Entscheidungsdatum
16.04.2020Norm
AsylG 2005 §2Spruch
G313 2146308-3/2E
G313 2213105-2/2E
G313 2146308-2/4E
G313 2213105-1/4E
I.
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 12.02.2019 desXXXX, geb. am XXXX, (BF1), und desXXXXC, geb. XXXX, (BF2), StA: Serbien, BF2 gesetzlich vertreten durch Mutter XXXX, geb. XXXX, alle vertreten durch Roland HERMANN, c/o Caritas der Erzdiözese Wien, betreffend die Beschwerden gegen die Bescheide des BFA vom 12.12.2018, Zl. XXXX beschlossen:
A)
Der Antrag des BF2 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 VwGVG idgF als unzulässig zurückgewiesen.
Dem Antrag des BF1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird gemäß § 33 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) idgF stattgegeben.
B)
DIE REVISION IST GEMÄß ART 133 ABS. 4 B-VG NICHT ZULÄSSIG.
II.
Im NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Beschwerden des XXXX, geb. am XXXX, (BF1), und des XXXX, geb. XXXX, (BF2), StA: Serbien, BF2 gesetzlich vertreten durch Mutter XXXX, geb. XXXX, alle vertreten durch Roland HERMANN, c/o Caritas der Erzdiözese Wien, gegen die Bescheide des BFA vom 12.12.2018, Zl.XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Den Beschwerden der BF wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.
Die Entziehung der Grundversorgung mit 12.12.2018 erfolgte nicht zu Recht.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Mit Mandatsbescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) betreffend des BF1 vom 29.05.2018 und betreffend den BF2 vom 05.06.2018 wurde den BF die aufgrund des Grundversorgungsgesetzes-Bund 2005, BGBl. Nr. 405/1991 (GVG-B-2005) idgF, bisher gewährte Versorgung gem. § 2 Abs. 4 GVG-B 2005, iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) idgF, mit Wirksamkeit des Tages der Zustellung dieses Bescheides entzogen.
Die Rechtsmittelbelehrung wurde Einbringung der Vorstellung beim BFA innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides) war jeweils auf Serbisch übersetzt.
2. Gegen die Mandatsbescheide vom 05.06.2018 wurde am 13.06.2018 fristgerecht beim BFA die Vorstellung eingebracht.
3. Mit Bescheiden des BFA vom 12.12.2018 wurde den Beschwerdeführern (im Folgenden: BF) die aufgrund des GVG-B-2005 idgF bisher gewährte Versorgung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 mit 12.12.2018 entzogen (Spruchpunkt I.), und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, idgF, ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).
Spruch und Rechtsmittelbelehrung (Einbringung der Beschwerde beim BFA innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides betreffend BF1 und Einbringung der Beschwerde beim BFA innerhalb von vier Wochen nach Zustellung dieses Bescheides) waren jeweils auf Serbisch übersetzt.
4. Gegen diese beiden Bescheide wurde Beschwerde erhoben, und zwar mit am 11.01.2019 beim BFA eingelangtem Schreiben.
5. Am 16.01.2019 wurden die Beschwerden samt dazugehörigen Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) vorgelegt.
6. Seitens des BVwG erging dann, auf die vom BFA unter anderem erteilte 2-wöchige Rechtsmittelfrist gestützt, mit Schreiben vom 01.02.2019 ein Verspätungsvorhalt. Dieser wurde den BF am 06.02.2019 zugestellt.
7. Am 12.02.2019 brachten die BF beim BVwG Wiedereinsetzungsanträge ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA, wobei dem BF1 eine 2-wöchige und dem BF2 eine 4-wöchige Rechtsmittelfrist gewährt wurde, wurde den BF die ihnen bisher gewährte Grundversorgung entzogen, und die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid ausgeschlossen.
Diese Bescheide wurden im Wesentlichen mit den gegen die BF verhängten Betretungsverboten und ihrer Nichteinhaltung der Hausordnung der Betreuungsstelle begründet und ergingen ohne dass das BFA die BF zuvor einvernommen hat.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die unter Punkt II. getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich unzweifelhaften Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen des BFA das BVwG.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Zu I. A)
3.2.1. Der mit "Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" betitelte § 33 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, idF BGBl. I Nr. 24/2017, lautet:
"§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
(2) (...)
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. (...)
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
(...)
(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.
(...)."
3.2.2. Gemäß Art. 26 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Gewährung, dem Entzug oder der Einschränkung von Vorteilen gemäß dieser Richtlinie oder gegen Entscheidungen gemäß Art. 7, die Antragsteller individuell betreffen, ein Rechtsbehelf nach den im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Verfahren eingelegt werden kann. Zumindest in der letzten Instanz ist die Möglichkeit einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch eine Justizbehörde vorzusehen.
Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren (sog. Mandatsbescheid) zu erlassen, wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab handelt.
Gegen einen solchen Mandatsbescheid kann gem. § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen das Rechtsmittel der Vorstellung erhoben werden.
Gemäß § 9 Abs. 1 GVG-B 2005 ist das Bundesamt Behörde nach diesem Bundesgesetz.
Gemäß § 9 Abs. 2 GVG-B 2005 entscheidet das BVwG über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes.
§ 61 AVG lautet:
"§ 61. (1) Die Rechtsmittelbelehrung hat anzugeben, ob gegen den Bescheid ein Rechtsmittel erhoben werden kann, bejahendenfalls welchen Inhalt und welche Form dieses Rechtsmittel haben muss und bei welcher Behörde und innerhalb welcher Frist es einzubringen ist.
(2) Enthält ein Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder fälschlich die Erklärung, dass kein Rechtsmittel zulässig sei oder ist keine oder eine kürzere als die gesetzliche Rechtsmittelfrist angegeben, so gilt das Rechtsmittel als rechtzeitig eingebracht, wenn es innerhalb der gesetzlichen Frist eingebracht wurde.
(3) Ist in dem Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig."
Die Rechtsmittelbelehrung dient dem umfassenden Rechtsschutz der Partei. Es handelt sich dabei um einen besonderen Fall der Manuduktion, wobei § 61 Abs. 1 AVG nach der Rechtsprechung des VwGH im Verhältnis zu § 13a AVG als die speziellere Vorschrift anzusehen ist. Aufgrund ihrer Natur kommt der Rechtsmittelbelehrung im Verwaltungsverfahren deshalb (bzw. dann) besondere Bedeutung - als Schutz vor Unkenntnis des Gesetzes - zu, weil die Parteien regelmäßig weder selbst rechtskundig noch durch rechtskundige Personen vertreten sind (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband § 61 Rz 2 (2005) mwN)
Allerdings geht der VwGH auch in Bezug auf Rechtsmittel offenkundig von einer - quasi subsidiären - Verpflichtung zur Manuduktion nach § 13a AVG aus. In zahlreichen Entscheidungen wurde vom VwGH der Entfall der Manuduktionspflicht bezogen auf Rechtsmittel und unabhängig davon, ob die Partei rechtsfreundlich vertreten war oder nicht, damit begründet, dass die erteilte Rechtsmittelbelehrung den gesetzlichen Anforderungen entsprach (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 13a Rz 2 mit Verweis auf etwa VwGH vom 03.09.2002, Zl. 2001/03/0213, und weitere).
Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gem. Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gem. Art. 130 Abs. 2 Z. 1 B-VG vier Wochen. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gem. Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG sechs Wochen.
3.2.3. Die gegen die beiden im Spruch angeführten Bescheide vom 12.12.2018 erhobenen Beschwerden der BF vom 10.01.2019 wurden am 11.01.2019 beim BFA eingebracht.
Damit blieb zwar die im den BF2 betreffenden Bescheid angeführte 4-wöchige, nicht jedoch die im den BF1 betreffenden Bescheid angeführte 2-wöchige Beschwerdefrist gewahrt.
Auf die teilweise seitens des BFA gewährte nur 2-wöchige Beschwerdefrist folgte seitens des BVwG ein Verspätungsvorhalt vom 01.02.2019. Dieser wurde den BF bzw. ihrem Rechtsvertreter am 06.02.2019 zugestellt. Damit wurde den BF eine nach Ablauf der seitens des BFA gewährten 2-wöchigen Rechtsmittelfrist verspätete Beschwerdeeinbringung vorgehalten.
Nach § 33 Abs. 3 VwGVG wurden die Wiedereinsetzungsanträge der BF am 12.02.2019, rechtzeitig binnen zwei Wochen, nachdem ihnen eine verspätete Beschwerdeeinbringung vorgehalten worden war, beim BVwG eingebracht.
Über die gegenständlichen Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die am 12.02.2019 im Beschwerdeverfahren beim BVwG eingebracht wurden, ist gemäß § 33 Abs. 4 VwGVG mit Beschluss zu entscheiden (vgl. VwGH 28.09.2016, Ro 2016/16/0013).
Fest steht, dass die Beschwerden der BF vom 10.01.2019 am 11.01.2019 beim BFA eingelangt und damit jedenfalls innerhalb der nach § 7 Abs. 4 Satz 1 VwGVG gesetzlichen 4-wöchigen Beschwerdefrist beim BFA eingebracht worden sind.
Fest steht nun jedoch auch, dass im gegenständlichen Fall nur der Bescheid des BFA vom 12.12.2018 betreffend den BF1 eine Rechtsmittelbelehrung über eine 2-wöchige, der Bescheid des BFA vom 12.12.2018 betreffend den BF2 hingegen eine die gesetzliche Beschwerdefrist von vier Wochen beinhaltende Rechtsmittelbelehrung enthält.
Da für den BF2 wegen rechtzeitiger Beschwerdeeinbringung innerhalb der in der Rechtsmittelbelehrung angeführten, der gesetzlichen Rechtsmittelfrist gleichkommenden, vierwöchigen Beschwerdefrist kein Grund für die Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages bestanden hat, wird sein Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zurückgewiesen.
Betreffend den Wiedereinsetzungsantrag des BF1 wird Folgendes ausgeführt:
Der den BF1 betreffende Bescheid vom 12.12.2018 enthält eine Rechtsmittelbelehrung über eine 2-wöchige Beschwerdefrist.
Nach Beschwerdeeinbringung beim BFA am 11.01.2019 und nachfolgendem Verspätungsvorhalt seitens des BVwG vom 01.02.2019, dem BF1 zugestellt am 06.02.2019, wurde der Wiedereinsetzungsantrag des BF1 am 12.02.2019, binnen zwei Wochen nach mit Zustellung des Verspätungsvorhalts erfolgtem "Wegfall des Hindernisses" und somit rechtzeitig innerhalb der in § 33 Abs. 3 VwGVG angeführten 2-Wochenfrist, beim BVwG eingebracht.
Auf die in der Rechtsmittelbelehrung des den BF1 betreffenden Bescheides vom 12.12.2018 - offenbar versehentlich angeführte - kürzere als gesetzliche Rechtsmittelfrist folgte keine Berichtigung.
Dass sich der BF1 bei der Beschwerdeerhebung nach der im Bescheid seines Sohnes angeführten längeren anstatt nach der im eigenen Bescheid angeführten Rechtsmittelfrist richtete, kann ihm nicht angelastet werden, stellt die Rechtsmittelbelehrung in den beiden Bescheiden vom 12.12.2018 doch jeweils auf eine Beschwerde gegen denselben Beschwerdegegenstand - Entziehung der bisher gewährten Grundversorgung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 - ab, und gilt nach § 61 Abs. 3 AVG das innerhalb der angegebenen Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig, wenn im betreffenden Bescheid eine längere als die gesetzliche Frist angegeben ist. Auch dann, wenn es sich bei der im den BF2 betreffenden Bescheid angeführten 4-wöchigen Beschwerdefrist nicht um eine gesetzliche Rechtsmittelfrist handeln würde, gilt die innerhalb dieser angegebenen Frist eingebrachte Beschwerde als rechtzeitig eingebracht. Eine 4-wöchige Beschwerdefrist ist jedoch nach § 7 Abs. 4 Satz 1 VwGVG die gesetzliche Rechtsmittelfrist, weshalb eine Beschwerde nicht innerhalb einer angegebenen unter vier Wochen liegenden, sondern innerhalb der gesetzlichen Beschwerdefrist einzubringen ist.
Die nach Ablauf der in der Rechtsmittelbelehrung angegebenen 2-wöchigen Beschwerdefrist am 11.01.2019 beim BFA eingelangte Beschwerde des BF1 gegen den Bescheid vom 12.12.2018 gilt daher nach § 61 Abs. 2 AVG, obwohl in der Rechtsmittelbelehrung des den BF1 betreffenden Bescheides eine kürzere als die gesetzlich gültige Rechtsmittelfrist angeführt ist, als rechtzeitig innerhalb der gesetzlichen (4-wöchigen Beschwerde-) Frist nach § 7 Abs. 4 Satz 1 VwGVG eingebracht.
Dem Wiedereinsetzungsantrag des BF1 war daher stattzugeben.
3.3. Zu II. A)
3.3.1. Gemäß § 2 Abs. 1 GVG-B 2005 leistet der Bund Asylwerbern im Zulassungsverfahren Versorgung in einer Betreuungseinrichtung des Bundes, wobei im Rahmen der Aufnahme in die Grundversorgung etwaige besondere Bedürfnisse von schutzbedürftigen Personen - so weit als möglich - berücksichtigt werden.
Nach § 2 Abs. 6 GVG-B hat der Entscheidung, die Versorgung nach Abs. 4 oder 5 einzuschränken oder zu entziehen, eine Anhörung des Betroffenen, soweit dies ohne Aufschub möglich ist, voranzugehen. Die Anhörung des Betroffenen ist insbesondere nicht möglich, wenn er zwar zur Anhörung geladen wurde, jedoch zu dieser nicht erscheint oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist.
3.3.2. Im gegenständlichen Fall ist den Entscheidungen des BFA vom 12.12.2018 über die Entziehung der Grundversorgung nicht, wie nach § 2 Abs. 6 GVG-B grundsätzlich gefordert, eine Anhörung der BF1 und BF2 vorangegangen. Die BF wurden gar nicht zu einer Einvernahme geladen.
In den Bescheiden vom 12.12.2018 wurden im Wesentlichen die Ausführungen in den vorangegangen Mandatsbescheiden wiedergegeben, darunter im den BF2 betreffenden Bescheid vom 12.12.2018 festgehalten:
"Zu dem Vorfall vom 02.04.2018 wurden Sie am 09.04.2018 unter Einbindung Ihrer Mutter als gesetzlicher Vertreter gem. § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) eingeladen, eine schriftliche Stellungnahme abzugeben, weiters wurde Ihnen die beabsichtigte Einschränkung der Grundversorgungsleistungen - Taschengeld - gänzlicher Entzug angekündigt.
Eine Stellungnahme langte innerhalb der vorgegebenen Frist nicht ein. (...)."
In dem den BF2 betreffenden Bescheid wurden zudem auszugsweise der Polizeibericht vom 02.04.2018 und etwa auch eine "Vorfallsmeldung" der Betreuungsstelle wiedergegeben, und daran anschließend festgehalten:
"Seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde aufgrund der oben geschilderten Vorfälle und Wahrnehmungen am 05.06.2018 mittels Mandatsbescheid gem. Grundversorgungsgesetzes-Bund 2005 BGBl. Nr. 405/1991 (GVG-B-2005) idgF die bisher gewährte Versorgung gemäß § 2 Abs. 4 GVG-B 2005 iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 BGBl. Nr. 51/1991 (AVG) idgF entzogen."
Bezüglich des Mandatsbescheides des B1 vom 29.05.2018 wurde dasselbe festgehalten und ergänzend hinzugefügt, dass der den BF1 betreffende Bescheid mangels zustellfähiger Adresse im Akt hinterlegt wurde und mit 30.05.2018 als ordnungsgemäß zugestellt gilt. Eine Mitteilung über die Hinterlegung wurde über die Betreuungsstelle der Lebensgefährtin des BF1 ausgefolgt.
Im Beschwerdeverfahren hätte die belangte Behörde die Lebensgefährtin des BF1, welcher sie in der Betreuungsstelle eine Mitteilung über die Hinterlegung des den BF1 betreffenden vormaligen Mandatsbescheides vom 29.05.2018 ausgehändigt hat, fragen können, ob sie weiß, wo die vom BF1 gegenüber der Polizei bzw. in der Vorfallsmeldung vom 17.05.2018 erwähnten Bekannten in Wien wohnen, um deren und den Aufenthalts- bzw. Wohnort des BF1 ausfindig machen zu können, zumal der BF1 laut Vorfallsmeldung vom 17.05.2018 der Polizei gegenüber angegeben hat, er könne vorübergehend bei ihnen unterkommen.
Ergänzend wird festgehalten, dass die belangte Behörde auf dem angefochtenen Bescheid vom 12.12.2018 eine Obdachlosenmeldung des BF1 an einer bestimmten Adresse in Wien angeführt hat und über diese Adresse auch Erhebungen zum Aufenthaltsort des BF1 durchführen können hätte.
Der den BF2 betreffende Mandatsbescheid vom 05.06.2018 wurde laut dem den BF2 betreffenden Bescheid vom 12.12.2018 am 05.06.2018 der Mutter bzw. gesetzlicher Vertreterin des BF2 übergeben, womit dieser als ordnungsgemäß zugestellt gilt.
Vor Erlassung dieses Mandatsbescheids wurde der BF2 am 30.05.2018 trotz aufrechten Betretungsverbotes zweimal in der Betreuungsstelle angetroffen.
Nach Erlassung des Mandatsbescheides durch Übergabe an die Mutter als gesetzliche Vertreterin langten laut Bescheid vom 12.12.2018 Ergänzungen zur eingebrachten Vorstellung am 09.07.2018 und am 17.07.2018 ein, wurden jedoch seitens des BFA selbst keine weiteren Ermittlungen angestellt, sondern wurde, ohne den BF2 zu einer Einvernahme geladen zu haben, ihm mit Bescheid vom 12.12.2018 die bisher gewährte Grundversorgung entzogen.
§ 2 Abs. 6 Satz 2 GVG-B besagt nun, dass die Anhörung des Betroffenen unter anderem insbesondere dann nicht möglich ist, wenn er zwar zur Anhörung geladen wurde, jedoch zu dieser nicht erscheint oder wenn sein Aufenthalt unbekannt ist.
Genauso wie im Asylverfahren zu Zl. G313 2213105-3 der nunmehrige BF2 zu einer niederschriftlichen Einvernahme am 26.06.2018 geladen und er am 26.06.2018 im Beisein seiner Mutter als gesetzlicher Vertreterin einvernommen werden konnte, wäre es auch im gegenständlichen Verfahren vor dem BFA möglich gewesen, den BF2 zu einer Einvernahme zu laden und ihn niederschriftlich einzuvernehmen.
Die belangte Behörde hielt im den BF2 betreffenden Bescheid vom 12.12.2018 unter anderem Folgendes fest:
"Obschon Ihre Minderjährigkeit für die Behörde einen besonders schutzbedürftigen Umstand darstellt, stellt dieser in Ihrem Fall kein Hindernis gegen den Entzug der Grundversorgung dar, da Ihr gesetzlicher Vertreter, Ihr Vater, ebenfalls mit einem Betretungsverbot belegt wurde und die Behörde davon ausgeht, dass Sie sich in der Obhut Ihres Vaters befinden. Beziehungsweise ist auf Grund der Nachsicht im Zentralen Melderegister ersichtlich, dass Sie in einer Einrichtung für obdachlose Jugendliche untergebracht sind.
Der von Ihnen begangene Vorfall vom 02.04.2018 hätte an sich den sofortigen Entzug der Grundversorgung gerechtfertigt, jedoch wurde auf Grund Ihrer Minderjährigkeit und der Tatsache, dass Sie von Ihren Eltern getrennt worden wären, das wie in der Einladung zur schriftlichen Stellungnahme angekündigt, gelindere Mittel der Einschränkung der Grundversorgung (TG Entzug) beabsichtigt."
Die belangte Behörde ging demnach davon aus, dass der BF2 sowohl in einer Einrichtung für obdachlose Jugendliche untergebracht ist als auch unter der Obhut seines Vaters steht.
Hinsichtlich der Annahme, der BF2 sei in einer Einrichtung für obdachlose Jugendliche untergebracht, hat sich die belangte Behörde auf eine diesbezügliche Eintragung im Zentralen Melderegister stützen können, die Annahme der Behörde, der BF2 sei unter der Obhut seines Vaters, sei doch gegen diesen ebenso wie gegen den BF2 ein Betretungsverbot verhängt worden, war jedoch nur eine bloße Vermutung und völlig haltlos.
Dafür, dass der BF2 nicht unter der Obhut seines Vaters steht, spricht jedenfalls auch die Angabe des BF2 in seiner Einvernahme vor dem BFA am 26.06.2018 im Asylverfahren:
"Ich habe ein Betretungsverbot. Ich kann nicht zu meinen Eltern. Ich bin obdachlos. Ich schlafe in einer Notunterkunft." (Akt Zl. 2213105-3, AS 387).
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die belangte Behörde dafür zu sorgen gehabt hätte, dass der erst seit Februar volljährige BF2 nach Wegweisung von seiner Betreuungsstelle unter der Obhut seines ebenso weggewiesenen Vaters stehen kann, dies unter Berücksichtigung der vormaligen Minderjährigkeit des BF2 und seiner sich aus dem Asylakteninhalt ergebenden psychischen Beeinträchtigung.
Die Bescheide vom 12.12.2018 enthalten Vorfälle, Berichte, ergänzende Unterlagen zur eingebrachten Vorstellung gegen den jeweiligen Mandatsbescheid, und einseitige nur das öffentliche Interesse betreffende Ausführungen, etwa die Ausführung, dass, wenn die Maßnahme (Entziehung der Grundversorgung) auch einen nicht unwesentlichen Einschnitt in die persönlichen Rechte auf Grundversorgung und Familienleben darstelle, diese dennoch als einzig zweckmäßiges und somit auch im Verhältnis stehendes Mittel anzusehen sei, um den gesetzlichen geforderten Erfolg - Herstellung der Ruhe, Ordnung und Sicherheit in Betreuungsstellen - zu erwirken.
Die die BF1 und BF2 betreffenden Bescheide vom 12.12.2018 wurden jedenfalls rund sechseinhalb Monate nach Erlassung der Mandatsbescheide, ohne über die in den Mandatsbescheiden vom 29.05.2019 und 05.06.2019 getroffenen Feststellungen hinausgehende Feststellungen getroffen bzw. mangels näherer, aktueller Ermittlungen treffen können zu haben, erlassen.
Aktuelle Ermittlungen dazu, ob zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung die Entziehung der Grundversorgung tatsächlich notwendig und, wenn ja, das einzig zweckmäßige, verhältnismäßige Mittel war, sind gänzlich unterblieben.
Von einer Unmöglichkeit der Anhörung der BF1 und BF2 iSv § 2 Abs. 6 Satz 2 GVG-B im Vorhinein konnte jedenfalls nicht ausgegangen werden, hätte der BF2 doch genauso wie nach Erlassung des Mandatsbescheides am 05.06.2018 in seinem Asylverfahren, in welchem er am 26.06.2018 niederschriftlich einvernommen wurde, auch im verfahrensgegenständlichen Beschwerdeverfahren zu einer Einvernahme vor dem BFA geladen und einvernommen werden können, und hätten auch Teile der Einvernahme des BF2 vom 26.06.2018 aus seinem Asylverfahren im verfahrensgegenständlichen Verfahren und im den BF2 betreffenden Bescheid vom 12.12.2018 mitberücksichtigt werden können.
Wie vorhin erwähnt, wurden auch keine Erhebungen zum Wohnort des BF1 angestellt, um ihn zu einer Einvernahme laden und einvernehmen zu können.
Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide fehlen somit nicht nur entscheidende Ermittlungen, sondern sind diese gänzlich unterblieben, liegt doch den rund sechseinhalb Monate nach Erlassung der Mandatsbescheide erlassenen Bescheiden vom 12.12.2018 gar kein Ermittlungsverfahren zugrunde.
Die gegenständlich angefochtenen Bescheide der BF1 und BF2 vom 12.12.2018 wurden nach den gegen sie erlassenen Mandatsbescheiden vom 29.05.2018 und 05.06.2018 ohne weitere Ermittlungen erlassen.
In den beiden die nunmehrigen BF1 und BF2 betreffenden Asylverfahren (Zl. G313 2146308-4, 2213105-3) wurde mit heutigem Entscheidungsdatum jedenfalls keine erhebliche Gefahr (BF1) bzw. keine schwerwiegende Gefahr (nunmehriger BF2 bzw. BF3 im Asylverfahren) erkannt und wurden die vom BFA gegen sie erlassenen Einreiseverbote ersatzlos behoben.
Den Beschwerden war daher stattzugeben und die völlig haltlosen Bescheide vom 12.12.2018 waren daher ersatzlos zu beheben.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde eindeutig geklärt erscheint und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Entscheidungsergebnis führen können hätte, konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
3.5. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Grundversorgung, Mandatsbescheid,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:G313.2213105.1.00Zuletzt aktualisiert am
30.06.2020