TE Vwgh Beschluss 2020/3/3 Ra 2020/04/0023

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Veröffentlicht am 03.03.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §62 Abs4

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2020/04/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision 1. der S H und

2. des G H, beide in T, beide vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 13. September 2019, Zl. LVwG-851181/9/SE - 851182/3, betreffend Berichtigung gemäß § 62 Abs. 4 AVG (mitbeteiligte Partei: N GmbH, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH, Schwarzenbergplatz 16, 1010 Wien; vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde: Oberösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1.1. Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 7. März 2019 wurden der mitbeteiligten Partei zur Sicherung der Errichtung des dauernden Bestandes, des Betriebes und der Instandhaltung einer bestimmt bezeichneten, mit weiterem Bescheid bereits zu einem früheren Zeitpunkt rechtskräftig genehmigten 110 kV-Freileitung zu Lasten der im bücherlichen Eigentum der Revisionswerber stehenden Grundstücke Nr. 204, Nr. 320 und Nr. 205, Liegenschaft EZ 57, Grundbuch T., als dienende Grundstücke im Enteignungsweg bestimmt umschriebene Dienstbarkeiten eingeräumt, wobei im Spruch dieses Bescheides auf die von der mitbeteiligten Partei (als Antragstellerin) vorgelegten Pläne ausdrücklich Bezug genommen wurde. Als Ausmaß der Beanspruchung wurde - jeweils übereinstimmend mit dem zugrunde liegenden Antrag - hinsichtlich des Grundstückes Nr. 204 eine Überspannung von 107 lfm, hinsichtlich des Grundstückes Nr. 320 eine Überspannung von 52 lfm angeführt.

2 1.2. Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Verwaltungsgericht) vom 30. Juli 2019 wurde die gegen den oben genannten Bescheid von den Revisionswerbern erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und mit der "Maßgabe" bestätigt, dass das Ausmaß der Überspannung betreffend die Grundstücke die Nr. 204 und Nr. 320 umgekehrt zu lauten hätte. 3 2. Mit Schreiben an das Verwaltungsgericht vom 23. August 2019 wies die mitbeteiligte Partei darauf hin, dass die ursprünglich im Bescheid vom 7. März 2019 umgekehrt angeführten Überspannungsausmaße den auch im Bescheid als Grundlage des Spruchs angeführten Plänen und den Angaben des zugrunde liegenden Antrags entsprochen hätten. Die mitbeteiligte Partei gehe davon aus, dass die in dem Erkenntnis ausgesprochene Maßgabe auf einem Irrtum beruhe.

4 3. Mit dem revisionsgegenständlichen Beschluss vom 13. September 2019 berichtigte das Verwaltungsgericht das Erkenntnis vom 30. Juli 2019 dahingehend, dass die Maßgabe betreffend die Umkehrung der Überspannungswerte der Grundstücke Nr. 204 und Nr. 320 zu entfallen habe. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.

5 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, in dem zu berichtigenden Erkenntnis sei aufgrund eines Versehens - nämlich der irrtümlichen Zuordnung der Überspannungslängen zu den genannten Grundstücken - die betreffende Maßgabe ausgesprochen worden. Aus den klausulierten Plänen, die Bestandteil des dem Erkenntnis zugrunde liegenden Bescheides seien, seien die Überspannungslängen eindeutig ersichtlich. Die Unrichtigkeit der fehlerhaften Zuordnung sei damit offenkundig und einer Korrektur im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG zugänglich.

6 4. Gegen diesen Beschluss richtet sich die außerordentliche Revision.

7 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 10 5.1.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Anwendung des § 62 Abs. 4 AVG einen fehlerhaften Verwaltungsakt mit der Maßgabe, dass eine auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit sowie deren Offenkundigkeit gegeben sind. Letzteres liegt vor, wenn die Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit der Entscheidung erkennen können und die Unrichtigkeit ferner von der Behörde - bei entsprechender Aufmerksamkeit - bereits bei der Erlassung hätte vermieden werden können. Es sind insbesondere solche Unrichtigkeiten einer Berichtigung zugänglich, die - gleichgültig, ob im Spruch oder in der Begründung des Bescheides -

erkennbar nicht der behördlichen Willensbildung selbst, sondern alleine ihrer Mitteilung anhaften. Für die Anwendbarkeit des § 62 Abs. 4 AVG kommt es auch auf den Inhalt der übrigen Bescheidteile sowie auf den Akteninhalt an (vgl. VwGH 28.02.2019, Ra 2018/12/0041, mwN).

11 5.1.2. Der Revision gelingt es nicht, eine Abweichung von dieser gesicherten Rechtsprechung aufzuzeigen: Dass mit der Berichtigung grundsätzlich eine Abänderung des Spruches verbunden ist, liegt auf der Hand. Inwiefern die vorliegende berichtigende Änderung, die eine für alle Parteien erkennbar von den zugrunde liegenden, einen integrierender Bestandteil des Bescheides bildenden Projektplänen offenkundig versehentliche Abweichung richtig stellte, von den oben dargestellten Leitlinien der Rechtsprechung abweichen sollte, begründet die Revision nicht und ist auch nicht ersichtlich (vgl. VwGH 16.10.2019, Ra 2019/07/0095, Rz 24).

12 5.2. Die Revision führt zur Begründung der Zulässigkeit weiter ins Treffen, das Verwaltungsgericht habe rechtswidrig eine mündliche Verhandlung unterlassen.

13 5.2.1. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht nur dann ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Europäischen Grundrechtecharta entgegenstehen. In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 1.8.2017, Ra 2015/06/0126, mwN). Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen (vgl. etwa VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0007, mwN;

VwGH 20.12.2016, Ra 2016/03/0113; VwGH 16.2.2017, Ra 2016/05/0038;

VwGH 26.9.2019, Ra 2019/08/0134). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auf das Urteil vom 19. Februar 1998 im Fall Jacobsson gegen Schweden (Nr. 2), Zl. 8/1997/792/993, par. 49 (ÖJZ 1998, 4), hingewiesen, in welchem der Entfall einer mündlichen Verhandlung als gerechtfertigt angesehen wurde, weil angesichts der Beweislage vor dem Gerichtshof und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen "das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte". Der Verwaltungsgerichtshof hat in solchen Fällen eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt ist und die Rechtsfragen durch die bisherige Rechtsprechung beantwortet sind und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte (vgl. etwa VwGH 23.2.2006, 2003/16/0079, VwGH 28.2.2011, 2007/17/0193, mwN). Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchzuführen hat, welche der Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie der Erhebung der Beweise dient. Als Ausnahme von dieser Regel kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Antrages gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt (vgl. zu alldem VwGH 16.12.2019, Ra 2018/03/0066, sowie die dort zitierte Literatur).

14 5.2.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage begründet das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung hier keinen Verfahrensmangel. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist zur Gänze aktenkundig und unstrittig. Es bedurfte zur Klärung keiner Ermittlungsschritte. Die verfahrensgegenständlich fallbezogen vorzunehmende - keineswegs komplexe - rechtliche Beurteilung konnte auf Grundlage einer gesicherten Rechtsprechung erfolgen, weshalb auch nicht ersichtlich ist, inwiefern eine mündliche Erörterung zu einer weiteren Klärung hätte beitragen können. 15 5.3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 3. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020040023.L00

Im RIS seit

26.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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