Entscheidungsdatum
24.01.2020Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
VwGVG 2014 §7Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde der AA-Genossenschaft, vertreten durch Geschäftsführerin BB, Adresse 1, Z, diese vertreten durch DI CC, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 20.09.2019, Zl ***, betreffend eine Wiedereinsetzung nach § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (belangte Behörde: Bezirkshauptmannschaft X),
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides die Wortfolge „§ 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991 i.V.m.“ ersatzlos zu entfallen hat
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG) nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X dem Antrag des DD, Adresse 3, Z, auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die provisorische Wasserversorgungsanlage auf näher bezeichnete Grundstücken des GB *** Z im Widerstreitverfahren mit der AA-Genossenschaft den Vorzug eingeräumt.
Mit Schriftsatz vom 11.07.2019, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X dem Rechtsvertreter des DD über den Eintritt der Rechtskraft des Bescheides vom 16.05.2019, Zl ***, informiert.
Bei einer persönlichen Vorsprache hat BB, die stellvertretende Geschäftsführerin der AA-Genossenschaft, vorgebracht, DI CC hätte am 03.07.2019 per E-Mail und mittels Fax im Namen der AA-Genossenschaft eine Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, eingebracht.
Mit Schriftsatz vom 06.08.2019, bei der Bezirkshauptmannschaft X am 08.08.2019 eingelangt, hat die AA-Genossenschaft, vertreten durch DI CC, Adresse 2, Y, im Hinblick auf die Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand beantragt. In diesem Antrag bringt die AA-Genossenschaft im Wesentlichen vor, die innerhalb der Beschwerdefrist ? bei der Bezirkshauptmannschaft X und beim Landesverwaltungsgericht Tirol ? mittels Fax und auch mittels E-Mail eingebrachte Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, sei bei den eben angeführten Adressaten nicht angekommen. Da die Beschwerde im Einklang mit der Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom 16.05.2019, Zl ***, am 03.07.2019 um 16:17 Uhr an die Bezirkshauptmannschaft X und um 16:20 Uhr an das Landesverwaltungsgericht Tirol ? jeweils per Telefax ? übermittelt worden sei, liege nur ein minderer Grad des Versehens vor. Am 30.07.2019 hätte das vertretungsbefugte Organ der AA-Genossenschaft erstmals von der angeblichen Rechtskraft des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, erfahren. Der gegenständliche Antrag auf Wiedereinsetzung sei somit innerhalb offener Frist eingebracht worden.
Ihrem Wiedereinsetzungsantrag hat die AA-Genossenschaft die Beschwerde vom 27.06.2019 beigefügt.
Mit Bescheid vom 20.09.2019, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X den Antrag der durch DI CC vertretenen AA-Genossenschaft vom 06.08.2019 auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand in dem die AA-Genossenschaft und DD betreffenden Widerstreitverfahren gemäß § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 in Verbindung mit (iVm) § 33 Verwaltungsgerichtsverfahrengesetz (VwGVG) zurückgewiesen.
Gegen diesen Bescheid hat die AA-Genossenschaft, vertreten durch die stellvertretende Geschäftsführerin BB, Adresse 1, Z, diese vertreten durch DI CC, Adresse 2, Y, mit Schriftsatz vom 20.10.2019 Beschwerde erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand betreffend die Versäumung der Beschwerdefrist im Widerstreitverfahren beantragt. Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, sie habe ihr Rechtsmittel gegen den Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, in offener Frist an die belangte Behörde sowie das Landesverwaltungsgericht Tirol übermittelt. Dass die jeweils an die Bezirkshauptmannschaft X und das Landesverwaltungsgericht Tirol per Fax und per E-Mail übermittelte Beschwerde nicht ordnungsgemäß angekommen sei, sei nicht im Einflussbereich des Absenders gelegen. Das ihr an der Versäumung der Beschwerdefrist anzulastende Verschulden sei daher als gering im Sinne des § 33 Abs 1 VwGVG zu qualifizieren. Die AA-Genossenschaft hebt noch hervor, dass bei der Abfassung der Beschwerde ein Zeitdruck entstanden sei, da die belangte Behörde die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 16.04.2019 erst über ausdrückliches Ersuchen und somit verspätet zugesandt habe.
Mit Schriftsatz vom 23.10.2019, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X den Gegenstandsakt mit dem Ersuchen um Entscheidung über die Beschwerde der von DI CC vertretenen AA-Genossenschaft gegen den Bescheid vom 20.09.2019, Zl ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 25.11.2019, Zl LvWG-2019/37/2264-1, hat das Landesverwaltungs-gericht Tirol der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, BB als Vertreterin der AA-Genossenschaft am 21.05.2019 durch Hinterlegung zugestellt worden ist. Die vierwöchige Beschwerdefrist habe davon ausgehend mit Ablauf des 18.06.2019 geendet. Die fehlgeschlagene Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, am 03.07.2019 sei daher nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgt.
Dazu hat sich der Vertreter der Beschwerdeführerin im Schriftsatz vom 10.12.2019 geäußert. Darin wird ua vorgebracht, der „Zusteller hätte sich (nachweislich) erkundigen müssen, ob der Adressat ortsanwesend ist oder ortsabwesend“. Da eine solche Erkundigung unterblieben sei, sei die Zustellung nicht ordnungsgemäß erfolgt. Zudem enthält der Schriftsatz einen Hinweis auf § 13 Abs 3 Zustellgesetz (ZustG). Dieser Bestimmung entsprechend sei jedenfalls eine rechtzeitige Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2019 erfolgt.
Mit Schriftsatz vom 16.12.2019, Zl LVwG-2019/37/2264, ersuchte das Landesverwaltungs-gericht die Beschwerdeführerin, den Verweis auf § 13 Abs 3 ZustG näher zu erläutern und bekanntzugeben, ob BB zum angeführten Zeitpunkt (21.05.2019) ortsabwesend war und bejahendenfalls für welchen Zeitraum. Die zur Stellungnahme eingeräumte zweiwöchige Frist hat das Landesverwaltungsgericht Tirol bis einschließlich 21.01.2020 erstreckt.
Mit Schriftsatz vom 20.01.2020 hat der Vertreter der Beschwerdeführerin neuerlich um Fristerstreckung bis 17.03.2020 ersucht und auf einen Gesprächstermin zwischen ihm und EE, Amt der Tiroler Landesregierung, hingewiesen. Bei dem Gesprächstermin mit EE sollten „allfällige Missverständnisse“ ausgeräumt und dadurch ein „unproduktiver Arbeitsaufwand“ vermieden werden.
II. Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, hat die Bezirkshauptmannschaft X dem Antrag des DD, Adresse 3, Z, auf Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung für die provisorische Wasserversorgungsanlage auf näher bezeichneten Grundstücken des GB *** Z für ein Wohnobjekt auf dem Gst Nr **1, GB *** Z, im Widerstreitverfahren mit der AA-Genossenschaft den Vorzug eingeräumt.
Nach einem Zustellversuch an der im Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, angeführten Zustelladresse der stellvertretenden Geschäftsführerin BB ? „Adresse 1, Z“ („Abgabestelle“) ? wurde der Bescheid am 21.05.2019 erstmals zur Abholung bereitgehalten und hierüber BB durch eine in der Abgabeeinrichtung eingelegte Anzeige verständigt. Am 05.06.2019 und damit innerhalb der eingeräumten Abholfrist hat BB den Bescheid bei der Post-Geschäftsstelle W abgeholt. Eine Ortsabwesenheit der stellvertretenden Geschäftsführerin der AA-Genossenschaft im Zeitraum zwischen 21.05. bis 04.06.2019 lässt sich nicht feststellen.
DI CC hat im Auftrag der AA-Genossenschaft mit Schriftsatz vom 27.06.2019 eine gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, gerichtete Beschwerde verfasst und diese am 03.07.2019 mittels Fax um 15:56 Uhr an die Bezirkshauptmannschaft X und um 15:58 Uhr an das Landesverwaltungsgericht Tirol übermittelt. Im Kommunikationsergebnis betreffend beide Übermittlungen per Fax wird die Fehlerursache E-3) angeführt. Weder bei der Bezirkshauptmannschaft X noch beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist diese per Fax übermittelte Beschwerde eingelangt.
Dass die Beschwerde vom 27.06.2019 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, am 03.07.2019 an die Bezirkshauptmannschaft X und/oder das Landesverwaltungsgericht Tirol per E-Mail übermittelt wurde, lässt sich nicht feststellen.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Bezirkshauptmannschaft X am 30.07.2019 hat die stellvertretende Geschäftsführerin der AA-Genossenschaft, BB, in Erfahrung gebracht, dass die im Auftrag der AA-Genossenschaft von DI CC verfasste Beschwerde nicht bei der Bezirkshauptmannschaft X ? auch nicht im Weg über das Landesverwaltungsgericht Tirol ? eingelangt ist.
Mit Schriftsatz vom 06.08.2019, bei der Bezirkshauptmannschaft X am 08.08.2019 eingelangt, hat die durch DI CC vertretene AA-Genossenschaft wegen der Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, die Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand beantragt.
III. Beweiswürdigung:
Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, ist Bestandteil des behördlichen Aktes. Die Zustellung dieses Bescheides an die stellvertretende Geschäftsführerin der AA-Genossenschaft BB durch Hinterlegung und die Abholung des Bescheides am 05.06.2019 bei der Post-Geschäftsstelle W ergibt sich aus dem im behördlichen Akt einliegenden Zustellnachweis. Nachweise für eine Ortsabwesenheit der stellvertretenden Geschäftsführerin im Zeitraum vom 21.05.2019 bis 04.06.2019 liegen keine vor und wurden auch über Anfrage des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 16.12.2019, Zl LVwG-2019/37/2264-2, nicht dargetan.
Die am 03.07.2019 (fehlgeschlagene) Fax-Übersendung der gegen den Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, gerichteten Beschwerde ergibt sich aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Fax-Sendeprotokollen. Im Kommunikationsergebnisbericht beider Protokolle scheint die Fehlerursache E-3) auf. Nach dem vorliegenden behördlichen Akt ist die Beschwerde vom 27.06.2019 auch nicht per E-Mail an die Bezirkshauptmannschaft X und das Landesverwaltungsgericht Tirol ergangen. Zum Ersuchen der Bezirkshauptmannschaft X vom 27.08.2019, Zl ***, die E-Mail-Sende-bestätigungen vorzulegen, hat DI CC im Schriftsatz vom 08.09.2019 wörtlich ausgeführt:
„Zu den aus derzeit noch unerklärlichen Löschungen meiner Mailprotokolle kann ich nur feststellen, dass mein Provider mir keinen plausiblen Grund nennen konnte warum gerade in der fraglichen Zeit alle meine Mailprotokolle gelöscht wurden (angeblich von mir ? obwohl ich diese Bestätigungen ja dringend als zusätzlichen Beweis aufheben wollte.)“.
Die Besprechung am 30.07.2019 und die Einbringung des Antrages auf Wiedereinsetzung am 08.08.2019 sind im behördlichen Akt dokumentiert.
Die erörterten Beweisergebnisse bilden die Grundlage für die Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.
IV. Rechtslage:
1. Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:
Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in den Fassungen BGBl I Nr 24/2017 (§ 33) und BGBl I Nr 138/2017 (§§ 7, 24 und 28), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
„Beschwerderecht und Beschwerdefrist
§ 7. […]
Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, gegen Weisungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG oder wegen Rechtswidrigkeit des Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG beträgt vier Wochen. […]“
„Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
[…]
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
[…]“
„Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
[…]“
„Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 33. (1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ? so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat ? eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
[…]
(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. […] Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.
(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.
[…]
(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt.
[…]“
2. Zustellgesetz:
Die entscheidungswesentliche Bestimmung des § 17 des Zustellgesetzes (ZustG), BGBl Nr 200/1982 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 5/2008, lautet samt Überschrift wie folgt:
„Hinterlegung
§ 17. (1) Kann das Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst bei seiner zuständigen Geschäftsstelle, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen.
(2) Von der Hinterlegung ist der Empfänger schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.
(3) Das hinterlegte Dokument ist mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Dokument erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Dokumente gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Agabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem das hinterlegte Dokument behoben werden könnte.
(4) Die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung ist auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.“
V. Erwägungen:
1. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:
Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.
Der angefochtene Bescheid wurde der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Vertreters DI CC am 08.10.2019 zugestellt. Die Beschwerde vom 20.10.2019 ist am 22.10.2019 und damit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Bezirkshauptmannschaft X eingelangt.
2. In der Sache:
2.1. Zur Zustellung des Bescheides vom 16.05.2019, Zl ***:
Die Bezirkshauptmannschaft X hat den Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, an die AA-Genossenschaft zu Recht zuhanden der stellvertretenden Geschäftsführerin BB zugestellt. BB hat an der mündlichen Verhandlung am 16.04.2019 als Vertreterin der AA-Genossenschaft teilgenommen und dies nochmals in dem an die Bezirkshauptmannschaft X gerichteten Schreiben vom 21.05.2019 bestätigt.
2.2. Zur Zuständigkeit der belangten Behörde:
Bei Versäumen der Beschwerdefrist ist § 33 VwGVG die für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand maßgebliche Bestimmung und nicht § 71 Allgemeines Verwaltungsverfahrens-gesetz 1991 (AVG). Die Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung einer Beschwerdefrist ergibt sich aus § 33 Abs 4 VwGVG. Über Wiedereinsetzungsanträge, die bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde eingebracht werden, hat die Behörde zu entscheiden. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht über jene Wiedereinsetzungsanträge zu entscheiden, die ab Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht eingebracht werden (vgl VwGH 28.09.2016, Zl Ro 2016/16/0013, mit weiteren Nachweisen).
Wegen der Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, hat die AA-Genossenschaft mit Schriftsatz vom 06.08.2019, bei der Bezirkshauptmannschaft X am 08.08.2019 eingelangt, den Antrag auf Wiedereinsetzung eingebracht. Diesem Antrag war die Beschwerde vom 27.06.2019 beigefügt. Die Einbringung des Wiedereinsetzungsantrages bei der Bezirkshauptmannschaft X erfolgte somit gleichzeitig mit der Vorlage der Beschwerde. Die Bezirkshauptmannschaft X war somit gemäß § 33 Abs 4 VwGVG zuständig zur Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag der AA-Genossenschaft vom 06.08.2019.
2.3. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:
Einer Partei ist auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Sie hat dabei den Wiedereinsetzungsgrund im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen bzw bereits im Antrag tauglich Bescheinigungsmittel beizubringen (vgl VwGH 28.04.2016, Zl Ra 2014/02/0161). Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt (§ 33 Abs 1 VwGVG). Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 32 Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (ABGB) verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl VwGH 23.04.2013, Zl 2012/09/0171, mit weiteren Nachweisen).
Die Frist zur Einbringung eines Wiedereinsetzungsantrages beginnt mit dem „Wegfall des Hindernisses“, wobei als Hindernis jenes Ereignis zu verstehen ist, dass die Fristeinhaltung verhindert hat. Die stellvertretende Geschäftsführerin der AA-Genossenschaft hat anlässlich einer persönlichen Vorsprache am 30.07.2019 erfahren, dass die am 03.07.2019 per Fax übermittelte Beschwerde nicht bei der Bezirkshauptmannschaft X ? auch nicht im Weg über das Landesverwaltungsgericht Tirol ? eingelangt ist. Der am 08.08.2019 bei der Bezirkshauptmannschaft eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag erfolgte somit innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 33 Abs 3 VwGVG.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, ihr Vertreter habe am 03.07.2019 fristgerecht die Beschwerde per Fax eingebracht, allerdings habe die Fax-Sendung fehlgeschlagen. Damit habe er nicht rechnen müssen, sodass von einem unvorhergesehenen Ereignis im Sinne des § 33 Abs 1 VwGVG auszugehen sei.
Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Anbringen nach § 13 Abs 1 AVG nur dann als eingebracht anzusehen, wenn es der Behörde auch tatsächlich zugekommen ist. Die Gefahr des Verlustes einer zur Post gegebenen Eingabe an die Behörde hat demnach der Absender zu tragen. Bei der Einbringung einer Beschwerde unter Verwendung eines Telefaxgerätes gilt dieses Schriftstück erst dann eingebracht, wenn die Daten in zur vollständigen Wiedergabe geeigneter Form bei der belangten Behörde einlangen. Es hat sich somit der Beschwerdeführer, der einen Schriftsatz an die Behörde mittels Telekopierer abgesendet hat, zu vergewissern, ob die Übertragung erfolgreich durchgeführt worden ist (vgl VwGH 15.09.2011, Zl 2009/09/0133, mit weiteren Nachweisen). Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 30.04.2013, Zl 2012/05/0090, ausdrücklich festgehalten, dass auch ein erst am letzten Tag der Frist eingetretenes unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis das Recht auf Widereinsetzung begründen kann, weil der Partei die Rechtsmittelfrist uneingeschränkt bis zum letzten Augenblick zur Verfügung steht. Davon ausgehend heißt es wörtlich:
„Der Umstand, dass ein zur Post gegebenes Schriftstück bei der Behörde, an die es adressiert ist, nicht einlangt, ist ein Ereignis, das der Absender offensichtlich nicht einrechnet, kann doch im Hinblick auf die Zuverlässigkeit des Postverkehrs auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht von der Partei nicht erwartet werden, dass sie diesen Umstand einrechnet […]. Gleiches muss gelten, wenn der Beschwerdeführer wie hier unmittelbar vor Ablauf der Frist im Wege der ihm im erstinstanzlichen Straferkenntnis bekanntgegebenen E-Mail-Adresse an die Behörde herantritt und dies fehlschlägt.“
Die Beschwerdeführerin hat zum Vorbringen, die Beschwerde am 03.07.2019 per Fax an die Bezirkshauptmannschaft X und das Landesverwaltungsgericht Tirol gesendet zu haben, die beiden Kommunikationsergebnisberichte vorgelegt. In beiden Kommunikationsergebnis-berichten scheint die Fehlermeldung E-3) auf. Es wäre daher erkennbar gewesen, dass die Übersendung mittels Fax nicht funktioniert hat. Ausgehend von dem anzuwendenden Sorgfaltsmaßstab ist auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des VwGH vom 30.04.2013, Zl 2012/05/0090, nicht von einem minderen Grad des Versehens auszugehen. Insbesondere wäre zu diesem Zeitpunkt eine neuerliche Übermittlung der Beschwerde per Fax oder in digitaler Weise möglich gewesen.
Zudem gilt es einen weiteren entscheidungswesentlichen Umstand zu berücksichtigen. Die zu Recht an die stellvertretende Geschäftsführerin BB veranlasste Zustellung des Bescheides vom 16.05.2019, Zl ***, erfolgte im Wege der Hinterlegung. Der Zustellversuch an der Wohnadresse der Geschäftsführerin („Abgabestelle“) fand am 21.05.2019 statt. Nachweise, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufgehalten hat, liegen nicht vor. In weiterer Folge wurde das zuzustellende Dokument ? Bescheid vom 16.05.2019, Zl *** ? bei der Post-Geschäftsstelle W hinterlegt. BB wurde über die Hinterlegung bei der Post-Geschäftsstelle ordnungsgemäß verständigt. Sie hat den Bescheid vom 16.05.2019, ***, auch am 05.06.2019 und damit innerhalb der Abholfrist behoben. Nach dem klaren Wortlaut des § 17 Abs 3 ZustG gilt somit der Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, als am 21.05.2019, dem Tag an dem der eben zitierte Bescheid erstmals zur Abholung bereitgehalten wurde, als zugestellt. Dass BB erst am 05.06.2019 die eben angeführte Entscheidung behoben hat, ändert nichts an der Wirksamkeit der Zustellung am 21.05.2019. Ausgehend davon endete die vierwöchige Beschwerdefrist gemäß § 33 Abs 2 AVG mit Ablauf des 18.06.2019.
Die ? fehlgeschlagene ? Übermittlung der Beschwerde mittels Telefaxgerät erfolgte erst am 03.07.2019. Selbst wenn die fehlgeschlagene Übermittlung als unvorhergesehenes Ereignis im Sinne des § 33 Abs 1 VwGVG zu qualifizieren wäre, hat dieses Ereignis nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist stattgefunden. Auch aus den dargelegten Gründen scheidet die von der AA-Genossenschaft beantrage Wiedereinsetzung aus.
2.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
In der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides heißt es:
„In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol beantragt werden.“
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Rechtsmittel die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Die belangte Behörde hat mit Schriftsatz vom 23.10.2019, Zl ***, die Beschwerde der von DI CC vertretenen AA-Genossenschaft gegen den Bescheid vom 20.09.2019, Zl ***, dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorgelegt, in dem zitierten Schreiben aber keinen Antrag auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gestellt.
Der maßgebliche Sachverhalt für die Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 16.05.2019, Zl ***, ergibt sich aus dem behördlichen Akt, insbesondere den Angaben der Beschwerdeführerin selbst. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren sind Fragen der Beweiswürdigung nicht aufgetreten, es betrifft in erster Linie rechtliche Fragen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung war daher in Übereinstimmung mit den Vorgaben des § 24 VwGVG nicht erforderlich (vgl VwGH 18.11.2013, Zl 2013/05/0022, und VwGH 22.02.2015, Zl 2012/06/0207-9, zu der mit § 24 Abs 4 VwGVG vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG).
3. Ergebnis:
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist die fehlgeschlagene Übermittlung der Beschwerde am 03.07.2019 mittels eines Telefaxgerätes aufgrund der erkennbaren Fehlermeldung nicht als ein unvorhergesehenes Ereignis gemäß § 33 Abs 1 VwGVG zu qualifizieren. Darüber hinaus erfolgte die fehlgeschlagene Übermittlung der Beschwerde am 03.07.2019 nach Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist und war schon aus diesem Grund der beantragte Wiedereinsetzungsantrag unbegründet. Im Einklang mit § 24 VwGVG war die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich.
Daher ist die Beschwerde der AA-Genossenschaft gegen den Bescheid vom 20.09.2019, Zl ***, als unbegründet abzuweisen. Allerdings war im Spruch des angefochtenen Bescheides die nicht anzuwendende Bestimmung des § 71 AVG ersatzlos zu streichen. Dementsprechend lautet Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte im gegenständlichen Beschwerdefall anhand eines unstrittig feststehenden Sachverhaltes das Vorliegen der Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß der klaren Bestimmung des § 33 VwGVG zu prüfen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol ist dabei von der zu dieser und zur vergleichbaren Bestimmung des § 71 AVG ergangenen Judikatur nicht abgewichen. Auch das (fehlgeschlagene) verspätete Einbringen der Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.05.2019, Zl ***, hat das Landesverwaltungsgericht Tirol anhand der Bestimmung des § 17 ZustG und der dazu ergangenen Judikatur erörtert.
Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung waren somit nicht zu klären. Dementsprechend wird die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt (vgl Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntnisses).
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hirn
(Richter)
Schlagworte
Wiedereinsetzung; Zustellung; Hinterlegung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.37.2264.4Zuletzt aktualisiert am
10.03.2020