TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/29 I403 2220250-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.08.2019
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Entscheidungsdatum

29.08.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §31 Abs1
FPG §67
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
NAG §52 Abs1 Z1
NAG §54 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2220250-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, gegen Spruchpunkt I. und II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2019, Zl. 536421305/190157335 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

-

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Nigerias, reiste am 16.11.2010 in das Bundesgebiet ein und stellte einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.11.2010 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen. Dagegen wurde Beschwerde erhoben; allerdings entzog sich der Beschwerdeführer dem Verfahren vor dem Asylgerichtshof bzw. ab 2014 dem Bundesverwaltungsgericht. Das Beschwerdeverfahren wurde am 10.03.2014 eingestellt.

Am 18.02.2016 wurde der Beschwerdeführer zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stellen zu wollen.

Nach Wohnsitzaufnahme und Arbeitsaufnahme seiner Ehefrau im Bundesgebiet wurde dem Beschwerdeführer aufgrund eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes am 19.12.2017 eine Aufenthaltskarte ausgestellt.

Mit dem als "Gemeinschaftsrechtliches Niederlassungsrecht/Dokumentation, Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz" bezeichneten Schreiben vom 16.01.2019 teilte der Landeshauptmann von XXXX dem BFA mit, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers eine unselbständige Tätigkeit bei einem Unternehmen, das sich als Scheinunternehmen herausgestellt habe, vorgetäuscht habe; es komme weder der Ehefrau noch dem Beschwerdeführer weiterhin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu.

Das BFA gab dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu seiner Situation in Hinblick auf die geplante Erlassung eines Aufenthaltsverbotes Stellung zu nehmen. Mit Schreiben des im Spruch genannten Rechtsvertreters vom 26.02.2019 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass er seit 2008 verheiratet sei und es zwei gemeinsame Kinder geben würde. Seine Ehefrau, mit der er im gemeinsamen Haushalt lebe, habe eine Anmeldebescheinigung, er selbst sei ordnungsgemäß beschäftigt und versichert. Am 20.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vom BFA niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 Fremdenpolizeigesetz ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz wurde ihm kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Zugleich wurde mit Bescheid des BFA vom selben Tag die Ehefrau des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet ausgewiesen und ihr ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat gewährt.

Der im Spruch genannte Bescheid wurde am 17.05.2019 zugestellt. Dagegen wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 13.06.2019 Beschwerde erhoben und erklärt, dass der Beschwerdeführer zwar straffällig geworden sei, dass er aber ein ordnungsgemäßes Einkommen erziele und seit Jahren in Österreich lebe. Er wohne mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt; beiden komme aufgrund ihrer vormaligen Beschäftigung und der Beschäftigung des Beschwerdeführers ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.06.2019 vorgelegt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.07.2019, I403 2220250-1/4Z wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 03.08.2019 wurde mitgeteilt, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nach Tschechien zurückgekehrt sei, dem Beschwerdeführer aber weiterhin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, weil die Ehe mehr als drei Jahre angedauert habe und die Ehepartner mindestens ein Jahr in Österreich gelebt hätten.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2019, G306 2220256-1 wurde das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem die Ausweisung gegenüber der Ehefrau des Beschwerdeführers ausgesprochen worden war, eingestellt, da diese ihre Beschwerde zurückgezogen hatte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigeria. Seine Identität steht fest. Er befindet sich seit rund neun Jahren im Bundesgebiet. Sein Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 25.11.2010 als unbegründet abgewiesen und der Beschwerdeführer nach Nigeria ausgewiesen. Er erhob dagegen Beschwerde.

Am 14.01.2011 wurde der Beschwerdeführer erstmals wegen des Verkaufs von Suchtmitteln festgenommen. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.02.2011, Zl. XXXX wegen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften, konkret Kokain (§ 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG) zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 10.03.2011 wurde gegen ihn ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen. Der Beschwerdeführer war in weiterer Folge für die Behörden nicht greifbar und wurde im Juli 2011 seine Abmeldung von seiner bisherigen Wohnadresse veranlasst. Am 20.07.2011 wurde er dann wegen Körperverletzung angezeigt. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer in weiterer Folge unbekannten Aufenthaltes war, wurde das Beschwerdeverfahren vom Asylgerichtshof am 09.01.2012 eingestellt. Am 22.02.2012 wurde der Beschwerdeführer durch die Polizei kontrolliert und wurde gegen ihn am folgenden Tag Schubhaft verhängt. Er musste am 01.03.2012 wegen Haftunfähigkeit aufgrund eines Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen werden. Er war daraufhin unbekannten Aufenthaltes; am 13.06.2013 wurde er wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz angezeigt. Im Herbst 2013 meldete sich der Beschwerdeführer an einer Obdachloseneinrichtung an. Das Beschwerdeverfahren wurde am 10.03.2014 neuerlich eingestellt. Am 18.12.2015 wurde er durch eine Polizeistreife kontrolliert.

Am 11.06.2018 wurde der Beschwerdeführer neuerlich in Untersuchungshaft genommen. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 27.07.2018, rechtskräftig am 31.07.2018, Zl. XXXX wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, 27 Abs. 2 SMG, wegen § 28 Abs. 1 erster Satz zweiter Fall SMG und wegen § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sieben Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Der Beschwerdeführer hatte zum persönlichen Gebrauch Marihuana, Heroin und Kokain besessen und anderen Kokain und Heroin verkauft.

Der Beschwerdeführer befindet sich etwas weniger als neun Jahre im Bundesgebiet. Er geht einer unselbständigen Beschäftigung nach, ist krankenversichert und hat nur geringe Deutschkenntnisse aufzuweisen.

Der Beschwerdeführer ist laut einer vorgelegten Heiratsurkunde seit 2008 mit einer tschechischen Staatsbürgerin verheiratet, der am 10.08.2017 eine Anmeldebescheinigung für den Zweck "Arbeitnehmer" ausgestellt wurde. Dem Beschwerdeführer wurde in Ableitung von seiner Ehefrau eine Aufenthaltskarte mit einer Gültigkeit vom 19.12.2017 bis zum 19.12.2022 erteilt. Bei dem Arbeitgeber der Ehefrau handelte es sich allerdings um ein Scheinunternehmen und wurde daher die unselbständige Tätigkeit der Ehefrau nur vorgetäuscht.

Die Ehefrau des Beschwerdeführers ist in ihr Heimatland zurückgekehrt; sie ist nicht mehr im Bundesgebiet wohnhaft. Der Beschwerdeführer gibt an, dass er mit seiner Ehefrau zwei Kinder habe, welche in Tschechien leben würden. Dokumente wurden diesbezüglich nicht vorgelegt.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie des Gerichtsaktes zur Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem die Ehefrau des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde (G306 2220256-1).

Seine Identität steht aufgrund des von der nigerianischen Botschaft in Wien im Jahr 2018 ausgestellten Reisepasses, der in Kopie im Akt einliegt, fest. Seine berufliche Tätigkeit ergibt sich aus den vorgelegten Lohnbestätigungen, seine Krankenversicherung aus einer ebenfalls vorgelegten Bestätigung. Dass er kaum Deutsch spricht und keine Deutschprüfung abgelegt hat, ergibt sich aus dem Protokoll der Einvernahme durch das BFA am 20.03.2019.

Dass der Beschwerdeführer sich seit etwas weniger als neun Jahren im Bundesgebiet aufhält, ergibt sich aus dem Umstand, dass er im November 2010 eingereist war und das Bundesgebiet offensichtlich nicht für einen längeren Zeitraum verlassen hatte, da er wiederholt von der Polizei kontrolliert bzw. Strafanzeigen gegen ihn erstattet wurden. So erklärte er auch in der Einvernahme durch das BFA am 18.02.2016, dass er die letzten Jahre in Österreich verbracht habe. Seine Aussage in der Einvernahme am 20.03.2019, dass er Österreich 2012 verlassen habe und erst 2016 wiedergekommen sei, steht im Widerspruch zu den im Akt einliegenden Anzeigen und Polizeiberichten sowie seinen eigenen früheren Aussagen. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass der Beschwerdeführer Österreich seit 2010 nicht für einen längeren Zeitraum verlassen hat.

Die Ehe des Beschwerdeführers mit einer tschechischen Staatsbürgerin ergibt sich aus einer im Akt einliegenden Kopie einer tschechischen Heiratsurkunde, wonach die Ehe am 18.10.2008 in Nigeria geschlossen worden sei. Seine Eheschließung hatte er sowohl während seines Asylverfahrens wie auch gegenüber der Polizei (Niederschrift vom 27.01.2011) und während des fremdenrechtlichen Verfahrens (so etwa auch bei der Einvernahme durch das BFA am 18.02.2016) verschwiegen.

Die Feststellungen zur (vorgetäuschten) Berufstätigkeit der Ehefrau und zur Ausstellung einer Aufenthaltskarte für den Beschwerdeführer ergeben sich insbesondere aus einem im Akt der belangten Behörde einliegenden Schreiben des Amtes der XXXX Landesregierung vom 16.01.2019.

Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nach Tschechien zurückgekehrt ist, ergibt sich aus dem Schreiben des Rechtsvertreters und der Niederschrift zur amtlichen Abmeldung vom 02.08.2019. Im Rahmen dieser Niederschrift erklärte der Beschwerdeführer, dass sich seine Ehefrau seit dem 02.05.2019 nicht mehr an der vormals gemeinsamen Wohnadresse aufhalte.

Die Strafanzeigen und Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im Akt einliegenden Strafurteilen und Strafanzeigen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zum Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gegen den Beschwerdeführer wurde gemäß § 67 Fremdenpolizeigesetz (FPG) ein Aufenthaltsverbot erlassen.

§ 67 FPG lautet:

(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Voraussetzung für die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes ist im Falle von Drittstaatsangehörigen, dass es sich um begünstigte Drittstaatsangehörige handelt. Daher ist zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer ein begünstigter Drittstaatsangehöriger ist.

Nach § 2 Abs. 4 Z 11 FPG sind die folgenden Personen begünstigte Drittstaatsangehörige: der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Der Beschwerdeführer ist Ehemann einer tschechischen Staatsbürgerin. Gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG sind EWR-Bürger "auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie" zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer sind. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist dem EWR-Bürger gemäß § 53 Abs. 1 letzter Satz NAG von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Das war in Bezug auf die tschechische Ehefrau des Revisionswerbers, die diese Dokumentation ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (vgl. § 9 Abs. 1 Z 1 NAG) am 10.08.2017 erhielt, der Fall. Gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG sind Drittstaatsangehörige, die - wie der Beschwerdeführer - Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer, mit denen ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht dokumentiert wird (vgl. § 9 Abs. 1 Z 3 NAG), auszustellen. Dem entsprechend erhielt der Beschwerdeführer am 19.12.2017 eine auf fünf Jahre befristete Aufenthaltskarte.

Unabhängig von der Frage, ob der Ehefrau des Beschwerdeführers überhaupt jemals ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zugekommen war (da die unselbständige Tätigkeit laut Amt der XXXX Landesregierung nur vorgetäuscht war), steht fest, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers nicht mehr von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch macht, sondern in ihr Heimatland zurückgekehrt ist. Mit Wegzug endet das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers und das davon abgeleitete Aufenthaltsrecht für den Drittstaatsangehörigen (VwGH, 15.03.2018, Ro 2018/21/0002 und EuGH 30.06.2016, C-115/15). Daher ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass das von seiner Ehefrau abgeleitete Aufenthaltsrecht des Beschwerdeführers (spätestens) mit ihrem Wegzug aus Österreich erloschen war. Aufgrund des Wegzugs der Ehefrau hat er auch den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht mehr inne.

Soweit in der Stellungnahme vom 03.08.2019 behauptet wurde, dass dem Beschwerdeführer aber weiterhin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, weil die Ehe mehr als drei Jahre angedauert habe und die Ehepartner mindestens ein Jahr in Österreich gelebt hätten, scheint Bezug auf § 54 Abs. 5 NAG genommen zu werden. Diese Bestimmung regelt jene Fälle, in denen trotz Scheidung der Ehe das Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten des EWR-Bürgers ausnahmsweise erhalten bleibt, ist aber gegenständlich nicht anwendbar, da die Ehe des Beschwerdeführers nicht geschieden wurde. Zudem wurde vom Verwaltungsgerichtshof bereits festgestellt, dass man sich nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG berufen kann, wenn der Ehepartner das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht in Österreich nicht mehr in Anspruch nimmt und das gerichtliche Scheidungsverfahren erst nach dem Wegzug des Ehegatten mit Unionsbürgerschaft aus diesem Mitgliedstaat eingeleitet wurde (VwGH, 15.03.2018, Ro 2018/21/0002 bzw. EuGH, 16. 07. 2015 in der Rs C-218/14, Singh ua).

Es steht daher fest, dass dem Beschwerdeführer kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zukommt. Zugleich wurde ihm aber ein solches durch die Ausstellung seiner Aufenthaltskarte dokumentiert. Im gegenständlichen Fall wurde dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte nach dem NAG (vgl. §§ 54, 57 NAG) mit Gültigkeit bis 19.12.2022 ausgestellt. Dies führte dazu, dass gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG sein Aufenthalt im Entscheidungszeitpunkt als rechtmäßig anzusehen ist, woran auch nichts ändert, dass er sich nicht länger auf ein aus dem Unionsrecht herrührendes Aufenthaltsrecht berufen könne. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig bleibt und daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung unzulässig ist (VwGH, 14.11.2017, Ra 2017/20/0274).

War der Beschwerdeführer aber auf Grund einer für ihn nach dem NAG ausgestellten Dokumentation rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, stellt sich die Erlassung einer auf § 52 Abs. 1 FPG gestützten Rückkehrentscheidung und eines damit nach § 53 FPG verbundenen Einreiseverbotes als nicht zulässig dar.

Es stellt sich daher die Frage, ob im vorliegenden Fall eine Ausweisung bzw. bei Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ein Aufenthaltsverbot erlassen werden kann. Auf den ersten Blick scheint dem entgegenzustehen, dass sich § 67 FPG auf begünstigte Drittstaatsangehörige bezieht und der Beschwerdeführer diesen Status ja nicht mehr innehat. Dies würde zur unbefriedigenden Situation führen, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme erst nach Ablauf der Aufenthaltskarte, welche ihm ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht bis 2022 dokumentiert, möglich wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte - allerdings zur früheren Rechtslage - auf die Erläuterungen der Regierungsvorlage zur mit BGBl. I Nr. 122/2009 erfolgten Änderung des § 55 NAG verwiesen (330 BlgNR 24. GP 53), in denen (auszugsweise) wie folgt ausgeführt wurde:

"(...)

Abs. 3 übernimmt den Regelungsinhalt des bisherigen Abs. 1. Dieses Verfahren ist auch im Fall, dass eine Prüfung gemäß Abs. 2 ergibt, dass die Ausstellungsvoraussetzungen nicht mehr erfüllt werden, anzuwenden.

Der bisherige Abs. 2 erhält die Absatzbezeichnung Abs. 4 und wird terminologisch angepasst. Weiters wird der Verweis auf die Aufenthaltsbeendigung nach dem FPG richtiggestellt.

Der neue Abs. 5 stellt das erforderliche Anschlussstück zur Regelung des § 54 Abs. 3 bis 5 für den Fall, dass die dortigen Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts nicht erfüllt werden, dar. Liegen die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts nicht vor, unterbleibt allerdings eine Aufenthaltsbeendigung, ist eine 'Niederlassungsbewilligung - unbeschränkt' auszustellen. Damit erfolgt eine Überleitung in die Regelungen für Drittstaatsangehörige ohne Bezug zu einem gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger. Da in diesem Fall keine Ausweisung der Angehörigen erfolgt, liegt auch keine Beschränkung im Sinne der Art. 27 ff Freizügigkeitsrichtlinie vor. § 55 stellt die Kernbestimmung zur Umsetzung von Art. 35 Freizügigkeitsrichtlinie, insbesondere zur Bekämpfung von Rechtsmissbrauch, dar. Ohne diese Bestimmung würden die Betroffenen rechtsmissbräuchlich weiterhin ihr gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht behalten, auch wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen."

Demnach soll es einem Drittstaatsangehörigen möglich sein, trotz des Wegfalles der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre. Dass der Aufenthalt allein schon wegen des Vorhandenseins einer (noch gültigen) Dokumentation als rechtmäßig anzusehen ist, bringen die zitierten Erläuterungen insofern deutlich zum Ausdruck als sie davon ausgehen, dass ohne die der Niederlassungsbehörde eingeräumte Überprüfungsmöglichkeit die Gefahr bestünde, Fremde könnten "weiterhin ihr gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht behalten, auch wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen".

Der Verwaltungsgerichtshof verwies weiter darauf, dass aus § 55 Abs. 4 NAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 ) infolge des darin enthaltenen - wie den zitierten Erläuterungen zu entnehmen ist:

bewusst gesetzten - Verweises klar hervor, dass in den davon erfassten Konstellationen die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung anhand des § 66 FPG bzw. des § 67 FPG zu prüfen sei. Diesfalls komme es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG nicht an (VwGH, 18.06.2013, 2012/18/0005).

Allerdings hat sich inzwischen die Rechtslage dahingehend geändert, dass der Verweis in § 55 Abs. 4 NAG auf § 66 FPG gestrichen wurde. Dies erfolgte im Rahmen des Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetzes (BGBl. I Nr. 87/2012). In den Erläuterungen zu § 55 Abs. 4 NAG ist vermerkt: "Die Adaptierungen stellen lediglich eine Verweisanpassung und eine terminologische Anpassung aufgrund der geänderten Gesetzessystematik durch die Einrichtung eines Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dar." Allerdings wurde der Hinweis auf § 66 FPG durch einen Hinweis auf § 9 BFA-VG ersetzt; nachdem sich § 9 BFA-VG auf jede Form der Aufenthaltsbeendigung bezieht, kann von keinem eindeutigen Hinweis auf die Anwendbarkeit von Ausweisung bzw. Aufenthaltsverbot mehr ausgegangen werden. Nachdem aber die Erläuterungen annehmen lassen, dass nur eine Verweisanpassung vorgenommen werden sollte, und es anderenfalls (wenn man davon ausginge, dass einer Anwendung des § 66 FPG und des § 67 FPG der Umstand entgegensteht, dass der Beschwerdeführer kein begünstigter Drittstaatsangehöriger mehr ist) dazu führen würde, dass die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme gegen den Beschwerdeführer rechtlich unmöglich wäre, geht die erkennende Richterin davon aus, dass der Verweis auf § 9 BFA-VG dahingehend einschränkend zu interpretieren ist, dass die in § 9 Abs. 1 erster Satz BFA-VG genannte Ausweisung gemäß § 66 FPG bzw. ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG weiterhin in solchen Konstellationen anwendbar bleiben sollen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass - entsprechend der Judikatur zur früheren Rechtslage (VwGH, 18.06.2013, 2012/18/0005) - bei einem Drittstaatsangehöriger, dem ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht dokumentiert wurde, unabhängig von seiner Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG, die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung weiterhin anhand des § 66 FPG bzw. des § 67 FPG zu prüfen ist.

Das BFA prüfte daher zu Recht, ob die Voraussetzungen für eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nach §§ 66 oder 67 FPG vorliegen und kam zum Schluss, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines auf vier Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes vorliegen. Dem schließt sich das Bundesverwaltungsgericht an, dies aus den folgenden Erwägungen:

Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist zulässig, wenn auf Grund eines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahingehend vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist (vgl dazu etwa VwGH 25.04.2014, Ro 2014/21/0039).

Im Fall des Beschwerdeführers wurde von der belangten Behörde aufgezeigt, dass von ihm eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgeht. Er wurde zweimal wegen der gleichen schädlichen Neigung verurteilt und gab gegenüber dem BFA in seiner letzten Einvernahme an, noch immer gelegentlich selbst Drogen zu konsumieren. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Bezug auf Suchtgiftdelinquenz bereits wiederholt festgehalten, dass diese ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (VwGH, 10.09.2018, Ra 2018/19/0169; 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).

Darüber hinaus missachtete der Beschwerdeführer wiederholt fremdenrechtliche Bestimmungen (so kam er in der Vergangenheit seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach), entzog sich der Schubhaft durch einen Hungerstreik und leugnete jahrelang vor den österreichischen Behörden seine Ehe mit einer tschechischen Staatsbürgerin. Die Dokumentation seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes wurde zudem erschlichen, indem eine Anstellung seiner Ehefrau bei einem Scheinunternehmen behauptet wurde. Insgesamt ergibt sich aus diesem Verhalten des Beschwerdeführers, dass er wiederholt die Normen der österreichischen Rechtsordnung verletzt hat und nicht bereit ist, sich diesen unterzuordnen. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass sich sein Verhalten in Zukunft ändern sollte, hat er doch durch den Wegzug seiner Ehefrau nur weiter an Bindungen zu bzw. in Österreich verloren. Soweit in der Beschwerde auf die Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers verwiesen wird, wird diese nicht angezweifelt, doch konnte ihn, wie auch schon von der belangten Behörde dargelegt, auch seine Beschäftigung offenbar nicht davon abhalten, sich durch den Verkauf von Suchtgift ein zusätzliches Einkommen zu verschaffen.

Das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers stellt eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die verschiedene Grundinteressen der Gesellschaft berührt und ist von ihm auch in Zukunft kein verantwortungsbewusstes Verhalten - den österreichischen Gesetzen entsprechend - zu erwarten. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 Satz 2 FPG ist damit erfüllt.

Bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob im vorliegenden Fall einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Beschwerdeführers gegeben ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Im vorliegenden Fall führt der Beschwerdeführer in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben. Seine Ehefrau sowie seine beiden Kinder sind seinen eigenen Angaben nach in Tschechien aufhältig.

Auch seine durchgehende Aufenthaltsdauer von nunmehr etwa neun Jahren kann noch nicht als besonders lange bezeichnet werden (vgl. dazu die vom Verwaltungsgerichtshof entwickelte Judikatur - VwGH, 07.03.2019, Ra 2018/21/0253 - welche bei einem über zehnjährigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen am Verbleib in Österreich ausgeht), insbesondere ist aber relativierend zu berücksichtigen, dass er in diesem Zeitraum wiederholt unbekannten Aufenthaltes war, sich fast durchgehend unrechtmäßig aufhielt und zweimal zu Freiheitsstrafen verurteilt wurde.

Auch wenn es gewisse Integrationsschritte seitens des Beschwerdeführers - insbesondere im Hinblick auf seine berufliche Tätigkeit - anzuerkennen gilt, liegt letztlich doch keine umfassende Verankerung in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht im Bundesgebiet vor.

Selbst wenn man einen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch die Erlassung des Aufenthaltsverbotes annehmen möchte, so wäre dies doch angesichts seines gravierenden Fehlverhaltens zulässig, ist es doch zur Erlassung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung von weiteren strafbaren Handlungen durch den Beschwerdeführer) dringend geboten. Das private Interesse des Beschwerdeführers am Aufenthalt im Bundesgebiet konnte somit im Lichte einer durch Art. 8 EMRK gebotenen Interessensabwägung das öffentliche Interesse nicht überwiegen.

Zur Befristung des Aufenthaltsverbotes ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall ein Aufenthaltsverbot nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 FPG höchstens für die Dauer von zehn Jahren verhängt werden kann. Wie die belangte Behörde geht auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles die Höchstdauer nicht voll auszuschöpfen ist, allerdings besteht keine Veranlassung, die von der belangten Behörde festgesetzte Befristungsdauer des Aufenthaltsverbotes in der Dauer von vier Jahren zu reduzieren.

Im Hinblick auf die Art seines Verhaltens und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers ist eine Aufenthaltsverbotsdauer in der Höhe von vier Jahren, bei einer grundsätzlich möglichen Höchstdauer von zehn Jahren, jedenfalls angemessen.

Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.

3.2. Zur Nicht-Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Die belangte Behörde hatte dem Beschwerdeführer keinen Durchsetzungsaufschub gewährt und dies damit begründet, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer im Vorjahr einen Suchtgifthandel vorbereitet hatte und gegenüber dem BFA am 20.03.2019 zugab, selbst noch manchmal Drogen zu konsumieren, muss der belangten Behörde im Ergebnis auch darin gefolgt werden, dass die sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Ein Aufschub könnte zu einer Gefährdung der Gesundheit anderer Personen führen.

Insofern ist die Beschwerde auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Über Spruchpunkt III., mit welchem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, war bereits mit Teilerkenntnis vom 01.07.2019 entschieden worden.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Die im gegenständlichen Fall wesentlichen Feststellungen sind unbestritten, insbesondere die Verurteilungen des Beschwerdeführers sowie der Umzug seiner Ehefrau nach Tschechien, der vom Beschwerdeführer selbst vorgebracht wurde. Aufgrund der festgestellten Verstöße gegen die österreichische Rechtsordnung hätte auch die Verschaffung eines persönlichen Eindruckes im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nichts am Ausgang des Verfahrens ändern können.

Soweit vom Beschwerdeführer zuletzt gegenüber dem BFA behauptet wurde, dass er sich von 2012 bis 2016 nicht in Österreich aufgehalten habe, wurde dem von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gefolgt und eine entsprechend kürzere Aufenthaltsdauer angenommen. Das Bundesverwaltungsgericht geht allerdings, wie bereits dargelegt, aufgrund der polizeilichen Kontakte mit dem Beschwerdeführer in diesen Jahren und dem Umstand, dass er 2016 erklärt hatte, Österreich seit 2010 nicht verlassen zu haben, davon aus, dass eine neunjährige Aufenthaltsdauer vorliegt. Nachdem diese Annahme aber zu Gunsten des Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet zu werten ist und dennoch zu keinem anderen Ergebnis führt, da in Übereinstimmung mit den höchstgerichtlichen Leitlinien relativierend die Verurteilungen und der beharrliche illegale Verbleib im Bundesgebiet anzusehen sind, erübrigt sich die Behandlung dieser Frage in einer mündlichen Verhandlung.

In der Beschwerde war in erster Linie auf das gemeinsame Familienleben mit der Ehefrau abgestellt worden, welches aktuell aber aufgrund ihres Umzuges nach Tschechien nicht mehr gegeben ist. Mit Schreiben des rechtsfreundlichen Vertreters vom 03.08.2019 wurde behauptet, dass dem Beschwerdeführer auf Basis des § 54 NAG weiterhin ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, weil die Ehe mehr als drei Jahre angedauert habe und die Ehepartner mindestens ein Jahr in Österreich gelebt hätten. Nachdem sich diese Ausnahmebestimmung aber auf geschiedene Ehen bezieht und die Ehe laut Angabe in demselben Schreiben noch aufrecht ist, ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung und erübrigt sich auch eine diesbezügliche Erörterung in einer mündlichen Verhandlung.

Es sind daher keine Sach- oder Rechtsfragen offen, die die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung notwendig machen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt und es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur neuen Rechtslage, wonach in § 55 Abs. 4 NAG nicht mehr auf § 66 FPG verwiesen wird, fehlt. Konkret geht es um die Frage, ob die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur früheren Rechtslage (VwGH, 18.06.2013, 2012/18/0005) noch immer anwendbar ist und damit bei einem Drittstaatsangehöriger, dem ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht dokumentiert wurde, unabhängig von seiner Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 11 FPG, die Frage der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung weiterhin anhand des § 66 FPG bzw. des § 67 FPG zu prüfen ist.

Schlagworte

Aufenthalt im Bundesgebiet, Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung
- Entfall, begünstigte Drittstaatsangehörige, Drogenkonsum,
Durchsetzungsaufschub, Gefährdung der Sicherheit,
Interessenabwägung, öffentliche Interessen, öffentliche Ordnung,
öffentliche Sicherheit, Privat- und Familienleben, private
Interessen, Wiederholungsgefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2220250.1.01

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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