TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/18 LVwG-AV-1010/001-2019

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Veröffentlicht am 18.12.2019
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Entscheidungsdatum

18.12.2019

Norm

GewO 1994 §87 Abs1 Z3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Cervenka-Ehrenstrasser über die Beschwerde der A, vertreten durch B Rechtsanwalt GmbH, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 9. August 2019, ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

A ist seit 7.6.2019 Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Ausbildung, Betreuung, Pflege und Vermietung von Tieren sowie die Beratung hinsichtlich artgerechter Haltung und Ernährung von Tieren mit Ausnahme der den Tierärzten vorbehaltenen diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten“ im Standort ***, ***.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 9. August 2019, ***, wurde die Gewerbeberechtigung gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 entzogen.

In der Begründung wurde auf das Verwaltungsstrafregister der Bezirkshauptmannschaft Amstetten verwiesen, wonach gegen Frau A folgende Verwaltungsstrafvormerkungen vorliegen würden:

Übertretung nach: § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 5 Abs. 1 iVm § 2 iVm § 3 NÖ Hundehaltegesetz, rechtskräftig am 19.3.2019, Strafbetrag € 300,00

Übertretung nach: § 10 Abs. 1 Z. 10 iVm § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz, rechtskräftig am 25.9.2018, Strafbetrag € 100,00

Übertretung nach: § 63 Abs. 1 lit. c iVm Abs. 2 iVm §§ 2c, 7 und 8 Tierseuchengesetz iVm § 33 Abs. 8 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung, rechtskräftig am 24.9.2017, Strafbetrag € 150,00

Aktuell sei ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach § 10 Abs. 1 Z. 6 iVm § 5 Abs. 1 iVm § 2 iVm § 3 NÖ Hundehaltegesetz anhängig.

Unter Verweis auf die Bestimmung des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 wurde ausgeführt, dass für die Ausübung des gegenständlichen Gewerbes die Bestimmungen des NÖ Hundehaltegesetz und des Tierseuchengesetzes relevant seien, da ihr Gewerbe ausschließlich den Umgang mit Tieren betreffe.

Ob ein Verstoß gegen die einschlägigen Rechtsvorschriften als schwerwiegend zu beurteilen sei, ergebe sich aus der Bedeutung des verletzten Schutzinteresses. Als besonderes Schutzinteresse sei der Schutz vor Gefährdungen der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit zu werten. Das NÖ Hundehaltegesetz diene gemäß § 1 Abs. 1 leg. cit. dem Schutz von Mensch und Tier vor Gefährdungen und Belästigungen. Gemäß § 8 Tierseuchengesetz sollten mit dem genannten Gesetz und der Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung Tierseuchen oder Krankheiten, welche durch Tiere auf Menschen übertragbar seien (Zoonosen), bekämpft werden. Dies diene ebenfalls dem Schutz vor Gefährdungen der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit. Ihre Verwaltungsübertretungen würden somit eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit und die körperliche Sicherheit darstellen und seien daher insgesamt als schwerwiegend zu werten. Sie verfüge folglich nicht mehr über die gewerberechtliche Zuverlässigkeit, sodass die Gewerbeberechtigung zu entziehen gewesen sei.

Dagegen hat A, vertreten durch B Rechtsanwalt GmbH, ***, *** fristgerecht Beschwerde erhoben und beantragt, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufzuheben, in eventu den Bescheid aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Erstinstanz zurückzuverweisen.

Zur Begründung wurde zunächst vorgebracht, dass nach der Judikatur und auch den parlamentarischen Materialien zu § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung nicht etwa jeder wie auch immer geartete Verstoß bereits die Entziehung der Gewerbeberechtigung zur Folge haben dürfe. Es müsse sich um schwerwiegende Verstöße handeln, gegen die im konkreten Fall im Zusammenhang mit der jeweiligen Gewerbeberechtigung verstoßen worden sei.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass gegen die Beschwerdeführerin mehrere Bestrafungen vorliegen, so sei eine vorsätzliche Begehung niemals rechtskräftig festgestellt worden, sondern sei lediglich aufgrund der Qualifikation der gegenständlichen Delikte als sogenannte Ungehorsamsdelikte (und damit auf Basis Fahrlässigkeit) entschieden worden. Schon nach diesem Rechtsregime hätte eine Entziehung nicht stattfinden dürfen.

Weiters sei zu berücksichtigen, dass nicht schon jede geringe Verletzung der bei Ausübung des Gewerbes zu beachtenden Rechtsvorschriften zur Entziehung der Gewerbeberechtigung führen könne; als schwerwiegend seien Verstöße nur dann anzusehen, wenn sie geeignet seien, das Ansehen des betreffenden Berufszweiges herabzusetzen. Auf ihre Persönlichkeit und insbesondere auf ihre mangelnde Zuverlässigkeit würden die Bestrafungen keinerlei Rückschluss erlauben.

Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass das Tatbestandsmerkmal der schwerwiegenden Verstöße im vorliegenden Fall nicht durch für sich betrachtet schwere Verstöße herangezogen werden sollte, sondern durch eine Vielzahl geringfügiger Delikte der im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften, so habe sie keine für dieses Gewerbe relevanten Rechtsvorschriften verletzt. Eine Vielzahl von Bestrafungen liegt nicht vor.

Außerdem wurde geltend gemacht, dass gegen das Parteiengehör insofern verstoßen worden sei, als ihr keine Möglichkeit eingeräumt worden sei, zu diesen Vorwürfen, die zum vorliegenden Bescheid geführt hätten, Stellung zu beziehen.

Selbst wenn ihr einmal nachweislich Entsprechendes zugestellt worden wäre, wäre die Behörde verpflichtet gewesen, noch einmal nachzufragen (da sich gerade in den Sommermonaten bekanntlich ohnedies Zustellmängel häuften).

Es sei jedenfalls gegen keine relevanten, in Ansehung des betreffenden Gewerbes und damit in Zusammenhang stehende Rechtsvorschriften und Schutzinteressen qualifiziert verstoßen worden, sodass die Entziehung der Gewerbeberechtigung überschießend sei.

Mit Schreiben vom 6. September 2019 hat die Bezirkshauptmannschaft Amstetten die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat am 17. Dezember 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der die Verfahren
LVwG-AV-1010-2019 und LVwG-AV-1011-2019 aufgrund des sachlichen Zusammenhangs gemäß § 15 NÖ Landesverwaltungsgerichtsgesetz zu einer gemeinsamen mündlichen Verhandlung verbunden wurden.

In dieser Verhandlung wurde Beweis aufgenommen durch Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, *** und ***, sowie der Akten des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, LVwG-AV-1010-2019 und LVwG-AV-1011-2019, durch Verlesung der Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten zu den Zahlen ***, *** und *** sowie durch Einvernahme der Beschwerdeführerin.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat dazu wie folgt erwogen:

Von folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen ist auszugehen:

A ist seit 7.6.2019 Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Ausbildung, Betreuung, Pflege und Vermietung von Tieren sowie die Beratung hinsichtlich artgerechter Haltung und Ernährung von Tieren mit Ausnahme der den Tierärzten vorbehaltenen diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten“ im Standort ***, ***.

Gegen A liegen folgende rechtskräftige Strafverfügungen der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vor:

1.) Zl. *** vom 30.7.2018:

Mit dieser Strafverfügung wurde ihr angelastet, dass sie als Halterin eines Hundes der Rasse Rottweiler, somit eines Hundes mit erhöhtem Gefährdungspotential gemäß § 2 Abs. 2 NÖ Hundehaltegesetz, diesen am 11.5.2018 um 15:00 Uhr im Gemeindegebiet ***, *** nicht in einer Weise verwahrt hat, dass Menschen und Tiere nicht gefährdet oder unzumutbar belästigt werden konnten. Der Hund wurde in einer Kinderbetreuungseinrichtung nicht entsprechend verwahrt, sodass dieser ein Kind, C, beißen konnte.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 10 Abs. 1 Z. 10 iVm § 1 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 200,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 48 Stunden) gemäß § 10 Abs. 2 1. Strafsatz iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 NÖ Hundehaltegesetz verhängt.

2.) Zl. *** vom 22.2.2019:

Mit dieser Strafverfügung wurde ihr angelastet, dass sie zumindest am 15.1.2019 in ***, ***, drei Hunde, einen Rottweiler, einen Pit-Bull-Terrier und einen Jack Russell Terrier, gehalten hat, obwohl gemäß § 5 Abs. 1 NÖ Hundehaltegesetz das Halten von mehr als zwei Hunden gemäß § 2 und § 3 NÖ Hundehaltegesetz in einem Haushalt verboten ist. Beim Rottweiler und dem Pit-Bull-Terrier handelt es sich um sogenannte „Listenhunde“ gemäß § 2 NÖ Hundehaltegesetz. Drei Jack Russell Terrier wurden mit Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 25.7.2018, Zl. ***, als auffällig gemäß § 3 NÖ Hundehaltegesetz eingestuft, sie hat einen davon auch am 15.1.2019 gehalten.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 10 Abs.1 Z. 6 iVm § 5 Abs.1 iVm § 2 iVm § 3 NÖ Hundehaltegesetz iVm dem Bescheid der Stadtgemeinde *** vom 25.7.2018, ***, wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 300,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) gemäß § 10 Abs. 2 iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 NÖ

Hundehaltegesetz verhängt.

3.) *** vom 31.8.2017:

Mit dieser Strafverfügung wurde ihr angelastet, dass sie als Halterin gemäß Artikel 2 Abs. 2 lit. a der Verordnung EG Nr. 504/2008 eines Pferdes im Standort ***, ***, nicht innerhalb von 7 Tagen ab dem Tod dieses Tieres am 27.6.2017 der Bezirkshauptmannschaft Amstetten, Fachgebiet Veterinärwesen, in ***, *** das im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 oder Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 ausgestellte Identifizierungsdokument (Pferdepass) vorgelegt hat, obwohl gemäß § 33 Abs. 8 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung beim Tod des Equiden das im Einklang mit Art. 5 Abs. 1 oder Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 504/2008 ausgestellte Identifizierungsdokument zusammen mit dem TKV-Übernahmeschein innerhalb von sieben Tagen bei jener Bezirksverwaltungsbehörde abzugeben ist, die für die Haltung örtlich zuständig gewesen sei, sodann vom zuständigen amtlichen Tierarzt oder unter seiner Aufsicht unter Angabe des Datums des Todes ungültig zu stempeln, zu lochen und an die Kontaktstelle gemäß § 35 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung zu

übermitteln ist.

Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 63 Abs. 1 lit. c iVm Abs. 2 iVm §§ 2c, 7 und 8 Tierseuchengesetz iVm § 33 Abs. 8 Tierkennzeichnungs- und Registrierungsverordnung wurde über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 150,00 (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) gemäß § 63 Abs. 1 iVm Abs. 2 TSG verhängt.

Zu diesen Feststellungen gelangt das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich aufgrund der Einsicht in den unbedenklichen bezughabenden Verwaltungsakt, insbesondere in die darin inneliegende Verwaltungsstrafregisterauskunft betreffend A vom 17. Juli 2018. In Ergänzung wurde in die darin angeführten Strafverfügungen Einsicht genommen.

In rechtlicher Hinsicht wurde vom Landesverwaltungsgericht Niederösterreich wie folgt erwogen:

Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles ... und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Folgende rechtliche Bestimmungen kommen zur Anwendung:

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.

Schutzinteressen gemäß Z. 3 sind insbesondere die Hintanhaltung der illegalen Beschäftigung, der Kinderpornographie, des Suchtgiftkonsums, des Suchtgiftverkehrs, der illegalen Prostitution sowie der Diskriminierung von Personen aus dem Grund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft, ihres religiösen Bekenntnisses oder einer Behinderung (Art. III Abs. 1 Z. 3 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 – EGVG, BGBl. I Nr. 87/2008). Die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne der Z. 3 liegt auch dann nicht vor, wenn eine Eintragung eines Unternehmens in die Liste gemäß § 8 Abs. 10 Sozialbetrugsbekämpfungsgesetz – SBBG, BGBl. I Nr. 113/2015, aufgrund des § 8 Abs. 3 Z. 4 SBBG vorliegt.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Frage, ob es sich bei den festgestellten Verwaltungsübertretungen des Gewerbetreibenden um schwerwiegende Verstöße im Sinne des § 87 Abs. 1 Z. 3 GewO 1994 handelt, danach zu beurteilen, ob sich unter Berücksichtigung der Art der verletzten Schutzinteressen und der Schwere ihrer Verletzung der Schluss ziehen lässt, der Gewerbetreibende sei nicht mehr als zuverlässig anzusehen (vgl. VwGH 26.2.2014, Ro 2014/04/0013; 9.4.2013, 2012/04/0151; 14.3.2012, 2011/04/0209; 18.6.2012, 2012/04/0026; 28.2.2012, 2011/04/0171 etc.).

Ob schwerwiegende Verstöße vorliegen, ist auf Grund des bezughabenden Straferkenntnisses bzw. der Straferkenntnisse zu beurteilen. Schwere Verletzungen sind nach der Judikatur des VwGH etwa dann anzunehmen, wenn die Verstöße trotz erfolgter Bestrafung wiederholt begangen wurden (vgl. VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009 mit Verweis auf 11.9.2013, 2013/04/0107 sowie auf die Erkenntnisse vom 22.5.2012, 2012/04/0062 und vom 18.10.2012, 2012/04/0122, jeweils mwN). Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen ergibt, bedarf es bei der Beurteilung, ob der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z. 3 erfüllt ist, keiner Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des Gewerbeinhabers (vgl. VwGH 13.12.2000, 2000/04/0180 mit Verweis auf das Erkenntnis vom 14.4.1999, 99/04/0001; Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung 20113, § 87 Rz 14). Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass auf Grund von rechtskräftigen und nicht getilgten Bestrafungen feststeht, dass der Gewerbeinhaber schwerwiegende und noch nicht lange zurückliegende – somit für seine Zuverlässigkeit jedenfalls noch relevante – Verstöße rechtswidrig und schuldhaft begangen hat (vgl. VwGH 23.5.2014, Ro 2014/04/0009 mwN). Bei bereits getilgten Bestrafungen ergibt sich jedoch die mangelnde Zuverlässigkeit nicht zwingend aus den rechtskräftigen Bestrafungen wegen schwerwiegender Verstöße. In solchen Fällen hat die Behörde anhand des sich aus den Verstößen ergebenden Persönlichkeitsbildes des Gewerbetreibenden zu beurteilen, ob dieser die Zuverlässigkeit im Sinne des § 87 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 besitzt. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, ob der Gewerbetreibende in der Folge gleichartige Verstöße begangen hat, weil der Rückfall trotz rechtskräftiger Bestrafung ein wichtiges Indiz für die Unzuverlässigkeit darstellt (VwGH 25.6.2008, 2007/04/0137; Grabler/Stolzlechner/Wendl, Gewerbeordnung 20113, § 87 Rz 14).

A ist seit 7.6.2019 Inhaberin der Gewerbeberechtigung „Ausbildung, Betreuung, Pflege und Vermietung von Tieren sowie die Beratung hinsichtlich artgerechter Haltung und Ernährung von Tieren mit Ausnahme der den Tierärzten vorbehaltenen diagnostischen und therapeutischen Tätigkeiten“. Sämtliche Strafverfügungen wurden vor Erlangung der gegenständlichen Gewerbeberechtigung erlassen, auch der Tatzeitpunkt der zuletzt mit Strafverfügung vom 22.2.2019 angelasteten Verwaltungsübertretung (15.1.2019) liegt vor diesem Zeitpunkt.

Gemäß § 87 Abs. 1 Z. 3 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) ist die Gewerbeberechtigung von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen, insbesondere auch zur Wahrung des Ansehens des Berufsstandes, die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt. Aus der Formulierung „wenn der Gewerbeinhaber infolge schwerwiegender Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen“ geht zweifelsfrei hervor, dass nur solche Verstöße relevant sein können, die während einer aufrechten Gewerbeberechtigung vorfallen. Da sich die mangelnde Zuverlässigkeit für die Ausübung des Gewerbes als zwingende Rechtsvermutung aus den schwerwiegenden Verstößen auf Grund des bezughabenden Straferkenntnisses bzw. der Straferkenntnisse ergibt und sämtliche Strafverfügungen vor Erlangung der gegenständlichen Gewerbeberechtigung erlassen wurden, sind sie für die Beurteilung der Zuverlässigkeit nicht relevant.

Damit liegen keinerlei schwerwiegende Verstöße gegen die im Zusammenhang mit dem betreffenden Gewerbe zu beachtenden Rechtsvorschriften und Schutzinteressen vor, sodass der Schluss, dass die nunmehrige Beschwerdeführerin die für die Ausübung dieses Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze, nicht zulässig ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Gewerbeberechtigung; Entziehung; Zuverlässigkeit; schwerwiegender Verstoß; Tatzeit;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1010.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

17.02.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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