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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §7 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1953 geborenen DB in Wien, vertreten durch Dr. J und Dr. S, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Mai 1996, Zl. 103.820/4-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit rechtskräftigem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Mai 1993 wurde der Antrag des im Jahre 1990 in das Bundesgebiet eingereisten Beschwerdeführers auf Gewährung von Asyl abgewiesen. Der Landeshauptmann von Wien wies einen Antrag des Beschwerdeführers vom 28. Juli 1993 auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit Bescheid vom 26. März 1994 ab; die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres wegen Verspätung zurückgewiesen.
Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 30. Mai 1995, eingelangt bei der Aufenthaltsbehörde erster Instanz am 31. Mai 1995, beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszwecke den der unselbständigen Erwerbstätigkeit sowie Familienzusammenführung an. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 13. September 1995 den Antrag mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er auf ein Rundschreiben des Bundesministers für Inneres hinsichtlich der Behandlung von abgewiesenen Asylwerbern hinwies und geltend machte, über sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu verfügen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Mai 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, der Beschwerdeführer halte sich seit Abschluß seines Asylverfahrens im Jahr 1993 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und gehe einer geregelten Arbeit nach, weil er über eine Arbeitserlaubnis verfüge, obwohl er keinerlei Aufenthaltsberechtigung habe. Er falle nicht in jene Ausnahmegruppe, der eine Inlandsantragstellung gesetzlich ermöglicht worden sei, weshalb eine rechtmäßige Antragstellung im Inland gemäß § 6 Abs. 2 AufG nicht vorliege. Zu den persönlichen Verhältnissen sei zu sagen, daß nur die dargestellten familiären und beruflichen Beziehungen zu Österreich bestünden. Auch in der Berufung hätten keine Gründe vorgebracht werden können, die eine Entscheidung zugunsten des Beschwerdeführers herbeigeführt hätte. Bei Abwägung der öffentlichen Interessen mit den privaten im Rahmen des Art. 8 MRK seien aufgrund des angeführten Sachverhaltes den öffentlichen Interessen Priorität einzuräumen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 6 Abs. 2 AufG lautete:
"§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. .... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1; weiters in den Fällen des § 7 Abs. 2, des § 12 Abs. 4 und einer durch zwischenstaatliche Vereinbarung oder durch eine Verordnung gemäß § 14 FrG ermöglichten Antragstellung nach Einreise; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
§ 4 Z. 4 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits in Geltung stehenden Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1996, BGBl. Nr. 854/1995, lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Der Beschwerdeführer verfügte noch nie über eine Aufenthaltsbewilligung. In seiner Beschwerde macht er geltend, bereits seit 1990 in Österreich zu sein, seit 1991 ordnungsgemäß im Bundesgebiet beschäftigt zu sein und über einen Befreiungsschein mit Gültigkeit bis zum Jahr 2001 zu verfügen. Sein Fall sei analog dem zu betrachten, der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. 14.148, zugrundeliege, weshalb davon auszugehen sei, daß es sich um einen Verlängerungsantrag handle.
Mit dieser Ansicht ist der Beschwerdeführer aber im Irrtum. Im zitierten Erkenntnis qualifizierte der Verfassungsgerichtshof kurzfristig verspätete Bewilligungsanträge bei Vorliegen eines langjährigen und (z.B. auf Grundlage gewöhnlicher Sichtvermerke) rechtmäßigen Voraufenthaltes im Inland als Verlängerungsanträge. Diesem Erkenntnis ist allerdings auch ausdrücklich zu entnehmen, daß der Verfassungsgerichtshof im Falle rechtskräftig abgewiesener Asylwerber eine derartige Analogie nicht herstellen wollte. So hat der Verfassungsgerichtshof betont, daß im Falle von (abgewiesenen) Asylwerbern keine analoge Anwendung des § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG (in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) geboten sei.
Die belangte Behörde handelte somit nicht rechtswidrig, wenn sie den vorliegenden Antrag des Beschwerdeführers als Erstantrag qualifizierte.
Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung überdies nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, m.w.N.).
Vom Erfordernis einer Antragstellung aus dem Ausland war nur dann abzusehen, wenn der Beschwerdeführer zu jenem Personenkreis zählte, der aufgrund § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung der Bundesregierung ausnahmsweise zur Inlandsantragstellung berechtigt ist. Weder aus den vorgelegten Verwaltungsakten noch aus dem Beschwerdevorbringen ergeben sich jedoch Hinweise darauf, daß der Beschwerdeführer zu diesem Personenkreis zählt. Eine ausnahmsweise Zulässigkeit der Antragstellung im Inland ergab sich für den Beschwerdeführer auch nicht aus dem Umstand, daß ihm nach der Aktenlage ein gültiger Befreiungsschein ausgestellt worden war. Nach § 4 Z. 4 der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits anzuwendenden Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 war die Inlandsantragstellung für Inhaber eines Befreiungsscheines nur zulässig, wenn diese eine Aufenthaltsbewilligung (nach dem AufG) hatten. Dies war beim Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt der Fall. Selbst wenn der Beschwerdeführer über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 (oder nach § 5 Abs. 1 des Asylgesetzes 1968) verfügt haben sollte, wäre daraus für ihn nichts gewonnen, weil der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 4 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 854/1995 nur die im § 1 Abs. 1 AufG als "Bewilligung" bezeichnete besondere Berechtigung erfaßt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/0539).
Da der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung unbestrittenermaßen aus dem Inland gestellt hat und das im § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, nicht als bloße Formvorschrift zu werten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 96/19/1010), sondern als Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895), handelte die belangte Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie den unter Mißachtung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung abwies.
Dieses Ergebnis steht auch im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer ein abgewiesener Asylwerber ist, mit Art. 8 MRK im Einklang. Der Gesetzgeber der Novelle zum AufG, BGBl. Nr. 351/1995, hat im § 6 Abs. 2 AufG bereits auf die während eines berechtigten Aufenthaltes nach dem Asylgesetz 1991 begründeten, privaten und familiären Interessen eines Fremden im Inland Bedacht genommen und sich dafür entschieden, die Antragstellung vom Inland aus nur im Falle des Verlustes des Asyls zu erlauben. Eine weitere Bedachtnahme auf Art. 8 MRK durch die Behörde kommt daher nicht in Betracht. Verfassungsmäßige Bedenken dagegen, daß der Gesetzgeber die Antragstellung vom Inland aus auf Fälle des Verlustes von Asyl beschränkt hat, sind beim Verwaltungsgerichtshof auch aus Anlaß des vorliegenden Falles nicht entstanden. Eine Einschränkung des durch Art. 8 Abs. 1 MRK allenfalls geschützten Rechtes auf Neuzuwanderung zur Wahrung der durch einen Voraufenthalt begründeten persönlichen oder familiären Interessen durch § 6 Abs. 2 AufG ist - aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - durch Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt. Wie bereits erwähnt, ist der Fall des Beschwerdeführers entgegen seinem Vorbringen auch nicht mit jener Konstellation vergleichbar, die dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Juni 1995, Slg. Nr. 14.148, zugrundelag.
Soweit der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen, ihm zu ihren Annahmen hinsichtlich der fehlenden Möglichkeit zur Inlandsantragstellung Parteiengehör einzuräumen, ist er darauf hinzuweisen, daß sein Beschwerdevorbringen nach dem bisher Gesagten nicht geeignet ist, aufzuzeigen, wie die belangte Behörde bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 28. August 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996193083.X00Im RIS seit
02.05.2001