TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W136 2217109-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

BDG 1979 §123 Abs2
BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §94 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W136 2217109-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch RA Dr. Martin Riedl, 1010 Wien, Franz-Josefs Kai 5, gegen den Beschluss der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, Senat 1, vom 04.03.2019, GZ 01 0943/3-DK19, betreffend Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem im Spruch genannten Beschluss leitete die belangte Behörde ein Disziplinarverfahren gegen den Beschwerdeführer, Leiter des Finanzamtes XXXX , (im Folgenden kurz BF) wegen des Verdachtes ein, er habe in einer Vielzahl von näher dargestellten Fällen ohne dienstliche Veranlassung im Abgabeninformationssystem (AIS) der Finanzverwaltung auf Daten zugegriffen und habe dadurch in allen Fällen gegen bestehende Dienstanweisungen und somit gegen die Verpflichtung zur Beachtung von Weisungen gemäß § 44 BDG 1979 und in Bezug auf die Abfragen von sich selbst sowie zwei weiteren namentlich genannter Personen gegen § 47 BDG 1979 iVm §76 Abs. 1 BAO verstoßen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Büro für Interner Angelegenheiten beim BMF beauftragt wurde, die Zugriffe auf Daten im AIS von Mitgliedern der Bundesregierung, Staats- und Generalsekretären sowie Führungskräften im BMF zu überprüfen. Dabei wurde festgestellt, dass der BF auf Daten im AIS eines leitenden Beamten des BMF zugegriffen hatte, weshalb das BIA vom BMF/Abteilung I/1 mit einer Gesamtanalyse der vom BF durchgeführten Datenabfragen beauftragt wurde. Das Ergebnis dieser Analyse sei dem BF am 17.09.2018 zur Kenntnis gebracht worden, wozu er am 23.10.2018 eine schriftliche Stellungnahme abgegeben habe. Der BF habe seine Datenzugriffe auf die im Spruch näher angeführten Personen, für die abgabenrechtlich keine Zuständigkeit jenes Finanzamt, dessen Vorstand der BF ist, vorliegt im Wesentlichen damit begründet, dass er rasch und unbürokratisch Anfragen im Sinne einer optimalen Kundenbetreuung auch dann beantwortet habe, wenn für diese Kunden keine Zuständigkeit des Finanzamtes XXXX vorläge. In diesem Sinne läge für jede Abfrage eine relevante dienstliche Veranlassung vor und wären diese somit rechtskonform.

Nach Darstellung der einschlägigen Erlasslage des BMF betreffend Eingabe oder Abfrage von Daten im AIS sowie der einschlägigen Bestimmungen des BDG 1979 und der BAO wurde ausgeführt, dass - wie in den dargestellten Erlässen bekannt gemacht - die Berechtigung zum Zugriff auf Dateien bzw. Daten im AIS der Finanzverwaltung an das Vorliegen eines dienstlichen Interesses gebunden ist. Somit sei die Benützung der Daten im AIS ein Amtsgeschäft, was eine gesetzliche Berechtigung der tätig werdenden Behörde und im Weiteren einen innerorganisatorischen Auftrag an die Bediensteten voraussetze, der in der Regel durch allgemeine organisatorische Dienstanweisungen (z.B. OHB, Arbeitsplatzbeschreibung) oder durch gesonderten Auftrag erteilt werde. Zunächst sei dabei darauf zu verweisen, dass die örtliche Zuständigkeit bei allen Abfragen mit einer näher genannten Ausnahme nicht gegeben sei, womit sich in den Fällen, in denen die örtliche Zuständigkeit nicht beim Finanzamt des BF gelegen ist, der Verdacht begründet, dass der BF als Vorstand des genannten Finanzamtes zum Zeitpunkt seiner Abfragen generell ohne eine dienstliche Veranlassung tätig geworden sei, denn aus der Arbeitsplatzbeschreibung ergäbe sich kein Hinweis, dass der Vorstand eines Finanzamtes außerhalb des Zuständigkeitsbereiches seines Finanzamtes mit der Durchführung eines bundesweiten telefonischen Auskunftsverkehrs betraut wäre. Der vorliegende Sachverhalt begründe vielmehr den Verdacht, der BF habe einer bestimmten näher genannten Personengruppe freiwillig aufgrund einer entstandenen Bekanntschaft und aufgrund seiner persönlichen Unterstützungsbereitschaft fachliche Auskünfte erteilt bzw. steuerliche Hilfestellungen geleistet. Dieser Vorgang sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, könne aber keine dienstliche Veranlassung zur Ausübung von Amtsgeschäften zu begründen, zumal nicht einmal die Voraussetzungen der verfahrensrechtlichen Zuständigkeit der Behörde, für die der Beamte seine Tätigkeit ausübt, gegeben sei. Der Verdacht der Dienstbehörde, der BF habe mit der Durchführung der Bezug habenden Abfragen im AIS seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt, sei daher berechtigt zu erheben. Im Hinblick auf die zweite größere Personengruppe, die Bediensteten des BMF sowie die Ehegattin eines BMF Bediensteten beträfe, sei abermals darauf zu verweisen, dass eine verfahrensrechtliche Zuständigkeit des Finanzamtes des BF nicht vorläge. Im Übrigen könnten die vom BF abgegebenen Stellungnahmen zu den Einzelfällen ebenfalls keine Berechtigung dokumentieren, diesen Abfragen eine dienstliche Veranlassung beizumessen, da Geburtstagswünsche jedenfalls Privatsache wären, selbst wenn die Kontaktaufnahmen einem guten Betriebsklima förderlich sei. Im Hinblick auf die Abfragen zu W. sei nicht erkennbar, dass der BF den Auftrag des Dienstgebers gehabt habe, für W. eine Auszeichnung zu erwirken und deshalb auf dessen Daten im AIS zuzugreifen. Soweit der BF die Zugriffe im AIS auf die Person M. damit erklärt, er habe durch diese Datenzugriffe den Erhalt von Referenzwerten erwartet habe, die für das Veranlagungsgeschäft seines FA von Nutzen wären, sei mit Bezug auf die vorliegenden Masken (Abfrageergebnisse) nicht feststellbar, welche Referenzwerte hier gesucht worden seien und sei nicht dokumentiert worden, welche Ergebnisse aus diesen Abfragen gezogen wurden und wie die Ergebnisse im FA umgesetzt wurden. Darüber hinaus bleibe in diesem Zusammenhang unverständlich, wieso sich der BF bei M. für die Zugriffe auf dessen Daten entschuldigt habe, wenn diese Zugriffe im ausschließlichen dienstlichen Interesse durchgeführt worden seien.

Wenn der BF ausführe, dass ihm die im Einzelnen bezeichneten Personen aus dem Kreis der Finanzbediensteten ihre Zustimmung erteilt hätten, auf ihre Daten zuzugreifen, lasse sich daraus keine Rechtfertigung im Hinblick einer dienstlichen Veranlassung ableiten. Denn den genannten Personen käme kein Recht zu, die Weisung des Dienstgebers aufzuheben und einem unzuständigen Behördenorgan zu gestatten, auf ihre Daten im AIS zuzugreifen. Darüber hinaus knüpfe die Verwendung von Daten im AIS an konkrete Verfahren, die mangels Zuständigkeit von vornherein nicht erkennbar sind. Soweit mit Bezug auf die Abfrage H. eine Zuständigkeit beim Finanzamt des BF gegeben war, sei die Angabe des BF nicht plausibel. Hätte sich H. - wie vom BF angeführt - tatsächlich über die lange Bearbeitungsdauer als beschwert erachtet, dann wäre zur Abklärung dieser Beschwerde jedenfalls ein Aufruf des Steueraktes erforderlich gewesen. Somit ließe sich auch zu diesem Datenaufruf der Anfangsverdacht einer Dienstpflichtverletzung nicht beseitigen. Im Hinblick auf Datenzugriffe im AIS auf die eigene Steuernummer und die Steuernummer der Ehegattin sei die BAO zu beachten. Durch die gesetzlichen Bestimmungen über die Befangenheit sei es den Bediensteten untersagt, Amtsgeschäfte durchzuführen, in denen einer der Tatbestände des § 76 BAO berührt werde. Dies träfe bei Zugriffen auf Daten des BF selbst sowie jene seiner Ehegattin als seine Angehörige im Sinne des § 25 BAO zu. In diesen Fällen hätte sich der BF schon unmittelbar aufgrund des Gesetzes jeder Amtshandlung enthalten müssen. Die Argumentation des BF XXXX , wonach er im elektronischen Verfahren Finanz-Online dieselben Daten hätte einsehen können, übersähe, dass im Verfahren Finanz-Online jene Daten nicht eingesehen werden können, die von der Akteneinsicht ausgenommen sind. Denselben Vorwurf erhebe die Dienstbehörde mit Bezug auf die Datenzugriffe HH. Der BF habe durch seine Stellungnahme ein persönliches Naheverhältnis zu dieser Person angesprochen, das geeignet erscheine, den Verdacht seiner Befangenheit zu erheben.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der BF rechtzeitig Beschwerde und führte dazu im Wesentlichen aus, dass sämtliche Datenzugriffe insofern dienstlich veranlasst waren, als es sich diesbezüglich um die Erteilung allgemeiner steuerlicher Auskünfte über Ersuchen gehandelt habe und zudem teilweise die Zustimmung zur Datenabfrage durch die Betroffenen vorgelegen hätte. Im Übrigen sei Verfolgungsverjährung eingetreten, da am 04.09.2019 eine Besprechung mit der Gruppenleiterin XXXX und dem Abteilungsleiter XXXX stattgefunden habe, bei der dem BF die im Einleitungsbeschluss angelasteten Abfragen ausführlich und inhaltlich detailliert vorgehalten worden seien und dem BF der Austritt aus dem Dienstverhältnis binnen 24 Stunden nahegelegt worden sein soll, widrigenfalls dienst- und strafrechtliche Konsequenzen ergriffen würden. Am 17.09.2019 habe in Anwesenheit seines Rechtsvertreters sodann eine Einvernahme stattgefunden und sei ihm die Möglichkeit der Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt worden, wovon er Gebrauch gemacht habe. Er habe alle Vorwürfe vollinhaltlich bestritten, dennoch werde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. An der Verjährungseinrede könnten auch die Ausführungen auf Seite 22 des bekämpften Bescheides, wonach eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, nichts ändern, da die Dienstbehörde offenkundig den Verdacht einer "weiteren" Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDC 1979 erhebe, also von keinem einheitlichen Tatgeschehen auszugehen sei.

Beantragt wurde die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

3. Die gegenständliche Beschwerde samt Verfahrensakt wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 04.04.2019 dem BVwG (eingelangt am 08.04.2019) vorgelegt.

Mit E-Mail vom 24.04.2019 wurde von der belangten Behörde ein Bericht des BMF an die Staatsanwaltschaft XXXX betreffend Veranschaulichung von Funktionen und Programmen im Zusammenhang mit den Datenabfragen des BF im AIS übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt) und Beweiswürdigung:

1.1. Zur Person des BF:

Die am XXXX geborene BF steht als Beamter in einem öffentlich - rechtlichen Dienstverhältnis und ist Vorstand des Finanzamtes XXXX .

1.2. Zu den im Verdachtsbereich angelasteten Dienstpflichtverletzung:

Der den angelasteten Dienstpflichtverletzungen zugrundeliegende Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus der Aktenlage (Disziplinaranzeige samt Beilagen), und konnte somit der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden.

Bezüglich der unter Punkt I. dargestellten Anschuldigungen liegt nach der Aktenlage der hinreichend begründete Verdacht für die Annahme der schuldhaften Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch den BF und damit für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen ihn vor. Damit ist der Sachverhalt für das Verfahrensstadium des Einleitungsbeschlusses ausreichend geklärt. Es steht auch unverwechselbar fest, welche konkreten Vorgänge den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bilden.

Wenn der BF zur Anlastung im Wesentlichen dieselben Einwendungen wie in seiner schriftlichen Stellungnahme vom Oktober 2018 erhebt, ist damit, wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid zutreffend in Würdigung dieses Vorbringens darlegt, der Verdacht einer Pflichtverletzung keineswegs ausgeräumt, sondern wird die diesbezügliche Verantwortung des BF im weiteren Disziplinarverfahren zu prüfen und bewerten sein.

1.3. Zur eingewendeten Verjährung

Die Disziplinaranzeige wurde am 06.02.2019 erstattet, wobei die Dienstbehörde angibt, vom Verdacht der Pflichtverletzungen mit Übermittlung des Berichtes des Büros für Interne Angelegenheiten betreffend eine Analyse der vom BF durchgeführten Datenabfragen am 04.12.2018 in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Am selben Tag (06.02.2019) hat das BMF/Dienstbehörde hinsichtlich des der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegenden Sachverhaltes Anzeige an die Staatsanwaltschaft XXXX wegen des Verdachtes nach § 302 StGB erstattet.

Der BF bringt vor, dass Vertreter der Dienstbehörde spätestens am 04.09.2018 Kenntnis vom gegenständlichen Verdacht hatten, da sie damals den BF in einer Besprechung damit konfrontiert hätten und ihm den Austritt aus dem Dienstverhältnis nahegelegt hätten.

Siehe dazu näheres unter II. Rechtliche Beurteilung

Obige Feststellungen ergeben sich aus der unbedenklichen und diesbezüglich auch unbestrittenen Aktenlage.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.

Im gegenständlichen Fall wurde vom BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Ungeachtet dessen wurde vom Bundesverwaltungsgericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Gegenstand gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen, da der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des bekämpften Bescheides notwendige Sachverhalt problemlos den Akten zu entnehmen war und einer weiteren Klärung in einer Verhandlung nicht bedurfte. Insbesondere war im gegenständlichen Verfahren nicht zu prüfen, ob der BF tatsächlich Dienstpflichtverletzungen begangen hat, sondern ob hinreichende Verdachtsgründe für die Einleitung eines Disziplinarverfahrens vorliegen. Art 6 Abs. 1 EMRK steht im derzeitigen Verfahrensstadium dem Entfall einer mündlichen Verhandlung nicht entgegen, da nur die Frage der Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu klären war und zivile Rechte im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK mit der gegenständlichen Entscheidung nicht verändert oder gestaltet werden (VwGH vom 16.09.2010 Zl. 2007/09/0141). Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) kommt im gegenständlichen Fall mangels Vorliegens eines unionsrechtlichen Sachverhaltes nicht zur Anwendung (VwGH vom 09.09.2014, Zl. Ra 2014/09/0017).

Zu Spruchpunkt A):

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333/1979 i.d.F BGBl. I Nr. 32/2019 (BDG 1979) maßgeblich:

§ 94. (1) Der Beamte darf wegen einer Dienstpflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht

1. innerhalb von sechs Monaten, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem der Disziplinarbehörde die Dienstpflichtverletzung zur Kenntnis gelangt ist, oder

2. innerhalb von drei Jahren, gerechnet von dem Zeitpunkt der Beendigung der Dienstpflichtverletzung,

eine Disziplinarverfügung erlassen oder ein Disziplinarverfahren vor der Bundesdisziplinarbehörde eingeleitet wurde. Sind von der Dienstbehörde vor Einleitung des Disziplinarverfahrens im Auftrag der Bundesdisziplinarbehörde notwendige Ermittlungen durchzuführen (§ 123 Abs. 1 zweiter Satz), verlängert sich die unter Z 1 genannte Frist um sechs Monate.

(1a) Drei Jahre nach der an den beschuldigten Beamten erfolgten Zustellung der Entscheidung, gegen ihn ein Disziplinarverfahren durchzuführen, darf eine Disziplinarstrafe nicht mehr verhängt werden.

(2) Der Lauf der in Abs. 1 und 1a genannten Fristen wird - sofern der der Dienstpflichtverletzung zugrundeliegende Sachverhalt Gegenstand der Anzeige oder eines der folgenden Verfahren ist - gehemmt

1. für die Dauer eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof, dem Verwaltungsgerichtshof oder einem Verwaltungsgericht,

2. für die Dauer eines Verfahrens vor einem Verwaltungsgericht über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder auf andere Weise in ihren Rechten verletzt worden zu sein,

3. für die Dauer eines Strafverfahrens nach der StPO oder eines bei einem Verwaltungsgericht oder einer Verwaltungsbehörde anhängigen Strafverfahrens,

4. für den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Beendigung oder, wenn auch nur vorläufigen, Einstellung eines Strafverfahrens und dem Einlangen einer diesbezüglichen Mitteilung bei der Dienstbehörde und

5. für den Zeitraum zwischen der Erstattung der Anzeige und dem Einlangen der Mitteilung

a) über die Beendigung des verwaltungsbehördlichen oder des gerichtlichen Verfahrens bzw. des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht,

b) der Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens oder

c) der Verwaltungsbehörde über das Absehen von der Einleitung eines Verwaltungsstrafverfahrens

bei der Dienstbehörde.

(....)

§ 123. (1) Der Senatsvorsitzende hat nach Einlangen der Disziplinaranzeige den Disziplinarsenat zur Entscheidung darüber einzuberufen, ob ein Disziplinarverfahren durchzuführen ist. Notwendige Ermittlungen sind von der Dienstbehörde im Auftrag des Senatsvorsitzenden durchzuführen.

(2) Hat die Disziplinarkommission die Durchführung eines Disziplinarverfahrens beschlossen, so ist dieser Einleitungsbeschluss der oder dem Beschuldigten, der Disziplinaranwältin oder dem Disziplinaranwalt und der Dienstbehörde zuzustellen. Im Einleitungsbeschluss sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen und die Zusammensetzung des Senates einschließlich der Ersatzmitglieder bekanntzugeben."

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Wie der Verwaltungsgerichtshof zur vergleichbaren Rechtslage des BDG 1979 und des LDG 1984 in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (Hinweis E 9.9.1997, 95/09/0243, sowie E 16.9.1998, 96/09/0320), ist die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Der Bescheid, durch den das Disziplinarverfahren eingeleitet wird, und der für dessen weiteren Gang eine Prozessvoraussetzung bildet, dient zugleich dem Schutz des Beschuldigten, der ihm entnehmen kann, nach welcher Richtung er sich vergangen und inwiefern er pflichtwidrig gehandelt haben soll. Der Einleitungsbeschluss begrenzt regelmäßig den Umfang des vor der Disziplinarkommission stattfindenden Verfahrens: Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Um dieser Umgrenzungsfunktion gerecht zu werden, muss das dem Disziplinarbeschuldigten als Dienstpflichtverletzung vorgeworfene Verhalten im Einleitungsbeschluss derart beschrieben werden, dass unverwechselbar feststeht, welcher konkrete Vorgang den Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildet. Die angelastete Tat muss daher nach Ort, Zeit und Tatumständen so gekennzeichnet werden, dass keine Unklarheit darüber möglich ist, welches dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegte Verfahren auf der Grundlage des Einleitungsbeschlusses als Prozessgegenstand im anschließenden Disziplinarverfahren behandelt werden darf. Solcherart muss sich daher der Tatvorwurf von anderen gleichartigen Handlungen oder Unterlassungen, die dem Disziplinarbeschuldigten angelastet werden können, genügend unterscheiden lassen (VwGH vom 18.12.2012, Zl. 2011/09/0124).

Die Begründung des Einleitungsbeschlusses ist auf die Zusammenfassung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und die Darlegung der für die getroffene Entscheidung im jeweiligen Gegenstand maßgeblichen Gründe beschränkt; beim Einleitungsbeschluss geht es um die Frage, ob in Bezug auf einen konkret umschriebenen Sachverhalt ein hinreichender Verdacht für das Vorliegen einer schuldhaften Dienstpflichtverletzung gegeben ist, oder ob allenfalls (offenkundige) Gründe für die sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (VwGH vom 01.07.1998, Zl. 97/09/0095 mit Hinweis auf E 25.6.1992, 91/09/0190).

Nur offenkundige Gründe für eine sofortige Verfügung der Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 BDG 1979 stehen der Einleitung des Disziplinarverfahrens entgegen (VwGH vom 25.06.1992, Zl. 92/09/0056).

Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:

Aufgrund des in der Disziplinaranzeige der Dienstbehörde dargestellten Sachverhaltes, der insbesondere auch die Ermittlungsergebnisse über die vom BF getätigten Datenabfragen aus dem AIS jene Personen betreffend enthält, für die keine abgabenrechtliche Zuständigkeit der Dienststelle des BF besteht, kann ungeachtet der Einwendungen des BF, dass für alle Datenzugriffe eine dienstliche Veranlassung bestand oder die Zustimmung der Betroffenen zur Datenabfrage vorlag, keine Rechtswidrigkeit darin erblickt werden, dass die belangte Behörde ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat. Wie bereits oben unter Punkt II.1. ausgeführt, kommt dem Beschwerdevorbringen, wonach der BF überhaupt keine Pflichtverletzungen begangen habe, keine Berechtigung zu, da, wie dargestellt eine ausreichende Verdachtslage besteht und die diesbezügliche Verantwortung und das Vorbringen des BF im Disziplinarverfahren zu prüfen sein wird.

Zum Beschwerdevorbringen, wonach bereits am 04.03.2019 Verfolgungsverjährung eingetreten sei, weil die Dienstbehörde entgegen ihrer Angabe, dass ihr die gegenständliche Pflichtverletzung am 04.12.2018 zur Kenntnis gelangt sei, bereits am 04.09.2018 Kenntnis von der Verdachtslage hatte, ist zu bemerken, dass eine nähere Prüfung der Richtigkeit dieses Vorbringens allein deswegen nicht erforderlich ist, weil, wie unter Punkt II.1.3 festgestellt, gleichzeitig mit der Erstattung der Disziplinaranzeige am 06.02.2019 hinsichtlich des angelasteten Sachverhaltes Strafanzeige erstattet wurde. Daher war mit diesem Tag gemäß § 94 Abs. 2 BDG 1979 der Ablauf der Frist nach § 94 Abs. 1 Z 1 BDG 1979 gehemmt und ist der bekämpfte Bescheid somit vor Ablauf der zuletzt genannten Frist erlassen worden.

Insoweit der BF zur erfolgten Strafanzeige einwendet, dass diese von einer weiteren Dienstpflichtverletzung ausgehe und zum Beleg auf die Ausführungen auf Seite 22 oben des bekämpften Bescheides verweist, ist diesem Vorbringen nicht zu folgen. Denn der der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebrachte Sachverhalt ist ident mit jenem in der Disziplinaranzeige. In diesem Sinne ist auch auf den letzten Satz der Begründung des bekämpften Bescheides zu verweisen, in dem darauf hingewiesen wird, dass im Hinblick auf das noch offene Strafverfahren eine Verfahrenseinleitung wegen des Verdachtes einer Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 nicht zwingend zu verfügen war. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, das eine abschließende rechtliche Einordnung eines Verdachtes einer Pflichtverletzung im gegenständliche Verfahrensstadium für die Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht erforderlich ist.

Die in der Beschwerdeschrift getätigten Ausführungen sind daher zusammengefasst nicht geeignet, den Verdacht der schuldhaften Begehung konkret umschriebener Dienstpflichtverletzungen auszuräumen, ebenso kommt der Verjährungseinrede keine Berechtigung zu. Der von der belangten Behörde verfügte Einleitungsbeschluss betreffend Vorliegen von Dienstpflichtverletzungen im Verdachtsbereich ist daher zu Recht erfolgt, weshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die maßgebliche Rechtsfrage im Zusammenhang mit der Fassung eines Einleitungsbeschlusses nach § 123 Abs. 2 BDG 1979 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mehrfach behandelt. Die gegenständliche Entscheidung weicht von dieser nicht ab. Auf die unter Spruchpunkt A zitierte Judikatur wird verwiesen.

Schlagworte

Datenzugriff, Dienstpflichtverletzung, Einleitungsbeschluss,
Fristenhemmung, Strafanzeige, Verdachtsgründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W136.2217109.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten