TE OGH 2020/2/26 3Ob235/19h

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr, Dr. Kodek und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. I*****, 2. In*****, beide vertreten durch Imre & Schaffer Rechtsanwälte OG in Gleisdorf, gegen den Beklagten A*****, vertreten durch Mag. Helmut Hirsch, Rechtsanwalt in Raaba-Grambach, wegen Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 12. September 2019, GZ 3 R 138/19i-27, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Weiz vom 30. Jänner 2019, GZ 32 C 487/16h-22, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.003,39 EUR (darin 166,81 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.475,42 EUR (darin 114,82 EUR USt und 786,50 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Grundstücksnachbarn. Den Klägern gehört je zur Hälfte ein Grundstück (434/4), auf dem mit Vertrag vom 14. April 1989 zugunsten der jeweiligen Eigentümer des Grundstücks 434/6 eine Dienstbarkeit des Geh- und Fahrrechts auf einer Trasse eingeräumt und verbüchert wurde, die auf einem dem Vertrag angeschlossenen Plan gelb dargestellt ist. Das nun im Eigentum des Beklagten stehende Grundstück 434/6 stand zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Eigentum ihrer Rechtsvorgängerin. Die Zufahrt zum Haus des Beklagten aus Norden erfolgt über einen öffentlichen Weg und anschließend über die im Plan gelb eingezeichnete Fläche. Am angrenzenden Grundstück 434/6 des Beklagten befindet sich ein Haus, an dessen südwestlichen Gebäudefront die Haustür liegt, die abgesehen von einem Kellerzugang unverändert die einzige Zugangsmöglichkeit zum Haus bildet. Zu dieser und zum davor befindlichen, mit Waschbetonplatten ausgekleideten Vorplatz gelangt man allerdings nicht über die gelb eingezeichnete Dienstbarkeitsfläche, sondern nur unter Mitnutzung einer weiteren, südwestlich anschließenden Fläche, die ebenfalls am Grundstück der Kläger 434/4 liegt und im Plan mit brauner Farbe eingezeichnet wurde. Beide Flächen bilden in der Natur einen Teil einer einheitlichen, asphaltierten Zufahrtsstraße, auf der keine Abgrenzung zwischen den beiden farblich im Plan eingezeichneten Teilflächen erkennbar ist.

Den Streitpunkt des Verfahrens bildet die Frage, ob dem Beklagten entsprechend seinem Standpunkt ein Recht zum Befahren und Begehen der im Plan braun eingezeichneten Fläche (in Hinkunft: strittige Fläche) zukommt.

Das Haus des Beklagten errichtete der Großvater des Erstklägers und des Beklagten zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt und bewohnte es ab 1972 gemeinsam mit der Großmutter der Streitteile, bis er 1986 verstarb; seine Frau lebte dort noch bis 1997. Beide Großeltern hatten selbst kein Auto, ihre Besucher und Lieferanten fuhren jedoch nicht nur unter Nutzung der im genannten Plan gelb eingezeichneten Servitutsfläche zum Haus zu, sondern nutzten auch die strittige Fläche; in deren Bereich stellten Besucher oder Lieferanten entweder ihr Fahrzeug ab oder fuhren bis zur Haustür vor. Nach dem Tod des Großvaters des Erstklägers und umfangreichen Grundstücksübertragungen bestand der Bedarf, die Zufahrtsmöglichkeit zu einzelnen Grundstücken vertraglich zu regeln, weshalb zunächst der schon erwähnte Plan erstellt wurde, der sämtliche im Einvernehmen mit allen Beteiligten (darunter die Rechtsvorgänger der Streitteile) getroffenen Regelungen planlich darstellte. Schließlich kam es zum Abschluss des bereits erwähnten, schriftlichen Dienstbarkeitsvertrags vom 14. April 1989. Dabei war den Unterzeichnenden klar, dass das nunmehr dem Beklagten gehörige Grundstück 434/6 aus den bisherigen Eigentumsverhältnissen herausgelöst und abgetrennt wird und dafür eine geregelte Zufahrt geschaffen werden muss. Die Regelung trug dem Umstand Rechnung, dass damals die Absicht bestand, die Haustüre des Hauses auf Grundstück 434/6 von der südwestlichen auf die nordöstliche Gebäudeseite zu verlegen, womit der Zugang zum Haus nur unter Nutzung des gelb im Plan eingezeichneten Bereichs und ohne die strittige Fläche problemlos möglich gewesen wäre. Zu dieser Verlegung der Haustüre kam es aber nie. Im Dienstbarkeitsvertrag wurde der Eigentümerin und ihren Rechtsnachfolgern im Eigentum des Grundstücks 434/6 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens mit näher bezeichneten Fahrzeugen auf der im Plan gelb eingezeichneten Fläche eingeräumt. Dabei war den damaligen Vertragsparteien klar, dass der Rechtsvorgängerin des Beklagten an der strittigen Fläche kein Dienstbarkeitsrecht zukommt. An der strittigen Fläche wurden dem jeweiligen Eigentümer des Grundstücks und dessen Rechtsnachfolger im Eigentum des Grundstücks 434/6 auch im weiteren Verlauf der Zeit keinerlei Rechte ausdrücklich eingeräumt.

Ab 1986 wohnte eine Cousine des Erstklägers und Schwester des Beklagten für rund vier Jahre im Haus der Großeltern, befuhr auch die strittige Fläche und stellte ihr Fahrzeug fallweise dort ab. Der Beklagte übernahm das Haus im Jahr 2003 von einem Vormieter und parkte (wie auch der Vormieter) ein Fahrzeug im Bereich des nördlich des Hauses befindlichen Carports, das unter ausschließlicher Nutzung der im Dienstbarkeitsvertrag eingeräumten, gelb eingezeichneten Fläche benutzt werden kann. Er fuhr aber (ebenso wie der Vormieter) auch zur Haustür mit dem Auto über die strittige Fläche.

Die Kläger nahmen zwar das fallweise Zufahren von Lieferanten und Besuchern bei den Großeltern und nach deren Tod bei den jeweiligen Bewohnern des Hauses auf Grundstück 434/6 wahr, untersagten jedoch die Nutzung der strittigen Fläche nicht. Erst seit im Jahr 2016 zwischen den Streitteilen eine Unstimmigkeit über eine Grenzmauer entstand, besteht der Erstkläger darauf, dass der Dienstbarkeitsvertrag eingehalten wird und der Beklagte nur die ihm darin zuerkannten Rechte ausübt und somit nicht auch noch die strittige Fläche nutzt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Kläger eine Dienstbarkeit des Beklagten an der strittigen Fläche nur bestreiten, um ihn zu schädigen.

Die Kläger begehrten, den Beklagten zur Unterlassung jeglicher Nutzung des Grundstücks 434/4 über die im Plan zum Dienstbarkeitsvertrag gelb eingezeichnete Fläche hinaus zu verpflichten. Er maße sich eine Servitut an, die ihm nicht eingeräumt worden sei und die er auch nicht ersessen habe.

Der Beklagte wendete zusammengefasst ein, die Nutzung (auch) der strittigen Fläche zur Zufahrt zum Hauseingang sei bereits lange vor dem schriftlichen Dienstbarkeitsvertrag von seinen Rechtsvorgängern unwidersprochen so gehandhabt worden; das Zufahrtsrecht sei längst ersessen und offenkundig; darauf sei nie verzichtet worden, vielmehr habe der vertragserrichtende Notar offensichtlich nur „vergessen“, auch diese Dienstbarkeit in den Vertrag aufzunehmen; es sei zugunsten des Grundstücks 434/6 auch die strittige Fläche gemeint gewesen. Es sei zumindest konkludent ein Recht des Gehens und Fahrens durch den unwidersprochenen Gebrauch der strittigen Fläche eingeräumt worden. Die Bestreitung des Servitutsrechts durch die Kläger sei rechtsmissbräuchlich. Zuletzt berief sich der Beklagte auf ein Notwegerecht.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Vorbringen des Beklagten, es stehe ihm ein Notwegerecht zu, wies das Erstgericht als verspätet zurück, hielt aber auch fest, dass die Voraussetzungen dafür aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht vorlägen. Dem Beklagten sei der Beweis nicht gelungen, dass der schriftliche Dienstbarkeitsvertrag sich auch auf die strittige Fläche beziehe; dem widerspreche der eindeutige Wortlaut des Vertrags und die Darstellung der Flächen im Plan. Durch den regelmäßigen Gebrauch schon der Rechtsvorgänger des Beklagten und das bloße Unterlassen der Untersagung durch die Kläger lägen keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine (stillschweigende) Einräumung eines über den schriftlichen Vertrag hinausgehenden Wegerechts vor. Eine Ersitzung komme ebenfalls nicht in Betracht, weil diese frühestens 1972 begonnen worden sein könnte, es aber spätestens ab dem Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags im April 1989 dem Beklagten und seinen Rechtsvorgängern an der Redlichkeit fehle. Eine schikanöse Rechtsausübung der Kläger liege nicht vor.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung dahin ab, dass es das Klagebegehren abwies.

Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen bis auf eine Passage (nach der es zu keiner stillschweigenden Rechteeinräumung kam), weil diese eine rechtliche Beurteilung darstelle. In der Sache führte es aus, dass ein schlüssiger Dienstbarkeit nicht schon durch die bloße Duldung zustande komme, sondern erst, wenn zusätzliche Sachverhaltselemente den Schluss erlaubten, dass sich der aus einem bestimmten Verhalten abzuleitende rechtsgeschäftliche Wille des Belasteten auf die Einräumung einer Dienstbarkeit bezogen habe. Hier hätten die Rechtsvorgänger des Beklagten den vorhandenen Zufahrtsweg ab 1972 als umfassendes Wegerecht in Anspruch genommen, um das Wohnhaus zu erreichen, und sie hätten diese Nutzung auch nach Abschluss des schriftlichen Dienstbarkeitsvertrags 1989 – von den Eigentümern des belasteten Grundstücks bis 2016 unbeanstandet – fortgesetzt. Die jahrzehntelange unwidersprochene Nutzung des (gesamten) Zufahrtswegs und der Umstand, dass der Weg zum Teil auch über das Grundstück des Beklagten verlaufe, stellten Sachverhaltselemente dar, die über die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs hinaus gingen und auf die schlüssige Begründung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht an der strittigen Fläche schließen lassen würden.

Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, dass die von ihm herangezogenen Sachverhaltselemente für eine schlüssige Erweiterung des (schriftlich eingeräumten) dinglichen Wegerechts hier nicht ausreichen könnten.

Gegen diese Rechtsansicht wendet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

1. Erwerbstitel einer Dienstbarkeit ist – wie bereits die Vorinstanzen zutreffend ausführten – grundsätzlich ein Vertrag, der nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent (§ 863 ABGB) geschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0114010). Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist allerdings größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn wären. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt (RS0013947; RS0014150).

An die Annahme der schlüssigen Einräumung einer Dienstbarkeit sind, weil dies einem Teilrechtsverzicht gleichkommt, strenge Anforderungen zu stellen. Die sonst an die Ersitzung anknüpfenden Erfordernisse des rechtmäßigen, redlichen und echten Besitzes, einschließlich des Ablaufs der Ersitzungszeit, sollen nicht dadurch einfach umgangen werden können, dass man aus der Nichtausübung eines Rechts oder der stillschweigenden Duldung der Nutzung des Grundstücks durch eine andere Person während eines kürzeren Zeitraums als jenes für die Ersitzung bereits einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche konkludente Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejaht. Selbst wenn die Benützung länger als zehn Jahre währt, kann daraus kein Wille des Eigentümers abgeleitet werden, dass er sein Eigentumsrecht zu Gunsten einer dritten Person, insbesondere ohne Gegenleistung, beschränken will. Für eine konkludente Dienstbarkeitseinräumung müssen somit über die bloße Duldung eines bestimmten Gebrauchs hinausgehende Sachverhaltselemente vorliegen, die auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Belasteten im Hinblick auf die Begründung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht schließen lassen (1 Ob 87/15y mwN; RS0011661 [T4 und T7]; Memmer in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 480 Rz 3). Das Gleiche gilt schon aufgrund eines Größenschlusses für die Erweiterung des Umfangs einer ausdrücklich bestellten Servitut (8 Ob 77/12z = RS0111562 [T2]). In der jüngeren Rechtsprechung wurde außerdem bereits mehrfach klargestellt, dass die Offenkundigkeit einer Nutzung einen fehlenden (vertraglichen) Titel oder eine abgeschlossene Ersitzung des Rechts nicht ersetzen kann (RS0011631 [T13]).

2. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung erkannt, dass sich aus dem vorliegenden Sachverhalt eine schlüssige Erweiterung des mit dem Dienstbarkeitsvertrag vom April 1989 ausdrücklich nur auf der im Plan gelb markierten Fläche eingeräumten Geh- und Fahrtrechts nicht ergibt:

2.1. Den (zum Teil dislozierten) Feststellungen des Erstgerichts ist klar zu entnehmen, dass der zum Zweck einer abschließenden Regelung der Nutzungsrechte abgeschlossene Dienstbarkeitsvertrag in Verbindung mit dem angeschlossenen Plan die Einräumung von Geh- und Fahrrechten enthält, die von den den Vertrag schließenden Personen genau so gewollt war; der Rechtsvorgängerin des Beklagten war klar, dass die strittige Fläche davon nicht zugunsten des nunmehr im Eigentum des Beklagten stehenden Grundstücks 434/6 erfasst ist, ihr also keine Rechte daran zustehen.

2.2. Vom Standpunkt der Rechtsvorgängerin des Beklagten bedeutet dies – entgegen der auch noch in der Berufung vertretenen Ansicht – zwingend eine Aufgabe allenfalls damals bestehender oder auch nur angenommener weitergehender Rechte (an der strittigen Fläche); stillschweigende Vorbehalte hätten keine Außenwirkung (RS0014160 [T28]; vgl 7 Ob 44/09k; RS01193734). Das vom Beklagten behauptete „Vergessen“ der Aufnahme der strittigen Fläche in die Einräumung der Dienstbarkeit zugunsten des Grundstücks 434/6 ist daher von ihm ebenso wenig bewiesen worden, wie die Behauptung, mit der Dienstbarkeitsfläche laut Vertrag sei auch die strittige Fläche „gemeint“ gewesen.

2.3. Wenn der Beklagte in der Berufung betreffend den Inhalt des schriftlichen Dienstbarkeitsvertrags ergänzende Feststellungen (zu einer auf seinem Grundstück befindlichen Scheune und zu unterbliebenen Erklärungen gegenüber seiner Rechtsvorgängerin vor der Vertragsunterzeichnung) begehrt, genügt der Hinweis, dass er dazu in erster Instanz kein Vorbringen erstattete. Als unzulässige Neuerungen müssen auch seine erstmals in der Berufung erhobene Behauptung, der Notar hätte erörtert, dass sämtliche Vertragsteile nach Unterzeichnung gesicherte Zufahrtsrechte zu ihren jeweiligen Hauszugängen hätten, und der Irrtumseinwand unbeachtet bleiben.

2.4. Für die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht bedeutet der Inhalt des schriftlichen Dienstbarkeitsvertrags, dass die Zeit der unbeanstandeten Nutzung vor April 1989 rechtlich irrelevant ist.

2.5. Für die Zeit danach ergibt sich zwar eine Duldung der Nutzung über 27 Jahre, nicht jedoch ein von der dargestellten Judikatur gefordertes weiteres Sachverhaltselement, das auf den rechtsgeschäftlichen Willen der Kläger im Hinblick auf die Begründung einer Dienstbarkeit als dingliches Recht schließen ließe. Warum der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, dass „der Zufahrtsweg im strittigen Bereich zum Teil auch über das Beklagtengrundstück verläuft“ ein solches Sachverhaltselement darstellen soll, wird nicht erläutert und ist auch nicht erkennbar. Denn es wurde weder vom Beklagten behauptet noch festgestellt, dass den Klägern ein Geh- und Fahrrecht an einem Teil des Grundstücks 434/6 zukäme, sodass von einer wechselseitigen Rechteeinräumung nicht ausgegangen werden kann. Ebenso wenig ist eine Nutzung des Grundstücks 434/6 oder sonst irgendein positives Tun seitens der Kläger ersichtlich, weshalb der rechtlichen Beurteilung nur die bloße Duldung des Gebrauchs während eines kürzeren Zeitraums als jenes für die Ersitzung zugrunde zu legen ist. Das reicht aber nicht, um einen konkludenten Rechtsverlust durch rechtsgeschäftliche konkludente Einräumung von Dienstbarkeitsrechten bejahen zu können.

3. Die Begründung des Berufungsgerichts trägt die Klageabweisung daher nicht. Dem Umstand, dass sich der Beklagte in der Berufung nicht mehr explizit auf die schlüssige Einräumung eines dinglichen Geh- und Fahrrechts gestützt hat, kommt daher keine entscheidende Bedeutung zu.

4. Somit bedarf es der Auseinandersetzung mit den weiteren, noch nicht behandelten Argumente der Rechtsrüge in der Berufung des Beklagten.

4.1. Er beharrt darin auf der zumindest seit 1972 begonnenen und längst abgeschlossenen Ersitzung eines Servitutsrechts an der strittigen Fläche und urgiert nähere Feststellungen zum Umfang des Gebrauchs der strittigen Fläche. Mit dem zutreffenden Verweis des Erstgericht auf die seit dem Abschluss des schriftlichen Dienstbarkeitsvertrags fehlende Redlichkeit als Ersitzungsvoraussetzung setzt sich die Berufung allerdings nicht auseinander, sodass keine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vorliegt (RS0043603) und darauf nicht weiter einzugehen ist.

4.2. Die Ausführungen zum Einwand des Rechtsmissbrauchs gehen nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und lassen deshalb auch dazu eine gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge vermissen (RS0043603 [T8]).

4.3. Schließlich wendet sich der Beklagte gegen die Zurückweisung seines erstinstanzlichen Vorbringens, ihm stehe ein Notwegerecht zu.

Zwar hat das Erstgerichts dieses Vorbringen als verspätet zurückgewiesen, dennoch aber meritorisch dazu Stellung genommen und die Voraussetzungen dafür kurz begründet verneint. Darauf geht die Berufung allerdings nicht ein, weshalb es an einer dagegen erhobenen Rechtsrüge mangelt.

Dennoch sei der Beklagte daran erinnert, dass der Notweg gemäß § 3 NWG als Legalservitut konstruiert ist, die erst durch Richterspruch rechtliche Wirksamkeit erlangt (RS0071190). Das Bestehen einer solchen – gemäß § 9 Abs 3 NWG im Außerstreitverfahren zu erwirkenden (Neumayer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG II § 9 NWG) – Entscheidung behauptet der Beklagte nicht.

5. In Abänderung der Berufungsentscheidung war daher das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

6. Die Kostenentscheidung zum Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E127959

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00235.19H.0226.000

Im RIS seit

11.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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