Entscheidungsdatum
21.11.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I421 2125215-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, StA.
ÄGYPTEN, vertreten durch: RA Mag. Christian Hirsch gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 22.10.2019, Zl. 1096113404-190878288, zu Recht erkannt:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 23.11.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.03.2016 abgewiesen und Rückkehrentscheidung erlassen. Dagegen brachte der Beschwerdeführer Beschwerde am 07.04.2016 ein. Vor dem Bundesverwaltungsgericht fand die mündliche Verhandlung über diese Beschwerde am 22.02.2019 statt. Der für diese Beschwerde zuständige Richter der Abteilung I409 verkündete gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG das nach Erkenntnis, mit dem die Beschwerde inhaltlich abgewiesen wurde, mündlich und erteilte Rechtsmittelbelehrung.
Der Beschwerdeführer hat die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.
Laut Protokoll lautet der Tenor dieses mündlich verkündeten Erkenntnisses:
"A)
Der erste Spruchteil des Spruchpunktes III des angefochtenen Bescheides lautet wie folgt:
"Eine ,Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 Asylgesetz 2005 wird nicht erteilt."
Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Der Rl erörtert seine Entscheidungsgründe, (u.a.) erklärt er, dass das Fluchtvorbringen des BF nicht glaubwürdig sei, weil es widersprüchlich ist bzw. von ihm seit Beschwerdeerhebung gesteigert wurde. Vor dem Hintergrund, dass seine Familie in Ägypten lebt, er dort auch den Großteil seines Lebens verbracht hat und er (erst) seit Ende 2015 in Österreich aufhältig ist, führt auch die erlassene Rückkehrentscheidung trotz seiner Integrationsbemühungen zu keiner Verletzung von Art. 8 EMRK."
Die schriftliche Ausfertigung dieses mündlich verkündeten Erkenntnisses ist (noch) nicht erfolgt.
Am 28.08.2019 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, der mit nunmehr bekämpften Bescheid gem. § 68 AVG wegen entschiedener Sache abgewiesen wurde, festgestellt wurde, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht besteht und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen.
Der Beschwerdeführer hat dagegen die fristgerechte Beschwerde vom 04.11.2019 eingebracht.
Dieser Akt wurde dem zuständigen Richter der Abteilung I421 bei der Außenstelle Innsbruck des Bundesverwaltungsgerichts am 21.11.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der eingangs wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Gänze zu Feststellungen erhoben und der Entscheidung zugrunde gelegt.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem vorliegenden Behördenakt und aus dem Akt 1409 2125215-1 des Bundesverwaltungsgerichts.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Den neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hat die belangte Behörde wegen entschiedener Sache gem. § 68 AVG zurückgewiesen. Diese gesetzliche Bestimmung lautet wie folgt:
Abänderung und Behebung von Amts wegen
§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.
(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.
(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid
1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,
2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,
3. tatsächlich undurchführbar ist oder
4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.
(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.
(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.
(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.
Da die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid den Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen hat, ist Prozessgegenstand der vorliegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes nur die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung, nicht aber der zurückgewiesene Antrag selbst.
Entschiedene Sache liegt vor, wenn sich gegenüber dem früheren Bescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert haben (VwGH 21. 3. 1985, 83/06/0023, u.a.). Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtswirksamen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. z.B. VwGH 27. 9. 2000, 98/12/0057; siehe weiters die bei Walter/Thienel, Die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 80 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Es ist Sache der Partei, die in einer rechtskräftig entschiedenen Angelegenheit eine neuerliche Sachentscheidung begehrt, dieses Begehren zu begründen (VwGH 8. 9. 1977, 2609/76).
Nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG dann vor, wenn in der für den Vorbescheid maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist oder wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (vgl. VwGH 24. 2. 2005, 2004/20/0010 bis 0013; VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 20. 3. 2003, 99/20/0480; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315).
Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben (nochmals) zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. VwGH 25. 4. 2002, 2000/07/0235; VwGH 15. 10. 1999, 96/21/0097). Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 9. 9. 1999, 97/21/0913; und die bei Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Bd. I, 2. Aufl. 1998, E 90 zu § 68 AVG wiedergegebene Judikatur).
Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl. VwGH 4. 11. 2004, 2002/20/0391; VwGH 24. 8. 2004; 2003/01/0431; VwGH 21. 11. 2002, 2002/20/0315; VwGH 24. 2. 2000, 99/20/0173; VwGH 21. 10. 1999, 98/20/0467).
Ist Sache der Entscheidung der Rechtsmittelbehörde nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, darf sie demnach nur über die Frage entscheiden, ob die Zurückweisung durch die Vorinstanz zu Recht erfolgt ist oder nicht, und hat dementsprechend - bei einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache - entweder (im Falle des Vorliegens entschiedener Sache) das Rechtsmittel abzuweisen oder (im Falle der Unrichtigkeit dieser Auffassung) den bekämpften Bescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die erstinstanzliche Behörde in Bindung an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde den Antrag jedenfalls nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Es ist der Rechtsmittelbehörde aber verwehrt, über den Antrag selbst meritorisch zu entscheiden (vgl. VwGH 30. 5. 1995, 93/08/0207).
Um eine Entscheidung nach § 68 AVG treffen zu können ist es unabdingbar, dass der rechtskräftig entschiedene Sachverhalt feststeht, andernfalls nicht beurteilt werden kann, ob der neuerliche Antrag im entschiedenen Sachverhalt Deckung findet. Aus dem mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu I409 2125215-1 vom 22.02.2019, wie in dieser Entscheidung wiedergegeben, lässt sich für den erkennenden Richter ein solcher Sachverhalt nicht entnehmen, sodass ein Abgleich mit dem verfahrensgegenständlichen Sachverhalt nicht möglich ist und auch der belangten Behörde nicht möglich war. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in der schriftlichen Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses zu I409 2125215-1 Sachverhaltsfeststellungen enthalten sein werden, die den verfahrensgegenständlichen Sachverhalt nicht abdecken. Es ist daher derzeit bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht möglich zu entscheiden, ob der neuerliche Antrag des Beschwerdeführers tatsächlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Das ist erst möglich, wenn die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses zu I409 2125215-1 vorliegt. Es war daher der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, damit nach Vorliegen der schriftlichen Ausfertigung des Erkenntnisses zu I409 2125215-1 dessen Sachverhaltsfeststellungen in die Prüfung der Behörde, ob tatsächlich entschiedene Sache vorliegt, einfließen können.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Im gegenständlichen liegt ein besonders gelagerter Einzelfall vor, dem keine über die Rechtssache hinausgehende Bedeutung zukommt.
Schlagworte
Asylverfahren, Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I421.2125215.2.00Zuletzt aktualisiert am
05.06.2020