TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/22 96/01/0214

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Veröffentlicht am 22.04.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde der Patience Mba in Perschling, geboren am 12. April 1953, vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. September 1995, Zl. 4.339.039/14-III/13/95, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Nigeria, die am 23. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 25. Dezember 1991 die Gewährung von Asyl.

Hiebei gab sie an:

"Vor ca. 5 Monaten habe ich meinen vorgenannten Ehegatten geheiratet, habe jedoch weiter bei meinen Eltern gewohnt, da Genannter das Geld für mich anläßlich der Eheschließung nicht bezahlen konnte. Mein Ehegatte ist von seiner ersten Frau geschieden. Wie mein Ehegatte bereits angab habe ich gemeinsam mit ihm Nigeria verlassen und war der Fluchtablauf wie von ihm dargelegt gegeben.

...

Wie mein Ehegatte bereits angab, hatte er zu Hause Probleme

und ging ich aus diesem Grunde auch mit ihm mit."

Die von ihr genannten Probleme gab ihr Ehegatte folgendermaßen an:

"Im Juni 1990 war bei uns zu Hause ein Aufstand gegen die jetzige Militärregierung, bei dem auch ich mich beteiligt hatte. Da von Teilnehmern auch mein Name genannt wurde, wurde ich festgenommen und war bis 7.9.1991 in Haft. Mit Hilfe eines Gefängnisrichters gelang mir die Flucht. Ich ging sodann in das Dorf wo meine Ehegattin wohnte. Dies war der Grund warum wir sodann anschließend gemeinsam aus Nigeria flohen."

Die Beschwerdeführerin wurde am 31. März 1992 niederschriftlich einvernommen. Hiebei gab sie an, seit 1990 verheiratet zu sein und der katholischen Religion anzugehören.

Ihre Fluchtgründe führte sie folgendermaßen aus:

"Ich gehöre keiner politischen Organisation an. Mein Gatte wurde auf Grund eines mißglückten Staatsstreiches am 22.4.1990 verhaftet. Er war von Jänner bis August 91 eingesperrt. Ich lebte bei meinen Eltern. Mein Gatte konnte im August flüchten. Da mein Mann Mitglied der N.R.C. war und er gesucht wurde, beschloß ich mit ihm zu flüchten, da ich sonst vermutlich auch Schwierigkeiten mit dem Regime bekommen hätte, welches moslemisch ist. Bei einer Rückkehr würde mein Mann sicher getötet werden. Ich würde ins Gefängnis kommen."

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich stellte mit Bescheid vom 13. Juli 1992 fest, daß hinsichtlich der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge nicht zuträfen.

In der dagegen erhobenen Berufung rügte die Beschwerdeführerin, daß der erstinstanzliche Bescheid nicht auf ihre persönliche Situation und ihr Vorbringen im Überprüfungsverfahren eingehe. Der formularmäßig ausgestellte Bescheid entspreche nicht der Verpflichtung jeder Verwaltungsbehörde, gemäß § 60 AVG einen Bescheid zu begründen. Ihre Behauptungen, insbesondere die Tatsache, daß sie aufgrund der politischen Probleme ihres Ehegatten die Heimat habe verlassen müssen, seien keiner ordnungsgemäßen Beweiswürdigung unterzogen worden, es sei nicht einmal der Zusammenhang zum Verfahren ihres Ehegatten hergestellt worden. Sie beziehe sich "weiterhin" auf ihre Einvernahme vom 31. März 1992 und weise "nochmals ausdrücklich" darauf hin, daß sie Nigeria habe verlassen müssen, da ihr Ehegatte politische Verfolgung befürchten müsse, und diese auch sie als seine Frau zu befürchten habe, da gerade "in Regimen die Gefahr der Sippenhaftung droht".

Daraufhin erließ die belangte Behörde den Bescheid vom 6. August 1993, der aufgrund der dagegen erhobenen Beschwerde vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/19/0863, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde, weil die belangte Behörde irrtümlich das Asylgesetz 1991 in Ansehung der Flüchtlingseigenschaft angewendet hat.

Mit dem (Ersatz-)Bescheid vom 15. September 1995 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin neuerlich ab. Die Beschwerdeführerin sei nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968). Die belangte Behörde begründete den Bescheid damit, daß die "knappe Begründung" des Bescheides der Behörde erster Instanz dem AVG entspreche, darüber hinaus aber eine allfällige Mangelhaftigkeit dieses Bescheides mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides behoben werde. Die Beschwerdeführerin habe im Verwaltungsverfahren nicht dargetan und auch nicht glaubhaft gemacht, daß sie in ihrem Heimatstaat aus einem der im Asylgesetz (1968) angeführten Gründe persönlich in irgendeiner Form konkret das Ziel von Verfolgungshandlungen gewesen wäre und bei einer allfälligen Rückkehr nach Nigeria aus eben diesen Gründen mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen habe. Auch die von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrem Ehegatten geschilderten Ereignisse seien nicht geeignet, eine gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen, da in einem Verfahren nur solche Umstände Berücksichtigung finden könnten, die eine Person unmittelbar beträfen und daher Ereignisse gegen Familienangehörige nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken könnten. Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, ihre subjektiven Befürchtungen objektiv nachvollziehbar zu machen, zumal es ihren eigenen Angaben zufolge noch nie zu Übergriffen gekommen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin rügt Verständigungsprobleme anläßlich der Aufnahme der Niederschrift am 31. März 1992, weil ein Dolmetsch für die englische Sprache zur Verfügung gestanden sei, ihr Ehegatte als Subdolmetsch fungiert habe, dieser aber die englische Sprache nur mäßig beherrsche. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin in der Berufung diesbezüglich nichts einwendete, sondern sich auf das Ergebnis der niederschriftlichen Einvernahme bezog, zeigt die Beschwerde damit keinen relevanten Verfahrensmangel auf, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die zum erstenmal in der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 6. August 1993 vorgebrachten Sachverhalte, welche in der gegenständlichen Beschwerde wiederholt werden, im Hinblick auf § 41 Abs. 1 VwGG beachtlich sind, da sie auch bei ihrer Berücksichtigung die Beschwerde nicht zum Erfolg führen können. Denn die Beschwerdeführerin bringt vor, daß sie im August 1991 und auch derzeit noch mit Gefängnis rechnen müsse, weil sie "im Zusammenhang mit der Flucht aus dem Gefängnis" ihrem Ehegatten bei ihr Unterschlupf gewährt und ihn nicht den Behörden verraten habe. Diesbezüglich sei sie "bereits von den nigerianischen Behörden massiv bedroht" worden. An anderer Stelle führt die Beschwerdeführerin aus, sie sei wegen der - bereits in der Ersteinvernahme deponierten - Flucht ihres Gatten aus der Haft zu ihr im August 1991 wegen der Aktivitäten ihres Gatten der konkreten Gefahr ausgesetzt gewesen, selbst ungerechtfertigt eingesperrt zu werden, nachdem sie ihren Ehegatten versteckt bzw. "bei Verhören" dessen Adresse nicht preisgegeben habe, nachdem für ihren Gatten die Gefahr bestanden habe, zu Unrecht zum Tode verurteilt zu werden.

Dem ist entgegenzuhalten, daß die Beschwerdeführerin nie behauptet hat, daß sie vor der Festnahme ihres Ehegatten von den Behörden ihrer Heimat über seinen Aufenthaltsort einvernommen worden wäre (Anm.: nach den Angaben im Asylantrag habe die Beschwerdeführerin "vor fünf Monaten geheiratet" - das wäre Juli 1991, laut den Angaben ihres Ehegatten im Asylantrag sei die Heirat "vor sieben Monaten" erfolgt, das wäre Mai 1991, also während der behaupteten Inhaftierung des Ehegatten; in der niederschriftlichen Einvernahme ist "verh. seit 90" enthalten). Aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Asylantrag, der niederschriftlichen Einvernahme und der Berufung ergibt sich vielmehr, daß sie mit ihrem Ehegatten sofort nach dessen Eintreffen nach der Flucht aus dem Gefängnis ihre Heimat verlassen habe. Dies wird in der Beschwerde ausdrücklich bestätigt (... "ich letztlich mit meinem Gatten unmittelbar nach dessen Flucht aus dem Gefängnis aus Nigeria die Flucht angetreten habe"). Damit ist das Beschwerdevorbringen betreffend der Aktivitäten der Heimatbehörden, welche direkt gegen die Beschwerdeführerin gerichtet gewesen wären, in sich unschlüssig. Denn aufgrund der "unmittelbar" angetretenen Flucht blieb nach der Flucht des Ehegatten aus dem Gefängnis für dessen Verstecken, Nachforschungen der Behörde, Nichtpreisgeben des Aufenthaltsortes des Ehegatten, Verhöre und dabei erfolgende "massive Bedrohung" der Beschwerdeführerin gar keine Gelegenheit.

Wenngleich der Beschwerdeführerin grundsätzlich zuzustimmen ist, daß - in Ausnahmefällen - auch in nahe Angehörige betreffenden Vorfällen eine auf den Asylwerber selbst gezielte Verfolgung erkennbar sein kann, so trifft dies nur dann zu, wenn mit der den nahen Angehörigen drohenden Verfolgung die Beschwerdeführerin selbst aus Gründen des Art. 1 Abschnitt A Flüchtlingkonvention hätte getroffen werden sollen. Dies ist im gegenständlichen Fall schon deshalb zu verneinen, weil der Grund für die vorgebrachte politische Verfolgung des Ehegatten ausschließlich in dessen eigenem Verhalten lag.

Es ist zwar auch nicht erforderlich, daß eine tatsächliche individuell konkrete Verfolgung bereits stattgefunden hat, sondern es reicht hin, daß aufgrund der äußeren Umstände und allenfalls bereits geschehener Ereignisse die Gefahr einer solchen Verfolgung gegeben ist. Im gegenständlichen Fall ist nach den obigen Ausführungen davon auszugehen, daß die Behörden der Heimat der Beschwerdeführerin keine gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtete Verfolgungshandlung gesetzt haben. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist kein konkreter Hinweis auf tatsächlich in ihrer Heimat vorgekommene Fälle einer "Sippenhaftung" enthalten. Die belangte Behörde ist daher im Recht, daß die Beschwerdeführerin ihre subjektiven Befürchtungen nicht objektiv nachvollziehbar gemacht habe und daß der Beschwerdeführerin keine individuell konkret drohende Verfolgung bzw. eine Verfolgung in Form einer "Sippenhaftung" mit erheblicher Intensität und maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohe und auch die im Zusammenhang mit dem Ehegatten der Beschwerdeführerin geschilderten Ereignisse nicht geeignet sind, eine gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996010214.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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