Entscheidungsdatum
12.11.2019Norm
BFA-VG §21 Abs7Spruch
I406 2128132-2/2E
Im Namen der Republik!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorfergasse 7-11/15, 1050 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.10.2019, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 125 Abs. 25 FPG und § 69 Abs. 2 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.03.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.06.2007, Zl. XXXX, negativ entschieden wurde.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 14.12.2009, Zl. A12 312.624-1/2008/18E, abgewiesen.
2. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 28.09.2007, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 und Abs. 2 Z 2 (1. Fall) SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten, davon 6 Monate bedingt (Probezeit 3 Jahre) verurteilt.
3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 18.01.2008, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 SMG rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt. Zugleich wurde die anlässlich der Erstverurteilung noch bedingt ausgesprochene Freiheitsstrafe widerrufen.
4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 09.12.2009, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 (8. Fall) und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (§ 15 StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt. Zugleich wurde die bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe der Vorverurteilungen widerrufen.
5. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.02.2010, Zl. XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 und 2 iVm Abs. 2 Z 1 FPG 2005 und § 63 Abs. 1 FPG 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Dieses Aufenthaltsverbot erwuchs am 04.10.2010, nach bestätigender Entscheidung der Sicherheitsdirektion Wien, Zl. XXXX in Rechtskraft.
6. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 08.02.2012, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 (8. Fall) und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (§ 15 StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.
7. Am 09.02.2012 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 08.03.2012, Zl. XXXX, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.04.2014, Zl. W125 1312624-2/4E, wurde eine dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes I. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen und das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
8. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 06.11.2014, Zl. XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 (1. und 8. Fall) und Abs. 3 Suchtmittelgesetz (§ 15 StGB) rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt.
9. Am 03.06.2016 wurde der Beschwerdeführer von der Polizei festgenommen, nachdem er mit einem nigerianischen Reisepass, Reisepassnummer XXXX, lautend auf XXXX, geb. XXXX in Lagos, Staatsangehörigkeit Nigeria, von Italien kommend mit dem Zug nach Österreich eingereist war. Bei der Einreise war seine Ehefrau, eine österreichische Staatsangehörige, welche er am XXXX2016 in Italien geheiratet hatte, anwesend.
10. Am 04.06.2016 wurden der Beschwerdeführer und seine Ehefrau von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Dabei gaben sie an, seit dem XXXX2016 verheiratet zu sein und ein gemeinsames Kind zu erwarten.
11. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10.06.2016, Zl. XXXX, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Dem Beschwerdeführer wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde ist beim Bundesverwaltungsgericht zur Zl. I406 2128132-1 anhängig.
12. Am XXXX2016 wurde die Tochter des Beschwerdeführers geboren und am XXXX2019 kamen Zwillinge des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau zur Welt.
13. Der Beschwerdeführer stellte am 22.12.2016 einen Antrag auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.02.2010, Zl. XXXX, gemäß § 62 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 FPG 2005 und § 63 Abs. 1 FPG 2005 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes.
14. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.09.2019 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass eine Abweisung seines Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes beabsichtigt sei. Ihm wurde ein Fragenkatalog zu seinen persönlichen Verhältnissen übermittelt und die Möglichkeit der Erstattung einer schriftlichen Stellungnahme binnen 14 Tagen eingeräumt.
15. Mit Schreiben vom 25.09.2019 übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter eine schriftliche Stellungnahme und machte darin im Wesentlichen geltend, dass die Gründe, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt haben, in der Zwischenzeit weggefallen seien. Seine strafgerichtlichen Verurteilungen würden bereits Jahre zurückliegen und er habe sich in der Zwischenzeit wohlverhalten. Zudem sei er nunmehr mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebe mit dieser und den drei gemeinsamen Kindern in einem Haushalt. Daher sei eine Aufhebung des Aufenthaltsverbotes im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten.
16. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenem Bescheid vom 02.10.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 22.12.2016 auf Aufhebung des mit Bescheid der LPD Wien, Fremdenpolizeiliches Büro vom 15.02.2010 zu Zl. XXXX gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 FPG als unzulässig zurück (Spruchpunkt I.) Zugleich wurde dem Beschwerdeführer eine Bundesverwaltungsabgabe in der Höhe von 6,50 EUR vorgeschrieben (Spruchpunkt II.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, das gegen den Beschwerdeführer im Jahr 2010 erlassene Aufenthaltsverbot gelte nach neuer Rechtslage als Rückkehrentscheidung, verbunden mit einem Einreiseverbot. Die Gültigkeit des Einreiseverbotes beginne mit dem Tag der Ausreise zu laufen. Der Beschwerdeführer sei bis dato seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Ein Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbotes, welches auf Grundlage des § 53 Abs. 3 FPG erlassen wurde, sei im FPG nicht vorgesehen und die Bestimmungen zur Gegenstandslosigkeit gemäß § 60 Abs. 2 FPG würden im gegenständlichen Fall keine Anwendbarkeit finden.
17. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 02.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
18. Gegen den Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde sei unzutreffend. Einerseits dürfe nach den aktuellen Bestimmungen des FPG im Falle des Beschwerdeführers ein Aufenthaltsverbot nicht unbefristet erlassen werden, sodass in jedem Fall eine nachträgliche Befristung des Aufenthaltsverbotes zu erfolgen habe. Andererseits komme die Bestimmung der §§ 53, 60 FPG im vorliegenden Fall gar nicht zur Anwendung, vielmehr wäre korrekterweise § 69 FPG anzuwenden gewesen, wonach ein Aufenthaltsverbot von Amts wegen aufzuheben sei, wenn die Gründe die zu seiner Erlassung geführt haben weggefallen seien. Da die strafgerichtlichen Verurteilungen bereits Jahre zurücklägen und sich der Beschwerdeführer seither wohl verhalten habe und nunmehr mit seiner österreichischen Ehegattin und den drei minderjährigen Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe, seien die Voraussetzungen für die Aufhebung des Aufenthaltsverbotes in jedem Fall gegeben.
19. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.10.2019 vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich bedenkenlos aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
2. Rechtliche Beurteilung:
2.1. Prüfungsumfang:
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
2.2. Entfall der mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu A)
2.3 Rechtslage:
§ 125 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet (soweit im hier gegebenen Zusammenhang relevant):
"(16) Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 38/2011 erlassene Aufenthaltsverbote gemäß § 60 oder Rückkehrverbote gemäß § 62 bleiben bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig.
[...]
(25) Ausweisungen gemäß § 62 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 bleiben bis zur Ausreise des Drittstaatsangehörigen aus dem Bundesgebiet aufrecht. Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Rückkehrverbote bleiben bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 60 Abs. 4 und 5 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben oder für gegenstandslos erklärt werden. Vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Aufenthaltsverbote bleiben bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 69 Abs. 2 und 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 aufgehoben werden oder außer Kraft treten. [...]"
§ 125 Abs. 25 FPG wurde mit dem BGBl. I Nr. 2013/68 eingefügt. Die EBRV führen zu dieser Bestimmung aus: "Der vorgeschlagene Abs. 25 beinhaltet Regelungen, dass bereits vor Ablauf des 31. Dezember 2013 erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahmen auch nach diesem Zeitpunkt ihre Gültigkeit behalten. So bleiben Ausweisungen gemäß § 62 nach alter Rechtslage bis zur Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht. Rückkehrverbote, Aufenthaltsverbote oder Einreiseverbote bleiben bis zum von der Behörde festgesetzten Zeitpunkt gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 aufgehoben, verkürzt oder für gegenstandslos erklärt werden." (EBRV 2144 BlgNR XXIV. GP, 25).
§ 69 Abs. 2 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:
"(2) Ein Aufenthaltsverbot ist auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind."
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 10.04.2014, 2011/22/0333, in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen hat, bleiben nach der Übergangsbestimmung des § 125 Abs. 16 FPG vor Inkrafttreten dieser Bestimmung (das war der 01.07.2011) erlassene Aufenthaltsverbote oder Rückkehrverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig. Es bestünden, so der Verwaltungsgerichtshof, keine Zweifel daran, dass von dieser Bestimmung sämtliche - auch unbefristete - Aufenthalts- bzw. Rückkehrverbote nach § 60 bzw. § 62 FPG in der Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2011 erfasst sind (Hinweis auf VwGH 11.06.2013, 2012/21/0142). Alte Aufenthaltsverbote nach § 125 Abs. 16 FPG gelten als solche weiter; von einer Überleitung in das neue Recht sei dabei nicht die Rede (Hinweis auf VwGH 28.08.2012, 2012/21/0159, wonach solche Aufenthaltsverbote - auch wenn der Fremde bei seiner Erlassung keinen Aufenthaltstitel innehatte - nicht in Rückkehrentscheidungen samt Einreiseverbot nach der neuen Rechtslage umgedeutet werden können). Somit sei auf solche alten Aufenthaltsverbote § 69 Abs. 2 FPG anzuwenden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in genanntem Erkenntnis daran anknüpfend weiter ausführte, ist gemäß § 69 Abs. 2 FPG ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu dessen Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Antrag nach § 69 Abs. 2 FPG auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung der Maßnahme die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung der Maßnahme eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Entscheidung über die Aufhebung einer solchen Maßnahme kann die Rechtmäßigkeit jenes Bescheides, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden. Eine Änderung der Rechtslage kann allerdings den Wegfall eines Grundes für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes darstellen und ist demnach bei der Prüfung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung dieser Maßnahme zu berücksichtigen (Hinweis auf VwGH 07.11.2012, 2012/18/0052, mwN und VwGH 16.05.2013, 2011/21/0272).
Da allerdings eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß § 69 Abs. 2 FPG nicht in Betracht komme, sei dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot gegen den Mitbeteiligten erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot (von Amts wegen oder auch auf Antrag) aufzuheben ist, sofern nicht zuvor das Vorliegen einer Gefährdung wegfällt oder aus sonstigen Gründen die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zulässig ist (Hinweis auf VwGH 24.01.2012, 2011/18/0267).
Diese Vorjudikatur bestätigte der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24.05.2016, Ra 2016/21/0143:
Dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen werden dürfte, sei zwingend (also ohne dass im vorliegenden Fall auf nach der Verhängung der Maßnahme eingetretene und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechende Gründe Bedacht genommen werden dürfe) in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren das Aufenthaltsverbot (hier: über Antrag des Revisionswerbers) aufzuheben sei (Hinweis auf VwGH 24.01.2012, 2011/18/0267, und VwGH 10.04.2014, 2011/22/0333).
2.3 Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall
Gegen den Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.02.2010, Zl. XXXX, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Dieses ist - wie oben dargelegt - weiterhin gültig und kann entgegen der Auffassung der belangten Behörde nicht in eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot umgedeutet werden (vgl. VwGH, 10.4.2014, 2011/22/0333).
Es stellt sich zunächst die Frage, ob die Aufrechterhaltung des unbefristeten Aufenthaltsverbotes aufgrund der nunmehr geänderten Rechtslage zulässig ist, weil die Verurteilungen des Beschwerdeführers nicht unter die in § 53 Abs. 3 Z 5 bis 8 FPG angeführten schwerwiegenden Tatbestände subsumiert werden könnten. Der Beschwerdeführer wurde wegen Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz zu Freiheitsstrafen von unter drei Jahren verurteilt, sodass aufgrund der durch das FrÄG 2011 geänderten Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nur ein Einreiseverbot in der Dauer von höchstens zehn Jahren hätte erlassen werden dürfen. Da eine Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes gemäß 60 Abs. 2 FPG nicht in Betracht kommt, ist dem Umstand, dass auf Grund der geänderten Rechtslage kein unbefristetes Einreiseverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen werden dürfte, in der Form nachzukommen, dass nach Ablauf von zehn Jahren, somit dem 15.10.2020, das Aufenthaltsverbot (von Amts wegen oder auch auf Antrag) aufzuheben ist, sofern nicht zuvor das Vorliegen einer Gefährdung wegfällt oder aus sonstigen Gründen die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes nicht mehr zulässig ist (vgl. VwGH, 10.4.2014, 2011/22/0333).
Des Weiteren ist im vorliegenden Fall gemäß § 125 Abs. 25 FPG der § 69 Abs. 2 FPG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012 anzuwenden (vgl. wiederum VwGH 10.04.2014, 2011/22/0333).
Demnach ist das Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.
Voraussetzung für die Aufhebung eines Aufenthaltsverbotes ist grundsätzlich der Wegfall oder eine wesentliche Minderung der vom Fremden ausgehenden Gefährlichkeit. Weiters ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, wenn durch das Aufenthaltsverbot - wie hier - in das Privat- oder Familienleben des Betroffenen eingegriffen wird.
Wie ausführlich dargelegt liegen somit die Voraussetzungen für das von der belangten Behörde gewählte Vorgehen, nämlich die Zurückweisung des Antrages des gegen den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbotes gemäß § 60 Abs. 2 FPG, nicht vor.
Dennoch hat das BFA im vorliegenden Fall den Antrag des Beschwerdeführers vom 22.12.2016 als unzulässig zurückgewiesen und dem Beschwerdeführer wurde zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes darf eine Berufungsbehörde keine Sachentscheidung treffen, wenn die Verwaltungsbehörde erster Instanz aus Formalgründen einen Antrag zurückgewiesen hat, weil damit in der Sachfrage der Partei eine Instanz genommen wäre (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, zu § 66 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, E 162 ff). (VwGH 29.03.2005, 2001/10/0121; VwGH 28.06.1994, 92/05/0063).
Sache des Beschwerdeverfahrens ist daher lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine erstmalige inhaltliche Entscheidung über den zugrundeliegenden Antrag hätte demgegenüber den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschritten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
Es war daher der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entscheidung ersatzlos zu beheben.
2.4 Für das fortgesetzte Verfahren vor der Behörde wird Folgendes zu beachten sein:
Gemäß § 28 Abs. 5 VwGVG sind die Behörden für den Fall, dass das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid aufhebt, verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Liegt im Falle einer ersatzlosen Behebung dem verwaltungsbehördlichen Bescheid ein Parteiantrag zugrunde, ist der Parteiantrag von der Unterinstanz meritorisch zu erledigen (vgl VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0314).
Auf Grund der Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes wurde dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert.
Durch die im vorliegenden Fall gebotene Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist der Antrag des Beschwerdeführers vom 22.12.2016 wieder unerledigt.
Folglich ist über den Antrag des Beschwerdeführers von der belangten Behörde meritorisch abzusprechen und sein Vorbringen einer inhaltlichen Prüfung zu unterziehen (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 66, Rz 109).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Aufhebung, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:I406.2128132.2.00Zuletzt aktualisiert am
11.05.2020