TE Vwgh Erkenntnis 2020/3/6 Ro 2019/02/0007

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Veröffentlicht am 06.03.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
37/02 Kreditwesen
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §58 Abs2
AVG §60
B-VG Art130 Abs3
B-VG Art130 Abs4
FM-GwG 2017 §37
FM-GwG 2017 §37 Abs1
FM-GwG 2017 §37 Abs2
MRK Art8 Abs1
VStG §24
VwGG §42 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §28
VwGVG 2014 §38
VwGVG 2014 §50
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Finanzmarktaufsichtsbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 2019, Zl. W230 2205165- 1/13E, betreffend Rechtmäßigkeit einer Veröffentlichung gemäß § 37 FM-GwG (mitbeteiligte Partei: R AG in W, vertreten durch Dr. Bettina Hörtner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Landhausgasse 4; weitere Partei: Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Straferkenntnis vom 23. März 2018 legte die Finanzmarktaufsichtsbehörde (FMA) der mitbeteiligten Partei als juristischer Person die Verletzung näher bezeichneter Sorgfaltspflichten nach dem Finanzmarkt-Geldwäschegesetz (FM-GwG) zur Last und verhängte über sie eine Geldstrafe.

2 Am 30. März 2018 veröffentlichte die FMA auf ihrer website folgende Bekanntmachung (Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):

"(...) Österreichs Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA teilt mit, dass sie gegen die (mitbeteiligte Partei) wegen mangelhafter Überprüfung der Identität des wirtschaftlichen Eigentümers und nicht regelmäßiger Aktualisierung der zum Verständnis der Eigentums- und Kontrollstruktur erforderlichen Dokumente, Daten und Informationen bei Hochrisikokunden in bestimmten Einzelfällen eine einheitlich bemessene Geldstrafe in der Höhe von ....verhängt hat. Das Straferkenntnis ist nicht rechtskräftig."

3 In der Folge beantragte die mitbeteiligte Partei gemäß § 37 Abs. 4 FM-GwG die Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser Veröffentlichung.

4 Mit Bescheid vom 24. Juli 2018 stellte die FMA fest, dass die Veröffentlichung rechtmäßig sei.

5 Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, der das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge gegeben hat und aussprach, dass die oben zitierte Veröffentlichung rechtswidrig und aus dem Internetauftritt der FMA zu entfernen sei. Die Revision erachtete das Verwaltungsgericht als zulässig. Begründend führte es nach Darstellung der einschlägigen Rechtslage unter anderem aus, bei einer Veröffentlichung gemäß § 37 FM-GwG handle es sich um kein Verwaltungsstrafverfahren; das Verwaltungsgericht habe im Beschwerdeverfahren zu überprüfen, ob die FMA das Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt habe (Verweis auf Art. 130 Abs. 3 B-VG). 6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (Amts)Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. 7 Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

8 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

9 Unter Voranstellung des Umstandes, dass das Verwaltungsgericht vorliegend nicht von einer Verwaltungsstrafsache ausging, erachtet die revisionswerbende FMA die Revision als zulässig, weil das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nicht auf die Übung eigenen Ermessens gestützt hat. 10 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und im Ergebnis auch berechtigt.

11 Gemäß § 37 Abs. 1 FM-GwG kann die FMA den Namen der natürlichen Person oder juristischen Person bei einer Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 2 und 3 und § 35 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 und 3 unter Anführung der begangenen Pflichtverletzung auf ihrer Homepage veröffentlichen, sofern eine solche Veröffentlichung die Stabilität der Finanzmärkte nicht ernstlich gefährdet oder den Beteiligten keinen unverhältnismäßig hohen Schaden zufügt.

12 Nach Abs. 4 leg. cit. kann der von einer Veröffentlichung Betroffene eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Veröffentlichung gemäß Abs. 1, 2 oder 3 in einem bescheidmäßig zu erledigenden Verfahren bei der FMA beantragen.

13 Das Verfahren gemäß § 37 FM-GwG ist als Entscheidung "in Verwaltungsstrafsachen" im Sinne des § 50 VwGVG zu qualifizieren (VwGH 12.2.2020, Ra 2019/02/0179). Zur näheren Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das eben zitierte Erkenntnis verwiesen. In Verwaltungsstrafsachen haben die Verwaltungsgerichte jedenfalls, also ohne dass die ausnahmsweise nach § 28 VwGVG bestehende Möglichkeit zur Aufhebung des Bescheids zum Tragen kommen könnte, in der Sache selbst zu entscheiden (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist). Diese grundsätzliche Verpflichtung zu einer reformatorischen Entscheidung ist schon verfassungsgesetzlich vorgegeben (Art. 130 Abs. 4 erster Satz B-VG) und wird einfachgesetzlich in § 50 VwGVG wiederholt bzw. konkretisiert.

Eine weitere, für die Beantwortung der im Revisionsfall aufgeworfenen Frage wesentliche Differenzierung zwischen Verwaltungsstrafsachen und anderen Verwaltungssachen wird ebenfalls schon auf Verfassungsebene festgelegt: Gemäß Art. 130 Abs. 3 B-VG liegt - außer in Verwaltungsstrafsachen und in den zur Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes des Bundes für Finanzen gehörenden Rechtssachen - Rechtswidrigkeit nicht vor, soweit das Gesetz der Verwaltungsbehörde Ermessen einräumt und sie dieses im Sinne des Gesetzes geübt hat. Die danach bestehenden Einschränkungen für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen gelten demnach nicht in Verwaltungsstrafsachen. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht hier nicht bei der Ermessenskontrolle beschränkt, sondern hat - in Verwaltungsstrafsachen - auch das im Gesetz vorgesehene Ermessen zu üben (VwGH 5.9.2018, Ra 2018/11/0144, mwN).

Im Rahmen der Rechtmäßigkeitskontrolle einer auf § 37 Abs. 1 FM-GwG gestützten Veröffentlichung hat das Verwaltungsgericht in seinem Erkenntnis zu begründen, ob die Verlautbarung zum Kreis der nach der genannten Vorschrift zu veröffentlichenden Daten zählt und insbesondere, weshalb die Veröffentlichung verhältnismäßig ist (VwGH 27.6.2019, Ra 2019/02/0017).

Eine Veröffentlichung gemäß § 37 Abs. 1 FM-GwG kann - im Unterschied zu einer solchen nach Abs. 2 leg. cit. - bereits dann erfolgen, wenn ein nicht rechtskräftiger Strafbescheid der FMA ergangen ist, also selbst wenn gegen den Strafbescheid ein Rechtsmittel erhoben wurde. Die Veröffentlichung nach Abs. 1 leg. cit. soll aus diesem Grund nur dann erfolgen, wenn diese im Einzelfall unter Berücksichtigung der öffentlichen Interessen - wie etwa dem Schutz der Allgemeinheit (etwa für Bankkunden) und der Finanzmarktstabilität - und der Interessen der betroffenen Partei - insbesondere deren Reputation und Privatsphäre (Art. 8 Abs. 1 EMRK) und auf Geheimhaltung personenbezogener Daten - geboten ist (neuerlich VwGH 27.6.2019, Ra 2019/02/0017).

Das Verwaltungsgericht hat sich im angefochtenen Erkenntnis durchaus mit diversen Kriterien zur Frage der Verhältnismäßigkeit der Veröffentlichung auseinander gesetzt. Dies allerdings im Wesentlichen - entgegen Art. 130 Abs. 3 B-VG und der Auffassung folgend, es liege kein Strafverfahren vor - zur Beurteilung, ob die FMA Ermessen im Sinne des Gesetzes geübt hat. Die - nicht immer an den gesetzlichen Kriterien und den oben skizzierten Leitlinien für die Ermessensübung orientierten - Begründungsstränge des angefochtenen Erkenntnisses lassen auch nicht erkennen, inwiefern das Verwaltungsgericht die Ermessensübung durch die FMA einer Überprüfung unterzogen oder selbst Ermessen geübt hat. Insofern ist auch nicht nachvollziehbar, wie das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen ist, die Veröffentlichung sei rechtswidrig gewesen. Indem das Verwaltungsgericht ausdrücklich verneint hat, dass das Verfahren gemäß § 37 FM-GwG eine Verwaltungsstrafsache gemäß § 50 VwGVG ist und daraus folgend unter Bezug auf Art 130 Abs. 3 B-VG von einer Überprüfung der Ermessensübung durch die FMA ausgegangen ist, ohne erkennbar selbst Ermessen geübt zu haben, hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Wien, am 6. März 2020

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2Begründung von ErmessensentscheidungenBesondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019020007.J00

Im RIS seit

27.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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