. Der Beschwerdeführer weist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf hin, daß die Verurteilung wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB nicht unter die angeführten Tatbestände fällt, sodaß die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landesgericht für Strafsachen Wien für sich allein nach dem WaffG 1996 (wie auch schon nach § 6 WaffG 1986) nicht ausreicht, diesem die waffenrechtliche Verläßlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 WaffG 1996 abzusprechen. In der Regierungsvorlage zum WaffG 1996 wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, § 8 entspreche "sinngemäß dem § 6 des geltenden WaffG" und "eine inhaltliche Änderung der Verläßlichkeitskriterien" sei "nicht vorgenommen worden" (457 BlgNR 20. GP, 42). Dies bezieht sich zwar vorrangig auf die jeweils im ersten Absatz beider Regelungen verankerten allgemeinen Kriterien, doch enthält auch § 8 WaffG 1996 wie schon § 6 WaffG 1986 in den weiteren Absätzen ein diffiziles System von Voraussetzungen dafür, wann schon wegen des Vorliegens einer strafgerichtlichen Verurteilung als solcher die waffenrechtliche Verläßlichkeit zu verneinen ist. Danach reicht selbst die Verurteilung wegen einer unter Anwendung oder Androhung von Gewalt begangenen oder mit Gemeingefahr verbundenen vorsätzlichen strafbaren Handlung, wegen eines Angriffes gegen den Staat oder den öffentlichen Frieden, wegen Zuhälterei, Menschenhandels und anderer derartiger Delikte nicht aus, wenn nicht entweder schon frühere Verurteilungen wegen derartiger Delikte vorliegen oder die Strafe eine bestimmte Höhe übersteigt.
Auch der Gesetzgeber des WaffG 1996 hat sich somit nicht entschlossen, Straftäter mit ungetilgten Verurteilungen vom Erwerb waffenrechtlicher Berechtigungen grundsätzlich auszuschließen oder einen solchen Ausschluß auch nur für Gewalttäter unabhängig von Zahl und Schwere der Verurteilungen oder für Straftäter anderer Art im Falle schwerwiegender Verurteilungen wie der des Beschwerdeführers vorzusehen. Er hat sich vielmehr erneut dazu bekannt, nur ganz bestimmte gerichtliche Verurteilungen als absoluten Hinderungsgrund für die Ausstellung einer waffenrechtlichen Urkunde zu normieren und die Verurteilung wegen eines Verbrechens, wie es dem hier vorliegenden Fall zugrundeliegt, für sich allein nicht genügen zu lassen.
Die belangte Behörde hat zwar richtig auf die (zu § 6 Abs. 1 WaffG 1986 ergangene, angesichts der inhaltlich gleichlautenden Norm des § 8 WaffG 1996 weiterhin relevante) Rechtsprechung verwiesen, daß bei der Wertung einer Person als "verläßlich" im Sinne des Waffengesetzes ihre gesamte Geisteshaltung und Sinnesart ins Auge zu fassen ist, weil der Begriff der Verläßlichkeit den Ausdruck ihrer Wesenheit, nicht aber ein Werturteil über ihr Tun und Lassen im Einzelfall ist. Bestimmte Verhaltensweisen und Charaktereigenschaften einer Person können demnach die Folgerung rechtfertigen, daß die vom Waffengesetz geforderte Verläßlichkeit nicht gewährleistet ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0414). Der Verwaltungsgerichtshof hat auch in ständiger Rechtsprechung erkannt, daß angesichts des mit dem Waffenbesitz von Privatpersonen verbundenen Sicherheitsbedürfnisses nach Sinn und Zweck der Regelung des Waffengesetzes bei der Prüfung der Verläßlichkeit ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Zl. 94/20/0874, mwN). Die solcherart anzustellende Verhaltsprognose kann dabei bereits auf der Grundlage eines einzigen Vorfalles wegen besonderer Umstände den Schluß rechtfertigen, der vom Entzug waffenrechtlicher Urkunden Betroffene biete keine hinreichende Gewähr mehr, daß er von Waffen keinen mißbräuchlichen oder leichtfertigen Gebrauch machen werde. In diesem Sinne können besondere Tatumstände auch einer nicht unter die Tatbestände des § 8 Abs. 3 WaffG 1996 subsumierbaren Verurteilung von Bedeutung sein, insoweit sie im Lichte des § 8 Abs. 1 leg. cit. einen entsprechenden waffenrechtlichen Bezug aufweisen.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde aber unter Außerachtlassung ihrer an sich zutreffenden Ausführungen, es sei "auf die Wesensmerkmale der Gesamtpersönlichkeit sowie auf konkrete Verhaltensweisen des Betroffenen Bedacht zu nehmen", die Schlüsse auf die waffenrechtliche Verläßlichkeit zuließen, nur festgestellt, daß der Beschwerdeführer unter Mißachtung vermögenswerter Rechte anderer einen Schaden in Millionenhöhe herbeigeführt habe, somit nur auf die das Delikt des § 153 StGB begründenden Tatbestandsmerkmale abgestellt.
Eine wenngleich wegen eines nicht in § 8 Abs. 3 WaffG 1996 aufgezählten Deliktes erfolgte Verurteilung des Inhabers einer waffenrechtlichen Urkunde verpflichtet zwar die Behörde gemäß § 25 Abs. 2 WaffG 1996 zur Überprüfung der waffenrechtlichen Verläßlichkeit des Betreffenden. Eine solche Überprüfung kann aber erst dann zur Entziehung der waffenrechtlichen Urkunde gemäß § 25 Abs. 3 leg. cit. führen, wenn das Ergebnis dieser Prüfung (aufgrund der festgestellten genauen Tatumstände, der aus den nachvollziehbar festgehaltenen Vorbereitungshandlungen und den Begleitumständen hervorgehenden verbrecherischen Gesinnung etc.) ergibt, daß der Berechtigte nicht mehr verläßlich ist. Dazu bedarf es konkreter Feststellungen, die Grundlage der gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. anzustellenden Verhaltensprognose sein können und nicht nur die Anführung der die strafgerichtliche Verurteilung unmittelbar tragenden Tatbestandselemente ohne zusätzlichen waffenrechtlichen Bezug.
Indem die belangte Behörde zwar die Rechtslage im wesentlichen richtig erkannt, aber im Ergebnis den Entzug der waffenrechtlichen Urkunde allein mit dem Umstand der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB begründet hat, hat sie ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet, bei dessen Vermeidung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war infolgedessen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Bei diesem Ergebnis erübrigte sich die Entscheidung des Berichters über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und konnte von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997200678.X00Im RIS seit
18.02.2002Zuletzt aktualisiert am
16.12.2011