Entscheidungsdatum
04.06.2020Index
L46007 Jugendförderung Jugendschutz TirolNorm
JSchG Tir 1994 §12 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Keplinger über die Beschwerde der AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, vertreten durch BB, Rechtsanwälte in Z, Adresse 2, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 05.11.2019, Zahl ***, betreffend eine Übertretung nach dem Tiroler Jugendgesetz, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG 1991) eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Straferkenntnis vom 05.11.2019, Zahl ***, wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe am 28.09.2019, um 20:55 Uhr, in Y, Adresse 3 beim CC-Parkplatz, als Aufsichtsperson für das Kind bzw für den Jugendlichen DD nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihr zumutbaren dafür gesorgt, dass die geltenden Bestimmungen des Tiroler Jugendgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen eingehalten werden. Das Kind bzw der Jugendliche habe entgegen der Bestimmung des § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz Tabakwaren erworben. Die Beschwerdeführerin habe dadurch gegen § 12 Abs 1 iVm § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz 1993 verstoßen und es wurde gemäß § 12 Abs 1 iVm § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz 1993 gegen sie eine Geldstrafe in Höhe von Euro 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Die Kosten des Strafverfahrens wurden mit Euro 15,00 festgesetzt.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass das Jugendgesetz keinen Spielraum im Hinblick auf die Aufsichtspflicht lasse, worin einem Erziehungsberechtigten selbst für einen 17-Jährigen die Aufsichtspflicht treffe. Bei dem Jugendlichen im gegenständlichen Verfahren handelt es sich um einen gerade erst 14-Jährigen, der in einem Parallelverfahren bereits einmal nach den Bestimmungen des Jugendgesetzes sanktioniert worden sei. Die Bestimmung iSd § 12 Abs 1 Tiroler Jugendgesetz sei zweifelsfrei streng auszulegen, wobei die Überwachungspflicht nicht überspannt werden dürfte. Aufgrund der bereits vorausgegangenen Verwaltungsübertretungen, welche keine Wirkung erbracht haben, werde die verhängte Geldstrafe als angemessen und notwendig erachtet.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol. Beantragt wurden die Einvernahme der Beschuldigten und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. Begründend führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie mit dem Jugendlichen bereits mehrfach Gespräche auch unter Einbeziehung der Jugendhilfe geführt habe, um diesen vom Rauchen abzuhalten. Darüber hinaus habe sie Sanktionen wie zum Beispiel befristete Ausgehverbote, befristeten Entzug der Handynutzung, Taschengeldentzug, Appelle an die Eigenverantwortung etc, gesetzt. Es sei ihr jedenfalls nicht möglich, den Aufenthalt des Minderjährigen und dessen Handlungen, für welche er einzustehen hat, „minütlich“ zu kontrollieren.
Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt, die Einholung eines Verwaltungsregisterauszuges der Beschwerdeführerin vom 28.01.2020, der Einholung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.09.2019, Zl ***, der Einholung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.07.2019, Zl ***, die Einvernahme der Beschwerdeführerin, der Zeugen DD, EE und FF in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 03.03.2020 (OZ 2)und die Einvernahme der GG in der öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.05.2020 (OZ 7).
II. Sachverhalt:
DD ist am xx.xx.xxxx geboren und ist der Sohn der Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin lebt mit ihrem Sohn in einem Haushalt und ist obsorgeberechtigt. Zum Tatzeitpunkt war der Minderjährige 14 Jahre alt.
Am 28.09.2019 wurde der minderjährige DD mit seinem Bruder und zwei Freunden von einer Sektorstreife der PI Z in Y in der Adresse 3 beim CC-Parkplatz kontrolliert. Die vier Jugendlichen waren mit zwei Mopeds unterwegs. Im Rahmen einer Amtshandlung wurden die Mopeds der Jugendlichen kontrolliert und unter anderem bei DD eine Jugendschutzkontrolle durchgeführt. Der Minderjährige wurde aufgefordert den Inhalt seiner Taschen vorzuzeigen. Bei der Kontrolle hatte der minderjährige DD eine Packung Zigaretten der Marke JJ bei sich. Diese hat er bei einem Zigarettenautomaten erworben.
Die Beschwerdeführerin hat insgesamt zwei minderjährige Söhne und ist bedacht darauf, dass ihre Söhne gut erzogen werden. Es gibt Regeln, wann die Söhne an Schultagen zu Hause zu sein haben und wann sie ins Bett zu gehen haben. Die Beschwerdeführerin kennt auch den Freundeskreis ihres Sohnes DD und ist darüber informiert, mit wem er seine Freizeit verbringt.
Der minderjährige DD wurde bereits im vergangenen Jahr einmal mit Tabakwaren von Beamten der PI Z aufgegriffen. Nach diesem Vorfall kontrollierte die Beschwerdeführerin ihren Sohn strenger und setzte darüber hinaus auch Sanktionen (Sperren des Internetzugangs, Reduktion des Taschengeldes).
Der minderjährige DD wird seit dem Kindergarten von der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Z betreut. Bei dem Minderjährigen handelt es sich um einen Jugendlichen, dessen Erziehung nicht einfach ist. Die Familie AA wird wegen der Probleme mit dem minderjährigen Sohn von der ambulanten Familienarbeit Tirol betreut. Dabei handelt es sich um eine Erziehungshilfe. Der Minderjährige hatte einen Jugendbetreuer, welcher jedoch im Dezember 2009 verstorben ist. Seither wird die Familie AA von einer Diplom-Sozialarbeiterin der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Z betreut. Die Sozialarbeiterin kennt die Familie sehr gut, sie hat einen guten Einblick in das Familienleben und in die Erziehungsmodalitäten der Beschwerdeführerin und sie kann diese daher auch sehr gut einschätzen. Die Beschwerdeführerin ist trotz der Schwierigkeiten mit ihrem minderjährigen Sohn sehr bemüht um eine gute Erziehung. Sie ist auch mit der Schule des Sohnes sehr gut vernetzt und absolvierte auch bereits Coachings, um ihre Erziehungskompetenz zu steigern.
Die Beschwerdeführerin lässt Übertretungen des Jugendgesetzes, welche ihr Sohn begeht, nicht ungeahndet und der Minderjährige wurde von seiner Mutter bereits mehrfach darauf aufmerksam gemacht, dass er nicht rauchen dürfe. Es wurden nach den ersten Vorfällen auch Sanktionen gesetzt.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 10.07.2019, Zl ***, rechtskräftig seit 21.08.2019 wurde gemäß § 45 Abs 1 Z 4 VStG 1991 gegenüber der Beschwerdeführerin wegen einer Übertretung nach § 12 Abs 1 iVm § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz 1993 eine Ermahnung ausgesprochen, da der der minderjährige DD am 29.06.2019 um 19:25 Uhr aufgegriffen wurde, als er in der Öffentlichkeit eine Zigarette konsumierte.
III. Beweiswürdigung:
Aufgrund der übereinstimmenden Aussagen des EE, des FF und des Sohnes der Beschwerdeführerin konnte festgestellt werden, dass der Jugendliche zum Tatzeitpunkt am Tatort eine Packung Zigaretten der Marke JJ bei sich führte, welche er selbst erworben hat. Dies wurde darüber hinaus von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Im Rahmen der Einvernahme der Beschwerdeführerin und der Einvernahme des Jugendlichen als Zeugen gaben diese übereinstimmend an, dass die Mutter ihren Sohn bereits des Öfteren auf das Thema „Rauchen“ angesprochen und ihn diesbezüglich auch immer wieder gemaßregelt hat. Die Angaben des Sohnes im Rahmen seiner Einvernahme als Zeuge waren jedenfalls glaubwürdig. Darüber hinaus schilderte die Diplom-Sozialarbeiterin der Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Z, welche für die Familie AA zuständig ist und diese seit 2016 betreut, die Situation der Familie nachvollziehbar und glaubwürdig. Die Zeugin hat einen sehr guten Einblick in die Familie und kann den Angaben der Zeugin aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung als Diplom-Sozialarbeiterin jedenfalls Glauben geschenkt werden. Die Zeugin steht in einem engen Kontakt mit der Familie und hat daher einen sehr guten Einblick in das Familienleben und auch in die Erziehung. Der persönliche Eindruck des minderjährigen DD, welcher im Rahmen seiner Einvernahme vor Gericht gewonnen werden konnte, und die Beschreibung der Zeugin GG stimmten jedenfalls überein. Dies untermauerte wiederum die Aussage der Zeugin und auch die Angaben der Mutter.
Darüber hinaus vermittelte die Beschwerdeführerin dem Gericht den Eindruck, dass sie trotz der Schwierigkeiten mit ihrem minderjährigen Sohn äußerst bemüht ist diesen im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut zu erziehen und ihn von Übertretungen des Jugendgesetzes abzuhalten.
IV. Rechtslage:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG 1991), BGBl Nr 52/1991 idF BGBl I Nr 58/2018, lauten auszugsweise wie folgt:
(1) Die Behörde hat von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
(…)“
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Jugendgesetzes, LGBl Nr 4/1994, idF BGBl Nr 7/2019, lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 11
Begriffsbestimmungen
(1) Kinder sind Personen, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
(2) Jugendliche sind Personen zwischen dem vollendeten 14. und dem vollendeten 18. Lebensjahr.
(3) Aufsichtspersonen sind
a) die Eltern(-teile) und jene Personen, die nach bürgerlichem Recht erziehungsberechtigt sind;
b) Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr,
1. die im Einvernehmen mit Personen nach lit. a die Erziehung beruflich, vertraglich oder sonst nicht bloß vorübergehend ausüben, oder
2. denen die Aufsicht über Kinder oder Jugendliche von Personen nach lit. a oder Z 1 nur vorübergehend anvertraut worden ist, oder
3. die im Rahmen einer Jugendorganisation mit der Führung von Kindern oder Jugendlichen betraut sind.“
„§ 12
Allgemeine Pflichten
(1) Aufsichtspersonen haben im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihnen Zumutbaren dafür zu sorgen, daß die für Kinder und Jugendliche geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes eingehalten werden.
(2) Unternehmer, Veranstalter und deren Beauftragte haben auf die für ihre Tätigkeit anwendbaren Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes in jenen Räumen und auf jenen Grundstücken, in denen bzw. auf denen sie ihre Tätigkeit ausüben, gut sichtbar hinzuweisen. Dies gilt nicht, soweit bereits auf Grund bundesgesetzlicher Vorschriften eine gleichartige Verpflichtung besteht. Sie haben weiters im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihnen Zumutbaren auch durch sonstige geeignete Maßnahmen, insbesondere durch mündliche Aufklärung, Feststellung des Alters von Kindern oder Jugendlichen, Verweigerung des Zutrittes oder Verweisung aus Räumen oder von Grundstücken für die Einhaltung dieses Gesetzes und der Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes zu sorgen.“
„§ 18a
Tabak
(1) An Kinder und Jugendliche darf Tabak (Kautabak, Schnupftabak, Rauchtabak und Lutschtabak) nicht weitergegeben werden.
(2) Kinder und Jugendliche dürfen Tabak im Sinn des Abs. 1 nicht erwerben oder in der Öffentlichkeit konsumieren.“
V. Erwägungen:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Beschwerdeführerin zur Last gelegt, sie habe als Aufsichtsperson des Jugendlichen DD nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihr Zumutbaren dafür Sorge getragen, dass die Bestimmungen des Tiroler Jugendgesetzes eingehalten werden. Die Beschwerdeführerin ist die Mutter des Jugendlichen und ist sohin Aufsichtsperson gemäß § 11 Abs 3 Tiroler Jugendgesetz.
DD, geboren am xx.xx.xxxx ist gemäß § 11 Abs 2 Tiroler Jugendgesetz Jugendlicher. Gemäß § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz dürfen Kinder und Jugendliche Tabak (Kautabak, Schnupftabak, Rauchtabak und Lutschtabak) nicht erwerben oder in der Öffentlichkeit konsumieren.
Der Jugendliche DD führte zum Tatzeitpunkt Rauchtabakwaren bei sich, welche er erworben hat. Durch dessen Erwerb der Tabakwaren iSd § 18a Abs 1 Tiroler Jugendgesetz liegt ein Verstoß gegen die Bestimmung im § 18a Abs 2 Tiroler Jugendgesetz vor.
Gemäß § 12 Abs 1 Tiroler Jugendgesetz haben Aufsichtspersonen im Rahmen ihrer Möglichkeiten des ihnen Zumutbaren dafür Sorge zu tragen, dass die für Kinder und Jugendliche geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes und der Verordnungen aufgrund dieses Gesetzes eingehalten werden.
Die im Tiroler Jugendgesetz normierten Verpflichtungen der Aufsichtsperson sind ohne Zweifel streng auszulegen, sie dürfen aber auch nicht überspannt werden. Gemäß den Bestimmungen des Tiroler Jugendgesetzes dürfen sich Jugendliche bis zum vollendeten 16. Lebensjahr bis 01:00 Uhr ohne Begleitung einer Aufsichtsperson an allgemein zugänglichen Orten aufhalten. Es würde die Aufsichtspflicht eines Erziehungsberechtigten jedenfalls überspannen, wenn diese jeden Schritt der Jugendlichen verfolgen müssten.
Das Ermittlungsverfahren hat gezeigt, dass es sich bei dem Jugendlichen DD um einen schwierigen Jugendlichen handelt, der bereits einmal gegen die Bestimmung des Jugendgesetzes verstoßen hat, weil er in der Öffentlichkeit Zigaretten geraucht hat. Der Jugendliche ist in permanenter Betreuung durch die Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Z. Die Familie wird durch die Kinder- und Jugendhilfe und eine ambulante Betreuung unterstützt. Der erste Vorfall, bei welchem der Jugendliche beim Konsum von Tabakwaren aufgegriffen wurde, blieb nicht ungeahndet. Die Mutter setzte Sanktionen gegen ihren Sohn und kontrollierte diesen auch. Die Beschwerdeführerin kommt daher ihrer Verpflichtung als Aufsichtsperson jedenfalls im Rahmen ihrer Möglichkeiten und des ihr Zumutbaren nach. Sie führt immer wieder Gespräche mit dem Jugendlichen, weist diesen auf die Bestimmungen des Jugendgesetzes hin und setzt bei Übertretungen auch Sanktionen. Es kann von einer Mutter eines 14-jährigen Jugendlichen, welcher ohnehin nicht bloß aufgrund seines Alters nicht einfach zu erziehen ist, erwartet werden, dass sie diesen auf Schritt und Tritt überwacht und einer permanenten Kontrolle unterzieht.
Bei den Verpflichtungen der Aufsichtsperson stellt der Tiroler Landesgesetzgeber darauf ab, dass die Aufsichtspflicht im Rahmen der Möglichkeit der Aufsichtsperson und des ihm Zumutbaren liegen muss. Die Novellierung des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994 mit LGBl Nr 4/1994 (Inkrafttreten des Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994) lockerte die bis zum damaligen Zeitpunkt ohne jede Einschränkung geltenden Aufsichtspflicht der Aufsichtspersonen auf. Dies wurde vom Landesgesetzesgeber damit begründet, dass es weder zumutbar noch sinnvoll ist, weil dies letztlich bedeuten würde, dass die Aufsichtsperson jeden Schritt eines Kindes oder Jugendlichen überwachen müsste (Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf eines Tiroler Jugendschutzgesetzes 1994).
Die belangte Behörde hat im beschwerdegegenständlichen Straferkenntnis zu Recht darauf hingewiesen, dass die Überwachungspflichten der Erziehungsberechtigten nicht überspannt werden dürfen. Im gegenständlichen Fall ging die Behörde davon aus, dass aufgrund bisheriger Verwaltungsübertretungen, welche keine Wirkung erzielt hätten, davon auszugehen sei, dass die Beschwerdeführerin ihre Aufsichtspflicht verletzt hätte. Im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht hat sich aber gezeigt, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl auf das bisherige Fehlverhalten des Jugendlichen einging, mit ihm Gespräche führte und auch Sanktionen setzte. Aufgrund der Tatsache, dass die Familie durch eine ambulante Familienbetreuung unterstützt wird und sich die Mutter auch selbst bereits Coachings unterzogen hat, um ihre Erziehungskompetenz zu erhöhen, hat diese aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes alles in ihrem Möglichen geleistet, um ihren Sohn, welcher bestimmt nicht einfach zu erziehen ist, davon abzuhalten gegen die Bestimmungen des Jugendgesetzes, insbesondere das Verbot des Konsums und des Erwerbs von Tabakwaren, zu verstoßen.
Aus Sicht des Landesverwaltungsgerichtes ist die Beschwerdeführerin ihrer Verpflichtung gemäß § 12 Abs 1 Tiroler Jugendgesetz nachgekommen und kann ihr daher keine Sorgfaltswidrigkeit nachgewiesen werden. Die Beschwerdeführerin hat den objektiven Tatbestand der ihr vorgeworfenen Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.
Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.
Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.
Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Hinweis:
Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr.in Keplinger
(Richterin)
Schlagworte
Erwerb von TabakwarenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.47.0140.8Zuletzt aktualisiert am
03.07.2020