TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/18 LVwG-750727/5/MZ

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Veröffentlicht am 18.02.2020
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Entscheidungsdatum

18.02.2020

Norm

§68 AVG

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Zeinhofer über die Beschwerde von A P, vertreten durch RA Dr. H G, x, x, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 18.11.2019, GZ: PSt-6/2017, betreffend Berichtigung des Personenstandsgesetzes sowie Ausstellung einer Urkunde

zu Recht:

I.     a) Aus Anlass der Beschwerde wird Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides dahin abgeändert, als der Antrag vom 07.07.2019, den Geschlechtseintrag von A P im Zentralen Personenstandsregister auf „inter“ zu berichtigen, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird.

b) Im Hinblick auf Spruchpunkt 2. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass A P eine Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „inter“ auszustellen ist.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision zulässig.

Entscheidungsgründe

I.a)    Mit Schreiben vom 07.03.2016, modifiziert mit Schreiben vom 07.05.2016, beantragte die beschwerdeführende Partei (bP), die sie betreffende Eintragung im Zentralen Personenstandsregister (ZPR) gemäß § 42 Abs 1 und 3 des Personenstandsgesetzes 2013 (PStG) dahin gehend zu berichtigen, dass ihr – bisher auf „männlich“ lautendes – Geschlecht auf „inter“ zu lauten habe.

b) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr (belangte Behörde) vom 17.05.2016 wurde der Antrag als „unzulässig abgewiesen“, wogegen die bP rechtzeitig Beschwerde erhob.

c) Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ, wurde der Beschwerde stattgegeben und festgestellt, dass der Geschlechtseintrag der bP im Zentralen Personenstandsregister von „männlich“ auf „inter“ zu berichtigen ist.

d) Mit Erlass des Innenministers vom 20.12.2018, GZ BMI-VA1300/0528-III/4/b/2018 wurden die Personenstandsbehörden angewiesen, Geschlechtseinträge jenseits von „männlich“ und „weiblich“ auf „divers“ zu beschränken. Dem Erlass entsprechend wurden Programmierungen im ZPR vorgenommen.

e) Am 06.03.2019 änderte die belangte Behörde den Geschlechtseintrag der bP im ZPR auf „divers“ und übermittelte der bP mit Schreiben vom 29.04.2019 eine Geburtsurkunde mit dem Eintrag „divers“.

f) Mit Schriftsatz vom 07.07.2019 stellte die bP bei der belangten Behörde die Anträge, den Geschlechtseintrag der bP im ZPR auf „inter“ zu berichtigen und eine Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „inter“ auszustellen.

g) Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Steyr vom 18.11.2019, GZ: PSt-6/2017, wurden die Anträge der bP abgewiesen.

Ihre Entscheidung begründet die belangte Behörde – auf das Wesentliche verkürzt – dahingehend, als es ihr faktisch aufgrund der technischen Gegebenheiten des ZPR nicht möglich sei, einen anderen Geschlechtseintrag als „divers“ vorzunehmen. Darüber hinaus sei die bP durch einen solchen Eintrag nicht beschwert.

h) Gegen den zuletzt genannten Bescheid richtet sich die verfahrensgegenständliche Beschwerde, in welcher die bP im Wesentlichen geltend macht, es sei keine relevante Änderung der Sach- oder Rechtslage seit dem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ, eingetreten. Zudem folgen Ausführungen, weshalb der Geschlechtseintrag „inter“ dem Eintrag „divers“ vorzuziehen sei. Die bP beantragt abschließend, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung ihren Anträgen Folge zu geben.

II.a)   Die belangte Behörde hat die Beschwerde unter Anschluss des bezughabenden Verwaltungsaktes, ohne eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen, dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Damit ergibt sich die Zuständigkeit des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich zur Entscheidungsfindung (Art 130 Abs 1 Z 1 iVm 131 Abs 1 B-VG iVm § 3 VwGVG). Gemäß Art 135 Abs 1 erster Satz B-VG iVm § 2 VwGVG entscheidet das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich durch den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Einzelrichter.

b) Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den von der belangten Behörde übermittelten Verfahrensakt und das Beschwerdevorbringen. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte trotz Antrages abgesehen werden, da im Sinne des § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG zum einen der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag zurückzuweisen und zum anderen der angefochtene Bescheid aufgrund der Aktenlage zu beheben ist. Zudem lässt der Akt erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Ferner steht dem Entfall der Verhandlung weder Art 6 EMRK noch Art 47 GRC entgegen.

c) Als Entscheidungsrelevant werden Punkt I.a) bis h) festgestellt.

III.    Rechtliche Beurteilung

Zu I.a)

a) Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Von entschiedener Sache ist allein deshalb schon auszugehen, da die bP durch die neuerliche Stellung des Antrages, den Geschlechtseintrag im ZPR auf „inter“ zu berichtigen, wohl einzig und allein intendiert, die mit der Umsetzung des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ, (aus technischen Gründen) säumige Behörde dazu zu verhalten, die aufgetragene Berichtigung im ZPR vorzunehmen. Es wird sohin von der bP gar keine Abänderung der Entscheidung begehrt, sondern, offenbar verkennend, dass sich ihre bestehende rechtliche Situation allenfalls verschlechtern kann, im Wege der Antragstellung versucht, Druck auf die Behörden aufzubauen.

Vor diesem Hintergrund ist auch festzuhalten, dass die Prüfung der Frage, ob der Antrag einer Partei zurückzuweisen ist oder angesichts des geänderten Sachverhalts eine neuerliche Sachentscheidung ergehen soll, ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen hat, die von der Partei bei der zur Entscheidung in erster Instanz zuständigen Behörde vorgebracht wurden (vgl VwGH 21.12.2016, Ra 2016/10/0135). Daher muss die Partei, will sie eine neuerliche Entscheidung über einen abgewiesenen Anspruch herbeiführen, die wesentlichen neuen Umstände, welche die materielle Rechtskraft zu „durchbrechen“ geeignet sind, selbst geltend machen. Fehlen solche Gründe im Parteienbegehren, ist die Behörde, und damit im Rechtsmittelweg das Verwaltungsgericht, berechtigt, den neuerlichen Antrag wegen entschiedener Sache gem § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 4.6.1991, 90/11/0229; 27.6.2001, 98/18/0297).

Die bP hat es jedoch – wohl, weil eine Abänderung der Entscheidung wie dargelegt gar nicht in ihrem Sinne ist – unterlassen, Gründe anzuführen, welche ihrer Ansicht nach die Rechtskraftdurchbrechung zu rechtfertigen geeignet sind. Der Antrag, den Geschlechtseintrag der bP im ZPR auf „inter“ zu berichtigen, ist daher zurückzuweisen.

b) Darüber hinaus liegen die Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG auch vor, wenn man die bisherigen Überlegungen außer Acht lässt:

Die Zurückweisung eines Anbringens im Sinne der zitierten Bestimmung setzt nämlich voraus, dass gegenüber der Entscheidung, deren Abänderung oder Aufhebung begehrt wird, Identität der Sach- und Rechtslage besteht und sich das neue Parteienbegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl VwGH 9.7.1992, 92/06/0062; 27.5.2004, 2003/07/0100; 17.12.2009, 2008/22/0275).

Identität der Sache liegt nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung dann vor, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, welcher der Vorentscheidung zugrunde lag, nicht wesentlich geändert hat (vgl VwGH 21.2.2007, 2006/06/0085; 24.3.2011, 2007/07/0155; 24.5.2016, Ra 2016/21/0143).

Die bP beantragte erstmalig mit Schreiben vom 07.03.2016, modifiziert mit Schreiben vom 07.05.2016, die sie betreffende Eintragung im ZPR gemäß § 42 Abs 1 und 3 PStG auf „inter“ zu berichtigen. Diesem Antrag wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ, stattgegeben und festgestellt, dass der Geschlechtseintrag der bP im Zentralen Personenstandsregister auf „inter“ zu berichtigen ist. Dass die belangte Behörde in der Zwischenzeit den Geschlechtseintrag auf „divers“ geändert hat, begründet in dieser speziellen Konstellation keine wesentlichen Neuerungen im Tatsächlichen, da die Behörde es sonst in der Hand hätte, durch willkürliche Eintragungen im ZPR die Rechtskraft der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auszuhebeln. Eine Änderung auf Sachverhaltsebene ist daher nicht eingetreten.

Identität der Rechtslage liegt vor, wenn seit der Erlassung der Entscheidung, dessen Abänderung begehrt wird, keine wesentliche, dh die Erlassung einer inhaltlich anders lautenden Entscheidung ermöglichende oder gebietende Modifikation eingetreten ist (vgl VwGH 12.9.2006, 2003/03/0279; 21.6.2007, 2006/10/0093; 29.4.2015, 2012/05/0152).

Die maßgeblichen Bestimmungen des Personenstandsgesetzes (§§ 1, 2, 42 PStG) wurden zwischenzeitig jedoch nicht novelliert, und die Anordnung an die Personenstandsbehörden, Personen mit nicht männlichem oder nicht weiblichem Geschlecht als „divers“ einzutragen, erfolgte nicht im Wege einer Verordnung, welche zweifellos dazu geeignet wäre, die Rechtskraft der Entscheidung vom 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ, auf einen entsprechenden Antrag hin zu durchbrechen. Hinsichtlich des diesbezüglichen Erlasses des Innenministers vom 20.12.2018, GZ BMI-VA1300/0528-III/4/b/2018, reicht es darauf hinzuweisen, dass ein Erlass nicht dazu geeignet ist, Rechte und Pflichten für die Rechtsunterworfenen zu begründen, und dass das Verwaltungsgericht keiner Erlassbindung unterliegt.

Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides ist daher dahingehend abzuändern, als der neuerliche Antrag der bP, den Geschlechtseintrag auf „inter“ zu berichtigen, zurückzuweisen ist.

Zu I.b)

a) Soweit für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ersichtlich, stellte die bP erstmalig mit Schriftsatz vom 07.07.2019 den Antrag auf Ausstellung einer Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „inter“. Auch die belangte Behörde dürfte, nachdem sie den Antrag abweislich erledigt hat, davon ausgegangen sein, dass über einen gleichartigen Antrag noch nicht abgesprochen wurde, wenn die bP auch eine Geburtsurkunde mit dem Geschlechtseintrag „divers“ übermittelt bekommen hat. Entschiedene Sache kann folglich hinsichtlich des Antrages vom 07.07.2019 nicht vorliegen.

Das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 03.07.2018, LVwG-750369/46/MZ, ist mit seiner Erlassung in Rechtskraft erwachsen und entfaltet gemäß § 28 Abs 5 VwGVG entsprechende Bindungswirkung (vgl etwa VwGH 23.5.2017, Ra 2016/10/0148). Da gemäß § 53 Abs 1 PStG Personenstandsurkunden Auszüge aus dem ZPR sind, bedarf es keiner näheren Erläuterung, dass der bP, nachdem die Umstellung des Geschlechtseintrages im ZPR auf „inter“ erfolgt ist, eine entsprechende Geburtsurkunde auszustellen ist.

b) Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich generell keine Möglichkeit zukommt, Eintragungen im ZPR selbst vorzunehmen oder Geburtsurkunden auszustellen. Die Verwaltungsgerichte sind zwar gemäß § 4 PStG als Rechtsmittelinstanz, nicht aber als Personenstandsbehörde im Sinne des § 3 Abs 1 iVm § 44 Abs 1 PStG zu qualifizieren; es bestehen auch tatsächlich keine Zugriffsrechte und Zugriffsmöglichkeiten. Es vermag daher vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich nicht nachvollzogen zu werden, wenn der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.12.2018, Ro 2018/01/0015, in Rz 36 festhält, dass „die Annahme des Verwaltungsgerichts, es könne die beantragte Eintragung nicht selbst vornehmen, zu Unrecht“ bestehe. Die vom Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang zitierte Judikatur betrifft auch Fälle, in welchen bereits die Behörde Berichtigungen im ZPR vorgenommen und das Verwaltungsgericht im Rechtsmittelweg lediglich die Rechtmäßigkeit dieser Berichtigungen bestätigt hat (wenn dies auch der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.1.2018, Ra 2018/01/0003 so nicht entnommen werden kann, sondern diesbezüglich die beim Verwaltungsgerichtshof bekämpften Entscheidungen des Verwaltungsgerichtes Wien nachzulesen sind). Soweit für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ersichtlich, besteht sohin keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zu einem vergleichbaren wie dem vorliegenden Fall.

IV. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil – wie im vorigen Absatz dargelegt – aus hs Sicht Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das Landesverwaltungsgericht, welches Berichtigungen im ZPR nicht selber vornehmen und Urkunden nicht selbst ausstellen kann, in einem derartigen Fall im Wege einer Feststellung zu entscheiden hat. Der Beantwortung dieser Frage kommt über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.

Schlagworte

Personenstandsregister; Geschlechtseintragung; inter; divers; res iudicata; Identität der Sache; Bindungswirkung; Feststellungsentscheidung; Sachentscheidungspflicht

Anmerkung

Alle Entscheidungsvolltexte sowie das Ergebnis einer gegebenenfalls dazu ergangenen höchstgerichtlichen Entscheidung sind auf der Homepage des Oö LVwG www.lvwg-ooe.gv.at abrufbar.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2020:LVwG.750727.5.MZ

Zuletzt aktualisiert am

03.04.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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