TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/14 I416 2127258-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2020
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Entscheidungsdatum

14.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2127258-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß §§ 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsbürger arabischer Abstammung und moslemischer (schiitischer) Religionszugehörigkeit, stellte am 07.07.2015, nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet, einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Zu seinen Fluchtgründen brachte er zusammengefasst vor, er hätte als Soldat rekrutiert werden sollen, um gegen den Terrorismus bzw. die Daesh zu kämpfen. Sein Vater sei von bewaffneten Gruppierungen angesprochen worden und habe dieser daraufhin zu ihm gesagt, dass er das Land verteidigen solle. Drei Wochen später sei er ausgereist. Zudem würden zwischen den Sunniten und Schiiten Konflikte bestehen, Anarchie im Irak herrschen und es an Sicherheit fehlen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA; belangte Behörde) vom 02.05.2016, Zl. XXXX, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.05.2017 erteilt.

Beweiswürdigend führte das BFA aus, dass es die behauptete Bedrohung aufgrund des widersprüchlichen und vagen Vorbringens des Beschwerdeführers für nicht glaubwürdig befinde. Infolge der derzeitig im Irak vorherrschenden schlechten allgemeinen Sicherheitslage sei dem Beschwerdeführer jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten und gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen gewesen.

4. Eine gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.03.2017, Zl. L507 2127258-1/16E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen.

5. Einem am 27.03.2017 gestellten Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde mit Bescheid des BFA vom 19.06.2017, Zl. XXXX, stattgegeben und dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.05.2019 erteilt.

6. Der Beschwerdeführer stellte am 07.03.2019 neuerlich einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes.

7. Am 26.06.2019 wurde er von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er erklärte, dass seine Eltern, fünf Brüder und zwei Schwestern noch in der Stadt Basra im Irak leben würden. Gegen seine Rückkehr in sein Heimatland würde sprechen, dass es im Irak keine Sicherheit und nur Probleme gebe. Der Beschwerdeführer sei schon lange auf der Suche nach einer Arbeit in Österreich, habe aber noch keine gefunden. Er werde demnächst einen Integrationskurs machen. In seiner Freizeit spiele er Fußball und mache Fitness. Er habe auch Kontakte im Integrationskurs. Der Beschwerdeführer legte einen Kursterminplan "XXXX" des AMS vom 25.06.2019, einen Laborbefund vom 21.10.2016, eine AMS-Kursbesuchsbestätigung für den Kurs "Deutsch und Alphabetisierung" vom 02.08.2018, eine Anmeldebestätigung für den Kurs "Deutschkurs A2" von 24.09.2018 bis 11.01.2019, eine Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs vom 06.08.2018, ein "nicht bestandenes" ÖSD Zertifikat A2 vom 21.12.2018, drei "nicht bestandene" ÖSD Zertifikate A1 vom 28.08.2017, 02.03.2018 und 18.08.2018, sowie einen XXXX Anmeldeschein vor.

8. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid der belangten Behörde vom 05.08.2019, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und sein der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 2 Z 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.). Schließlich wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden. Der Beschwerdeführer habe den Status des subsidiär Schutzberechtigten ausschließlich aufgrund der allgemein prekären Lage im Irak erhalten, welche sich mittlerweile jedoch im positiven Sinne verändert habe. Eine aktuelle bzw. individuelle Furcht vor Verfolgung habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können. Es bestehe eine taugliche innerstaatliche Fluchtalternative. Der Beschwerdeführer sei in der Lage, seinen Lebensunterhaltselbst zu finanzieren und leide an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Von allfälligen negativen Lebensumständen im Irak sei er nicht in höherem Maße betroffen, als andere Staatsbürger in einer vergleichbaren Lage.

9. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung am 29.08.2019 vollinhaltlich und fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

Entgegen der Auffassung der belangten Behörde sei keine wesentliche und nachhaltige Verbesserung der Sicherheitslage im Irak eingetreten, die eine Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten rechtfertige. Auch gebe der Bescheid keinen Aufschluss darüber, inwiefern sich die Sicherheitslage geändert habe. Das BFA habe es vernachlässigt, einen Querschnitt der Länderberichte in seine Entscheidung miteinfließen zu lassen und seine Begründungspflicht verletzt. Konkrete Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen auf Sachverhaltsebene sowie eine vergleichende Darstellung des Sachverhalts, der ursprünglich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur einmal erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung geführt habe, würden gänzlich fehlen. Der Beschwerdeführer habe außerdem ein schützenswertes Privatleben im Bundesgebiet und ihm wäre im Falle einer Aberkennung des subsidiären Schutzstatus jedenfalls ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu gewähren. Der Beschwerdeführer stellte daher die Anträge, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumen, den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und aussprechen, dass die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Unrecht erfolgte; in eventu den angefochtenen Bescheid im Umfang der Spruchpunkte III. bis VII. beheben und dahingehend abändern, dass die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt werde; feststellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen und dem Beschwerdeführer daher eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen zu erteilen ist; in eventu den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückverweisen.

10. BESCHWERDE UND BEZUG HABENDER AKT WURDEN DEM BUNDESVERWALTUNGSGERICHT AM 13.09.2019 VORGELEGT.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Moslem der schiitischen Glaubensrichtung. Der Beschwerdeführer ist in Basra geboren und aufgewachsen. Er besuchte dort die Grundschule, erlernte keinen Beruf und war als Hilfsarbeiter tätig.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Seine Eltern und Geschwister sind nach wie vor im Irak aufhältig.

Der Beschwerdeführer lebt seit dem Zeitpunkt seiner Asylantragstellung am 07.07.2015 in Österreich.

Mit Bescheid des BFA vom 02.05.2016, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.05.2017 erteilt.

Begründet hatte die belangte Behörde ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass aufgrund der allgemeinen unsicheren Lage im Irak eine Gefahr für das Leben des Beschwerdeführers abgeleitet werden könne.

Das BFA gab mit Bescheid vom 19.06.2017, Zl. XXXX einem Antrag des Beschwerdeführers auf Verlängerung des subsidiären Schutzes statt und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 02.05.2019.

Begründet wurde dies folgendermaßen: "Aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in Ihrem Herkunftsstaat in Verbindung mit Ihrem Vorbringen bzw. Ihrem Antrag konnte das Vorliegen der Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als glaubwürdig gewertet werden".

Das BFA hat im angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zu den maßgeblichen Änderungen des Sachverhaltes zwischen der erfolgten Verlängerung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der Situation zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung, mit dem der Status aberkannt wurde, getroffen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich seit der Verlängerung des subsidiären Schutzes mit Entscheidung des BFA vom 19.06.2017 bis zum Zeitpunkt des verfahrensgegenständlichen Bescheides an der subjektiven Lage des Beschwerdeführers etwas geändert hat, oder sich die Sicherheits- und Versorgungslage im Herkunftsstaat im Vergleich zum Zeitpunkt der Erlassung des Verlängerungsbescheides wesentlich und nachhaltig verbessert hat.

2. Beweiswürdigung:

Der erkennende Richter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt. Einsicht wurde auch genommen in den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zur GZ L507 2127258-1 und damit zum Beschwerdeverfahren im vorangegangenen Asylverfahren.

Die Feststellungen zu Identität, Herkunft, Staatsangehörigkeit, den persönlichen und familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers und zu seinem Aufenthalt im Bundesgebiet beruhen auf den unstrittigen Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 02.05.2016 subsidiärer Schutz gewährt und dieser Status mit Bescheid vom 19.06.2017 ein weiteres Mal bis zum 02.05.2019 verlängert wurde, ergibt sich aus den dem Akt inneliegenden Bescheiden, ebenso die jeweilige Begründung der belangten Behörde.

Dem BFA ist es aus den folgenden Erwägungen nicht gelungen, eine substanzielle und nachhaltige Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, der zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt hat, aufzuzeigen:

Im Bescheid vom 02.05.2016 war unter anderem festgestellt worden, dass sich der Konflikt im Irak hauptsächlich auf die Provinzen im Zentral- und Nordirak konzentriere; es habe in den mehrheitlich von Schiiten bewohnten südlichen Provinzen des Iraks (mit Ausnahme der Provinz Babil) keine direkten Konfrontationen mit dem IS gegeben, und die Gewalt habe sich hier auf sporadische terroristische Angriffe beschränkt.

Dem Bescheid vom 19.06.2017 sind keinerlei Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers zu entnehmen. Auch zu diesem Zeitpunkt ging das BFA davon aus, dass die Voraussetzungen für die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gegeben waren. Laut dem ergänzend eingeholten, damals aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom 08.04.2016 mit letzter Kurzinformation vom 16.02.2017 hatte sich der IS zu diesem Zeitpunkt nur noch im Zentrum der Stadt Mosul, der Hauptstadt der Provinz Ninava, verschanzt, um dort in einer Art letzter Bastion den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten Widerstand zu leisten. Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen sowie im Großraum Bagdad hingegen war nicht unmittelbar durch die Ereignisse in und um Mosul beeinträchtigt, auch wenn vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen waren. Dennoch wurde eine Niederlassung des Beschwerdeführers im Irak von der belangten Behörde nicht als zumutbar erachtet.

Im verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid unterließ es die belangte Behörde aufzuzeigen, warum es dem Beschwerdeführer nunmehr im Gegensatz zu Juni 2017 möglich und zumutbar sein sollte, sich an einem der erwähnten Orte niederzulassen. Es wurde lediglich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak vom 20.11.2018 samt integrierten Kurzinformationen auszugsweise zitiert, ohne jedoch konkret darzulegen, inwiefern sich die Situation seither verändert habe. So ist auch den im angefochtenen Bescheid zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen, dass es im Süden noch immer vereinzelte Terroranschläge gibt und es in der Provinz Basra in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneten Gruppierungen kam. Soweit das BFA auf die in Basra niedergelassene Familie des Beschwerdeführers hinweist, so war diese dort bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wohnhaft und in Besitz eines Hauses, sodass sich daraus keine Änderung des Sachverhaltes ergeben kann.

INSGESAMT IST ES DEM BFA DAMIT NICHT GELUNGEN, DEN WEGFALL DER

VORAUSSETZUNGEN FÜR DIE ZUERKENNUNG UND VERLÄNGERUNG DES STATUS DES

SUBSIDIÄR SCHUTZBERECHTIGTEN IM FALLE DES BESCHWERDEFÜHRERS

SCHLÜSSIG UND NACHVOLLZIEHBAR DARZULEGEN.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung der Entscheidung:

3.1 Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1 Die maßgeblichen Bestimmungen der §§ 8 und 9 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 53/2019, lauten:

"Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,

1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder

2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist,

wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.

[...]

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

[...]

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2. er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3. er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen."

3.1.2 Die im vorliegenden Fall maßgeblichen unionsrechtlichen Bestimmungen sind der Status-Richtlinie zu entnehmen (es folgt ein Auszug):

Bei der Anwendung des § 9 Abs. 1 Z. 1 AsylG 2005 ist auch auf die Statusrichtlinie Bedacht zu nehmen (Richtlinie 2011/95/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes), im Folgenden kurz "Statusrichtlinie":

"Artikel 16 - Erlöschen

(1) Ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist.

(2) Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

(3) Absatz 1 findet keine Anwendung auf eine Person, der subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist, die sich auf zwingende, auf früher erlittenem ernsthaftem Schaden beruhende Grunde berufen kann, um die Inanspruchnahme des Schutzes des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder wenn sie staatenlos ist, des Landes, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, abzulehnen.

Artikel 19 - Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus

(1) Bei Anträgen auf internationalen Schutz, die nach Inkrafttreten der Richtlinie 2004/83/EG gestellt wurden, erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Artikel 16 nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

(2) Die Mitgliedstaaten können einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den von einer Regierungs- oder Verwaltungsbehörde, einem Gericht oder einer gerichtsähnlichen Behörde zuerkannten subsidiären Schutzstatus aberkennen, diesen beenden oder seine Verlängerung ablehnen, wenn er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß Artikel 17 Absatz 3 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen.

(3) Die Mitgliedstaaten erkennen einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen den subsidiären Schutzstatus ab, beenden diesen oder lehnen eine Verlängerung ab, wenn

1. a) er nach der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß

Artikel 17 Absätze 1 und 2 von der Gewährung subsidiären Schutzes hätte ausgeschlossen werden müssen oder ausgeschlossen ist;

2. b) eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen seinerseits, einschließlich der Verwendung falscher oder gefälschter Dokumente, für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

(4) Unbeschadet der Pflicht des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, gemäß Artikel 4 Absatz 1 alle maßgeblichen Tatsachen offen zu legen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen, weist der Mitgliedstaat, der ihm den subsidiären Schutzstatus zuerkannt hat, in jedem Einzelfall nach, dass die betreffende Person gemäß den Absätzen 1 bis 3 dieses Artikels keinen oder nicht mehr Anspruch auf subsidiären Schutz."

3.1.3. Im ersten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 stellt das Gesetz darauf ab, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nie vorgelegen sind. Dieser Tatbestand korrespondiert mit Art. 19 Abs. 3 lit b) der Statusrichtlinie, nach dem eine Aberkennung oder Nichtverlängerung des Status dann erfolgt, wenn eine falsche Darstellung oder das Verschweigen von Tatsachen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend war.

Im zweiten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

3.2 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall

Die Frage, ob die Aberkennung des Schutzstatus auf den ersten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht vorliegen", oder auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005, dem zufolge die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten "nicht mehr vorliegen", gestützt wurde, ist anhand der konkretisierenden Ausführungen in der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde (S. 70ff des Bescheids) zu beantworten.

Auch wenn die belangte Behörde im ersten Absatz unter E) Rechtliche Beurteilung zu Spruchpunkt I. lediglich allgemein die Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 zitiert, ergibt sich aus dem Gesamtkontext zweifelsfrei, dass die belangte Behörde sich auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 stützt. So führt die belangte Behörde beispielsweise aus, dass dem Beschwerdeführer "inzwischen" die Möglichkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative offenstehe, es "mittlerweile" im Irak auch mehr Gebiete gebe, in die eine im Wesentlichen sichere Rückkehr möglich sei, und dass sich die Lage im Irak "mittlerweile im positiven Sinne verändert" habe.

Nach dem mit (oben zitierten) "Aberkennung, Beendigung oder Ablehnung der Verlängerung des subsidiären Schutzstatus" betitelten Art. 19 Abs. 1 der Statusrichtlinie erkennen die Mitgliedstaaten den zuerkannten subsidiären Schutz ab, bzw. beenden diesen oder lehnen seine Verlängerung ab, wenn die betreffende Person gemäß Art. 16 Statusrichtlinie nicht länger Anspruch auf subsidiären Schutz erheben kann.

Dabei handelt es sich um den "Wegfall der Umstände"-KIauseI nach Art. l Abschnitt C Z 5 GFK, die besagt, dass wenn die Umstände, auf Grund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und er es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz seines Heimatlandes zu stellen.

Ausgangspunkt ist die Genfer Flüchtlingskonvention und die Statusrichtlinie betreffend Asyl Art. 11 Abs. 1 lit. e und betreffend subsidiären Schutz Art. 16 Abs. 1. Es geht um den Wegfall der Umstände, wobei nach § 9 Abs. 1 Z 1 die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen. Dabei ist auf das Grundsatzerkenntnis des VwGH vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006, zu verweisen, wonach nicht nur Gefahr durch Akteure, sondern auch jede reale Gefahrensituation im Herkunftsstaat für die Prüfung relevant ist. Beim subsidiären Schutz wird zudem noch darauf verwiesen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention nur Asyl und nicht subsidiären Schutz regelt. Der EuGH orientiert sich im Zusammenhang mit subsidiären Schutz an der Statusrichtlinie und diese wiederum an der Genfer Flüchtlingskonvention (siehe auch Urteil EuGH 23.05.2019, C-720/17, Bilali). Nach Ansicht des EuGH würde das "nicht mehr vorliegen" folgende vier Voraussetzungen im Sinne der EuGH Urteile Ahmed und Bilali voraussetzen: So müssten sich die Umstände verändert haben, die Veränderung der müsste wesentlich und nicht nur vorübergehend sein, ein Schutz müsste nicht mehr erforderlich sein und dürfte es keine anderen Gründe für die Gewährung subsidiären Schutzes geben. Dass diese Voraussetzungen kumulativ vorliegen, hat die Behörde um gegenständlichen Bescheid nicht aufgezeigt.

Der Verwaltungsgerichtshof zieht außerdem zur Auslegung des § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 das Erforderlichkeitskalkül des Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Statusrichtlinie zur Beurteilung des Kriteriums des "weiteren Vorliegens der Voraussetzungen" heran (VwGH 31.03.2010, 2007/01/1216) heran, wobei das richtlinienkonform interpretierte Erforderlichkeitskalkül des § 8 Abs. 4 AsylG 2005 angesichts der gesonderten Erteilung von Status des subsidiär Schutzberechtigten und Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter nach der Systematik des österreichischen Rechts dem Erforderlichkeitskalkül des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall entsprechen muss, soll es nicht zu einem Auseinanderfallen von Status des subsidiär Schutzberechtigten und Aufenthaltsberechtigung kommen. Gleiches will auch die Bestimmung des § 9 Abs. 4 AsylG 2005 vermeiden, wenn sie vorsieht, die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Demnach ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der zitierten Normen, dass diese Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 auch auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 zu übertragen ist.

Damit stellt § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 in richtlinienkonformer Interpretation auf eine Änderung der Umstände ab, die so wesentlich und nicht nur vorrübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 07.06.2019, Ra 2019/14/0114 einen Vergleich zwischen der damaligen Situation und der jetzigen Situation hergenommen. Jene Umstände, die für die Zuerkennung maßgeblich waren, müssen nach dieser Entscheidung klar ausgeführt werden. Es muss also festgestellt werden, weshalb damals subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Wurde die Aufenthaltsbewilligung verlängert, ist primär auf den Zeitpunkt der Verlängerung abzustellen und nur jene Änderungen zwischen der gewährten Verlängerung des subsidiären Schutzes und der Aberkennung zu berücksichtigen (siehe auch Erkenntnis VwGH vom 27.05.2019, Ra 2019/14/0153). Erst in einem zweiten Schritt sind dann die Änderungen seit der erstmalig erfolgten Zuerkennung heranzuziehen.

Art. 16 Abs. 2 Statusrichtlinie spricht davon, dass keine Gefahr für einen ernsthaften Schaden zu erleiden bestehen darf. Es kommt daher nicht nur auf vorübergehende Umstände an, sondern es müssen sich wesentliche und nicht bloß vorübergehende Umstände geändert haben. Eine wesentliche Änderung des Umstandes im Herkunftsstaat wäre, wenn Faktoren, die zur Flucht geführt haben, weggefallen sind, oder wenn sich der Kenntnisstand der Behörde konkret geändert hat, oder wenn es zu einer Konsolidierung der Änderung auch gekommen ist. Hierbei spielen die UNHCR-Richtlinien bzw. EASO-Richtlinien eine wichtige Rolle. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Beendigung des subsidiären Schutzes soll nicht dazu führen, dass der Beschwerdeführer zu einer neuen Flucht veranlasst wird. Andererseits besteht ein Beurteilungsspielraum. Nicht jede Änderung ist also relevant, aber es gibt auch keine Garantie, dass nicht weitere Änderungen zu einer Gesamtänderung führen. In dem Zusammenhang sind zwei Elemente zu prüfen, nämlich einerseits, ob im Entscheidungszeitpunkt eine solche wesentliche, nicht bloß vorübergehende Änderung der Umstände vorliegt und zweitens, ob eine Prognose, ob diese Änderung sich konsolidiert hat oder nicht. Diese Prognose setzt einen Beurteilungszeitraum ex ante voraus. Es kommt also nicht bloß auf die Änderung an sich an.

Maßstab für die Frage einer wesentlichen und nicht nur vorrübergehenden Änderung der Umstände ist im gegenständlichen Fall der Bescheid vom 19.06.2017, mit dem der Status eines subsidiär Schutzberechtigten verlängert worden ist. Die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 begründete die belangte Behörde in ihrem Verlängerungsbescheid damit, dass das Vorliegen der Voraussetzungen, aufgrund der Ermittlungen zur allgemeinen Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen bzw. seinem Antrag, als glaubwürdig gewertet werden habe können.

Der nunmehr bekämpfte Bescheid vom 05.08.2019 führt unter E) Rechtliche Beurteilung zu Spruchpunkt I. lediglich aus, dass die Gründe für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Den Länderfeststellungen sei in Bezug auf die allgemeine Lage in seinem Herkunftsstaat eine Situation zu entnehmen, die eine Rückkehr derzeit für zumutbar erscheinen lasse.

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe der Behörde, näher darzulegen, worin sie im konkreten Fall Umstände erblickt, sodass davon auszugehen ist, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen. Ausgangspunkt dieser Betrachtungen haben daher jene Umstände zu sein, die wie im gegenständlichen Fall zutreffend, zum Zeitpunkt der Verlängerung der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten vorgelegen haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Im verfahrensgegenständlichen Fall hat es die belangte Behörde verabsäumt, einen Vergleich zwischen der aktuellen Lage und der Lage, welche zum Zeitpunkt der letzten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung bestanden hat, vorzunehmen. Dies insbesondere, da sie es unterlassen hat die erforderlichen Elemente, nämlich die Änderung der Umstände und den Schutz des Herkunftsstaates zu prüfen und dahingehen Feststellungen zu treffen. Bei der Änderung der Umstände kann es sich um Änderungen im Herkunftsstaat oder beim Flüchtling handeln, und muss es sich gemäß Art. 11 Abs. 2 Status RL um eine dauerhafte und nicht nur vorübergehende Änderung handeln (EuGH Rs Abdulla: "dauerhaft beseitigt"). Dabei bedarf es einer Prognoseentscheidung und spricht der VwGH von einer Konsolidierung der Verhältnisse über einen längeren Beobachtungszeitraum (Ra 2006/19/0372). Dabei geht der UNHCR von einem Zeitraum zwischen 12 und 18 Monaten ab der letzten Zuerkennung aus. Dass die gegenständlichen Voraussetzungen beim Beschwerdeführer vorliegen hat die belangte Behörde jedoch nicht darlegen können bzw. ist eine entsprechende Beurteilung gänzlich unterblieben.

Bezüglich der Aberkennung des subsidiären Schutzes wegen Änderung der Umstände ist insbesondere auf die Änderung der Umstände als Ergebnis verschiedener Ereignisse, den Besonderheiten bei Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung und die IFA zu berücksichtigen, wobei die Beweislast bei der Behörde liegt aber den Flüchtling eine Mitwirkungspflicht trifft (EuGH 23.5.2019, Bilali, C-720/17; VwGH Ra 2019/14/0153; Ra 2019/18/0353). Auch diesen Anforderungen konnte die belangte Behörde nicht gerecht werden.

Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers lässt sich zudem dem festgestellten Sachverhalt entnehmen, dass die Familie des Beschwerdeführers, bestehend aus seinen Eltern und vier Geschwistern, nach wie vor im Irak in seinem Elternhaus lebt, diesen Umstand hat der Beschwerdeführer jedoch bereits erstmals vor der belangten Behörde am 02.05.2016 angegeben, weshalb dieser Umstand von der Rechtskraftwirkung des Bescheides vom 02.05.2016, sowie des die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gewährenden Bescheides erfasst ist.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof jüngst im Zusammenhang mit der Refoulement-Beurteilung nach § 52 Abs. 9 FPG ausgesprochen hat, dass eine maßgebliche Sachverhaltsänderung nicht schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbaren Fällen erblickt werden kann. (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Der Verwaltungsgerichthof führte in oa Entscheidung weiters aus:

"(...) Schließlich ist es richtig, dass sich eine (relevante) Lageänderung im Herkunftsstaat eines Fremden regelmäßig in neuen Länderberichten dokumentiert. Neue Länderberichte stellen aber nur neue Beweismittel dar. Sie vermögen gegebenenfalls neue Entwicklungen zu belegen und können, wenn das nicht der Fall ist und sie sich auf schon vor Abschluss des Erstverfahrens entstandene ("alte") Tatsachen beziehen, allenfalls eine Wiederaufnahme rechtfertigen (VwGH 19.4.2007, 2004/09/0159). Sie bewirken für sich betrachtet aber keine Sachverhaltsänderung. Das mag in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - weil sachverhaltsbezogen nicht von Relevanz - verschiedentlich nur undeutlich zum Ausdruck gebracht worden sein. Argumente dafür, neue Länderberichte konstituierten schon als solche eine neue Sachlage, vermag das BFA jedoch nicht vorzubringen, weshalb seinen Ausführungen über die von ihm in den Bescheiden vom 30. Mai 2018 bzw. vom 8. Juni 2018 herangezogenen neueren Berichte - ohne aufzuzeigen, daraus hätte sich gegenüber dem Zeitpunkt der Vorentscheidungen in den Aberkennungsverfahren eine Änderung der maßgeblichen Umstände im Herkunftsstaat der Mitbeteiligten ableiten lassen - von vornherein keine Bedeutung zukommt." (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Die belangte Behörde hat insbesondere durch das Unterlassen von Ausführungen zur Begründung einer iSd § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 maßgeblichen Änderung der Umstände in ihrem Bescheid das Vorliegen der Aberkennungsvoraussetzungen des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 nicht dargetan.

Der Vollständigkeit halber wird hinsichtlich der Aberkennung des subsidiären Schutzes darauf hingewiesen, dass grundsätzlich die im § 9 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 enthaltene Prüfreihenfolge zu beachten ist und dass das Bundesverwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren im Falle den Aberkennungsgrund austauschen kann bzw. muss und es dazugehörige Aussprüche zu treffen hat (VwGH Ro 2019/18/0005).

Zu den Tatbeständen zur Aberkennung zu subsidiären Schutz wegen Straffälligkeit ist auszuführen, dass § 9 Abs. 2 Z 2 auf die Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich abstellt und Z 3 leg. cit. auf eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens.

Das entspricht der Statusrichtlinie (schwere Straftat oder Gefahr für die Sicherheit). Der EuGH hat im Urteil vom 13.09.2018, Ahmed, die Gründe für den Ausschluss definiert. Er hat die Asylausschlussgründe letztendlich übertragen und eine volle Prüfung verlangt. Das heißt, es genügt nicht, dass bloß eine schwere Straftat im Sinne der Statusrichtlinie vorliegt und schematisch aberkannt werden kann. Bei der Aberkennung subsidiären Schutzes ist jedenfalls die Begehung der schweren Straftat (keine Verurteilung und keine Gefährdungsprognose) erforderlich. Letztlich sind es zwei Tatbestände, die vorliegen müssen, nämlich (1) die Gefahr für die Sicherheit und für die Allgemeinheit und (2) die Verbrechungsbegehung und ist die Aberkennung wegen des Verbrechens immer im Zusammenhang mit einer Einzelfallprüfung vorzunehmen (EuGH 13.9.2018, Ahmed, C-369/17; VwGH Ra 2018/18/0295). Im gegenständlichen Fall waren die strafrechtlich relevanten Verurteilungen einerseits bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides der belangten Behörde, mit dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt worden ist, aktenkundig, andererseits hat es sich dabei um bedingte bzw. teilbedinge Strafen gehandelt, denen zweifellos das Erfordernis eines Verbrechens fehlt und aus denen unter Berücksichtigung der Strafbemessungsgründe keine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich ableitbar ist, zudem dauert der Zeitraum des Wohlverhaltenes des Beschwerdeführers bereits über 2 Jahre an, sodass insgesamt seitens des erkennenden Richters auch ein möglicher Austausch des Aberkennungstatbestandes im gegenständlichen Fall nicht indiziert ist.

Daher war der angefochtene Bescheid über die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt II.) ersatzlos zu beheben.

Dem Beschwerdeführer kommt somit weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zu. Aus diesem Grund waren auch der in Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides erfolgte Ausspruch über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, sowie die mit Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides erlassene Rückkehrentscheidung, und auch die weiteren damit verbundenen Aussprüche (Spruchpunkte V. und VI.) ersatzlos zu beheben.

4. Zum Unterbleiben der mündlichen Verhandlung:

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG unterbleiben, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Ad Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen vor. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die Frage, ob eine maßgebliche Sachverhaltsänderung schon per se in der neueren Judikatur zu vergleichbaren Fällen erblickt werden kann, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits verneint (VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten,
Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1, Aberkennungsverfahren,
Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz,
Aufenthaltstitel, befristete Aufenthaltsberechtigung, Behebung der
Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe, ersatzlose Behebung,
freiwillige Ausreise, Frist, Interessenabwägung, Kassation,
öffentliche Interessen, Privat- und Familienleben, private
Interessen, real risk, reale Gefahr, Rückkehrentscheidung,
Statusrichtlinie, subsidiärer Schutz, Verlängerungsantrag, Wegfall
der Gründe, wesentliche Änderung, wesentliche Sachverhaltsänderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I416.2127258.2.00

Zuletzt aktualisiert am

05.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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