TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/3 W170 2198552-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2020
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Entscheidungsdatum

03.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W170 2198552-1/34E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom 04.05.2018, Zl.: IFA: 1118012108 Verfahren: 160800449, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) I. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß § 3 Abs. 4 leg.cit kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit §§ 8 Abs. 1, 10 Abs. 1, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, und §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 110/2019 stattgegeben und diese Spruchpunkte ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

XXXX (in Folge auch Beschwerdeführer), ein volljähriger, iranischer Staatsangehöriger, hat am 07.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Administrativverfahren brachte der Beschwerdeführer vor, in Iran seit 12 Jahren als Musiker bzw. DJ gearbeitet zu haben. Da dies verboten sei, sei er mehrmals festgenommen und im Rahmen der nachfolgenden Anhaltungen auch gefoltert worden. Er habe etwa auch eine im Internet abrufbare Single mit einer Frau aufgenommen und knapp vor seiner Ausreise während eines Engagements bei einer Hochzeit vor der anrückenden Polizei flüchten müssen. In weiterer Folge sei er vor Gericht geladen worden, weshalb er dann geflüchtet sei. Im Administrativverfahren legte der Beschwerdeführer seine iranische Geburtsurkunde und eine Kopie seines Reisepasses vor.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch Behörde) wurde der Antrag des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer erlassen, festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Iran zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers festgesetzt. Begründend verwies die Behörde auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der behördlichen Einvernahme, dass der Beschwerdeführer lange Zeit ohne echte Probleme in Iran gelebt habe und auf seine legale Ausreise.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2018, am gleichen Tag bei der Behörde eingebracht, ergriff der Beschwerdeführer - nunmehr vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich - das Rechtsmittel der Beschwerde. Der Beschwerdeführer, so die Begründung, sei vom islamischen Glauben abgefallen, da er nunmehr Gnostiker sei. Deswegen und wegen der im Administrativverfahren vorgebrachten Fluchtgründe, sei der Beschwerde stattzugeben.

Am 18.06.2018 wurde die Beschwerde samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und vorerst der Gerichtsabteilung L516 zugewiesen; nach einer entsprechenden Abnahme wurde die Rechtssache am 02.10.2018 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung W170 zugewiesen. Am 09.07.2019 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt und in weiterer Folge wurden Gutachten eingeholt. Im Rahmen des zu den Gutachten durchgeführten, schriftlichen Parteiengehörs verzichteten sowohl Beschwerdeführer als auch Behörde auf die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. XXXX ist ein volljähriger, iranischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist.

1.2. XXXX hat am 07.06.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde, XXXX wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung gegen XXXX erlassen, festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Iran zulässig sei und eine Frist für die freiwillige Ausreise des XXXX festgesetzt. Der Bescheid wurde XXXX am 15.05.2018 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 11.06.2018, am gleichen Tag bei der Behörde eingebracht, ergriff XXXX - nunmehr vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich - das Rechtsmittel der Beschwerde.

Die Beschwerde wurde am 18.06.2018 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Sowohl XXXX als auch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl haben auf die Fortsetzung der am 09.07.2019 vertagten Verhandlung verzichtet.

1.3. Im Asylverfahren brachte XXXX vor, Iran verlassen zu haben, da er im Laufe der Jahre vier oder fünf Mal wegen des Konsums von Alkohol und wegen seiner Arbeit als DJ festgenommen worden sei. Man habe XXXX unter anderem wegen des Konsums von Alkohol zu 80 Peitschenhieben verurteilt und er habe diese Strafe auch erlitten. Schließlich sei er einmal von Sicherheitsorganen mit einem Messer verletzt worden.

Zuletzt sei er bei einer Hochzeit engagiert gewesen. Als diese von den Sicherheitskräften beendet worden sei, sei XXXX geflüchtet, aber sein Laptop mit verschiedenen Dateien, die auch Aufnahmen von Partys, unbedeckten Frauen und Szenen von einem Musikvideo gezeigt hätten, sei den Sicherheitsbehörden in die Hände gefallen. Deswegen befürchte XXXX wieder verhaftet zu werden.

Das Vorbringen des XXXX ist glaubhaft, XXXX hat zumindest zwei Lieder auf Youtube veröffentlicht, auf dem einen singt er gemeinsam mit einer unverhüllten Frau, im zweiten Video ist XXXX mit einem anderen Mann auf einem Standbild zu sehen und es wurde ein iranisches Volkslied als Technolied neu interpretiert. Diese Lieder befinden sich auf seinem neben weiteren Dateien auf seinem Laptop.

1.4. Zur entscheidungsrelevanten Situation in Iran wird festgestellt, dass jederzeit mit willkürlichen Verhaftungen gerechnet werden kann und muss, da die Geheimdienste (der Regierung und der Revolutionsgarden) sowie die Basijis nicht einmal nach iranischen rechtsstaatlichen Standards handeln. Auch Verhaltensweisen, die an sich (noch) legal sind, können das Misstrauen der Basijis hervorrufen. Bereits auffälliges Hören von (insb. westlicher) Musik, ungewöhnliche Bekleidung oder Haarschnitt, die Äußerung der eigenen Meinung zum Islam, Partys oder gemeinsame Autofahrten junger nicht miteinander verheirateter Männer und Frauen könnte den Unwillen zufällig anwesender Basijis bzw. mit diesen sympathisierenden Personen hervorrufen. Willkürliche Verhaftungen oder Verprügelungen durch Basijis können in diesem Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden. Zahlreiche friedliche Regierungskritiker wurden aufgrund von vage formulierten Anklagen, die sich auf die nationale Sicherheit bezogen, inhaftiert. Betroffen waren Oppositionelle, Journalisten, Blogger, Studierende, Filmemacher, Musiker, Schriftsteller, Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtlerinnen und Aktivisten, die sich für die Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten einsetzten. Im Visier standen außerdem Umweltschützer, Gewerkschafter, Gegner der Todesstrafe, Rechtsanwälte sowie Aktivisten, die Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für Massenhinrichtungen und das Verschwindenlassen von Menschen in den 1980er Jahren forderten. Die Tätigkeit als Frauen- und Menschenrechtsaktivist wird regelmäßig strafrechtlich verfolgt (Vorwurf der Propaganda gegen das Regime o.ä.) und hat oft die Verurteilung zu Haft- oder auch Körperstrafen zur Folge.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu 1.1. und 1.2. ergeben sich aus der unbedenklichen Aktenlage.

2.2. Die Feststellungen zu 1.3. ergeben sich hinsichtlich des Vorbringens des Beschwerdeführers aus der Aktenlage.

Hinsichtlich der Glaubhaftmachung, dass der Beschwerdeführer in Iran zumindest einmal mit Peitschenhieben bestraft und von Sicherheitsorganen mit einem Messer verletzt worden ist, ist auf das Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für gerichtliche Medizin Ao. Univ.-Prof. XXXX zu verweisen, der - soweit dies in einem medizinischen Gutachten möglich ist - das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers als mit den auf seinem Körper vorzufindenden Spuren als nachvollziehbar bewertet hat. Da sowohl der Zeitpunkt als auch die Schilderung der Umstände, wie es zu den Verletzungen gekommen ist, als "mit den Narbenbildungen bzw. körperlichen Befunden aus medizinischer Sicht grundsätzlich gut zur Deckung zu bringen sind" (so der oben genannte Sachverständige abschließend) besteht auch mangels anderer Hinweise, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Täter nicht die Wahrheit gesagt hat, kein Grund, diesen Teil der Schilderungen nicht auch als glaubhaft zu bewerten.

Daher sind auch die erfolgten Festnahmen, die der Beschwerdeführer im Wesentlichen schlüssig und nachvollziehbar geschildert hat, als glaubhaft zu bewerten; gleiches gilt auch für die Sicherstellung seines Laptops und dessen Inhalt durch die Sicherheitsbehörden in Iran. Das gleiche gilt auch für das weitere Vorbringen, da auf Grund der durch das Ergebnis der Gutachten, das mit dem Vorbringen, soweit überprüfbar in Einklang zu bringen ist, gestärkten persönlichen Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und der Vereinbarkeit des Vorbringens mit der Lage in Iran, kein Grund zu sehen ist, der einer Glaubhaftmachung des Vorbringens im Weg steht.

Hinsichtlich der Feststellungen zu den veröffentlichen Liedern ist auf den Augenschein in der mündlichen Verhandlung zu verweisen sowie auf das gesichtsbiometrische Gutachten des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für Informatik, Mathematik, Signalverarbeitung und Statistik Ao. Univ.-Prof. XXXX , der in seinem Gutachten zum Schluss kommt, dass es sich bei der in den beiden Videos zu sehenden Person um den Beschwerdeführer handelt.

Zu beiden Gutachten ist auszuführen, dass diesen nicht entgegengetreten wurde, da keine der Parteien trotz Vorhalt der Gutachten eine Stellungnahme abgegeben hat und dass diese Gutachten aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes vollständig - d.h. aus Befund und Gutachten im engeren Sinn bestehend - und schlüssig - d. h. insbesondere, dass die Schlussfolgerungen im Gutachten im engeren Sinne auf den Feststellungen im Befund aufbauen und nicht der Logik und der Lebenserfahrung widersprechen - sind; daher sind diese der Sachverhaltsfeststellung zu Grunde zu legen.

2.3. Die Feststellungen zu 1.4. ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation über Iran, Gesamtaktualisierung am 03.07.2018, samt den darin genannten Quellen und dem Bericht ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Iran: COI Compilation, Juli 2018, samt den darin genannten Quellen. Andere relevante Quellen sind dem Bundesverwaltungsgericht nicht bekannt und wurden von den Parteien nicht vorgelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019 (in Folge: AsylG) ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat - das ist gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder im Falle der Staatenlosigkeit, der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes und hier zweifellos Iran - Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199).

3.2. Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Verquickung von Staat und Religion im Iran ausgeführt hat, dass das Erfordernis einer Prüfung auch dem Schutz religiöser Werte dienender Strafvorschriften unter dem Gesichtspunkt einer unterstellten politischen Gesinnung besteht. Eine völlige Unverhältnismäßigkeit staatlicher Maßnahmen, die wegen eines Verstoßes gegen bestimmte im Herkunftsstaat gesetzlich verbindliche Moralvorstellungen drohen, könnte nämlich darauf hindeuten, dass diese Maßnahmen an eine dem Zuwiderhandeln gegen das Gebot vermeintlich zu Grunde liegende, dem Betroffenen unterstellte Abweichung von der ihm von Staats wegen vorgeschriebenen Gesinnung anknüpfen (VwGH 06.05.2004, 2001/20/0256; VwGH 19.11.2010, 2008/19/0206; VwGH 11.08.2011, 2008/23/0702). So hat der Verwaltungsgerichtshof etwa ausgesprochen, dass eine Strafe der Steinigung oder eine Strafe von hundert Peitschenhieben wegen eines Ehebruches im Iran eine völlig unverhältnismäßige staatliche Reaktion auf die Abweichung von der im Iran staatstragenden islamischen Religion zum Ausdruck kommt, sodass diese durchaus als asylrelevante Verfolgung anzusehen sein kann (VwGH 06.05.2004, 2001/20/0256).

3.3. Nach den Feststellungen wurde der Beschwerdeführer in Iran einmal im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu 80 Peitschenhieben verurteilt und dieser Strafe ausgesetzt und er wurde einmal extralegal von Sicherheitsorganen wegen seines Verhaltens mit einem Messer verletzt. Der Beschwerdeführer hat Iran aber erst verlassen, als Sicherheitsorgane seinen Laptop mit verschiedenen Dateien, die Aufnahmen von Partys, unbedeckten Frauen und Szenen von einem Musikvideo zeigten, entdeckt haben. Darüber hinaus werden die Sicherheitsbehörden auf Grund der Informationen am Laptop nunmehr in der Lage sein, auch die beiden Youtube-Videos, die iranische Lieder als Techno interpretiert und (auch) vom Beschwerdeführer vorgetragen zeigen, aufzufinden; zumindest muss der Beschwerdeführer das befürchten.

Jede Person, die das erlebt hätte, was der Beschwerdeführer in Iran erlebt hat, würde in der Situation, in der sich der Beschwerdeführer nunmehr befindet, befürchten, im Falle einer Rückkehr festgenommen zu werden und entweder wieder eine unverhältnismäßige gerichtliche Strafe - wie etwa die schon erlittenen 80 Peitschenhiebe - oder aber eine extralegale Strafe, vor allem eine Folterung während der Anhaltung, durch die Basiji zu erfahren, dies insbesondere, da der Beschwerdeführer bereits einschlägig durch sein Verhalten - Konsum von Alkohol und Arbeit als DJ - aufgefallen und dafür mehrmals festgenommen wurde; er muss daher befürchten, als Wiederholungstäter besonders schwer bestraft zu werden, insbesondere während der ersten Phase nach einer allfälligen Festnahme durch die Basiji.

Da die Strafen hinsichtlich der "Vergehen" - das Produzieren von westlicher Musik und das Feiern von Partys samt Alkoholgenuß - völlig unangemessen sind, eine völlig unverhältnismäßige staatliche Reaktion auf die Abweichung von der im Iran staatstragenden islamischen Religion darstellen, ist davon auszugehen, dass diese Maßnahmen an eine dem Zuwiderhandeln gegen das Gebot vermeintlich zu Grunde liegende, dem Betroffenen unterstellte Abweichung von der ihm von Staats wegen vorgeschriebenen Gesinnung anknüpfen sodass diese nach der oben dargestellten Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtshofes als asylrelevante Verfolgung anzusehen sind.

3.4. Da der Staat und seine Organe als Verfolger des Beschwerdeführers auftreten und das gesamte Staatsgebiet im Wesentlichen kontrollieren, kommt eine innerstaatliche Fluchtalternative faktisch nicht in Betracht.

3.5. Da darüber hinaus keine vom Beschwerdeführer verwirklichten Asylausschluss- oder

-endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. stattzugeben, dem Beschwerdeführer der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass diesem somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG kommt dem Beschwerdeführer damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu.

3.6. Durch die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten fällt die Rechtsgrundlage für die Entscheidungen der Behörde in den Spruchpunkten II. bis VI. weg und sind diese ersatzlos aufzuheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist von dieser bei gegenständlicher Entscheidung nicht abgewichen. Darüber hinaus haben sich im Wesentlichen nur Tatsachenfragen gestellt, sodass die Revision nicht zulässig ist.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, befristete
Aufenthaltsberechtigung, ersatzlose Teilbehebung, Folter,
unterstellte politische Gesinnung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W170.2198552.1.00

Zuletzt aktualisiert am

23.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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