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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
StGG Art5Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Ausländergrunderwerbs nach dem für anhängige Verfahren maßgebenden Vlbg GVG 1977 mangels eines im Gesetz aufgezählten öffentlichen InteressesSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Der Beschwerdeführer - ein türkischer Staatsangehöriger - beantragte am 10. Juli 1991 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zum Erwerb der Grundstücke Nr. 1785/1 und 227, Grundbuch Zwischenwasser.
Die (Vorarlberger) Grundverkehrs-Landeskommission versagte mit Bescheid vom 7. Jänner 1992 gemäß §5 Abs2 litb und c des (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977 idF der Novelle LGBl. 63/1987, (Vlbg. GVG 1977), die begehrte Genehmigung. Der (Vorarlberger) Grundverkehrssenat wies die dagegen vom nunmehrigen Beschwerdeführer erhobene Berufung mit Bescheid vom 16. März 1995 ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
b) Dieser Berufungsbescheid nimmt in der Begründung auf den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 22. Juli 1992, mit dem das Ansuchen des Beschwerdeführers um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen wurde, folgendermaßen Bezug:
"N.I. (der Beschwerdeführer des verfassungsgerichtlichen Verfahrens) wurde im Jahre 1985 vom Landesgericht Feldkirch wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung und wegen des Vergehens des unerlaubten Waffenbesitzes zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Höhe des Tagsatzes wurde vom Oberlandesgericht Innsbruck in der Berufungsentscheidung herabgesetzt. Dieser Verurteilung liegt eine Auseinandersetzung mit einem ehemaligen Geschäftspartner zugrunde, in der N.I. diesen und dessen Sohn mit dem Umbringen und mit erheblicher Verstümmelung bedroht und dazu auch konkrete Schritte unternommen habe, indem er mit einem abgebrochenen Flaschenhals und einem Küchenmesser Stöße gegen seine Kontrahenten führte und ein Küchenbeil nach diesen schleudern wollte. Weiters erfolgte diese Verurteilung, weil N.I. von 1978 bis 1985 eine Faustfeuerwaffe unbefugt besessen und geführt und eine verbotene Waffe (Springmesser) unbefugt in seinem Besitz gehabt habe. Von der Bezirkshauptmannschaft Bregenz sei der Einbürgerungswerber mehrfach wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung und des Meldegesetzes (im Jahre 1990 zu einer Geldstrafe von S 9.000,--, weil er ein Fahrzeug gelenkt und trotz vermuteter Alkoholbeeinträchtigung die Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt verweigert habe) bestraft worden. Auch die Bezirkshauptmannschaft Landeck habe im Jahre 1991 N.I. wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 56 km/h mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- bestraft.
Die Vorarlberger Landesregierung wertete in Anwendung des Staatsbürgerschaftsgesetzes die Verstöße, derentwegen N.I. bestraft wurde, als Verletzung von Vorschriften, die der Sicherheit von Personen und dem Schutz der Gesundheit dienten, und als Verstöße, die - abgesehen von der Übertretung des Meldegesetzes - als sehr gravierend anzusehen seien. Aus der nicht unerheblichen Zahl der Bestrafungen und aus dem Umstand, daß N.I. seit dem Jahre 1987 immer wieder gegen Vorschriften, die der Sicherheit von Personen und dem Schutz der Gesundheit dienen, verstoßen habe, werde die negative Einstellung zu den durch diese Vorschriften geschützten Rechtsgütern deutlich. Die Behörde könne aufgrund dieses Verhaltens - entgegen der Ansicht des Antragstellers - derzeit nicht davon ausgehen, daß er Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zu bilden. Einerseits ändere die Tatsache, daß die familiäre Situation geordnet sei, an der Beurteilung des hier relevanten Verhaltens des Einbürgerungswerbers nichts, weil es damit nicht im Zusammenhang zu bringen sei, andererseits könne sein Wohlverhalten in anderen Bereichen nicht sein gesetzwidriges Verhalten aufwiegen."
Der Grundverkehrssenat fährt sodann in der Begründung seiner Entscheidung fort:
"Der Erwerber ist kein österreichischer Staatsbürger und somit Ausländer im Sinne des Grundverkehrsgesetzes. Ein Rechtserwerb durch Ausländer ist gemäß §5 Abs2 Grundverkehrsgesetz nur zu genehmigen, wenn land- und forstwirtschaftliche Interessen nicht verletzt werden, staatspolitische Interessen nicht beeinträchtigt werden und am Rechtserwerb ein kulturelles, volkswirtschaftliches oder soziales Interesse besteht.
Nach §5 Abs2 des Grundverkehrsgesetzes muß demnach eines der in litc aufgezählten (kulturellen, volkswirtschaftlichen oder sozialen) Interessen vorliegen und dürfen gleichzeitig keine staatspolitischen Interessen litb beeinträchtigt sein. Der gegenständliche Rechtserwerb scheitert jedoch - wie die nachfolgende Untersuchung zeigen wird - an beiden Voraussetzungen:
Nach Ansicht des Grundverkehrssenates widersprechen die Feststellungen der Staatsbürgerschaftsbehörde nicht nur den Vorschriften für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft, sondern auch Interessen der Staatspolitik, zu der die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit zählen. Durch die Verletzung von Vorschriften, die der Sicherheit von Personen oder dem Schutz der Gesundheit dienen, hat der Berufungswerber diese Rechtsgüter schwerwiegend beeinträchtigt, sodaß die Genehmigung des Rechtsgeschäftes staatspolitischen Interessen zuwiderlaufen würde.
Dem Berufungswerber ist es überdies nicht gelungen, ein kulturelles, volkswirtschaftliches oder soziales Interesse am Rechtserwerb nachzuweisen. Ein solches öffentliches Interesse müßte in seiner Person gelegen sein, gleichzeitig aber über seine persönlichen Interessen hinausgehen. Es gibt jedoch keine festen Anhaltspunkte dafür, daß er die von ihm angesprochenen Strukturschwächen des Kaufobjektes beheben könnte. Nach Einschätzung des Grundverkehrssenates sind sehr wohl inländische Käufer für das Objekt zu finden, wenn die Preisvorstellungen realistisch sind. Die finanzielle Situation schließlich wäre zwar ein verständlicher Beweggrund für die Kaufabsicht des Berufungswerbers, begründet für sich allein jedoch noch kein öffentliches Interesse im Sinne des Grundverkehrsgesetzes.
Der gegenständliche Grunderwerb widerspricht somit §5 Abs2 litb und c des Grundverkehrsgesetzes, sodaß die grundverkehrsbehördliche Genehmigung nicht erteilt werden konnte."
2.a) Gegen den eben zitierten Berufungsbescheid vom 16. März 1995 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger landesgesetzlicher Bestimmungen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
b) Diese Beschwerdebehauptungen werden wie folgt begründet:
"a) Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes:
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen. §31 Abs2 lita des (neuen) Vlbg. Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 61/1993, normiert, daß im Zeitpunkt des Inkrafttretens des (neuen) Vlbg.
Grundverkehrsgesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen zu beenden sind.
§32 Abs2 des (neuen) Vlbg. Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 61/1993, normiert, daß der §3 Abs1 und 2 des Grundverkehrsgesetzes erst am 1.1.1996 in Kraft tritt.
Die beiden vorangeführten Bestimmungen verhindern in verfassungswidriger Weise, daß in gegenständlichem Verwaltungsverfahren zugunsten des Beschwerdeführers der im §3 Abs1 des (neuen) Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 61/1993, normierte Gleichbehandlungsgrundsatz mit Inländern zur Anwendung gelangt.
Der Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei über die Entwicklung der Assoziation sowie die entsprechenden Bestimmungen gem. Assoziationsabkommen zwischen der Türkei und der EWG sind durch den Beitritt Österreichs zur EU Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung geworden. Der Beschwerdeführer besitzt mittlerweile seit mehr als 25 Jahren seinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und übt hier seinen Beruf aus. Im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt und die oben angeführten Rechtsnormen ist daher grundsätzlich davon auszugehen, daß ein Gleichbehandlungsfall im Sinne des §3 des (neuen) Grundverkehrsgesetzes gegeben wäre.
Die vom Beschwerdeführer als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen der §§31 Abs2 lita und 32 Abs2 des Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 61/1993, verhindern nunmehr aber bereits die Prüfung der Frage, ob tatsächlich ein Gleichbehandlungsfall im Sinne des §3 Grundverkehrsgesetz vorliegt. Dadurch wird einerseits das Grundrecht des Beschwerdeführers auf ein 'fair-trial' verletzt. Darüber hinaus bewirken diese beiden Bestimmungen, daß dem Beschwerdeführer als türkischem Staatsangehörigen die beantragte grundverkehrsbehördliche Genehmigung selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen für eine Gleichbehandlung mit Inländern versagt bliebe, was als unzulässiger Eingriff in das verfassungsgesetzlich geschützte Grundrecht des Beschwerdeführers auf Unverletzlichkeit des Eigentums zu erachten ist.
...
b) Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten:
Der Beschwerdeführer besitzt seit Anfang 1970 seinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesland Vorarlberg und übt hier seinen Beruf aus. Er hat gemeinsam mit seiner Gattin (...) insgesamt 5 Kinder, wovon 4 in Österreich geboren wurden.
Im Hinblick auf den konkreten Sachverhalt ist - entgegen der belangten Behörde - davon auszugehen, daß es dem Beschwerdeführer sehr wohl gelungen ist, ein kulturelles, volkswirtschaftliches oder soziales Interesse an gegenständlichem Rechtserwerb nachzuweisen. Es liegen keinerlei Verfahrensergebnisse vor, daß gegenständliches Kaufobjekt anderweitig veräußerbar wäre. Bei den diesbezüglichen Ausführungen handelt es sich um unzulässige Vermutungen zu Lasten des Beschwerdeführers, wodurch sein Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. Davon, daß die Genehmigung des Rechtsgeschäftes 'staatspolitischen Interessen' zuwiderlaufen würde, kann keine Rede sein. Die dem Beschwerdeführer angelasteten Übertretungen liegen bereits viele Jahre zurück und hat sich der Beschwerdeführer seitdem wohlverhalten. Im Hinblick auf diesen Umstand sowie auf den Grad der Integration des Beschwerdeführers und dessen Familie in Österreich hätte die Behörde bei verfassungskonformer Interpretation der Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes zum Ergebnis gelangen müssen, daß die gegenständliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung bereits aus sozialen Interessen zu erteilen ist.
Mit den gegenteiligen Ausführungen wurden die grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen nach Auffassung des Beschwerdeführers in denkunmöglicher Weise auf gegenständlichen Sachverhalt angewandt. Die belangte Behörde hat dadurch in unzulässiger Weise in das verfassungsgesetzlich geschützte Grundrecht des Beschwerdeführers auf Unverletzlichkeit des Eigentums eingegriffen."
3. Der Grundverkehrssenat als jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift. Er begehrt, die Beschwerde abzuweisen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1.a) Zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides galt zwar bereits ein neues (Vorarlberger) Grundverkehrsgesetz, LGBl. 61/1993 (Vlbg. GVG 1993). Dieses war (mit Ausnahme seines §3 Abs1 und 2) am 1. Jänner 1994 in Kraft getreten (s. §32 Abs1 leg.cit. iVm der Kundmachung der Landesregierung im LGBl. 80/1993). Der Übergangsbestimmung des §31 Abs2 lita Vlbg. GVG 1993 zufolge sind aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen zu beenden.
Der angefochtene Bescheid stützt sich daher zu Recht (noch) auf das Vlbg. GVG 1977.
b) Der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Übergangsregelung des §31 Abs2 lita Vlbg. GVG 1993, wonach im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach den bisher geltenden grundverkehrsrechtlichen Bestimmungen zu Ende zu führen sind. Derartige (übliche) Übergangsvorschriften sind grundsätzlich verfassungsrechtlich unbedenklich. Die im Art7 Abs1 EMRK vorgesehene Ausnahme kommt hier von vornherein nicht in Betracht. Der Verfassungsgerichtshof kann auch nicht finden, daß die in Rede stehende Übergangsregelung aus sonstigen besonderen Gründen unsachlich wäre.
c) Der Beschwerdeführer weist auf den Beschluß Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei hin. Würde in der vorliegenden Sache bereits das Vlbg. GVG 1993 anzuwenden sein, so läge seiner Meinung nach ein Gleichbehandlungsfall i.S. des §3 leg.cit. vor.
Das neue GVG gilt aber - (wie dargetan) verfassungsrechtlich unbedenklich - für den vorliegenden Fall gerade eben nicht, sodaß in dieser Hinsicht die Beschwerdeausführungen ins Leere gehen.
d) Da auch sonst gegen die bei Erlassung des bekämpften Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, wurde der Beschwerdeführer nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.
2. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden generellen Normen könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur durch eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes verletzt worden sein.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Die in der (oben zu I.1.b wiedergegebenen) Begründung des bekämpften Bescheides enthaltene Annahme, der Eigentumserwerb durch den Beschwerdeführer liege nicht in einem der im §5 Abs2 litc GVG 1977 aufgezählten öffentlichen Interessen, ist zumindest vertretbar. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Erörterung der Frage, ob durch den Rechtserwerb auch staatspolitische Interessen beeinträchtigt würden (§5 Abs2 litb GVG 1977).
3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
4. Die Beschwerde war daher abzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Übergangsbestimmung, AusländergrunderwerbEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B1473.1995Dokumentnummer
JFT_10039389_95B01473_00