TE Dok 2020/2/7 W 6 -DK-IV/2020

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Veröffentlicht am 07.02.2020
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2

Schlagworte

Veruntreuung, § 133 Abs 1 und 2 StGB, außerdienstliches Verhalten, Diversion, disziplinärer Überhang, Geldstrafe

Text

D I S Z I P L I N A R E R K E N N T N I S

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen hat durch MR Mag. Friedrich Paul als Senatsvorsitzenden sowie MR Mag. Felix Kollmann und ADir Veronika Schmidt als weitere Mitglieder des Disziplinarsenates IV nach der am 28. Jänner 2020 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin MR Mag. Ursula Bachmair, MBA, und des Beschuldigten NN, vertreten durch Kurt Holzer durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

NN

Referent B, Code 0026,

ist

s c h u l d i g.

 

Er hat in seiner außerdienstlichen Tätigkeit als Kassier des Vereins „Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen in der Gewerkschaft der Post- und Fernmeldebediensteten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes“ (FSG/GPF) im Zeitraum zwischen 2014 und 31.12.2018 durch wiederholte Zugriffe einen Bargeldbetrag von insgesamt EUR 88.848,38 veruntreut.

Er hat dadurch nicht nur gegen strafrechtliche Bestimmungen, sondern auch gegen die Pflicht des Beamten,

in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt (§ 43 Abs. 2 leg.cit.),

verstoßen und sich dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne des § 91 leg.cit. schuldig gemacht.

Es wird daher über ihn gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z 3 BDG 1979 die

Disziplinarstrafe der

Geldstrafe

in der Höhe von einem Bruttomonatsbezug

verhängt.

Gemäß § 127 Abs. 2 BDG 1979 wird die Abstattung der Geldstrafe in 36 gleichen Monatsraten bewilligt.

Verfahrenskosten sind keine angefallen.

B e g r ü n d u n g

NN steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist der Österreichischen Post AG zur Dienstleistung zugewiesen. Er wird in der Unternehmenszentrale, Organisationseinheit X, „als „Referent B“, Verwendungscode 0026, auf einem der Verwendungsgruppe 2, Dienstzulagengruppe 1B, zugeordneten Arbeitsplatz verwendet.

Laut Dienstbeurteilung vom 19. Dezember 2019 erbringt NN in allen zugewiesenen Tätigkeiten eine hervorragende Dienstleistung. Dabei wird besonders auf die Neuentwicklung eines IT-Tools zur Bearbeitung von finanziellen Unterstützungsleistungen verwiesen, für dessen Funktionsfähigkeit er mit seinem Engagement und seiner sehr guten Analysefähigkeit einen wertvollen Beitrag geleistet hat. Er zeigt darüber hinaus ein vorbildliches Verhalten gegenüber Kunden.

Mit Disziplinaranzeige vom 11. September 2019 wird NN folgendes Fehlverhalten zur Last gelegt:

Am 31. Dezember 2018 wurde seitens der Kassenkontrolleure des Vereins FSG/GPF ein Fehlbetrag von EUR 88.848,38 an Bargeld festgestellt. Da NN als Kassier für die ordnungsgemäße Kassenführung des Vereins verantwortlich war, wurde vom Vereinsvorsitzenden K. am 02. Jänner 2019 Anzeige wegen des dringenden Tatverdachts der Veruntreuung nach § 133 Abs. 2 StGB erstattet.

Die Dienstbehörde als Disziplinarbehörde erlangte erstmals am 2. Jänner 2019 von dem Sachverhalt und dem bereits eingeleiteten Strafverfahren Kenntnis, indem der Amtsvermerk der Strafanzeige im Journaldienst der Staatsanwaltschaft X vom 02. Jänner 2019 sowie ein Medienbericht der Tageszeitung X vom xx.xx.2019 per E-Mail übermittelt wurden. Am 31. Juli 2019 wurde der Dienstbehörde der Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen X vom xx. Juli 2019 mit der GZ xxx HV xx-19t weitergeleitet, aus welchem hervorgeht, dass das Strafverfahren gegen NN vorläufig gemäß §§ 198, 201 Abs 1, 3 und 4 i.V.m. § 199 StPO eingestellt wurde.

In diesem Beschluss wird ausgeführt, dass NN nicht nur bei der polizeilichen Einvernahme, sondern auch in der Hauptverhandlung am xx.xx.2019 ein reumütiges Geständnis ablegte und sich für das in seiner jahrelangen pathologischen Kaufsucht begründete Fehlverhalten entschuldigte. Der Beamte ersuchte um Durchführung einer Diversion und bot die Erbringung von gemeinnützigen Leistungen und regelmäßigen monatlichen Zahlungen an den Verein FSG/GPF zur Gutmachung des Restschadens selbst an.

In der Hauptverhandlung am 02. Juli 2019 brachte NN zudem vor, dass er nun einerseits eine bereits begonnene Therapie fortsetzen würde und schon rund EUR 30.000,00 an Teilschadensgutmachung geleistet habe. Das Landesgericht für Strafsachen X trat daraufhin von der Verfolgung der strafbaren Handlung der Veruntreuung unter der Voraussetzung der diversionellen Erledigung vorläufig zurück.

Am Beginn der am 28.01.2020 durchgeführten Disziplinarverhandlung legte der Beschuldigte einen Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien datiert mit xx.xx.2019 (richtig wohl 2020) vor, dass sämtliche diversionellen Auflagen erbracht wurden und das Strafverfahren wegen § 133 Abs 1 und 2 StGB gemäß § 201 Abs 1 und Abs 5 StPO iVm § 199 StPO endgültig eingestellt wurde.

Die Disziplinarkommission hat dazu erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) ist der Beamte verpflichtet, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Dabei handelt es sich grundsätzlich um ein auf das dienstliche Verhalten des Beamten gerichtetes Gebot, das aber in besonders krassen Fällen auch das außerdienstliche Verhalten betreffen kann, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen. Das Verhalten muss nur nach seinem objektiven Inhalt geeignet sein, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben in Frage zu stellen, ein öffentliches Bekanntwerden durch Medienberichte wie im vorliegenden Fall ist für die Tatbestandserfüllung aber nicht Voraussetzung.

Bei der Beurteilung der Frage, ob sich eine Dienstpflichtverletzung in der strafgerichtlichen Maßnahme/Verurteilung erschöpft oder eine weitere disziplinäre Ahndung geboten ist, wird auf die Literatur verwiesen, wonach bei einer möglichen Subsumtion unter § 43 Abs 2 BDG 1979 immer vom Vorliegen eines disziplinären Überhangs, somit einer erforderlichen disziplinären Ahndung auszugehen ist (vgl. Gabriele Kucsko-Stadlmayer, 4. Auflage, Seite 60, 2. Absatz).

Darüber hinaus hat der VwGH ausgesprochen, dass im Bereich der Post und Telegraphenverwaltung (nunmehr Österreichische Post AG) „auf Grund der speziellen Aufgaben im Staat“ alle mit Bereicherungsabsicht begangenen Delikte über die verhängte Gerichtsstrafe hinaus disziplinär zu verfolgen seien (vgl. Gabriele Kucsko-Stadlmayer, 4. Auflage, Seite 60, 3. Absatz und die dort zitierte Judikatur).

Auch wenn es sich bei der zitierten Judikatur durchwegs um Fälle der Ausnützung einer dienstlichen Gelegenheit handelt, sind laut dem erkennenden Senat Rückschlüsse auf den gebotenen Sorgfaltsmaßstab und die erforderliche Verbundenheit mit den rechtlich geschützten Werten zu ziehen.

Aber auch aus der verhängten Diversion können keine Rückschlüsse auf eine spätere disziplinarrechtliche Beurteilung gezogen werden. Maßstab für die Strafbemessung nach § 93 BDG 1979 ist nicht die strafrechtliche, sondern die disziplinarrechtliche Sicht, woraus folgt, dass auch ein strafrechtlich unter Umständen nicht sehr bedeutsame/r Schadensbetrag /Verfolgungshandlung disziplinär von erheblicher Bedeutung sein kann (vgl. VwGH vom 28.03.1984, 83/09/0093).

Fest steht somit, dass NN durch die langjährige Veruntreuung hoher Geldbeträge, die ihm in seiner außerdienstlichen Funktion als Kassier des Vereins FSG/GPF anvertraut waren, auch seine Dienstpflichten als Beamter verletzt hat. Eine Veruntreuung von anvertrauten Geldern stellt generell weder ein korrektes, noch ein ethisches oder gar rechtlich einwandfreies Verhalten dar und ist daher mit den Grundsätzen der Österreichischen Post AG keinesfalls vereinbar. Der Beamte hat durch seine kriminelle Vorgangsweise das in ihn gesetzte Vertrauen seines Dienstgebers gröblich missbraucht. Die Österreichische Post AG muss sich auf die Ehrlichkeit ihrer Mitarbeiter verlassen können, insbesondere wenn diese auch aufgrund ihrer dienstlichen Verwendung Zugriff auf fremde Gelder haben.

Der Beschuldigte bekannte sich am Beginn der Disziplinarverhandlung für schuldig und vermochte in der Folge den erkennenden Senat davon zu überzeugen, dass er seit dem Bekanntwerden seiner Veruntreuungen alles daran gesetzt hat, den Schaden nach Möglichkeit gut zu machen und durch Annahme von psychologischer Hilfe seiner pathologischen Kaufsucht Herr zu werden.

So hat er sich freiwillig einer dreimonatigen Therapie am Anton-Proksch-Institut unterzogen und blieb auch danach im Kontakt mit dem Verein für ambulante Psychotherapie. Er hat Euro 36.000 an Schadenswiedergutmachung geleistet und plant daneben die Abzahlung der alten Schulden in den nächsten 2-3 Jahren.

Insgesamt betrachtet war damit durch den erkennenden Senat von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen.

Zur Strafbemessung:

Gemäß § 93 Abs 1 BDG 1979 ist das Maß für die Höhe der Strafe die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken.

Da gemäß § 91 BDG 1979 nur schuldhafte Dienstpflichtverletzungen strafbar sind, kann daher auch nur die Schuld das grundlegende Kriterium für die Beurteilung der „Schwere“ der Dienstpflichtverletzung sein (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, 4. Auflage, Seite 103 Mitte).

Fallbezogen stand das widerrechtliche Verhalten des Beschuldigten im engen Zusammenhang mit seiner pathologischen Kaufsucht, die zwar einen Krankheitswert aufweist, aber wie bereits das Straflandesgericht X angenommen hat, nicht von einer Intensität war, die die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit ausgeschlossen hat. Die Kaufsucht des Beschuldigten wird durch den erkennenden Senat als Milderungsgrund herangezogen, wenngleich die Veruntreuung einer so großen Summe durch zahlreiche Einzelzugriffe über mehrere Jahre weiterhin als schwere Dienstpflichtverletzung zu werten ist.

In spezialpräventiver Hinsicht, zur Frage inwieweit eine Bestrafung des Beschuldigten erforderlich ist, um ihn künftig von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten, ist auf die in der Disziplinarverhandlung gewonnene positive Zukunftsprognose zu verweisen.

Andererseits wurde durch die Dienstrechts-Novelle 2008 im zweiten Satz des ?§ 93 Abs. 1 BDG die Zielsetzung, 'der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken', als zusätzliches Strafbemessungskriterium in das Gesetz eingefügt. Nach der nunmehr geltenden Rechtslage kommt der spezialpräventiven Erforderlichkeit der Strafe bei der Bemessung daher nicht mehr eine derart wesentliche Bedeutung wie bisher zu und sind Gründe der Generalprävention wie solche der Spezialprävention für die Bemessung der Strafe gleichrangig zu berücksichtigen. Ist eine Disziplinarstrafe in einem bestimmten Ausmaß geboten, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken, dann haben gegebenenfalls spezialpräventive Überlegungen, die eine solche Disziplinarstrafe nicht als erforderlich erscheinen lassen würden, demgegenüber zurückzutreten (BVwG
W 146 2119466-1, 20.2.2017).

Auch wenn die Österreichische Post AG nicht unmittelbar geschädigt ist, waren die Veruntreuungen des Beschuldigten, durch die mediale Berichterstattung und die Schadenshöhe im hohen Maß geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben zu beeinträchtigen. Dies wiegt umso mehr, als der Beschuldigte als Gewerkschaftsfunktionär in der Öffentlichkeit stand und seiner Vorbildfunktion gerecht zu werden hat.

Zusammenfassend wurden das reumütige Geständnis, die bisherige disziplinäre Unbescholtenheit, die hervorragende Dienstbeurteilung, das ernste Bemühen zur Schadenswiedergutmachung und Krankheitsbewältigung, die pathologische Kaufsucht und die angespannte finanzielle Situation des Beschuldigten mildernd gewertet.

Erschwerend ist der lange Zeitraum des kriminellen Verhaltens, die Schadenshöhe, die eingetretene mediale Publizität und die Ausnützung einer Vertrauensstellung zu sehen.

Im Hinblick auf die vorliegenden Milderungsgründe ging der erkennende Senat daher davon aus, dass die Verhängung einer Geldstrafe von einem Bruttomonatsbezug, abstattbar in 36 Monatsraten, schuld- und tatangemessen ist. Dieses Strafausmaß, das sich im unteren Bereich befindet, ist gerade noch als ausreichend anzusehen, um künftig den Beschuldigten, aber auch andere Bedienstete von gleichartigen Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.

-END-

Bei der Strafbemessung wurde stark auf die persönliche und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beschuldigten Rücksicht genommen. NN hat einen Bruttomonatsbezug von Euro 5.816, wobei ihm nach Abzug der Lohnpfändung in Höhe von Euro 1.750 und den monatlichen Rückzahlungen von Euro 500 netto in etwa Euro 1200 netto verbleiben. Aus dieser Summe sind noch Euro 400 für Miete und Betriebskosten zu bestreiten.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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