Entscheidungsdatum
12.11.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
W105 2216838-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald BENDA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , XXXX geb., StA Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. 16-1103531600/160134392, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.08.2019, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF iVm § 2 Abs. 1 Z 15 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass damit
XXXX kraft Gesetz die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
III. Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG 2005 kommt XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter für drei Jahre zu.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger von Afghanistan, stellte am 26.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes vom 27.01.2016 gab der Antragsteller zu Protokoll, usbekischer Volksgruppenzugehörigkeit sowie sunnitisch-islamischen Glaubens zu sein. Im Weiteren gab der Antragsteller auf Befragen an, in Österreich über keinerlei familiäre Bindungen zu verfügen; im Herkunftsstand habe er familiäre Anknüpfungspunkte in Form seiner Eltern, eines Bruders und einer Schwester. Befragt nach seinem Ausreisegrund gab der Antragsteller zu Protokoll wie folgt: "Ich bin vor dem Krieg in Afghanistan geflüchtet. In meinem Bezirk herrschen die Taliban. Sie wollten mich zwingen für sie zu kämpfen. Mir wurde dafür sogar ein Gehalt angeboten. Bei meiner Ablehnung wurde ich dann von ihnen mit dem Tode bedroht. Das war vor ca. zwei Monaten." Für den Fall der Rückkehr befürchte er entweder von den Taliban sogleich getötet zu werden oder würde er in einer Kampfhandlung für die Taliban sterben.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2018 wurde der Antragsteller im Beisein eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen. Auf Befragen führte der Antragsteller an, er habe seit Jahren Schmerzen im Rücken und am Bein und sei er auch diesbezüglich in Behandlung und habe eine Zeit lang Medikamente genommen; jetzt jedoch nicht mehr. Im Weiteren bestätigte der Antragsteller auf Befragen die Richtigkeit seiner bisher getätigten Angaben. Im Zuge dessen gab der Antragsteller an, dass seine Muttersprache nicht Dari, sondern Usbekisch sei und spreche er jedoch genauso gut Dari. Beim Fluchtgrund stehe, dass die Taliban ihn hätten rekrutieren wollen und ihm ein monatliches Gehalt hätten zahlen wollen. Das stimme nicht. Diese Fehler seien ihm bei der Rückübersetzung nicht aufgefallen. Befragt nach familiären Anknüpfungspunkten verwies der Antragsteller auf seine bisherigen Angaben sowie die Existenz seiner Eltern, eines Bruders und einer Schwester im Herkunftsstaat sowie verwies er darauf, dass er noch zwei Onkel mütterlicherseits und zwei Tanten väterlicherseits sowie drei Tanten mütterlicherseits in Afghanistan habe. Weiters bekräftigte er, zuletzt im Lebensmittelgeschäft des Vaters in Maimaneh gearbeitet zu haben. Er sei in der Provinz XXXX geboren und bei seinen Eltern aufgewachsen. Ab dem 7. Lebensjahr sei er mit seiner Familie in Maimaneh gewesen. Er habe zwölf Klassen die Schule besucht und mit Matura abgeschlossen sowie habe er weiters einen Vorbereitungskurs für die Aufnahmeprüfung bei der Universität absolviert. Sie hätten zur besseren Mittelschicht gehört und habe sein Vater das Geschäft und das Gebäude des Geschäftes im Eigentum besessen. Er betreibe eine Fenster-Firma. In anderen Bezirken habe der Vater noch relativ viel Grund; er selbst habe in einem dem Vater gehörenden Lebensmittelgeschäft gearbeitet. Über Befragen gab der Antragsteller im Detail an, dass er in seinem Herkunftsstaat weder von den Behörden oder einem Gericht gesucht werde und sei er niemals Mitglied in einer politischen Gruppierung gewesen bzw. von staatlicher Seite wegen seiner politischen Gesinnung oder wegen seiner Rasse verfolgt worden; ebensowenig wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft sowie einer allfälligen Volksgruppenzugehörigkeit oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Im Detail führte der Antragsteller sodann aus wie folgt:
"A: Mein Leben in Afghanistan war in Gefahr. Das Gebiet woher ich stamme ist traditionell ein Gebiet der Mojaheddin. Die ältere Generation ist noch sehr in der Tradition und im Glauben verhaftet, nicht aber meine Generation. Nach dem Schulabschluss hatte ich ein normales Leben. ich ging arbeiten, nachmittags besuchte ich meine Kurse und am Abend war ich zuhause oder spielte mit Freunden Fußball. Mit der Zeit merkte ich, dass immer mehr meiner Freunde fehlten. Es wurde erzählt, dass sie sich den Taliban angeschlossen hatten. Ich wollte das nicht und hatte Angst, dass ich eines Tages auch aufgefordert werde.
Unser Geschäft war in einem Ort wo ca. 50 Geschäfte waren und auch die Bank Kabul. Von dort bezogen Polizisten und Soldaten ihr Gehalt. Es war ein Ort in dem die Taliban Interesse hatten für Unsicherheit zu sorgen. In dem Markt waren viele Geschäfte und Geldwechsler. Gegenüber war ein Gebäude, im Erdgeschoss waren Geschäfte und darüber die Bank. Mitte 2015 wurden zwei Anschläge dort vereitelt.
Der Talibankommandat unseres Gebietes hieß XXXX . In unserem Gebiet wurden viele Jugendliche angeworben. Meine Freunde versuchten dann auch mich anzuwerben. Sie sagten mir, dass dieser Kommandant möchte, dass ich mit ihnen zusammenarbeite. Ich erzählte es meinen Vater. Er sagte mir, dass die Bedrohungen gegen den Einkaufsbazar auch von diesem Kommandanten ausging. Er erzählte mir auch, dass vor einigen Jahren, als dieser Kommandant noch nicht bei den Taliban war und nur Geistlicher war, er Probleme mit meinem Vater hatte. Es gab Meinungsverschiedenheiten wegen Land das mein Vater geerbt hatte. Ein bis zwei Monate vor meine Reise nach Österreich hat mir dann der Geistliche unserer Moschee den Brief den ich heute vorgelegt habe gegeben. Ich sprach deswegen mit meinem Vater, wir nahmen den Brief nicht sehr ernst. Ich wollte mein ganz normales Leben in Afghanistan weiterführen.
Ich lebte dann eine Zeit lang normal weiter bis es dann vor der Bank zu einem Bombenanschlag kam. Es starben einige Personen. Wieder habe ich mich mit meinem Vater beraten und wir waren eingeschüchtert. Wir konnten aber keine Entscheidung treffen. Zwei bis drei Tage nach dem Bombenanschlag fuhr ich nach der Arbeit mit meinem Motorrad zwischen 7 und 8 Uhr am Abend nach Hause. Es war schon finster. Im Gebiet XXXX haben zwei Personen mir mit der Taschenlampe zu verstehen gegebene, dass ich stehen bleiben soll. Sie waren maskiert und bewaffnet. Ich hatte Angst stehen zu bleiben, ich dachte mir, dass wenn ich stehen bleibe sie mich töten könnten. Ich hatte noch den Brief und die Bombenanschläge im Kopf. Als ich mich ihnen näherte habe ich Gas gegeben und fuhr an ihnen vorbei. Ich hörte dann hinter mir Schüsse. Ich weiß nicht, ob sie auf mich oder in die Luft geschossen haben. Als ich zurück sah verlor ich die Kontrolle über das Motorrad. Ich fuhr dann in den Straßengraben und fuhr gegen die Wand eines Obstgartens der dort war und fiel in den Graben. Mein Rückproblem stammt von jener Zeit.
Die zwei kamen dann zu mir, setzten mir den Lauf der Kalanschikov auf die Brust. Sie sagten mir auf Usbekisch, dieses mal hätten sie in die Luft geschossen, wenn ich nicht mit ihnen zusammenarbeite werde sie mir in den Kopf schießen. Das ist eine Warnung von XXXX . Ich rief dann meinen Vater und sagte, dass ich einen Unfall hatte und er mich abholen soll. Mein Vater brachte mich dann in die Klinik. Ich bekam eine Infusion und eine Schmerztablette. Am nächsten Tag konnte ich nach Hause. Ich erzählte dann meinen Vater was passiert war. Ich beschloss dann Afghanistan zu verlassen und mein Vater stimmte meiner Entscheidung zu. Ich blieb dann noch die eine Nacht zuhause und verabschiedete mich von der Familie. Am nächsten Morgen um drei Uhr in der Früh stieg ich dann in den Bus nach Kabul. In Kabul angekommen stieg ich in den Bus nach Namrouz.
(Ende der freien Erzählung)
F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot im Beschwerdeverfahren aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals, ob Sie noch etwas Asylrelevantes angeben möchten oder etwas vorbringen möchten, was Ihnen wichtig erscheint, ich jedoch nicht gefragt habe?
A: Einen Monat nachdem ich in Österreich angekommen bin hatte ich dann Kontakt zu meinem Vater. Er erzählte mir, dass nachdem ich Afghanistan verlassen hatte mein Bruder mitgenommen wurde. Bis heute wissen wir nicht, wie es ihm geht. Nachdem Sie meinen Bruder mitgenommen hatten war mein Vater bei den Sicherheitsbehörden und hat Anzeige erstattet. Er zeigte den Behörden den Drohbrief der Taliban. Auf mein Bitten hin hat er mir dann die Unterlagen nach Österreich geschickt. Ansonsten habe ich alles gesagt. Ich habe keine weiteren Gründe mehr vorzubringen.
F: Gab es jemals bis zu den besagten Vorfällen auf Sie irgendwelche Übergriffe oder ist an Sie persönlich jemals irgendwer herangetreten?
A: Davor hatte ich keinerlei Probleme.
Aufforderung: Geben Sie detailliert an, was in diesem Drohbrief genau steht.
A: Ich werde namentlich erwähnt. Es steht drinnen, dass ich mich ihnen anschließen soll, um in den Heiligen Krieg zu ziehen. Wenn nicht, würden Sie mich töten.
F: Aus welchem Grund haben Sie den Drohbrief bei Ihrer Flucht nicht mitgenommen?
A: Einerseits war ich so aufgeregt, dass ich ihn nicht mitnahm. Andererseits dachte ich mir damals schon, dass es vielleicht unterwegs verloren gehen könnte ich es mir nachschicken lassen kann.
F: Woher wussten die maskierten Personen, dass Sie dort im Dunkeln mit dem Motorrad vorbeifahren?
A: Erstens weil es mein täglicher Weg war und sie sicherlich wussten wie meine Gewohnheiten waren. Andererseits sind die Taliban in unserem Gebiet alles Usbeken. Ich denke dass einer der zwei Jugendlichen, die mich sogar kannte, auch der Talibankommandant ist ein Usbeke.
F: Aus welchem Grund kamen die Taliban nicht einfach zu Ihnen nach hause?
A: Ich denke, dass Sie mich alleine antreffen wollten. Zuhause wären meine Eltern mein Vater und mein Bruder dabei gewesen. Durch das anhalten unterwegs wollten sie mich einschüchtern. Ich hatte zwar nie direkt zu jemanden gesagt, dass ich nicht mit ihnen zusammenarbeiten werde. Aber ich habe mich in dieser Zeit auch nicht ihnen angeschlossen.
Aufforderung: Beschreiben Sie den Vorfall mit dem bewaffneten Personen und dem Motorrad unter Angaben aller Details so genau wir möglich. Wie war der genaue Ablauf? Was genau ist passiert?
A: Es war abends. Nachdem ich das Geschäft zusperrte fuhr ich in der Dunkelheit nach Hause. Es war Anfang vom Winter aber die Straße war trocken. Es ist eine Schotterstraße im Gebiet Emem Shaeb blinkten die zwei mich mit der Taschenlampe an. Das war das Signal, dass ich stehen bleiben soll. Ich befürchtete, dass wenn ich stehen bleibe sie mich mitnehmen, töten oder vergewaltigen könnten. Also beschloss ich zumindest es zu versuchen zu entkommen. Als ich mich ihnen näherte habe ich gas gegeben. Ich fuhr vorbei und hörte hinter mir dann Schüsse. Als ich die Schüsse hörte wurde ich nervös und verlor die KOntrolle über das Motorrad. ich fuhr dann rechts in den Straßengraben. Das Vorderrad blieb stecken und ich überschlug mich. Ich flog über die Motorradgabel in Richtung der Mauer. Es war eine Erdmauer, ich schlug dagegen und viel in den Graben. Mir wurde dann schwarz vor den Augen, der Körper wurde heiß. Die zwei kamen dann zu mir, setzten den Gewehrlauf auf meine Brust und sagten, dass Sie das nächste mal nicht mehr in die Luft schießen würden, sondern mir einen Kopfschuss verpassen würden. Dies ist eine Warnung von Mullah Jousof.
F: Aus welchem Grund besteht von den Taliban das besondere Interesse daran, dass Sie für sie kämpfen sollen?
A: Sie hatten nicht ausschließlich an mir interesse. Sie haben es bei allen Jugendlichen versucht sie anzuwerben. Ich hatte keine besonderen Fähigkeiten für sie, ich war kein Scharfschütze oder Rambo.
F; Wann genau wurde die Anzeige von Ihrem Vater aufgegeben?
A: Das genaue Datum weiß ich nicht. Es war nachdem sie meinen Bruder mitgenommen hatten. Es war nach meiner Ausreise aus Afghanistan. Mein Bruder wurde an meiner Stelle mitgenommen.
F: Wo genau, bei welcher Polizeistation wurde
A: Bei der Sicherheitskommendatur von Maimaneh.
F: Können Sie Ihr Vorbringen mit Beweismitteln untermauern?
A: Nein.
F: Haben Sie sich bezüglich der erwähnten Probleme jemals an die staatlichen Behörden oder anderweitige Organisationen gewandt und diese um Hilfe ersucht?
A: Nein. Anfänglich habe ich das nicht ernst genommen. Dann bin ich geflüchtet. Aber mein Vater hat wegen den Bedrohungen wegen des Geschäftes mit der Polizei gesprochen aber die Polizisten konnten nichts machen.
Aufforderung: Der erste Schritt ist, dass man sich an die Sicherheitsbehörden in seinem Land wendet, wenn man Hilfe benötigt. Aus welchem Grund haben Sie sich nicht an die Polizei gewandt?
A: Mein Vater hatte den Drohbrief zu der Polizei mitgenommen gehabt, aber sie konnten nichts tun.
F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?
A: Wenn ich zurückgehe werde ich sicherlich getötet, weil ich nicht mit ihnen zusammengearbeitet habe.
F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?
A: Nein.
F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?
A: Weil ich auch in anderen Städten nicht in Sicherheit wäre. ich müsste mich die ganze Zeit zuhause einsperren. Weil Sie könnten mich auch in anderen Städten finden.
Aufforderung: Erklären Sie, wie Sie die Taliban in Kabul finden soll.
A: Auch wenn ich die ersten Monate dort sicher Leben könnte müsste ich nach eine gewissen Zeit meine Identität preisgeben, um Arbeiten oder studieren zu können. Man weiß auch nie ob gegenüber ein Spion der Taliban ist. Sie würden mich finden.
Vorhalt: Heuten gaben Sie an, dass Sie sehr spontan sich dazu entschlossen haben, in Österreich einen Asylantrag zu stellen. Bei der Erstbefragung gaben Sie an, dass ihnen Bekannte, welche schon länger in Österreich sind, ihnen dazu geraten hätte.
F: Wie erklären Sie das?
A: Der Dolmetscher wird das falsch verstanden haben. Alle meine Freunde und Bekannte die ich in Österreich habe, habe ich nach meiner Einreise kennengelernt. Die Entscheidungsfindung war so wie ich es heute erklärt habe.
Vorhalt: Bei der Erstbefragung bei der Polizei haben Sie den Drohbrief den Sie erhalten haben mit keinem einzigen Wort erwähnt.
F: Wie erklären Sie das?
A: Bei der ersten Einvernahme war ich sehr müde und ich wurde aufgefordert kurz zu sagen warum ich Afghanistan verlassen habe, was ich dann auch tat.
F: Aus welchem Grund haben Sie dann den Entscheidungsrelevanten Vorfall, der Vorfall mit den bewaffneten Personen und dem Motorrad, mit keinem einzigen Wort bei der Erstbefragung erwähnt?
A: Ja, ich hatte das nicht gesagt, weil ich aufgefordert wurde meinen Fluchtgrund ganz kurz zu erzählen.
F: Aus welchem Grund schickt Ihnen ihr Vater die Tazkira, die Anzeige und den Drohbrief im Original und die Schulzeugnisse lediglich in guten Farbkopien?
A: Das stimmt. Die Schulzeugnisse hatte er verloren und er hatte nur mehr die Kopien. Ich hatte die originale angefordert, diese hatte er nicht.
F: Aus welchem Grund sind Sie bis heute nicht zur Afghanischen Botschaft in Wien gegangen um sich einen afghanischen Reisepass ausstellen zu lassen, welcher Ihre Identität bestätigen würde?
A: Ich wusste nicht, dass ich das muss. Ich will ja auch nicht verreisen und brauche deshalb keinen Reisepass."
Im Rahmen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahren legte der Antragsteller eine sogenannte Tazkira, ein Maturazeugnis sowie weitere Schulzeugnisse, eine Anzeigeschrift sowie einen Drohbrief der Taliban vor. Im Weiteren legte der Antragsteller medizinische Unterlagen zu den von ihm ins Treffen geführten Schmerzen in Rücken und beiden Beinen vor.
Im Rahmen der durchgeführten niederschriftlichen Einvernahme vom 11.01.2019 wurde der Antragsteller neuerlich zu seinen Beschwerden befragt und verwies er auf eine regelmäßige Behandlung in einem Gesundheitszentrum sowie auf verordnete Medikamente. Die Probleme würden aus einem Motorradunfall resultieren.
Im Weiteren legte der Antragsteller eine Reihe von Unterlagen vor; insbesondere zu einer begonnenen Lehre als Restaurantfachmann. Weiters berichtete der Antragsteller darüber, Deutsch zu lernen und wolle er direkt die C1-Prüfung machen. So absolviere er eben die angesprochene Lehre sowie besuche er die Berufsschule und wolle dazu auch noch die Matura machen.
2. Mit Bescheid vom 28.02.2019 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (AsylG) idgF (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. ab (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF erlassen (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.), und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde zusammengefasst zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass dem Fluchtvorbringen des BF die Glaubhaftigkeit abgesprochen worden sei. In Bezug auf Spruchpunkt II. wurde festgehalten, dass im vorliegenden Fall eine sogenannte innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul, Mazar-e Sharif und Herat in Frage komme und sei dort die Sicherheitslage relativ stabil und könne er diese Städte sicher erreichen. Im Weiteren wurde sinngemäß darauf Bezug genommen, dass der Antragsteller an den genannten sicheren Orten seine Grundbedürfnisse decken könne und wurde darauf Bezug genommen, dass der Antragsteller aufgrund vorliegender Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation hinsichtlich seiner medizinischen Probleme die Versorgung gewährleistet sei. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass er nach Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Lebenssituation geraten würde. In diesem Zusammenhang wurde konkret auf die Umstände in den Städten Mazar-e Sharif und Herat Bezug genommen.
Im Weiteren wurde ausgeführt, dass der Antragsteller in Österreich über keine familiären Bindungen verfüge. Die von ihm getätigten Integrationsbemühungen seien im vorliegenden Fall noch nicht relevant.
3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Der Antragsteller habe sein ursprüngliches Vorbringen, nämlich vor der Aufforderung der Taliban für diese zu kämpfen, ausgereist zu sein im Rahmen seiner weiteren niederschriftlichen Einvernahmen wiederholt. Der Beschwerdeführer habe im Wesentlichen angegeben, aus einem traditionellen Gebiet der Mujaheddin zu stammen und seien bereits viele Jugendliche und auch Freunde des Beschwerdeführers von einem namhaft gemachten Taliban-Kommandanten angeworben worden. Auch der Antragsteller sei angeworben worden und habe ihm sein Vater mitgeteilt, dass die Bedrohungen ebenso vom genannten Kommandanten ausgingen, mit welchem der Vater des Beschwerdeführers Meinungsverschiedenheiten aufgrund von geerbten Liegenschaften habe. Ein bis zwei Monate vor der Ausreise sei dem Antragsteller ein Drohbrief von einem Geistlichen der Moschee übergeben worden. In diesem Brief sei der Beschwerdeführer namentlich erwähnt und zum Anschluss bzw. Mitarbeit aufgefordert worden. Er sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen und habe er versucht, sich nicht einschüchtern zu lassen. An einem späten Abend sei der Antragsteller von zwei maskierten und bewaffneten Männern zum Anhalten aufgefordert worden. Er habe sich mit seinem Motorrad langsam genähert und anschließend beschleunigt, da er um sein Leben gefürchtet habe. In weiterer Folge seien Schüsse gefallen und habe er die Kontrolle über das Motorrad verloren und sei es zum Sturz gekommen. Wegen der hieraus resultierenden Verletzungen sei er nach wie vor in Behandlung. Die zwei Männer hätten ihn daraufhin gesucht und ihm den Lauf einer Kalaschnikow auf die Brust gesetzt und ihm gedroht, ihm mit einem Kopfschuss zu töten, wenn er die Zusammenarbeit mit den Taliban verweigere. Die Drohung hätten die beiden Männer im Namen des Taliban-Kommandanten überbracht. In weiterer Folge sei der Beschwerdeführer von seinem Vater in eine Klinik gebracht worden und sei er jedoch am darauffolgenden Morgen aus seinen Heimatland geflüchtet.
Zu seinem Aufenthalt in Österreich werde ausgeführt, dass der Antragsteller sich konsequent engagiere und an seiner Integration arbeite und werde ihm eine überdurchschnittliche Integration attestiert. Der Antragsteller habe bereits mehrere Deutschkurse besucht sowie zuletzt A2 abgelegt. In der Zwischenzeit habe er durch intensives Lernen seine Kenntnisse der deutschen Sprache wesentliche verbessert und werde er alsbald zur Prüfung C1 antreten. Darüber hinaus habe er ehrenamtlich in der Volkshochschule als Lernbegleiter gearbeitet und sei er auch gemeinnützig tätig gewesen. Er habe sich nach Besuch einer Abendschule an einem Gymnasium um eine Beschäftigungsbewilligung bemüht und absolviere er derzeit die Berufsschule und eine Lehre als Restaurantfachmann.
Inhaltlich wurde ausgeführt, dass aus dem vorgelegten Drohbrief auf eine Verfolgung hätte geschlossen werden müssen. Es sei zwar richtig, dass die Taliban es größtenteils aufgegeben hätten, mit Drohbriefen vorzugehen und sei ein Großteil der derartigen Drohbriefe gefälscht; trotzdem hätte eine konkrete Auseinandersetzung mit den vorgelegten Drohbriefen und einer Durchsuchung auf etwaige Merkmale einer Fälschung erfolgen müssen. Es sei jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgeschlossen, dass der vorgelegte Drohbrief echt sei. Die Behörde habe insofern jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen. Die Behörde habe sich des Weiteren unzureichend mit der Situation in Afghanistan auseinandergesetzt: So sei die Sicherheitslage in Afghanistan weiterhin volatil und sei es zu keiner signifikanten Verbesserung gekommen. Die Zahl der zivilen Opfer sei weiterhin hoch und komme es im ganzen Land zu sicherheitsrelevanten Vorfällen. Weiterhin würden am Arbeitsmarkt prekäre Bedingungen herrschen und sei die Situation von IDPs sowie Rückkehrer schwierig. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf Statistiken von UNAMA. Im Hinblick auf die Situation in Mazar-e Sharif verwies der Antragsteller darauf, dass seit Mai 2018 von internationalen Organisationen und auch staatlichen afghanischen Stellen vor einer neuerlichen Dürrekatastrophe gewarnt werde. Weiters wurde auf die Ernährungssituation sowie die Preisentwicklung für Nahrungsmittel hingewiesen. Zur Lage in Herat wurde ausgeführt, dass bereits eine große Zahl an Menschen aufgrund der Dürre im Zuge einer Landflucht sich nach Herat begeben hätten und habe sich unter anderem in einem im September durchgeführten Workshop in Herat-Stadt ergeben, dass die Mehrheit der vertriebenen Männer keine Existenzgrundlage finden würden. Auf den massenhaften innerstaatlichen Flüchtlingsstrom in die Zentren Herat und Mazar-e Sharif wurde verwiesen, inklusive der sich daraus ergebenden angespannten Situation und der sich ergebenden Probleme.
Im Weiteren legte der Antragsteller unter anderem ein Jahreszeugnis einer österreichischen Fachberufsschule und eine Bestätigung des Wirtschaftsförderungsinstitutes der Wirtschaftskammer XXXX für die Berufsreifeprüfung Vorbereitungskurs vor.
4. Der Antragsteller wurde sodann zur anberaumten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht für den 14.08.2019 vorgeladen.
Im Rahmen der abgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 14.08.2019 wurde dem Antragsteller Gelegenheit geboten, zu seinem Integrationsstand, seiner Person, seinen Ausreisegründen sowie weiteren Umständen Stellung zu nehmen.
Das Beschwerderechtsgespräch gestaltete sich wie nachstehend:
Beginn der Befragung
I. Zum aktuellen Zustand des BF:
R: Wie geht es Ihnen gesundheitlich (sowohl in psychischer als auch in physischer Hinsicht [die Begriffe werden mit dem BF abgeklärt, sodass ihm diese geläufig sind]): Sind Sie insbesondere in ärztlicher Behandlung, befinden Sie sich in Therapie, nehmen Sie Medikamente ein?
BF: Es geht mir gut, aber ich habe Kreuzschmerzen, aber das ist fast normal.
II. Zum Verfahren vor dem BFA bzw. den Organen des öffentlichen
Sicherheitsdienstes:
R: Sie wurden bereits beim BFA bzw. vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes (Polizei) niederschriftlich einvernommen. Haben Sie dort immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?
BF: Ich habe die Wahrheit angegeben und halte alles aufrecht. Es waren ein paar Kleinigkeiten, der den Unterschied bei der Ersteinvernahme und bei der Einvernahme im Jahr 2018. Die Unterschiede wurden aus der Welt geschafft und erklärt.
R: Wurden Ihnen die Niederschriften, die die Polizei im Rahmen der Erstbefragung und das BFA im Zuge Ihrer Einvernahme mit Ihnen aufgenommen haben, rückübersetzt?
BF: Ja.
III. Zur persönlichen Situation des BF:
a) in Österreich:
R: Leben Sie in Österreich alleine oder leben Sie mit jemandem zusammen? Wie ist Ihre aktuelle Wohnsituation? Leben Sie in einer Flüchtlingspension?
BF: Ich lebe noch immer in einem Asylheim. Aber pro Woche bin ich drei bis vier Mal bei meiner Freundin.
R: Sprechen Sie auch schon ein wenig Deutsch? Welches Sprachniveau haben Sie? Besuchen Sie Sprachkurse oder sonstige Kurse, Schule, Vereine oder Universität?
BF (auf Deutsch): Ich habe Anfang 2017 die Deutschprüfung A2 gemacht, sehr gut. Ich war in der Schule im Abendgymnasium und dann habe ich selber weiter gelernt, Bücher gekauft und auf YouTube gelernt.
R: Habe Sie in Österreich familiäre Bindungen?
BF: Nein.
R: Wie sieht Ihr Kontakt zu Ihren Familienangehörigen aus?
BF: Ich habe zwar Kontakt aber nicht regelmäßig ca. alle zwei Monate ein Mal.
R: Gehen Sie in Österreich einer Beschäftigung nach?
BF: Zurzeit habe ich eine Ausbildung in einem Restaurant. Früher habe ich auch sehr viel ehrenamtlich gearbeitet und 10 Monate habe ich an der VHS XXXX als Lernbegleiter ehrenamtlich gearbeitet.
R: Haben Sie in Österreich schon einmal Probleme mit der Polizei oder Staatsanwaltschaft gehabt?
BF: Nein, nie.
R: Mir liegt eine Strafregisterauskunft zu Ihrem Namen vor, wobei auch das Geburtsdatum auch übereinstimmend ist.
Nennen Sie mir bitte den Vornamen Ihrer Eltern.
BF: Vater: Abdullhaq Mutter: Abeda
R: Mir liegt ein Strafregisterauszug vor, jedoch mit unterschiedlichen Vornamen der Eltern. R verliest die Vornamen.
BF: Das sind nicht meine Eltern.
RV: Mein Mandant ist unbescholten. Laut Strafregisterauskunft wurde die Strafe auch vollzogen. Dies müsste auch im Zentralen Melderegister aufscheinen. Außerdem ist auffallend, dass sämtliche Straftaten von Gerichten in XXXX verurteilt wurden.
BehV: Ich habe über eine Verurteilung keine Informationen.
R: Das Gericht kann sich auf Grund Ihrer Angaben nunmehr ein Bild über ihre privaten sowie familiären Bindungen in Österreich machen und erscheinen hierzu seitens des Gerichts keine weiteren Fragen offen. Wollen Sie sich noch weitergehend zu Ihren privaten und familiären Bindungen in Österreich bzw. ihrer Integration äußern?
BF: Ich habe nichts mehr zu sagen, aber wie ich vorhersagte, will ich das erklären was neu dazugekommen ist. Hier gibt es nichts Neues.
b) im Herkunftsstaat:
R: Im angefochtenen Bescheid des BFA wurde u.a. bereits festgestellt, dass Sie aus Afghanistan stammen. Geben Sie bitte nochmals an, welcher Volksgruppe und Religionsgemeinschaft Sie angehören? Welche Sprachen sprechen Sie?
BF: Ich stamme aus der Provinz XXXX in Nordafghanistan. Meine Mutter Sprache ist Usbekisch und ich spreche genauso Dari/Farsi. Ich bin Usbeke mit Sunnitischer Glaubensrichtung.
R: Erzählen Sie mir etwas von Ihrem Leben in Afghanistan: Wo sind Sie geboren und aufgewachsen?
BF: Ich bin in der Provinz XXXX im Dorf XXXX . Ich bin dort geboren und aufgewaschen bis zu meinem 7. Lebensjahr. Dann sind wir in die Hauptstadt XXXX gezogen. Dann waren wir dort bis 2009.
R: Welche Schulbildung haben Sie?
BF: Ich bi 9 Jahre Sacondary School und dann drei Jahr High School, Ich habe in Afghanistan noch nicht gearbeitet während des Schulbesuchs. Danach habe ich Verkäufer im Lebensmittelhandel beschäftigt. Das war unser eigenes Geschäft. Mein Vater hatte das Geschäft und sogenannte Investments das waren auch Häuser und Grundstücke. Das war in der Provinzhauptstadt XXXX .
R: Wohnen in Ihrem Heimatdorf oder auch in XXXX ausschließlich Usbeken oder auch andere Volksgruppenangehörige?
BF: In XXXX sind hauptsächlich Usbeken. Und im Dorf sind auch Paschtunen und Hazara. Die Meisten sind aber dort auch Usbeken.
R: Welche Verwandten haben Sie und wo leben diese?
BF: Meine Verwandten leben auch in der gleichen Provinz in XXXX . Ich habe von der Mutterseite drei Tanten und zwei Onkel. Vom Vater habe ich zwei Tanten und einen Onkel habe ich aber der lebt nicht in Afghanistan, sondern im Ausland. Meine Eltern wohnen noch im Herkunftsdorf.
R: Was hat Ihre Flucht gekostet und wer hat die Flucht finanziert?
BF: Finanziert hat das mein Vater. Es waren insgesamt 3000 Dollar glaube ich.
R: Waren Sie in Ihrem Heimatland politisch tätig oder gehörten Sie einer politischen Partei an?
BF: Nein.
R: Hatten Sie persönlich jemals Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) Ihres Heimatlandes?
BF: Nein.
R: Gab es in Afghanistan persönliche Bedrohungen?
BF: Ja.
R: Wurden Sie in Ihrem Heimatland wegen Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder Ihrer Religion verfolgt?
BF: Nein.
R: Haben Sie sich in Afghanistan, jemals außerhalb Ihrer Heimatprovinz, zum Beispiel in Kabul-Stadt, Herat oder in Mazar-e Sharif gewohnt oder sich aufgehalten?
BF: Nein. Ich war auf der Flucht in Kabul unterwegs.
IV. Fluchtgründe des BF:
R: Können Sie nun schildern, warum Sie Afghanistan verlassen haben?
BF: Weil mein Leben in Gefahr war.
R: Wie hat es sich dann entwickelt?
BF: Am Anfang habe ich ein normales Leben gehabt. Ich bin täglich ins Geschäft gegangen. Nach der Schule habe ich den Vorbereitungskurs zum Studieren gemacht.
R: Welche konkrete Bedrohung gegen Ihre Person würden Sie jetzt befürchten, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?
BF: Wenn ich jetzt zurück nach Afghanistan gehe, man weiß zwar nicht was in Zukunft passiert, aber nach meinem Gefühl und meiner Einschätzung kann ich dort nicht leben. Ich fürchte mich vor den Taliban.
R: Gibt es konkrete Anhaltspunkte für Ihre Befürchtungen, oder nehmen Sie das nur an?
BF: Wie ich schon sagte, wir haben ein normales Leben gehabt. Ich ging täglich ins Geschäft, nachmittags habe ich immer einen Kurs gehabt. Am Abend sind wir ins Dorf zurückgegangen. Es ist etwa 6 km von der Stadt entfernt. Ich habe auch ein bisschen das Leben genossen und auch z.B. nach der Arbeit und freitags mit den Freunden Fußball gespielt. Im Laufe der Zeit wurde die Zahl meiner Freunde immer weniger. Ich habe die andren gefragt, wo die anderen wären. Sie haben gesagt, sie sind mit den Taliban gegangen sind in den heiligen Krieg. Die Freunde und Kollegen haben manchmal gesagt, wir werden auch einmal an der Reihe sein. Deswegen habe ich auch Angst gehabt, ehrlich gesagt. Natürlich wollte ich nicht mit denen zusammenarbeiten. Ich muss dazu sagen, dass unser Geschäft im Zentrum in XXXX gewesen ist. Wo wir unser Geschäft hatten, war ein Markt und gegenüber der anderen Seite gab es Banken und große Büros. Gegenüber von uns hat die Kabul Bank auch eine Filiale gehabt und dann waren ein paar Wechselstuben. Normalerweise alle Leute die mit dem Staat zusammenarbeiten, Militär, Lehrer etc. beziehen die Gehälter von der Kabul Bank in unserer Nähe. Aus diesem Standpunkt raus, war es sehr interessant für die Taliban. Im Jahr 2015 hat es mindestens zwei Selbstmordanschläge gegeben. Es gab viele Tote und viele Verletzte. Das Gebäude gehörte meinem Vater und wir haben es der Kabul Bank vermittelt gehabt. In diesen Selbstmordanschlägen hat der Talibankommandanten XXXX übernommen. Er ist jemand, der bei den Taliban was zu sagen hat. Die jungen Menschen wie meine Freunde und Kollegen, sind von dieser Person rekrutiert worden. Warum ich über den Kommandanten spreche, weil es eine Verbindung zu früheren Zeit, wo er kein Kommandant war, er hatte mit uns wegen eines Grundstückes Streitigkeiten gehabt. Diese Grundstücke liegen im Distrikt XXXX und XXXX , deshalb hat diese Person kannte meinen Vater als auch mich. Das war das Problem von dieser Person. Ca. zwei Monate bevor ich meine Heimat verlassen musste, hatte ich einen Brief der Mula meines Ortes bekommen. Auf dem Brief steht, dass man von mir verlangt hat, dass ich mit ihnen zum Jihad werde oder ich getötet werde.
Die Übersetzung des Briefes AS A63 wird verlesen.
R: Wie haben Sie sich nach Erhalt des Briefes verhalten?
BF: Meine erste Reaktion gegenüber dem Brief war, dass ich mit meinem Vater darüber gesprochen habe. Wir haben den Brief aber nicht ernst genommen.
R: Erklären Sie mir, warum haben Sie sich keine Sorgen gemacht?
BF: Es waren immer Explosionen und Anschläge, wir haben, dass alles gesehen und erlebt und haben das deshalb nicht ernstgenommen, meine Generation, wir sind alle im Krieg aufgewachsen. Das ist die Situation bei uns.
Wir haben versucht, das Leben normal weiter zu führen. Nach einiger Zeit war noch ein Selbstmordanschlag. Die Explosion war an unserem Markt in der Gegend wo wir auch unser Geschäft hatte. Es war genau am Eingang des Marktes und ist beim Geschäft neben dem Eingang. Ca. drei Tage nach dieser Explosion, war ca. 19:00 Uhr und 20:00 Uhr ich wollte nach Hause gehen. Ich war unterwegs, es war Anfang Winter. Ich war mit dem Motorrad unterwegs. An diesem Tag hat es nicht geregnet oder nicht geschneit. In unserem Geschäft und in unserem Dorf wo wir wohnten gibt es auch andere Orte am Weg ins Heimatsdorf, da musste man durchfahren. Es gibt einen Ort namens XXXX , ich bin dort angekommen. Ich habe zwei Leute auf beiden Seiten der Straße bemerkt. Die haben auch Taschenlampen gehabt und die haben mir ein Zeichen gegeben, dass ich stoppen soll. Als ich mich näherte, sie waren beide vermummt. Sie waren auch bewaffnet. Nachdem sie mir ein Zeichen gegeben haben, hatte ich Angst. Ich wusste nicht, werde ich getötet oder vergewaltigt oder mitgenommen. Davor habe ich auch schon den Brief bekommen, das war in meinem Kopf. Ich bin nicht stehen geblieben. Ich bin nur langsamer geworden. Dann habe ich mir gedacht ich muss flüchten und bin weitergefahren. Ich habe Schüsse gehört und dann bin ich nervös geworden habe die Kontrolle verloren und bin gestürzt. In unseren Dörfern gibt es Obstgärten, da war so eine Mauer. Jede Straße hat einen Graben und mein Motorrad ist in den Graben gefallen und ich bin an der Wand angeschlagen und auf den Boden gefallen. Dann war alles vor den Augen schwarz. Ich konnte mich nicht bewegen. Als ich meine Augen aufgemacht habe. Habe ich die zwei Personen gesehen und haben die Kalaschnikow an den Kopf gehalten. Sie haben die gleiche Sprache gesprochen wie ich. Sie waren nach der Stimme jung und haben gesagt, das war eine Warnung von XXXX . Dieses Mal hätten sie in die Luft geschossen und das nächste Mal in meinen Kopf. Dann habe ich meinen Vater angerufen ich habe nur gesagt ich hätte einen Unfall gehabt und er soll mich abholen. Ich bin dann ins Krankenhaus gefahren und dort habe ich eine Infusion bekommen und Schmerzmittel. Wir haben dann, dass alles ernstgenommen und entschieden das ich flüchten muss.
R: Warum sind Sie nicht nach Kabul gegangen?
BF: Für die Taliban ist es gar nicht so schwierig jemanden zu suchen und zu finden.
R: Wohin würde man als erster gehen, wenn man den Staat verlassen muss?
BF: Ich habe in meinem Kopf so gedacht, ich gehe wohin wo ich als Mensch ernstgenommen werde. Im Iran habe ich gedacht, wird man nicht als Mensch behandelt, sondern als Arbeitskraft eingesetzt. Die meisten werden als Moderne Sklaven behandelt.
RV: Wir können hier nicht die Zumutbarkeit eines Aufenthaltes im Iran oder Pakistan prüfen.
BF: Wenn ich in den Iran gegangen wäre, mit den Rücken ich habe, hätte ich auf der Baustelle arbeiten müssen mit meiner Verletzung hätte ich das nicht können und wäre wieder abgeschoben worden. Ich muss dazu sagen, es gibt dort auch rassische und auch religiöse Probleme.
R: War Österreich Ihr Ziel Staat?
BF: Nein. Mein Ziel war, ein Staat, in dem ich als Mensch normal leben kann. In der Türkei muss man beispielweise auch schwarz Arbeiten.
R: Haben Sie zu keinem Zeitpunkt darüber nachgedacht einen Ortswechsel innerhalb Afghanistan in Sicherheit zu bringen?
BF: Das ist nicht möglich gewesen, weil diese Person hätte mich überall finden können. Ich wollte nur soweit wie möglich von dort weg und mich in Sicherheit bringen.
R: Haben Sie auch noch Geschwister im Herkunftsstaat?
BF: Ja. Es wohnen dort meine Eltern und meine kleine Schwester. Mein Bruder ist gestorben.
R: Warum ist er gestorben?
BF: Als ich nach Europa gekommen bin ... (weint) Er ist schon
verstorben. (Spricht auf Dari weiter) Als ich in Österreich angekommen bin, habe ich einen Monat später meinen Vater angerufen um ihn Bescheid zu sagen, dass ich in Österreich angekommen bin. Mein Vater hat mir in diesem Gespräch erzählt, als ich weg war sind die Taliban gekommen und haben ihn mitgenommen. Nach einiger Zeit wussten sie nicht wo er ist oder bei wem er genau ist. Es war Juni des heurigen Jahres als ich meinen Vater angerufen habe. Mein Vater sagte mir, dass er durch die jungen Freunde aus dem Ort Bescheid gewusst hätten, dass mein Bruder verstorben wäre.
R: Wissen Sie etwas über die näheren Umstände?
BF: Ich glaube, dass er an der Front ums Leben gekommen ist.
RV: Ich verweise darauf, dass der BF das bereits berichtet hat, bis auf die neuere Information vom Tod des Bruders (Hinweis auf Bescheid Seite 11 unten).
R: War Ihr Vater während der Zeit Ihres Aufenthaltes hier in Österreich konkreten Bedrohungen ausgesetzt?
BF: Wenn ich das so sagen würde, er wird fast jeden Tag bedroht. Außerdem weiß ich, dass er auch kein gutes Leben hat, weil ich weg bin und mein Bruder tot ist und er leidet unter dem Verlust von mir und meinem Bruder und unter der allgemeinen Situation der allgegenwärtigen Selbstmordanschläge.
R ich verweise Sie nun hinsichtlich der zugrundeliegenden Länderinformationen auf den Inhalt des aktuellen Länderinforamtionsblattes vom Juni 2019 sowie auf die aktuellen GuideLines des UNHCR sowie den aktuellen Bericht von EASO.
RV und BehV: Die Berichte sind bekannt.
R: Ich gebe den Parteien eine Frist von 2 Wochen zur Stellungnahme zur Berichtslage.
R: Zu Ihrem persönlichen Leben in Österreich:
Stehen Sie zu irgendwelchen Personen in einem finanziellen oder einem sonstigen wichtigen zwingenden Abhängigkeitsverhältnis?
BF: Nein.
R: Möchten Sie zu Ihrer Bindung in Österreich etwas sagen?
BF: Ja, wir kennen uns seit zwei Jahren. Wir lieben einander auch. Sie hat mir auch viel geholfen, dass ich gut Deutsch sprechen kann. Wir haben auch vor eine eigene Familie gründen und zusammen Leben. Unsere Familien wissen auch Bescheid.
RV: Können Sie uns erzählen, wie oft Sie Ihre Freundin sehen, erledigen Sie auch Einkäufe gemeinsam, ...?
BF: Wir haben eine feste Beziehung und auch eine sexuelle Beziehung. Wir sehen uns einander jeden Tag. Entweder nach der Arbeit oder vor der Arbeit. Wenn ich immer von der Arbeit nach Hause komme und gehe ins Heim meine Anwesenheit unterschreiben. Danach gehen wir zu den Freunden und kochen gemeinsam und gehen spazieren. Wenn ich frei habe gehen wir auch ins Kino oder schwimmen. Ich habe schon in Afghanistan schwimmen gelernt. Drei bis viel Mal in der Woche schlafe ich bei ihr.
RV: Würden Sie sagen, es ist eine gewöhnliche Beziehung, wenn man das umlegt auf afghanische Verhältnisse?
BF: Ja sicher. In Afghanistan kommt sowas nicht vor. In Afghanistan kann man keine sexuelle Beziehung haben. Ich bin froh das man hier nicht heiraten muss. Ich bin nicht sehr religiös.
RV: Falls Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten, könnten Sie sich in anderen Landesteilen Ihr finanzieren?
BF: Das ist nicht so leicht in anderen teilen, wegen der Sprache und wegen der Kultur. Es ist nicht sehr leicht eine Wohnung zu finden und eine Arbeit. Wenn ich nicht von den Taliban verfolgt werden würde, hätte ich auch zu Haus kein Problem. Es gibt sehr viel Barriere, wenn ich in einem anderen Ort leben hätte wollen. Fast jeder Ort hat bestimmte Kultur und Sitten. Und diese wären für mich eine Barriere eine Wohnung zu finden oder einen Job oder Kontakte aufzunehmen.
RV: Glauben Sie, dass bei einer Rückkehr die Menschen auch Probleme haben könnten, damit, dass Sie aus Europa kommen?
BF: In meinem Land sind alle so streng und denken alle die in Europa oder in einem westlichen Ausland sind ungläubig sind und das ich mit ungläubigen gelebt habe, dann haben sie ein falsches Bild von mir und dass ich ungläubig geworden bin. Die Religion ist für mich eine komplette Privatsache. Ich respektiere und toleriere alle Religionen.
RV: Sie haben gesagt, Sie haben Probleme mit dem Rücken, was genau?
BF: Ich habe einen Bandscheibenvorfall. Es geht manchmal raus und presst gegen meine Nerven und es schmerzt überall und vor allem in den Beinen.
R: Stehen Sie aktuell in Therapie?
BF: Ich mache Therapieübungen zu Hause. Es geht nicht nur mit Medikation weg.
RV: Hat Ihnen Ihr Arzt gesagt, dass Sie Arbeiten, wegen Ihren Rücken nicht machen dürfen?
BF: Ich muss gerade sitzen. Ich darf keine schweren Sachen aufheben. Ich habe auch oft Allergie gegen Sonne und Pollen und ich kriege auch wegen des Niesen Schmerzen.
BehV: Ich verweise auf das Länderinformationsblatt und den dazugehörigen behördlichen Bescheid und ersuche die Beschwerde abzuweisen.
RV: War Ihr Vater wegen den Vorfällen bei der Polizei?
BF: Ja, als ich hier hergekommen bin hat er das gemacht, wegen meinem Bruder, wegen mir und wegen ihm selbst wegen dem Markt. Die Polizei kann dort nichts machen.
R gibt RV die Gelegenheit, Fragen zu stellen.
RV: Keine weiteren Fragen.
R: Der Dolmetscher wird Ihnen jetzt die gesamte Verhandlungsschrift rückübersetzen. Bitte passen Sie gut auf, ob alle Ihre Angaben korrekt protokolliert wurden. Sollten Sie einen Fehler bemerken oder sonst einen Einwand haben, sagen Sie das bitte.
Die vorläufige Fassung der bisherigen Niederschrift wird durch den D dem BF rückübersetzt.
RV: Ich möchte noch anmerken, dass der BF einen Großteil der Fragen bereits auf Deutsch beantworten konnte und beantwortet hat.
Keine Einwendungen.
Ende der Befragung.
5. Zu den im Rahmen der Beschwerdeverhandlung eingeführten Länderdokumentationsunterlagen bezog der Antragsteller mit Schriftsatz vom 28.08.2019 schriftlich Stellung und wurde hierin zentral ausgeführt, dass die einschlägigen Länderberichte sich mit den Aussagen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren decken würden. So ergebe sich einhellig, dass Faryab, die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, eine der gefährlichsten und volatilsten Provinzen Afghanistans sei, in der die Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppierungen besonders aktiv seien. Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz sei daher unmöglich. Im Hinblick auf den getätigten Vorhalt, warum der Beschwerdeführer sich nicht nach Kabul begeben habe, werde darauf verwiesen, dass der VfGH wiederholt bekräftigt habe, dass die Möglichkeit einer Verfolgung durch die Taliban sogar in der Millionenstadt Kabul gegeben sei und nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden könne. Im Größenschluss sei daher in Hinblick auf die aktuellen Länderberichte auch davon auszugehen, dass eine Verfolgung durch die Taliban auch in den kleineren Städten Herat und Mazar-e Sharif möglich sei. Aufgrund der persönlichen Bekanntschaft bzw. Feindschaft seines Vaters mit dem namhaft gemachten Taliban-Kommandanten sei davon auszugehen, dass die Ablehnung des Beschwerdeführers für die Taliban zu kämpfen nicht in Vergessenheit geraten werde und stelle dies ein Problem für die Rückkehr des Beschwerdeführers dar. Dem Antragsteller stehe aufgrund der Vernetzung der Taliban und ihrer Möglichkeit Personen auch in Großstädten ausfindig zu machen auch keine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Im Weiteren wurde auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul verwiesen. Bereits in der Beschwerde sei ausgeführt worden, dass mehrere Gründe gegen die Zumutbarkeit einer IFA sprechen würden, da der Antragsteller in den anderen Landesteilen kein normales Leben führen könne und verfüge er dort über kein familiäres Netzwerk. Ein familiäres Netzwerk und die Unterstützung bei der Arbeitssuche und Unterstützung bei der Wohnungssuche seien jedoch essentiell. Zudem leide der Beschwerdeführer an einem Bandscheibenvorfall, weshalb ihm die Aufnahme von körperlich schwerer Arbeit nicht möglich sei. Berichten zufolge sei jedoch für Rückkehrer die schwere Tätigkeit als Taglöhner auch die einzige Möglichkeit, Geld zu verdienen. Aufgrund seines langjährigen Aufenthaltes im westlichen Ausland sei er überdies in eine Außenseiterrolle gedrängt. Bei Rückkehr wäre er nicht in der Lage seine grundlegenden Existenzbedürfnisse zu sichern. Auf die überdurchschnittlichen Integrationsleistungen des Antragstellers (hervorragende Deutschkenntnisse, angedachter Besuch der Vorbereitungskurse für die Berufsreifeprüfung, aufrechtes Lehrverhältnis sowie Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin wurde verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF und seinen Fluchtgründen:
1.1. Der Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, gehört der Volksgruppe der Usbeken an und bekennt sich zum sunnitischen Glauben. Der Antragsteller stammt aus der Provinz Faryab und verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung. Der Antragsteller verfügt im Herkunftsstaat über familiäre Anknüpfungspunkte in Form seines Vaters und mehreren Angehörigen seiner Kernfamilie sowie einer Mehrzahl weiterer enger Verwandter. Der Antragsteller hat zunächst im familiären Lebensmittelhandelsbetrieb gearbeitet.
1.2. Der Beschwerdeführer leidet unter einer gesundheitlichen Beeinträchtigung im Bereich des Stützapparates; er ist jedoch arbeitsfähig. Schwere körperliche Tätigkeiten sind ihm aufgrund der Beeinträchtigung nicht zumutbar.
1.3. Der Antragsteller hat während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet intensive Anstrengungen zur Integration begonnen;
darunter ist hervorzuheben, dass der Antragsteller bereits als überdurchschnittlich gut zu bezeichnende Deutschkenntnisse verfügt;
er steht in einem aufrechten Lehrverhältnis sowie in Vorbereitung zur Berufsreifeprüfung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Antragsteller ist im österreichischen Bundesgebiet eine Beziehung mit einer österreichischen Staatsbürgerin eingegangen. Es besteht kein gemeinsamer Haushalt und bestehen keine zwingenden finanziellen oder sonst relevanten gegenseitigen Abhängigkeiten.
1.4. Zu den Ausreisegründen:
Der Antragsteller war zuletzt der Aufforderung ausgesetzt, sich den Taliban anzuschließen. Die Familie des Antragstellers war einem namhaft gemachten Taliban-Kommandanten in der Herkunftsprovinz des Antragstellers persönlich aufgrund eines Grundstückstreites bekannt. Zuletzt ereignete sich ein Selbstmordanschlag bzw. eine Explosion in unmittelbarer Nähe zum geschäftlichen Betrieb des Vaters des Antragstellers. Drei Tage nach der erfolgten Explosion wurde der Antragsteller auf einer Fahrt mit dem Motorrad aufgehalten und kam zu Sturz, nachdem hinter seinem Rücken mehrere Schüsse abgefeuert worden waren. In weiterer Folge wurde der Antragsteller von zwei Unbekannten mit einer Waffe bedroht und wurde die Bedrohung durch einen in die Luft abgegebenen Schuss bekräftigt. Des Weiteren wurde er darauf hingewiesen, dass dies eine Warnung von jenem namhaft gemachten Kommandanten der örtlichen Taliban sei. Nach kurzer spitalsärztlicher Behandlung verließ der Antragsteller seinen Herkunftsstaat.
1.2. Zur Situation in Afghanistan:
Politische Lage
Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).
Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).
Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch ei