TE Vwgh Erkenntnis 1998/2/24 97/11/0305

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Veröffentlicht am 24.02.1998
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Index

43/02 Leistungsrecht;
44 Zivildienst;

Norm

HGG 1992 §30 Abs4;
ZDG 1986 §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des Dr. H in W, vertreten durch Dr. Rudolf Breuer, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Hauptplatz 28, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. August 1997, Zl. MA 62-III/83/96, betreffend Familienunterhalt nach dem Zivildienstgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.040,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1996, Zl. 96/11/0231, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis war über Beschwerde des Beschwerdeführers ein Bescheid der belangten Behörde vom 26. Juni 1996 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden, mit dem dem Beschwerdeführer Familienunterhalt nach dem Zivildienstgesetz (ZDG) in Verbindung mit dem Heeresgebührengesetz (HGG 1992) für den vom 2. Oktober 1995 an geleisteten ordentlichen Zivildienst zuerkannt worden war. Der Verwaltungsgerichtshof bemängelte, daß in der Frage, ob der Beschwerdeführer - neben seiner der Bemessung des Familienunterhaltes zugrundegelegten selbständigen Erwerbstätigkeit - auch zusätzlich ohne Dienstnehmereigenschaft im Betrieb seiner Eltern hauptberuflich tätig gewesen sei (§ 30 Abs. 4 HGG 1992 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 ZDG), der belangten Behörde wesentliche Verfahrensmängel unterlaufen sind. Die als Beweismittel für die Annahme, der Beschwerdeführer sei im elterlichen Betrieb nur in geringem Umfang aushilfsweise tätig gewesen, herangezogenen Erklärungen der Eltern des Beschwerdeführers und der NÖ Gebietskrankenkasse sei nicht eindeutig gewesen und hätten diese Annahme nicht hinlänglich zu stützen vermocht. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, daß die Eltern des Beschwerdeführers, die zunächst gegenüber der Erstbehörde (dem Magistrat der Stadt Wien) schriftlich bekanntgegeben haben, der Beschwerdeführer habe in der fraglichen Zeit von Juli bis September 1995 wöchentlich ca. 35 Stunden im Betrieb mitgearbeitet, diesen Umstand am 15. März 1996 gegenüber der NÖ GKK widerrufen hätten (wobei der Inhalt dieses Widerrufes nicht klar sei), andererseits als Zeugen im Berufungsverfahren am 28. Mai 1996 ihre ursprünglichen Angaben bestätigt haben; auf letzteres ist die belangte Behörde im Vorbescheid vom 26. Juni 1996 nicht eingegangen.

Die belangte Behörde ließ durch die Erstbehörde das Ermittlungsverfahren ergänzen und erließ hierauf den mit dem Vorbescheid gleichlautenden angefochtenen Bescheid, in dem sie wiederum davon ausging, daß keine hauptberufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers im elterlichen Betrieb im Sinne des § 30 Abs. 4 HGG 1992 vorgelegen sei.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer "Rechtswidrigkeit und auch Verfahrensmängel" geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Auftrag der belangten Behörde und auf Ersuchen der Erstbehörde wurden die Eltern des Beschwerdeführers und diejenige Bedienstete der NÖ GKK, welcher gegenüber der obgenannte Widerruf der Angaben der Eltern erfolgt war, von der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen als ersuchte Behörde als Zeugen einvernommen. Im Anschluß daran wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör gewährt.

Die Eltern des Beschwerdeführers gaben im wesentlichen übereinstimmend an, daß sich ihr Widerruf nur darauf bezogen hätte, ihr Sohn sei in ihrem Betrieb hauptberuflich tätig gewesen. Keinesfalls sei der Widerruf auf die Arbeitszeit und den Aufgabenbereich bezogen gewesen. Bestritten wurde, die Angabe gegenüber der Erstbehörde sei nur gemacht worden, um eine höhere Familienbeihilfe nach dem HGG 1992 zu erwirken. Der Begriff "hauptberuflich" habe sie irritiert bzw. habe diesbezüglich ein Mißverständnis bestanden.

Die Bedienstete der NÖ GKK gab an, die Eltern des Beschwerdeführers hätten die Ausfüllung des ihnen zur Feststellung der Versicherungspflichtigkeit der Tätigkeit des Beschwerdeführers im elterlichen Betrieb vorgelegten "Fragespiegels" verweigert und erklärt, ihre Aussagen über die Tätigkeit ihres Sohnes nur diesem zuliebe zur Erlangung eines höheren Familienunterhaltes gemacht zu haben. Damit sei aus ihrer Sicht die Angelegenheit in dem Sinn, daß keine Versicherungspflicht bestanden habe, erledigt gewesen. An den genauen Wortlaut der Angaben der Eltern des Beschwerdeführers könne sie sich nicht erinnern. Sie habe aber den oben wiedergegebenen Eindruck betreffend den Widerruf der Angaben über Tätigkeit des Beschwerdeführers in Ansehung Regelmäßigkeit und Ausmaß gewonnen.

Der Beschwerdeführer gab im Rahmen des Parteiengehörs bekannt, daß er im elterlichen Betrieb in zeitlicher Hinsicht mehr gearbeitet habe als bei seiner selbständigen Erwerbstätigkeit, daß die Zeugenaussagen seiner Eltern richtig seien und daß hinsichtlich der Angaben über den angeblichen Widerruf durch seine Eltern insofern Unklarheiten bestünden, als die Niederschrift der NÖ GKK vom 15. März 1996 erheblich von dem von einer anderen Bediensteten unterfertigten Schreiben vom 9. Mai 1996 (in welchem von der Absicht, das Gesetz zu umgehen, die Rede ist) abweiche.

Diese Ergänzung des Ermittlungsverfahrens erbrachte aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofes keine entscheidende Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes. Die Aussagen der Eltern des Beschwerdeführers sind nach wie vor so beschaffen, daß die Frage des Vorliegens einer hauptberuflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers in ihrem Betrieb nicht beantwortet werden kann. Es ist unklar geblieben, was sie mit ihrem gegenüber der GKK ausgesprochen Widerruf in Wahrheit gemeint haben. Das Beharren auf dem ursprünglich angegebenen Ausmaß und Inhalt der Tätigkeit des Beschwerdeführers in ihrem Betrieb steht in einem Widerspruch zu der Angabe, der Beschwerdeführer sei nicht hauptberuflich tätig gewesen. Mit einem Mißverständnis bzw. einer Irritation durch den Begriff "hauptberuflich" läßt sich dieser Widerspruch nicht auflösen. Vielmehr hat es den Anschein, daß jedenfalls der Eindruck vermieden werden sollte, das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers sei sozialversicherungspflichtig - mit den daraus folgenden Beitragsverpflichtungen - gewesen. Daß sich die GKK damit begnügt hat und vom Nichtvorliegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung des Beschwerdeführers ausgegangen ist, vermag für eine abschließende Beurteilung der nach dem HGG 1992 zu beantwortenden Frage nichts auszusagen. Auch die Stellungnahme des Beschwerdeführers im Rahmen der Gewährung des Parteiengehörs würde eher für das Vorliegen einer hauptberuflichen Tätigkeit sprechen.

Auf der anderen Seite ist offen geblieben, ob der von der als Zeugin einvernommenen Bediensteten der NÖ GKK wiedergegebene Eindruck, die Eltern des Beschwerdeführers hätten ihre Angaben gegenüber der Erstbehörde zur Gänze - also auch in Ansehung des Ausmaßes der Tätigkeit des Beschwerdeführers im elterlichen Betrieb - widerrufen, einer näheren Überprüfung standhalten kann. Unklar ist auch, auf Grund welcher Informationen von einer anderen Bediensteten der GKK die im Schreiben an die Erstbehörde vom 9. Mai 1996 enthaltenen - von den Eltern entschieden geleugneten - Schlußfolgerungen beruhen.

Das Begründungselement, den Angaben der Bediensteten der GKK sei eher zu folgen als den Aussagen der Eltern, weil erstere im Falle unrichtiger Angaben mit strafrechtlichen Folgen zu rechnen hätte, ist unschlüssig, weil diese Folgen auch für die als Zeugen einvernommenen Eltern des Beschwerdeführers eintreten würden.

Die erstmals in der Gegenschrift vorgebrachten neuen Argumente, die sich vor allem darauf beziehen, die Angaben über den Inhalt der Tätigkeit des Beschwerdeführers (Prospekterstellung) seien unzutreffend, müssen bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides außer Betracht bleiben.

Der maßgebliche Sachverhalt ist nach wie vor unvollständig. Der angefochtene Bescheid muß daher der Aufhebung nach § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften verfallen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997110305.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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