Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VStG §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des Dipl. Ing. H in 9531 Bleiberg/Kreuth, vertreten durch Dr. Wolfgang Tautschnig, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1A, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 3. März 1994, Zl. KUVS-1282-1283/9/93, betreffend Übertretung des Forstgesetzes 1975 und des Kärntner Naturschutzgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich seines Strafausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft) und das Land Kärnten haben dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 6.505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug erlassenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als verantwortlicher Beauftragter der B. AG vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begehe, indem er die K. GmbH (vertreten durch deren handelsrechtlichen Geschäftsführer Hans K.) beauftragt habe, in der Zeit vom 12. Oktober bis 10. November 1992 die Forststraße "Sch.-Erweiterung", Teilstück A und B auf einer Gesamtlänge von 950 lfm mit einer Planumbreite von 4 m in den Katastralgemeinden T. und B. zu errichten, obwohl zu diesem Zeitpunkt weder eine behördliche Bewilligung nach dem Fostgesetz 1975 (ForstG) noch nach dem Kärntner Naturschutzgesetz (KNSchG) vorgelegen sei; durch die Errichtung der Forststraße seien Abgrabungen und Anschüttungen von einer Fläche von mehr als 1.000 m2 in der freien Landschaft vorgenommen worden, wobei es zu Niveauveränderungen überwiegend um mehr als 1 m bzw. ähnlich weitreichenden Geländeveränderungen gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch 1.) § 7 VStG in bezug auf § 62 Abs. 1 iVm § 174 Abs. 1 lit. a Z. 25 ForstG und 2.) § 7 VStG in bezug auf § 5 Abs. 1 lit. b iVm § 67 Abs. 1 KNSchG verletzt. Über ihn wurde (zu 1.) eine Geldstrafe in der Höhe von S 9.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Tagen) sowie (zu 2.) eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt.
Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt, die K. GmbH mit der Errichtung der Bringungsanlage beauftragt zu haben, obwohl zum Zeitpunkt der Errichtung weder eine forst- noch eine naturschutzrechtliche Bewilligung vorgelegen sei. Zu seiner Entschuldigung habe er jedoch angegeben, die Bringungsanlage habe deshalb unverzüglich gebaut werden müssen, weil ein vom Borkenkäfer befallener Windwurf unverzüglich hätte entfernt werden müssen. Durch die prompte Durchführung habe der gesamte Windwurf aufgeräumt und abgeführt werden können. Wäre dies nicht gelungen, so wäre es zu einer "Käferkalamität" sowie der Gefährdung der angrenzenden Schutzwaldstandorte gekommen. Dem gegenüber habe der von der Behörde beigezogene forstliche Sachverständige angegeben, daß die Bringungsanlage zur Bekämpfung des Borkenkäfers nicht notwendig gewesen sei. Es wäre nämlich möglich gewesen, das Holz zu entrinden oder die Käferbekämpfung im chemischen Wege durchzuführen. Der Beschwerdeführer habe diesbezüglich allerdings die Auffassung vertreten, die Windwurffläche sei nicht begehbar gewesen, weshalb eine händische Schädlingsbekämpfung nicht möglich gewesen wäre.
In rechtlicher Hinsicht verneinte die belangte Behörde das Vorliegen eines Notstandes. Ein solcher sei nur dann gegeben, wenn eine Verwaltungsübertretung zur Abwendung einer dem Beschuldigten unmittelbar drohenden Gefahr erfolge, die so groß sei, daß er sich in unwiderstehlichem Zwang befinde, eher die in Betracht kommende Vorschrift zu übertreten, als das unmittelbar drohende Übel über sich zu ergehen lassen. Das Ermittlungsverfahren habe allerdings ergeben, daß der Käferbefall auch durch andere Maßnahmen hätte bekämpft werden können. Möglicherweise wäre auch eine Einigung über die Trasse der Bringungsanlage mit den Nachbarn rascher zu führen gewesen. Es sei jedenfalls dem Sachverständigen zu folgen, nach dessen Auffassung die Borkenkäferbekämpfung auch in anderer Weise durchaus möglich gewesen wäre. Auf die Beiziehung eines vom Beschwerdeführer beantragten weiteren Sachverständigen habe verzichtet werden können, weil der im Verfahren vernommene Amtssachverständige eine durchaus schlüssige und nachvollziehbare Beurteilung abgegeben habe. Dem Beschwerdeführer wäre es freigestanden, das Gutachten eines privaten Sachverständigen vorzulegen. Eine Abwägung, ob der Beschwerdeführer - wie er behaupte -, nur die Alternative gehabt habe, gegen § 44 oder § 62 ForstG zu verstoßen, sei daher nicht vorzunehmen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde wird - wie bereits im Verwaltungsverfahren - die Auffassung vertreten, die Beseitigung des Windwurfes hätte nur unter Maschineneinsatz erfolgen können; dazu sei jedoch die Errichtung der Forststraße unbedingt erforderlich gewesen. Die Bekämpfung des Borkenkäfers in anderer Weise sei nicht möglich gewesen. Die belangte Behörde habe somit das Vorliegen eines Notstandes zu Unrecht verneint.
Nach § 6 VStG ist eine Tat unter anderem nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist.
Unter dem Schuldausschließungsgrund des Notstandes im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. In der Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung, durch die die Lebensmöglichkeiten selbst nicht unmittelbar bedroht sind, kann eine unmittelbar drohende Gefahr und ein Notstand im Sinne der vorbezeichneten Gesetzesstelle nicht gesehen werden. So sind insbesondere auch auf bloß mögliche nachteilige Folgen verweisende Gründe mangels Unmittelbarkeit einer drohenden Gefahr nicht geeignet, die Annahme eines Notstandes zu rechtfertigen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 18. März 1986, Zl. 85/04/0136).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage handelte die belangte Behörde daher nicht rechtswidrig, wenn sie das Vorliegen eines Notstandes im Beschwerdefall verneinte. Ob die Möglichkeit bestand, dem Käferbefall auch durch andere Maßnahmen zu begegnen, konnte somit dahinstehen. In dem Umstand, daß die belangte Behörde das vom Beschwerdeführer angebotene Gutachten eines arbeitskundlichen Sachverständigen zur Frage, ob das Holz windbedingt verzerrt und nicht bearbeitbar war, nicht einholte, kann daher kein relevanter Verfahrensmangel erblickt werden.
Soweit das Vorbringen des Beschwerdeführers als Berufung auf einen "übergesetzlichen Notstand" zu deuten ist, der die Tat rechtfertigen soll, weil ein deutlich höherwertiges Rechtsgut auf Kosten eines weniger wertvollen gerettet wird (vgl. dazu z.B. Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verfahrensrechts6, Rz 752), ist darauf zu verweisen, daß auch diesbezüglich derjenige beweispflichtig ist, der einen solchen Notstand behauptet (vgl. das Erkenntnis vom 28. Februar 1985, Zl. 84/02/0294). Ein entsprechendes Vorbringen ist vom Beschwerdeführer allerdings weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde erstattet worden.
Die Beschwerde bekämpft auch die Strafbemessung; diesbezüglich kommt ihr im Ergebnis Berechtigung zu.
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist nach § 19 Abs. 1 VStG stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies nach § 19 Abs. 2 VStG die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Nach Auffassung der belangten Behörde entspricht die erstinstanzliche Strafzumessung den gesetzlichen Strafzumessungskriterien des § 19 VStG. Als erschwerend und mildernd sei nichts zu werten. Dabei übersieht die belangte Behörde allerdings, daß hinsichtlich der Erschwerungs- und Milderungsgründe sinngemäß die im gerichtlichen Strafrecht maßgebenden Umstände in Betracht kommen (vgl. z.B. bereits das Erkenntnis vom 23. März 1970, VwSlg 7766/A). Danach ist insbesondere ein Milderungsgrund, wenn der Täter die Tat unter Umständen begangen hat, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahekommen (vgl. § 34 Abs. 1 Z. 11 StGB). Die belangte Behörde hat zwar zu Recht das Vorliegen einer Notstandssituation verneint, allerdings ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, er habe aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit und der Höhenlage des Waldgrundstückes befürchten müssen, bei rechtmäßigem Handeln die Entfernung des Windbruches erst im nächsten Jahr nach Ausfliegen der Borkenkäfer bewerkstelligen zu können. Die Tat des Beschwerdeführers wurde daher unter Umständen begangen, die dem erwähnten Milderungsgrund entsprechen.
Da die belangte Behörde diese Umstände nicht berücksichtigt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher hinsichtlich seines Strafausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1994100073.X00Im RIS seit
20.11.2000