Norm
§8 B-GlBGDiskriminierungsgrund
GeschlechtDiskriminierungstatbestand
Sexuelle BelästigungText
Die Gleichbehandlungskommission des Bundes
Senat I
hat in der Sitzung am … über den Antrag von A (=Antragstellerin), in einem Gutachten nach § 23a Bundes-Gleichbehandlungsgesetz (B-GlBG), BGBl. I Nr. 65/2004 i.d.g.F., festzustellen, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau-Schwerpunkt Telekommunikation bei der Österreichischen Post AG von dem Bediensteten B durch mehrmalige „Klapse“ auf das Gesäß und das Reiben mit dem Becken an As Schulter gemäß § 8 (1) Z 3 B-GlBG sexuell belästigt worden sei und dass sie von der Vorgesetzten … dadurch diskriminiert worden sei, dass diese es schuldhaft unterlassen habe, angemessene Abhilfe gegen diese sexuelle Belästigung gemäß §8 (1) Z 2 B-GlBG zu schaffen, folgendes
Gutachten
beschlossen:
Es liegt eine sexuelle Belästigung von A durch B gemäß § 8 (1) Z 3 B-GlBG vor. Die unmittelbare Vorgesetzte … hat keine angemessene Abhilfe gegen die sexuelle Belästigung durch B gemäß §8 (1) Z 2 B-GlBG geschaffen und dadurch A auf Grund des Geschlechtes diskriminiert.
Begründung
Der Antrag von A langte am … bei der Bundes-Gleichbehandlungskommission (B GBK) ein.
Sie führte aus, dass sie ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau im … in der Postfiliale … begonnen habe und sich wegen der sexuellen Belästigung durch den Filialleiter Stellvertreter B und wegen der mangelnde Abhilfe bei sexueller Belästigung durch der Filialleiterin … aufgrund des Geschlechtes bei den sonstigen Arbeitsbedingungen als diskriminiert erachte.
Dem Antrag waren die Zeugenvernehmung von A bei der LPD X betreffend B, der Lehrvertrag und eine vom Lehrlingsbeauftragten … verfasste „Zusammenfassung zum Vorfall A - B“ angeschlossen.
Laut der Zeugenvernehmung habe sie ihre Lehre als Einzelhandelskauffrau in der Postfiliale … im … begonnen und sei für die Kundenbetreuung am A1 Schalter, am Postschalter und im Postlager zuständig gewesen. … sei die Filialleiterin, B der Filialleiter Stellvertreter und … sei als Lehrlingsbeauftragte für ihre Einschulung zuständig gewesen. Das Verhältnis mit allen Kollegen sei anfangs in Ordnung gewesen, bis ihr B im … im Durchgangsbereich zum Lager im Vorbeigehen mit der flachen Hand auf den Hintern gehaut habe. Er sei einfach weitergegangen und sie habe auch nichts gesagt, da sie so perplex gewesen sei. Den Vorfall habe niemand gesehen und sie habe es auch niemandem erzählt, aber es sei ihr unangenehm gewesen und sie habe sich dadurch belästigt gefühlt.
Nach diesem Vorfall habe sie zu der Filialleiterin … gesagt, dass sie sich in der Filiale unwohl fühle und sich versetzen lassen möchte, den genauen Grund dafür habe sie nicht erwähnt. Die Filialleiterin sei nach diesem Gespräch sehr böse auf sie gewesen und habe sie ab diesem Zeitpunkt abwertend behandelt. Sie habe sie ab diesem Gespräch ständig schikaniert, beispielsweise kontrolliere sie, wie lange sie (A) am WC sei, schreibe die Dienstpläne um, schicke sie in der Pause für sich einkaufen und sei ab diesem Zeitpunkt generell sehr unfreundlich gewesen. Bald darauf habe auch B das Verhalten der Filialleiterin übernommen und A habe sich immer unwohler an ihrem Arbeitsplatz gefühlt. Sie habe immer wieder von beiden zu hören bekommen, wie langsam sie sei, ob sie die Postpakete beschrifte oder bemale, weil bei der Post müsse das schnellergehen und ob sie überhaupt etwas könne.
Zwischen … und … habe ihr B mindestens acht bis zehn Mal mit der flachen Hand auf ihren Hintern gehaut. Diese Vorfälle seien meistens im engen Durchgang Richtung Lager passiert, sie habe sich nie etwas sagen getraut, weil er ihr Vorgesetzter gewesen sei und sie ohnehin schon genug Probleme mit der Filialleiterin und ihm gehabt habe.
Im … sei sie ebenfalls in diesem Durchgangszimmer gesessen und habe Briefe bearbeitet und sortiert. B sei im Raum gewesen und habe sich hinter sie gestellt, um eine Frage von ihr zu beantworten. Plötzlich habe er begonnen, sich mit seinem Becken an ihrer rechten Schulter zu reiben und sie habe sein Glied spüren können. Er habe sein Glied zwei oder dreimal bewusst mit Druck an ihrer rechten Schulter gerieben sie habe ihn daraufhin, erstarrt vor Schock, angestarrt und habe gar nichts sagen können, weil es sie so angeekelt habe. Er sei ohne Kommentar wieder aus dem Raum gegangen, sie habe den Vorfall hinuntergeschluckt und den Dienst normal fertiggemacht.
Sie habe bei allen Vorfällen nie zu B gesagt, dass sie diese Berührungen nicht möchte, weil sie so geschockt gewesen sei und sich nicht getraut habe, einen Vorgesetzten einfach zurechtzuweisen. B müsse aber aufgrund ihrer Reaktionen (geschockter Blick, Unwohlsein) gemerkt haben, dass ihr nicht gefalle was er tue. Sie habe diese Filiale nicht mehr betreten wollen und habe richtig Angst „vorm in die Arbeit gehen“ gehabt. Es sei schrecklich gewesen, weil sie sich niemandem habe anvertrauen können, da es ja um ihren Vorgesetzten gehe.
Ein paar Wochen später, im … habe sie …, einer … Angestellten in der Postfiliale, von den Vorfällen mit B erzählt und ihr sei geraten worden, dies sofort dem Lehrlingsbeauftragten … zu melden.
Als sie im … mit dem Lehrlingsbeauftragten ins Gespräch gekommen sei, habe dieser ihr von einer Kollegin erzählt, die ebenfalls durch „Pograpschen“ von B sexuell belästigt worden sei und sich auf eigenen Wunsch in die Postzentrale … habe versetzen lassen. Daraufhin habe sie ihm von ihren Vorfällen mit B erzählt. Er sei geschockt gewesen und habe gemeint, dass man das melden müsse. Sie habe ihn gebeten, die Vorfälle nicht zu melden, da sie nicht noch mehr Probleme mit der Filialleiterin und B haben wolle und ihr sowieso keiner glauben würde. Sie halte es keinen Tag mehr in dieser Filiale aus und wolle die Filiale wechseln, worauf ihr der Lehrlingsbeauftragte geraten habe, sich an den Betriebsrat zu wenden.
Sie habe sich daraufhin telefonisch an den Betriebsrat gewandt und sich danach vom Hausarzt krankschreiben lassen, weil sie es einfach nicht mehr ausgehalten habe. Sie sei psychisch fertiggewesen, habe nicht mehr Essen und Schlafen können und habe dauernd Bauchschmerzen gehabt. Vom Psychiater sei ihr eine Depression aufgrund Mobbing am Arbeitsplatz diagnostiziert worden, wegen der ihr Antidepressiva verschrieben worden seien und sie eine Psychotherapie mache. Nach einem Krankenstand vom … bis … habe sie mit … endlich in eine andere Filiale wechseln können. Ihr gehe es jetzt besser, aber es werde dauern, bis sie alles aufgearbeitet habe.
A könne auch eine andere Kollegin nennen, der B im … oder … auf den Po gehaut habe, den Vorfall habe sie persönlich gesehen, weil es, für alle sichtbar, beim Kundenschalter gewesen sei. Frau Sch. sei am Kundenschalter gestanden und B habe ihr mit der flachen Hand auf den Hintern geschlagen, worauf sie nur kurz gelacht und sonst nicht reagiert habe. Als A sie im … bzw. … telefonisch darauf angesprochen habe, habe Frau Sch. gesagt, dass sie das nicht melden werde, weil sie keinen großen Wirbel machen wolle, außerdem habe sie mittlerweile die Filiale gewechselt. Zeugen dieses Vorfalls seien der „Kollege …“, die Filialleiterin und sie (A) gewesen.
In seiner Zusammenfassung führte der Lehrlingsbeauftragte an, dass er am … nach Dienstschluss am Parkplatz auf eine Kollegin gewartet habe, um mit ihr den gemeinsamen Heimweg anzutreten. Als plötzlich um ..:.. sein Lehrmädchen A weinend aus der Filiale rausgekommen sei, habe er gefragt, was los sei. Sie habe geantwortet, dass B mit ihr geschimpft habe und garstig gewesen sei. In der Folge habe sie auch erzählt, dass sie von ihm im … sexuell belästigt worden sei. Er habe es nicht fassen können und habe ihr versichert, den Vorfall am nächsten Tag umgehend zu melden.
Als er den Vorfall am nächsten Tag dem Vertrauensmann der Post Gewerkschaft, …, erzählt habe, habe dieser geantwortet, dass er (der Lehrlingsbeauftragte) gar nichts zu machen brauche und er selber auch nichts machen werde, da er sich mit der Filialleiterin und B sehr gut verstehe. A müsse dies selbst bei der Filialleiterin, … (Lehrlingsbeauftragte der Österreichischen Post AG) oder der Polizei melden.
Eine Woche danach sei die Filialleiterin gefragt worden, ob sie schon vom Vorfall A und B wisse, worauf sie mit nein geantwortet habe. Nachdem der Lehrlingsbeauftragte ihr daraufhin vom Vorfall erzählt habe, habe sie sofort erwidert, dass B bestimmt niemanden belästigt habe und sie mit ihm über diesen Vorfall sprechen werde. Weil der Lehrlingsbeauftragte anschließend auf Urlaub und in … gewesen sei, könne er nicht sagen, was in der Zeit vom … bis … passiert sei. Um unangenehmen Situationen aus dem Weg zu gehen, habe er A vor seinem Urlaubsantritt dazu geraten, während seiner Abwesenheit in Krankenstand zu gehen, da er sie leider nicht anders beschützen könne, was sie auch getan habe.
Nachdem er am … wieder seinen Dienst angetreten habe, habe der Verkaufsleiter … ihn zu diesem Vorfall befragt. Als er erfahren habe, dass der Lehrlingsbeauftragte den Vorfall nicht gesehen habe, habe er wortwörtlich gemeint: „Wenn keiner etwas gesehen, die Kamera nichts gespeichert und der Vorfall sich bereits im … zugetragen hat, dann soll die Kleine „scheissen“ gehen.“ Der Verkaufsleiter habe den Vorfall zwar der Lehrlingsbeauftragten gemeldet, jedoch sei auch hier nichts Weiteres geschehen. Die Lehrlingsbeauftragte sei mit dem Verkaufsleiter sehr gut befreundet, daher sei es ihr wohl gleichgültig gewesen.
Als der Lehrlingsbeauftragte A am … gebeten habe, wegen einer Unterschrift für den Beurteilungsbogen in die Filiale zu kommen, habe sie ihm mitgeteilt, dass sie zu ihm kommen würde, aber auf keinen Fall zu der Filialleiterin, denn sie wolle mit ihr nichts mehr zu tun haben. A habe ihren Beurteilungsbogen trotz eines „Nicht genügend“ unterschrieben und somit anerkannt, sie sei zu diesem Zeitpunkt psychisch so angeschlagen gewesen, dass ihr alles gleichgültig gewesen sei. Sie habe als Betragensnote ein „Nicht genügend“ erhalten, weil sie laut der Filialleiterin zu B angeblich frech gewesen sei.
Im Nachhinein sei ihm dazu einiges Bewusst geworden. Während der ersten … Monate sei sie bei der Filialleiterin und B sehr beliebt gewesen und habe auch zu der … Angestellten ein sehr gutes Verhältnis gehabt. Als A ihr berichtet habe, dass B ungut wäre, habe sie ihr nur geraten, ihn sofort zurückzuweisen.
A sei in den letzten Monaten ihrer Arbeit hauptsächlich für die Post zuständig gewesen und habe mit dem … Verkauf nur mehr wenig zu tun. Ihm (dem Lehrlingsbeauftragten) sei in dieser Zeit allerdings mehrmals aufgetragen worden, etwas strenger zu A zu sein. Sie hätten öfters gemeinsam mit dem Verkaufsleiter … darüber gesprochen und auch immer wieder angedeutet, dass es auf diese Art nicht mehr weitergehen könne. Der Verkaufsleiter habe darauf nur wortwörtlich gemeint: „B ist einfach so. Das muss man akzeptieren. Er ist ein sehr guter Postler und die Filialleiterin eine sehr gute Chefin.“
Auf Ersuchen der B-GBK übermittelte die Österreichische Post AG mit Schreiben vom … eine Stellungnahme zum Antrag. Es wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Im … sei im Zusammenhang mit der Aufarbeitung eines Vorfalles betreffend angeblicher Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit Privatgeldern eines ihrer Lehrlinge auch die Belästigung von A durch B thematisiert worden. Seitens des Rechtsbereiches im Personalmanagement der Unternehmenszentrale seien sofort umfangreiche Erhebungen eingeleitet und die interne Revision um diesbezügliche Unterstützung ersucht worden. In der Folge seien alle in der Filiale … tätigen MitarbeiterInnen, B, die Filialleiterin, sowie die übergeordneten Führungskräfte und Lehrlingsbeauftragten über die Vorkommnisse befragt worden.
Die internen Erhebungen hätten in der Folge zu sehr ernsten arbeitsrechtlichen bzw. disziplinären Folgen für einige Beschäftigte und letztlich auch zu der im … erfolgten Strafanzeige gegen B geführt, ein Strafverfahren gegen diesen sei mittlerweile anhängig.
Zu den von A aufgezeigten Vorfällen wolle man festhalten, dass die Österreichische Post AG sexuelle Belästigungen welcher Art auch immer, in ihren Reihen nicht dulde. Vorkommnisse wie diese hätten strengste arbeitsrechtliche Konsequenzen zur Folge, erst recht, wenn es sich um gegen Lehrlinge gerichtetes Fehlverhalten handle.
Weil derzeit mit allen ihnen möglichen arbeits- und disziplinarrechtlichen Schritten gegen die Verantwortlichen vorgegangen werde und entsprechende Verfahren anhängig seien, werde um Verständnis ersucht, dass man sich dazu derzeit nicht im Detail äußern wolle.
Der Stellungnahme war die Niederschrift der Befragung von B durch den Erhebungsdienst der Post angeschlossen. In dieser wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Zu den besagten Vorwürfen der sexuellen Belästigung wolle B angeben, dass es schon vorgekommen sein könne, dass er einen „Klaps“ mit der verkehrten Handfläche auf das Gesäß der Person, die ihn beschuldige, gegeben habe. Es könne auch sein, dass es ein bis zweimal vorgekommen sei aber er habe dabei keinerlei Hintergedanken und es habe für ihn auch keine Bedeutung. Auf der Filiale hätten sie einen freundschaftlichen Umgang miteinander, dabei könne es schon zu Berührungen ohne Gedanken kommen. Auch er selbst habe schon ab und an einen Klaps von anderen Kollegen und Kolleginnen erhalten und dabei habe er mir auch nichts gedacht.
Auf die Frage, welche Mitarbeiterinnen dieser Klaps von ihm betroffen haben könne, gebe er an, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um A handle und eventuell um Frau …. Beide Kolleginnen hätten nie ein Sterbenswörtchen erwähnt, dass sie das stören würde. Auf die Frage, wie es dann sein könne, dass ein anonymer Hinweis über die sexuelle Belästigung beim Erhebungsdienst einlangt sei, in dem der Wortlaut von B zu der Mitarbeiterin gelautet haben soll „so einem Arsch könne er einfach nicht wiederstehen“, gebe er an, er wüsste nicht wann oder zu wem er das gesagt haben soll. Es könne natürlich schon sein, dass ihn jemand in der Küche oder im Aufenthaltsraum über so ein Thema sprechen gehört habe, aber er habe das zu keiner bestimmten Person gesagt.
Auf die Frage, warum er die Kolleginnen A und … genannt habe, antworte er, weil er im … von der Filialleiterin auf A angesprochen worden sei, es habe angeblich das Gerücht gegeben, dass er sich an A mit seinem Becken an ihrer Schulter gerieben habe. A habe in einem kleinen Zwischenbereich am Weg zum Tresorraum Einschreibsendungen und RsA und RsB Sendungen bearbeitet, dadurch, dass es dort sehr eng sei, könne es schon sein, dass er A irgendwie angestreift habe, was jedoch sicher nicht mit Absicht passiert sei. Er habe sich jedoch nie mit seinem Becken an A gerieben, so etwas würde er nie machen.
Nochmals gefragt, warum Frau … von ihm genannt worden sei, habe er geantwortet, dass er und auch andere Kollegen ein freundschaftliches Miteinander haben würden, es werde öfter mal ein Spaß gemacht oder sie würden manchmal alle nach Dienstschluss zusammensitzen. Gefragt, ob den Klaps andere Kollegen oder Kolleginnen mitbekommen oder gesehen hätten, habe er angegeben, dass es möglich sein könne, er habe das nicht im Verborgenen gemacht. Hätte eine betroffene Kollegin nur ein Wort zu ihm gesagt, hätte er sofort mit dem Klaps aufgehört, denn er habe sich nichts dabei gedacht. Er werde in Zukunft keine Klapse mehr an seine Kolleginnen und Kollegen austeilen.
Gefragt ob es in der Filiale vermehrt zu Alkoholkonsum während der Öffnungszeit der Postfiliale komme, habe er gesagt, ja, während der Dienstunterbrechung beim Mittagessen würden manche ab und an ein „Stamperl“ Schnaps trinken. Nach der Dienstzeit und nach der Öffnungszeit der Filiale, komme es schon vor, dass man sich zusammensetze und ein Glas Bier oder ein Glas Wein zu sich nehme. Es sei nie in seinem Sinne gewesen, irgendjemanden zu belästigen oder zu verletzten. Wenn sich die Kolleginnen so gefühlt haben, dann tue ihm das sehr leid und das werde er nie wieder machen.
Am … fand die Sitzung des Senates I der B-GBK (im Folgenden kurz Senat) statt, an der die Antragstellerin mit einer Freundin als Vertrauensperson, der Dienstgebervertreter …, … der Österreichischen Post AG und die Gleichbehandlungsbeauftragte (GBB) … teilnahmen.
Auf die einleitende Frage der Vorsitzenden, ob sie die Lehre bereits abgeschlossen habe und ob sie noch bei der Post beschäftigt sei, antwortete A, sie habe Anfang … die Lehrabschlussprüfung.
Auf Ersuchen der Vorsitzenden, zunächst die Vorfälle darzustellen und dann auch die Reaktionen des (angeblichen) Belästigers und der Dienstgeberseite zu schildern, führte A Folgendes aus:
Begonnen habe es mit ihrer Chefin …, die sei zu ihr „garstig“ gewesen, sie habe ihr ohne Grund den Dienstplan umgeschrieben. Es habe von ihr kein „Guten Morgen“ oder „Mahlzeit“ mehr gegeben. Man könne sagen, dass es zwei Gruppen gegeben habe, die Älteren und die Jüngeren, Die Filialleiterin habe zu den Älteren gehört. Auch B habe da dazu gehört, er sei der Stellvertreter der Chefin. Es habe mit Kleinigkeiten begonnen, wenn „Sachen nicht richtig“ gewesen seien oder wenn etwas verschwunden sei, habe es geheißen: „A: ins Büro!“. Sie sei immer die Schuldige gewesen. Nach einiger Zeit habe sie in den Fällen, in denen sie gewusst habe, dass sie bestimmt nicht schuld gewesen sei, vorgeschlagen, die Videoaufzeichnung anzusehen. Es habe sich dann gezeigt, dass „es“ B gewesen sei und nicht sie. Dann habe sie begonnen, Abstand zu halten. Auf den „Hintern“ habe B ihr einfach so gehauen, ohne Anlass, im Vorbeigehen, oder auch wenn sie neben ihm gestanden sei.
Auf die Frage, ob sie ihm nie gesagt habe, dass er das lassen solle, antwortete A, nein, das habe sie sich einfach nicht getraut. Er sei keine Respektsperson gewesen, aber sie habe schlicht Angst gehabt etwas zu sagen. Sie glaube aber, dass er aufgrund ihres Gesichtsausdruckes bemerkt habe, dass ihr „das“ nicht gefalle. Sie habe im Laufe der Zeit auch mitbekommen, dass er „das“ nicht nur bei ihr mache. Sie habe zwei Kolleginnen, bei denen sie „es“ gesehen habe, darauf angesprochen, und denen sei das egal gewesen, ihr selbst sei es allerdings nicht egal gewesen.
Sie habe begonnen, sich unwohl zu fühlen und habe die Chefin gefragt, ob man sie versetzen könnte. Den wirklichen Grund habe sie nicht gesagt, sie habe nur gesagt, dass sie sich nicht mehr wohl fühle. Offenbar sei das zu wenig gewesen, denn die Filialleiterin habe das Ganze noch ein halbes Jahr hinausgezögert, und dem Lehrlingsbeauftragten habe sie gesagt, er solle strenger zu ihr sein. Als dieser gefragt habe, warum, habe sie gesagt, wenn er es nicht mache, dann werde sie es tun. Sie (A) habe ihre Arbeit richtig gemacht, das habe die Chefin auch vor Gericht ausgesagt. Die Filialleiterin und B seien übrigens zu allen Lehrlingen so gewesen. Die Filialleiterin habe sie zwei oder drei Mal die Woche zum Einkaufen geschickt, auch zum Schuster, da habe sie sich schon ausgenützt gefühlt. B habe das vermutlich von der Chefin übernommen, er sei dann auch so zu ihr gewesen, sie habe wegen jeder Kleinigkeit Ärger bekommen. Sie habe schon Stress gehabt, von den Aufgaben herauszufiltern, welche sie zuerst erledigen sollte. Sie habe sich aber nicht getraut, etwas zu sagen.
Zu dem im Antrag beschriebenen Vorfall, nämlich, dass B sein Glied an der Schulter von A gerieben hätte, führte A Folgendes aus: Sie sei am Tisch gesessen und mit der Beschriftung mit Briefen beschäftigt gewesen. B sei hinter ihr gestanden und habe sich nach vorn gebeugt, weil sie ihn wegen des Namens auf einem Brief etwas gefragt habe. Er habe das Kuvert genommen, die Frage beantwortet, ihr das Kuvert zurückgegeben und dann mit seinem Becken an ihrer rechten Schulter gerieben, „so richtig, drei Mal hin und her“. Sie habe ihn dann angesehen aber nichts gesagt, weil sie einfach geschockt gewesen sei. Dann sei er in den Nebenraum gegangen, sie habe sich erst nach Monaten getraut, etwas zu sagen.
Auf die Frage nach dem Lehrlingsbeauftragten antwortete A, der sei für sie da gewesen. Er habe ihr Tipps gegeben, ohne ihn hätte sie das alles nicht geschafft. Er sei mit ihr zum Filialleiter gegangen und habe diesem gesagt, dass sie versetzt werde wolle, aber es habe nur geheißen, dass die Filialleiterin und B eben so seien und sie damit klarkommen müsse. Schließlich habe sie sich ihrer Mutter anvertraut und die habe sich dann an die entsprechenden Leute bei der Post gewandt. Sie sei erst ein Jahr später versetzt worden.
Auf die Frage, wo sie derzeit beschäftigt sei, antwortete A, sie sei derzeit im Krankenstand, sie könne auch heute noch nicht eine Postfiliale betreten, sie werde ihre Lehrabschlussprüfung machen und dann gehen.
Der Dienstgebervertreter führte aus, dass er beim Thema sexuelle Belästigung kein Pardon kenne. Wenn sich ein Vorwurf bestätige, setze er die schärfsten Maßnahmen. Der Personalbereich sei vom Filialbereich kontaktiert worden, aber nicht wegen einer sexuellen Belästigung, sondern es habe geheißen, es gebe einen Missstand. Es sei darum gegangen, dass eventuell Geld abhandengekommen sei. Der für diese Sache zuständig gewesene juristische Dienst habe den Lehrling, um dessen Geld es gegangen sei und dann auch A dazu einvernommen.
Im Rahmen dieser Einvernahmen habe sich herausgestellt, dass es in der Filiale … ein Alkoholproblem geben könnte. Der zweite Punkt sei gewesen, dass es auch sexuelle Belästigungen geben könnte. Dann sei er von seiner den juristischen Dienst leitenden Mitarbeiterin über den Sachverhalt informiert worden. Er habe angeordnet, alle einzuvernehmen und habe auch die interne Revision mit der Angelegenheit befasst. Da sei dann einiges hervorgekommen, die Filialleiterin sei entlassen und B suspendiert worden, es laufe dazu ein Disziplinarverfahren. Es habe sich herausgestellt, dass die für Lehrlinge zuständige Mitarbeiterin von dem Dienstgebervertreter bereits gerüchteweise von Belästigungen erfahren habe. Gegen diese Mitarbeiterin sei ebenfalls ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, denn bei diesem Thema sei höchste Sensibilität geboten.
A sei in eine andere Filiale gekommen. Sie sei im Krankenstand gewesen, deshalb man längere Zeit nicht mit ihr reden habe können. A sei auch aus familiären Gründen in einer schwierigen Situation gewesen, und sie habe daher von der Post finanzielle Unterstützung bekommen. Der Filialbereich sei an den Personalbereich mit dem Wunsch herangetreten, das Dienstverhältnis wegen des langen Krankenstandes aufzulösen, was abgelehnt worden sei, denn es sei nämlich wichtig, dass A die Lehre abschließe.
Der Dienstgebervertreter berichtete weiter, A sei, nachdem die Angelegenheit schon abgewickelt gewesen sei, in der Filiale gewesen und einer der älteren Bediensteten habe gesagt, dass sie die Filiale nicht mehr zu besuchen habe. In der Folge habe er (der Dienstgebervertreter) alle Bediensteten von … versetzt. Er glaube, es sei alles getan worden, was man im Rahmen der Gesetze machen könne. Das Unternehmen habe in Bezug auf B die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. B sei auch verurteilt worden, und zwar zu … Monaten bedingt bei einer Probezeit von … Jahren.
An dieser Stelle wandte sich die Gleichbehandlungsbeauftragte entschuldigend an A und sagte, es täte ihr leid, dass sie als Lehrling so allein gelassen worden sei.
Der Dienstgebervertreter setzte fort, dass er der Personalentwicklungsleiterin der Post den Auftrag erteilt habe, die Lehrlingsbeauftragten zu informieren bzw. zu instruieren, wie man mit dem Thema sexuelle Belästigung umzugehen habe. Es werde also diesbezüglich eine Schulungsmaßnahme geben.
Abschließend führte A aus, dass sie eine gute Mitarbeiterin gewesen sei und dass die Filialleiterin sie nicht habe versetzen wollen, weil sie „auch gute Zahlen gebracht“ habe. Sie habe am A1 Schalter gut verkauft, dennoch habe ihr ihre Vorgesetzte u. a. angeordnet, die Filiale zu putzen oder draußen Flyer zu verteilen. In der Folge berichtete A auch von den Alkoholproblemen einiger Bediensteter, was hier nicht näher wiederzugeben ist. Weiters führte A aus, dass sie in ihrer neuen Filiale … sehr gut gearbeitet habe, aber die Filialleiterin mit ihrem Chef andauernd telefoniert habe. Da hätten die Probleme wieder angefangen und sie sei auch von dort weggekommen. In der Folge sei es so gewesen, dass sie, egal in welche Filiale sie gekommen sei, von jedem auf die Vorfälle angesprochen worden sei.
Der Dienstgebervertreter erwähnte in der Folge, dass gegen den Schuldspruch im Strafverfahren ein Einspruch erhoben worden sei, weshalb das Disziplinarverfahren nicht weitergeführt werden könne.
A fügte noch hinzu, dass sie sei auch in finanzieller Hinsicht „schikaniert“ worden sei, bei der Abrechnung eines Betrages von … Euro im Zusammenhang mit der Lehrabschlussprüfung.
Der Dienstgebervertreter sagte abschließend, dass er Anordnung erteilt habe, A nicht weiter wegen irgendwelcher Angelegenheiten zu kontaktieren, sodass sie in Ruhe ihre Lehrabschlussprüfung machen könne.
Die B-GBK hat erwogen:
Gemäß § 8 Abs. 1 B-GlBG liegt eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes vor, wenn die Dienstnehmerin oder der Dienstnehmer im Zusammenhang mit ihrem oder seinem Dienstverhältnis
1. von der Vertreterin oder vom Vertreter des Dienstgebers selbst sexuell belästigt wird,
2. durch die Vertreterin oder den Vertreter des Dienstgebers dadurch diskriminiert wird, indem sie oder er es schuldhaft unterlässt, im Falle einer sexuellen Belästigung angemessene Abhilfe zu schaffen oder
3. durch Dritte sexuell belästigt wird.
Gemäß § 8 Abs. 2 Z 1 B-GlBG liegt eine sexuelle Belästigung vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht, entwürdigend, beleidigend oder anstößig ist und
1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt.
Nach den Erläuterungen zum B-GlBG sind unter einem „der sexuellen Sphäre zugehörigen Verhalten“ „körperliche, verbale und nicht verbale Verhaltensweisen“ zu verstehen.
Der Begriff Würde stellt darauf ab, dass der Umgang von Vorgesetzten und Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern bzw. von Kolleginnen und Kollegen von gegenseitigem Respekt gekennzeichnet sein sollte. Ob die Würde einer Person beeinträchtigt ist, ist nach einem objektiven Maßstab zu beurteilen.
Das wesentliche Merkmal einer sexuellen Belästigung ist, dass das Verhalten von der betroffenen Person unerwünscht ist. Die „Unerwünschtheit“ ist subjektiv, d.h. bezogen auf die „betroffene Person“ zu beurteilen; dies basiert auf der Überlegung, dass die einzelnen Menschen selbst bestimmen sollen, welches Verhalten für sie akzeptabel ist und welches sie als beleidigend empfinden (Praktische Verhaltensregeln und Maßnahmen der EG-Kommission (92/131/EWG) zur Bekämpfung sexueller Belästigungen). Unabhängig von der Erwünscht- oder Unerwünschtheit kann auch ein Verhalten als sexuelle Belästigung qualifiziert werden, wenn es „unangebracht oder anstößig“ ist. Je nach Massivität des Verhaltens können wiederholte Verhaltensweisen oder auch ein einmaliger Zwischenfall den Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllen.
Gemäß der Beweislastregel des § 25 Abs. 2 B-GlBG hat eine Antragstellerin/ein Antragsteller in den Fällen einer behaupteten sexuellen Belästigung diesen Umstand lediglich glaubhaft zu machen. Es obliegt dem/der der sexuellen Belästigung Beschuldigten, darzulegen, dass bei Abwägung aller Umstände eine höhere Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass die von ihr/ihm glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.
A behauptete, von B durch mehrmalige „Klapse“ auf den Hintern und dadurch, dass er sich im … mit seinem Becken an ihrer Schulter gerieben habe sexuell belästigt worden zu sein. B bestritt den zweitgenannten Vorfall und führte dazu aus, dass er sich nie mit seinem Becken an A reiben würde. Sie sei in einem engen Durchgang gesessen und es könne sein, dass er sie gestreift habe, dies sei jedoch sicher nicht mit Absicht passiert.
A hat in der Senatssitzung einen glaubhaften Eindruck gemacht und hat sich in ihrer Aussage nicht widersprochen. Aus dem Antrag und ihrem Vorbringen in der Sitzung ist erkennbar, dass das Verhalten von B unerwünscht war. Aus dem Umständen, dass A sich nach eigenen Angaben unwohl fühlte, im Zuge dessen versetzt werden wollte und wegen der Vorfälle in psychotherapeutischer Behandlung ist, kann geschlossen werden, dass Bs Verhalten eine für sie einschüchternde und demütigende Arbeitsumwelt geschaffen hat.
Zu dem Vorwurf der „Klapse“ auf das Gesäß führte B aus, es könne schon vorgekommen sein, dass er einen „Klaps“ auf das Gesäß von A gegeben habe, dabei habe er aber keinerlei Hintergedanken gehabt. In der Filiale hätten sie einen freundlichen Umgang miteinander, dabei könne es schon zu derartigen Berührungen ohne Gedanken kommen.
Der Senat hält dazu fest, dass es bei einer sexuellen Belästigung nicht darauf ankommt, was sich die handelnde Person dabei denkt, sondern darauf, wie die Handlung von der konkret betroffenen Person aufgenommen wird. Das Unterbleiben eines unverzüglichen Protests der/des Betroffenen bedeutet nicht, dass unerwünschte, unangebrachte, entwürdigende, beleidigende oder anstößige Verhaltensweisen toleriert werden oder entschuldigt sind.
„Klapse“ auf das Gesäß und sich mit dem Becken an der Schulter einer Arbeitskollegin zu reiben sind Handlungen, die zweifellos die sexuelle Sphäre berühren und (auch objektiv) die Würde der betroffenen Person beeinträchtigen, da sie jenen Respekt und jenes Verhalten vermissen lassen, das von den Bediensteten im Umgang miteinander erwartet werden darf. Derartige Handlungen im Rahmen des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses sind absolut unangebracht, und es ist nachvollziehbar, dass in der Folge eine Bedienstete oder ein Bediensteter ihre/seine Arbeitsumwelt als einschüchternd, feindselig oder demütigend empfindet.
Der Senat stellt daher fest, dass B durch „Klapse“ auf das Gesäß und das Reiben mit seinem Becken an ihrer Schulter A gemäß § 8 (1) Z 3 B-GlBG sexuell belästigte.
Gemäß den Ausführungen von A in der Senatssitzung ist der Lehrlingsbeauftragte … für sie dagewesen und hat sie zum Filialleiter begleitet, um eine Versetzung anzuregen. Nachdem er vom Vorfall erfahren habe, hat er dies gleich am nächsten Tag dem Vertrauensmann der Post Gewerkschaft gemeldet.
Der Vertreter der Österreichischen Post AG, …, hat nach Bekanntwerden der Vorfälle B suspendiert und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die Filialleiterin wurde entlassen.
Der Senat hält daher fest, dass der Dienstgebervertreter und der Lehrlingsbeauftragte eine angemessene Abhilfe gegen die sexuelle Belästigung durch B geschaffen haben und eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts gemäß § 8 (1) Z 2 B-GlBG nicht vorliegt.
Allerdings geht weder aus den schriftlichen Vorbringen, noch aus der Befragung des Dienstgebervertreters in der Senatssitzung hervor, dass die dem Dienstgeber Österreichische Post AG zuzurechnende Filialleiterin … nach Bekanntwerden der Belästigungen durch B angemessene Abhilfe gegen diese geschaffen hätte.
Der Senat stellt daher fest, dass eine Diskriminierung von A durch die Filialleiterin auf Grund des Geschlechtes wegen des schuldhaften Unterlassens einer angemessenen Abhilfe gemäß § 8 (1) Z 2 B-GlBG vorliegt.
Auf die schadenersatzrechtlichen Ansprüche des § 19 B-GlBG wird verwiesen.
Wien, Jänner 2020
Zuletzt aktualisiert am
31.01.2020