Entscheidungsdatum
19.02.2020Norm
AWG 2002 §15 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 10. Juli 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis zur Gänze aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren betreffend die Spruch-
punkte 1. bis 5. gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn vom 10. Juli 2019, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:
„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:
Zeit:
vor dem 13.9.2018
Ort:
Gemeindegebiet ***, ***, Grundstück Nr. ***
Tatbeschreibung:
1. Sie haben das Fahrzeug, Opel Astra, grau lackiert, Fahrgestell-Nr. ***, bei welchem der letzte Pflichttermin für die nationale technische Verkehrssicherheitsprüfung um mehr als zwei Jahre überschritten wurde, die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges übersteigen, von welchem Gefahren für die Sicherheit und Umwelt ausgehen und welches über einen sehr langen Zeitraum nicht werterhaltend gelagert wurde, sohin gefährlichen Abfall, auf unbefestigtem Areal auf dem Grundstück Nr.***, ***, abgestellt, wodurch eine Umweltgefährdung verursacht werden kann und somit weder in einer hiefür genehmigten Anlage noch einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort und daher entgegen § 15 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 gelagert.
2. Sie haben das Fahrzeug, Renault 4L, grau lackiert, bei welchem der letzte Pflichttermin für die nationale technische Verkehrssicherheitsprüfung um mehr als zwei Jahre überschritten wurde, die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges übersteigen, von welchem Gefahren für die Sicherheit und Umwelt ausgehen und welches über einen sehr langen Zeitraum nicht werterhaltend gelagert wurde, sohin Abfall, bei welchem noch Motoröl, Getriebeöl vorhanden war, sohin gefährlichen Abfall, auf unbefestigtem Areal auf dem Grundstück Nr.***, ***, abgestellt, wodurch eine Umweltgefährdung verursacht werden kann und somit weder in einer hiefür genehmigten Anlage noch einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort und daher entgegen § 15 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 gelagert.
3. Sie haben das Fahrzeug, Opel Astra, rot lackiert, bei welchem der letzte Pflichttermin für die nationale technische Verkehrssicherheitsprüfung um mehr als zwei Jahre überschritten wurde, die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges übersteigen, von welchem Gefahren für die Sicherheit und Umwelt ausgehen und welches über einen sehr langen Zeitraum nicht werterhaltend gelagert wurde, sohin gefährlichen Abfall, auf unbefestigtem Areal auf dem Grundstück Nr.***, ***, abgestellt, wodurch eine Umweltgefährdung verursacht werden kann und somit weder in einer hiefür genehmigten Anlage noch einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort und daher entgegen § 15 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 gelagert.
4. Sie haben das Fahrzeug, Renault 4GTL, mehrfärbig lackiert, bei welchem der letzte Pflichttermin für die nationale technische Verkehrssicherheitsprüfung um mehr als zwei Jahre überschritten wurde, die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges übersteigen, von welchem Gefahren für die Sicherheit und Umwelt ausgehen und welches über einen sehr langen Zeitraum nicht werterhaltend gelagert wurde, sohin Abfall, bei welchem noch Motoröl vorhanden war, sohin gefährlichen Abfall, auf unbefestigtem Areal auf dem Grundstück Nr.***, ***, abgestellt, wodurch eine Umweltgefährdung verursacht werden kann und somit weder in einer hiefür genehmigten Anlage noch einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort und daher entgegen § 15 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 gelagert.
5. Sie haben das Fahrzeug, Mercedes, blau lackiert, Fahrgestell-Nr. ***, bei welchem der letzte Pflichttermin für die nationale technische Verkehrssicherheitsprüfung um mehr als zwei Jahre überschritten wurde, die Reparaturkosten den Zeitwert des Fahrzeuges übersteigen, von welchem Gefahren für die Sicherheit und Umwelt ausgehen und welches über einen sehr langen Zeitraum nicht werterhaltend gelagert wurde, sohin gefährlichen Abfall, auf unbefestigtem Areal auf dem Grundstück Nr.***, ***, abgestellt, wodurch eine Umweltgefährdung verursacht werden kann und somit weder in einer hiefür genehmigten Anlage noch einem für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Ort und daher entgegen § 15 Abs.3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 gelagert.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1. § 79 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 Ziffer 1 AWG 2002
zu 2. § 79 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 Ziffer 1 AWG 2002
zu 3. § 79 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 Ziffer 1 AWG 2002
zu 4. § 79 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 Ziffer 1 AWG 2002
zu 5. § 79 Abs. 1 Ziffer 1 i.V.m. § 15 Abs. 3 Ziffer 1 AWG 2002
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafen von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafen von
Gemäß
zu € 850,00
7 Stunden
§ 79 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 102/2002
zu € 850,00
7 Stunden
§ 79 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 102/2002
zu € 850,00
7 Stunden
§ 79 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 102/2002
zu € 850,00
7 Stunden
§ 79 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 102/2002
zu € 850,00
7 Stunden
§ 79 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz BGBl. I Nr. 102/2002“
Weiters wurden dem Beschuldigten die Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens auferlegt.
In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf die Anzeige der PI ***, auf die Rechtfertigung des Beschuldigten, sowie auf das Gutachten des kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen vom 18. September 2018.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
In seiner rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde, eingelangt bei der Bezirkshauptmannschaft Hollabrunn per E-Mail am 08. August 2019, beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung des Straferkenntnisses und brachte insbesondere vor, dass es sich bei den verfahrensgegenständlichen Fahrzeugen nicht um Abfall, sondern um Oldtimer handeln würde.
3. Rechtliche Erwägungen:
§ 44a Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) lautet:
Der Spruch hat, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:
1. die als erwiesen angenommene Tat;
2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;
3. die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;
4. den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;
5. im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Aus diesem Grund ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass
1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat
verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird, und
2. die Identität der Tat unverwechselbar feststeht.
Im Hinblick auf das unverwechselbare Feststehen der Identität der Tat muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Wiederaufnahmeverfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen. Überdies muss der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. VwGH 21.10.1992, 92/02/0140).
Wie vom Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur ausgeführt, haben Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat in Ansehung von Zeit und Ort in der Verfolgungshandlung dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt werden. Das Erfordernis der Konkretisierung des Tatortes darf im Übrigen nicht isoliert gesehen werden, sondern ist in Verbindung mit der Tatzeitangabe zu betrachten (VwGH 24.05.2017, Ra 2017/02/0097).
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem nunmehrigen Beschwerdeführer angelastet, er habe es zu verantworten, dass er „vor dem 13.9.2018“ gefährliche Abfälle gelagert habe. Die Umschreibung der Tatzeit mit dem Ausdruck „vor dem 13.9.2018“ lässt eine konkrete Zeitangabe vermissen. Eine solche wäre schon im Hinblick auf eine allfällige Verfolgungsverjährung erforderlich gewesen, um den Vorgaben des § 44 VStG gerecht zu werden. Damit fehlt es im gegenständlichen Fall gänzlich einer konkreten Tatzeitangabe.
Eine entsprechende Korrektur der Tatanlastung im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich, da dem Beschuldigten sonst ein anderer Sachverhalt zur Last gelegt werden würde. Eine Änderung des Tatvorwurfes erst im Beschwerdeverfahren in Verwaltungsstrafsachen vor dem Verwaltungsgericht stellt eine unzulässige Auswechslung der Tat und eine Überschreitung der "Sache" des Verfahrens iSd
§ 50 VwGVG dar.
Mangels Vorwurf einer konkreten Tatzeitangabe war daher das Straferkenntnis zur Gänze aufzuheben und waren die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen. Da der Beschwerde sohin Folge zu geben war, hat der Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG auch keine Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
4. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung einerseits nicht von der oben zitierten und einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sich andererseits auf den eindeutigen und klaren Gesetzeswortlaut stützen kann (vgl. aus der stRsp zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision in derartigen Fällen z.B. VwGH 29.07.2015, Ra 2015/07/0095) und überdies lediglich eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen war, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. z.B. VwGH 17.10.2016, Ro 2015/03/0035).
Schlagworte
Umweltrecht; Abfallwirtschaft; Verwaltungsstrafe; Tatvorwurf; Konkretisierung; Tatzeit;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.1914.001.2019Zuletzt aktualisiert am
24.03.2020